Intrinsische oder extrinsische Motivation

  • Liebe Kollegen,


    da ich es immer wieder interessant finde, vielfältige Meinungen zu hören und darüber zu diskutieren, möchte ich mal eine persönliche Situation zum Thema Motivation schildern.


    Ich habe eine sehr fleißige 8. Hauptschulklasse mit einer super Arbeitshaltung. Jetzt könnte man behaupten, diese Kinder sind intrinsisch motiviert. Das sind sie aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Alle Schüler motivieren sich über die Noten und wollen einen guten HS-Abschluss, damit sie danach den mittleren Bildungsabschluss erreichen können.
    Ist das nicht eher eine extrinsische Motivation? Wenn es diesen gesellschaftlichen Druck nicht gäbe, einen möglichst hohen Abschluss zu erreichen um einigermaßen gut leben zu können, würden sie ihre Zeit sicher nicht mit Lernen verbringen.
    Um ihre Motivation bzw. ihre Arbeitshaltung aufrecht zu erhalten, belohne ich sie in meinem Unterricht nicht nur für tatsächliche Leistung sondern auch für Fleiß.


    Zu Hause habe ich ein ähnliche, Problem. Mein Sohn geht nun in die zweite Klasse. Er vermeidet gerne anstrengende Aufgaben (z.B. Schreiben). Grundsätzlich lernt er gerne und geht auch gerne in die Schule, aber Anstrengung ist nicht so seine Sache. Trotzdem ist er stolz, wenn er etwas geschafft hat. Das führt allerdings nicht zu einer größeren intrinsischen Motivation bzw. Anstrengungsbereitschaft. Hausaufgaben macht er nicht, weil er darin einen Sinn für sich sieht oder gar Spaß daran hat, sondern weil er keinen Ärger bekommen will.
    Daher belohne ich seit längerem zu Hause seinen Fleiß mit einem Verstärkersystem. Ich tue mir schwer damit, Leistungen in Notenform zu belohnen, da er darauf nur einen geringen Einfluss hat.


    Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Schüler in unserem System nur eingeschränkt eine dauerhafte intrinsische Motivation haben können. Sowohl die Kleinen als auch die Großen arbeiten überwiegend für ihre Lehrer bzw. gesellschaftliche Anforderungen. Die Schüler haben noch gar nicht den Weitblick, für sich und ihr Leben zu lernen.


    Wie seht ihr das? Darf man Fleiß extrinsisch motivieren bzw. belohnen? Zerstört man damit sämtliche Eigenmotivation?


    Ich bin gespannt auf viele verschiedene Meinungen und Ansichten!

  • Erst einmal super, dass du so eine motivierte Klasse hast - ist ja im H-Zweig nicht immer der Fall. Ich muss da mal an meine Schulzeit zurückdenken und natürlich war auch das Feedback durch Noten oder Token-Systeme Motivation, sich im Unterricht besonders anzustrengen. Es gab Fächer, die ich sehr mochte und für die ich entsprechend auch aus eigener intrinischer Motivation heraus lernte. Dann gab es sowas wie Chemie oder Geschichte, die nicht gerade zu meinen Favoriten zählten. In diesen Fächern wollte ich aber auch keine schlechte Note und musste mich entsprechend stärker anstrengen. Letztendlich beschäftigt man sich immer auch mit Dingen, die man nicht so gerne mag, weil sie einfach dazu gehören. Meine Mutter mag es nicht zu bügeln - das muss sie aber auch mal machen. Oder wenn in meinem früheren Nebenjob im Schwimmbad auch Reinigungstätigkeiten verrichtet werden mussten... Alles notwendig, aber vlt. nicht immer super spaßig. Wenn da die Schule etwas darauf vorbereitet, weil man sich auch mal mit etwas außerhalb des Interessenspektrums beschäftigen muss, finde ich das OK.


    Mit freundlichen Grüßen

  • Hmm.


    Intrinsische Motivation wird ja definiert als die "innere, aus sich selbst entstehende Motivation."


    Wenn ich nun lerne, weil ich gerne einen guten Abschluss haben möchte, ist das doch innerlich entstehend. Wobei es auch Mischformen gibt.


    "Intrinsisch motivierte Tätigkeiten werden – im Gegensatz zu extrinsischen Motiven – um ihrer selbst Willen durchgeführt und nicht, um eine Belohnung zu erlangen oder eine Bestrafung zu vermeiden. Dabei schließen sich intrinsische und extrinsische Motive nicht zwangsläufig aus. Ein Angestellter kann z.B. seiner Arbeit sowohl aus Spaß an der Arbeit als auch dem Wunsch nach angemessener Bezahlung, Erfolg und Macht nachgehen. Viele Handlungen werden daher durch eine Kombination von intrinsischen und extrinschen Motiven durchgeführt."

  • Zu Hause habe ich ein ähnliche, Problem. Mein Sohn geht nun in die zweite Klasse. Er vermeidet gerne anstrengende Aufgaben (z.B. Schreiben). Grundsätzlich lernt er gerne und geht auch gerne in die Schule, aber Anstrengung ist nicht so seine Sache. Trotzdem ist er stolz, wenn er etwas geschafft hat. Das führt allerdings nicht zu einer größeren intrinsischen Motivation bzw. Anstrengungsbereitschaft. Hausaufgaben macht er nicht, weil er darin einen Sinn für sich sieht oder gar Spaß daran hat, sondern weil er keinen Ärger bekommen will.
    Daher belohne ich seit längerem zu Hause seinen Fleiß mit einem Verstärkersystem. Ich tue mir schwer damit, Leistungen in Notenform zu belohnen, da er darauf nur einen geringen Einfluss hat.

    Die wenigsten Kinder machen Hausaufgaben, weil es ihnen Spaß macht.


    Dass Zweitklässler keinen Sinn darin sehen, besonders wenn sie in der Schule gut sind und den Stoff beherrschen, ist ja logisch.
    Achtklässler sind da wohl schon etwas weiter und sehen vielleicht den Sinn darin, Englischvokabeln zu lernen, bei vielen ist der Sinn dahinter aber die gute Note und nicht die Fähigkeit, Englisch sprechen zu können.


    Ich würde ehrlich gesagt bei einem Zweitklässler, der in der Schule gut mitkommt, daheim die Hausaufgaben nicht groß belohnen. Sie gehören zu seinen Pflichten und Punkt. Da braucht es keinen Sticker von Mama, das sollte einfach selbstverständlich sein, dass er sie macht. Und wenn nicht, dann wird es Konsequenzen von der Lehrerin geben. Ich finde, Kinder müssen nicht wegen jedem Pups eine Belohnung bekommen.

  • @ Kathie
    Belohnung vielleicht nicht im materiellen Sinne. Jetzt müsste ich auch aus meiner Erfahrung als Kind berichten. Mich hat das immer sehr motiviert, wenn meine Mutter mich mündlich auf eine sehr herzliche Art (nicht unbedingt leistungsbezogen, aber die Anstrengungsbereitschaft) gelobt hat. So, dass ich mich - obwohl sehr lange her - noch heute daran erinnere.

  • Ich belohne meinen Zweitklässler nicht für Hausaufgaben ;-).


    Mir ist in der Grundschule alles zugeflogen. Ich musste nie etwas zusätzlich üben. Im Gymnasium bin ich mit dieser Arbeitshaltung ganz schön auf die Nase gefallen. Ich fand Lernen extrem anstrengend.


    Deswegen soll mein Sohn jeden Tag 10-15 Minuten etwas üben. Vieles davon ist nicht explizit Hausaufgabe, sondern wird von der Schule als Elternaufgaben erwartet und eingeplant... Genauso wie meine großen Schüler z.B. Vokabeln lernen. Ich möchte ihm damit angewöhnen, sich auch an unangenehme Aufgaben zu setzen, weil es eigentlich einfach dazugehört. So wie meine großen Schüler gute Noten schreiben, sehe ich bei ihm, dass seine Schrift schöner wird, er besser liest etc. -> Er verbessert sich, hat Unangenehmes überwunden und erlebt Erfolg für eigene Anstrengungsbereitschaft.


    Nur ist dieser Fleiß weder beim kleinen Sohn noch bei den großen Schülern wirklich intrinsisch motiviert. Mein Sohn hat zum Glück noch keine "Angst" vor Noten oder Schulabschlüssen bzw. dem Übertritt. Daher kann er für eine viertel Stunde Üben Aufkleber bekommen, die er eintauschen kann. Meine Schüler bekommen statt dessen ja Noten. Und jede Menge persönliches Lob gibt es für beide sowieso immer dazu!


    Aber die Frage bleibt, macht man durch extrinsische Motivation etwas kaputt?

  • Na, einen gewissen Druck machst du dadurch ja schon.
    Zusätzlich üben, Aufkleber bekommen.
    Ich persönlich bin kein Freund von derartigen Systemen, jedenfalls nicht bei Grundschülern, bei denen eigentlich alles läuft. Ich hab einige Familien gesehen, bei denen das das Kind dann irgendwann jegliche zusätzliche Übung verweigert hat, Aufkleber waren dann egal. Blöd, wenn das dann passiert, wenn’s nötig wäre. Also ich bin der Meinung, üben wenn nötig, weil nötig, und dann am besten ohne materielle Belohnung (Lob ist okay).

  • Den gleichen Druck mache ich als Lehrer aber doch auch?


    Es läuft bei fast allen und trotzdem schreibe ich Klassenarbeiten. Würde ich die nicht mehr schreiben, machen die wenigsten noch etwas.


    Ist das im Kleinen bei uns zu Hause dann nicht genauso?



    P.S.: Noch gibt es keine Aufkleber. Ich denke nur darüber nach. Heute war die Bedingung, dass es ohne 15 Minuten Üben eben kein Tablet gibt. Alles andere hätte er Spielen dürfen. Die Art der Belohnung ist doch zweitrangig. Wenn ein Kind sich etwas sehnlichst wünscht, könnte es sich das mit einer bestimmten Menge Aufkleber quasi verdienen.

  • Zwischen der Schule und dem Zuhause ist wohl ein Unterschied.
    Die Frage hier im Threadverlauf ist, muss man zuhause Druck aufbauen und Kinder durch Belohnung/Bestechung zu zusätzlichem Üben bringen, oder kann man Kinder im Grundschulalter, bei denen schulisch eigentlich alles läuft, einfach mal machen lassen ohne irgendwelche Token-Systeme am Kühlschrank?
    Und nein, die meisten Erst- und Zweitklässler würden in der Schule nicht weniger machen, gäbe es keine Klassenarbeiten, da bin ich recht sicher. Das ändert sich später. Ich vermute, mit Token-System könnte sich das schneller ändern als ohne.

  • Kann der/dem TE absolut zustimmen! Genau das gleiche beobachte ich bei meinen BBS SuS auch. Wenn ich an meine eigene intrinsische Motivation denke, dann wundere ich mich auch immer, wie wenig da vorhanden war und ist. Lernen war für mich nie Genuss sondern immer ein Mittel zum Zweck um etwas bestimmtes zu erreichen. Auch im Studium war das so. Ich beneide Menschen, die einfach aus Freude lernen können. Für mich sieht die Gleichung so aus: Lernen =Anstrengung = unangenehm. Ich wünschte es wäre anders, aber es ist so wie es ist. Große intrinsische Motivation kommt bei mir leider nur beim Backen und dekorieren auf :pfeifen:

  • ...Hausaufgaben macht er nicht, weil er darin einen Sinn für sich sieht oder gar Spaß daran hat, sondern weil er keinen Ärger bekommen will.


    Daher belohne ich seit längerem zu Hause seinen Fleiß mit einem Verstärkersystem.

    Den Zusammenhang verstehe ich nicht. Er hat keine Lust auf Hausaufgaben, deswegen belohnt du ihn und hoffst dann auf mehr Spaß an der Sache?


    Da ich an einer Schule ohne Noten unterrichtet wurde, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Kinder keine Noten brauchen. Sie lernen nicht mehr oder besser, wenn es Noten gibt.


    Im Grunde sind Noten auch nicht das, was man sich von ihnen wünscht: sie geben keine Rückmeldung über den Lernstand. Frage jeden beliebigen Schüler zwischen 6 und 15, warum er gestern eine 4 in Mathe oder 3 in Englisch bekommen hat und ich wette, dass er/sie dir nichts dazu sagen kann.


    Nun ist bei älteren Schülern einfach Fakt, dass sie bestimmte Sachverhalte auswendiglernen müssen, da mag die Note einen Erfolg widerspiegeln. Bei jüngeren Kids und vor allem, wenn es um "kapieren oder nicht kapieren" geht, kann man Noten m.M.n. getrost in die Tonne kloppen, da sie mehr schaden als nützen.


    Tokensysteme können helfen, sich selbst strukturieren zu lernen, ob das so bei einem 8-Jährigen hilft, darüber kann man streiten. Wenn's bei euch klappt- warum nicht? Nur Spaß am Schreiben wirst du so wohl eher nicht hervorkitzeln.

    Meine Mutter mag es nicht zu bügeln - das muss sie aber auch mal machen.

    Das sind die Momente, wo ich überlege, ob du eigentlich ein 70-Jähriger vom Lande bist.

  • bei der Arbeit nicht? Wieso bist du nicht Konditorin geworden? Ernsthafte Frage :)

    Schlechte Arbeitszeiten, schlechtes work-life-money Verhältnis :P Nicht falsch verstehen, ich arbeite sehr gerne als Lehrerin und der "exekutive Part" im Unterricht gefällt mir sehr. Die Vorbereitung wie zB das Einlesen in irgendein Thema ist für mich aber von Genuss sehr weit entfernt :pfeifen: Deshalb gehöre ich auch zu der Fraktion hier, die es nicht nachvollziehen kann, dass manche KuK einen "Bore-out" bei der Arbeit bekommen wenn sie xmal das gleiche unterrichten. Ich bin da froh drüber, schließlich entfällt dann der für mich lästige Teil und ich kann mich an der Ausführung erfreuen. Mit der Fächerwahl hat das auch nicht wirklich etwas zutun, bis auf Hauswirtschaft (find ich toll!) gab es für mich schon seit der Schulzeit nur die Kategorien "ist ok" und "geht gar nicht".
    Ich finde es auch nicht weiter schlimm, dass meine sus nur extrinsisch zu motivieren sind. Schließlich kenne ich das auch von mir selbst. Lernen muss meiner Meinung nach nicht immer toll sein. Es kann auch Anstrengung und Unlust bedeuten. Wichtig ist mir, dass man lernt den inneren Schweinehund in den Griff zu kriegen und seine Ziele zu erreichen OBWOHL der weg dahin nicht immer lustig und genussvoll ist.

  • Ich nenne mal zwei Beispiele.


    1. Meine Schüler hassen Vokabeln lernen. Sie sehen oft keinen Sinn darin, eine Fremdsprache zu lernen. Sie glauben fest an eine Zukunft von Google Translator o.ä. Sie lernen nur, weil es dafür Noten gibt. Noten = besserer Schulabschluss = besserer Job = mehr Geld = besseres Leben.
    Ist der Wunsch nach einem besseren Leben mit mehr Geld intrinsisch oder extrinsisch von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vorgegeben.
    Wenn ihnen jemand 4000€ pro Monat ohne Anstrengung schenken würde, würden viele ein bisschen fürs Selbstwertgefühl arbeiten und das Leben genießen. Das ist nicht verwerflich, aber eben auch nicht Realität.


    2. Mein Sohn hasst es, mit der Hand zu schreiben. Er empfindet es als anstrengend und will es vermeiden. Er glaubt fest daran, eine Maschine zu erfinden, die für ihn schreibt. Er übt nur, weil es dafür ein Aufkleber/Tabletzeit gibt (=Noten). Üben = Aufkleber = Tablet oder Belohnung = "besseres Leben".
    Wenn ihm jemand sagen würde, dass er keinen Deutschunterricht mehr haben muss, wäre er sofort dabei.


    Aus meiner Berufserfahrung weiß ich, dass Schüler es leichter haben, die gewisse Grundfertigkeiten ohne größere Anstrengung beherrschen (Lesen, Kopfrechnen, schnell scheiben etc.). So wie mein Kind wollen sich auch viele meiner Schüler gar nicht verbessern, weil es anstrengend ist und Anstrengung gerne vermieden wird. Gewisse extrinsische Anreize führen dazu, dass sie unangenehme Aufgaben erledigen und hinterher einen Lernerfolg haben.


    Daher spukt mir einfach immer im Hinterkopf rum, dass jeder Mensch eher extrinsisch motiviert arbeitet. Wenn ich mein Gehalt ohne Job bekommen würde, wäre das auch nett. Ab und zu ein paar Stunden unterrichten und den ganzen restlichen Stress nicht mehr haben, dafür aber komplettes Geld... Ich liebe meinen Job, aber viele Anteile meines Jobs mache ich nur extrinsisch motiviert, weil ich mich mit meiner Schulleitung nicht anlegen will.



    @Krabappel: Warum Hannelotti nicht Konditorin geworden ist? Na ich vermute mal, weil man da trotz zwei berufstätiger Erwachsener wohl mehr schlecht als recht mit dem Geld zurecht kommt. Ein Beamtengehalt ist halt doch was anderes wie ein Konditorengehalt.

  • bei der Arbeit nicht? Wieso bist du nicht Konditorin geworden? Ernsthafte Frage :)

    Krabappel, mir sind jetzt schon öfter Äußerungen, die in diese Richtung gehen von dir aufgefallen. Weil Konditor ein s... Job ist, da würde ich auch lieber Hobbybäcker bleiben. Das klingt immer so ein bisschen das, was man den Kindern heute erzählt "auch du kannst alles erreichen", "du hast halt andere Talente", etc. Naja, so rosig sieht der Lebensentwurf dann am Ende doch nicht immer aus.


    Ich bin da ganz bei Hannelotti, ich empfinde auch keine große intrinsische Motivation bei der Arbeit, ich mache sie halt für das Geld. Nicht oder weniger arbeiten wäre mir lieber, da bin ich genau bei den Schülern von FLIXE. Und jetzt?

  • Wenn dein Sohn Hausaufgaben macht, um keinen Ärger zu kriegen, reicht das doch für's Erste als Motivation. Überleg doch mal, wie viele Dinge du tust, um "keinen Ärger zu kriegen". Man kann überhaupt nicht früh genug anfangen, ohne großes Theater auch die Sachen zu machen, auf die man gerade keine Lust hat. Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Je weniger man darüber nachdenkt, ob man nun den Müll rausbringt und warum, desto besser. Irgendwann muss man das drin haben. Wenn man jung ist, fehlt halt diese Erkenntnis, und der Prozess bis dahin, den wir Erwachsenen steuern müssen, heißt "Erziehung".


    Klar, leuchtende Kinderaugen, wenn man einen neuen Buchstaben lernt oder ein Luftsprung, weil es endlich ans schriftliche Dividieren geht - das wäre fein. Aber woher will man wissen, dass es wunderschön ist, ein Buch zu lesen oder Mathematik zu machen, wenn man es noch nicht kann?


    Belohnungssysteme helfen nur wenig bei der Erkenntnis, dass es manchmal sehr lange dauert, bis etwas wirklich Spaß macht. Ist nun mal so beim Sport, bei der Musik und eben auch beim Lernen: Ohne Fleiß kein Preis. Ja, Eigenmotivation wird gestört durch "Fleißkärtchen". Wer Profifußballer werden will, trainiert halt. Ein Lob ist ein Ansporn, um zu sehen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Das ist aber was anderes als eine Belohnung. Die ist nicht notwendig. Nur für Dinge, die man nicht so gern macht.


    Wirklich schmerzhaft finde ich dagegen, dass wir Jugendlichen oft Dinge anbieten müssen, für die sie gerade gar nicht bereit sind. Sei es eine klassische Lektüre oder Unterricht zu früh am Morgen. Es gibt so wunderschöne Gedichte, die durch den Unterricht zu Unterrichtsstoff werden, und das in einem Alter, in dem man gerade ganz andere Sachen im Kopf hat.

  • ...
    Wenn ihnen jemand 4000€ pro Monat ohne Anstrengung schenken würde, würden viele ein bisschen fürs Selbstwertgefühl arbeiten und das Leben genießen.

    selbe Diskussion wie die ums bedingungslose Grundeinkommen. Kein Mensch ist mit Couch und Biersaufen glücklich, egal was du ihm monatlich überweist. Warum das für alle anderen gelten soll, für den Argumentierenden aber nicht, verstehe ich immer nicht. Niemand wird Lehrer, Arzt oder Bäcker, obwohl ihn alles daran anödet.


    Mein Sohn hasst es, mit der Hand zu schreiben. Er empfindet es als anstrengend und will es vermeiden. Er glaubt fest daran, eine Maschine zu erfinden, die für ihn schreibt.

    Die Maschine gibts schon :D


    Im Ernst, ich weiß das, ich hab auch Kinder. So gut wie jeder, der Kinder hat, weiß um den Hausaufgabenkampf. Du kannst ihm natürlich Aufkleber schenken oder den Computer erst anschalten, wenn geschrieben wurde. So machen es sicher die meisten Familien. Aber: du kannst keine intrinsische Motivatipm erwarten, wenn er was vorgesetzt bekommt. Würde ihm jemand zeigen, wie man eine Sprachapp entwickelt, die Texte ausdruckt, wäre er sicher begeistert bei der Sache. Vielleicht würde er anfangen, ein Forschertagebuch zu schreiben, wenn er morgen feststellt, dass er was wichtiges von gestern vergessen hat. Das kann Schule aber nicht leisten. Insofern bleibt nur: jeden Tag 10 min./ 5 Zeilen... schreiben, dann Tablet. So ist das eben bei euch.

  • Ich halte die, vor allem im Ref gepredigte, intrinsische Permanentmotivation für eine Mär.
    LehrerInnen, die versuchen, (alle) ihre SchülerInnen (stets) intrinsisch zu motivieren, werden scheitern.


    Ich (mit einer eher unmotivierten Schülerschaft betraut) halte es für viel sinnvoller, hin und wieder manche Schüler kurz zu motivieren - und dabei ist es mir egal, ob diese Motivation in- oder extrinsisch ist. Hauptsache, meine Schüler lassen sich überhaupt mal begeistern.


    Schule bedeutet meiner Meinung nach auch, dass die SuS auch mal etwas machen, obwohl sie gerade nicht motiviert sind. Das sollten wir Lehrer uns vielleicht manchmal öfter trauen.

  • Ich halte die, vor allem im Ref gepredigte, intrinsische Permanentmotivation für eine Mär.
    LehrerInnen, die versuchen, (alle) ihre SchülerInnen (stets) intrinsisch zu motivieren, werden scheitern.


    Ich (mit einer eher unmotivierten Schülerschaft betraut) halte es für viel sinnvoller, hin und wieder manche Schüler kurz zu motivieren - und dabei ist es mir egal, ob diese Motivation in- oder extrinsisch ist. Hauptsache, meine Schüler lassen sich überhaupt mal begeistern.


    Schule bedeutet meiner Meinung nach auch, dass die SuS auch mal etwas machen, obwohl sie gerade nicht motiviert sind. Das sollten wir Lehrer uns vielleicht manchmal öfter trauen.

    Amen.


    Und jetzt los, ab an die Uni. Dort erklärst Du das dem Rheinland-Pfälzischen Didaktikguru, der intrinsische Motivation (uns reine Selbsterarbeitung) predigt, aber in all seinen Vorlesungen Anwesenheitspflicht eingeführt hat, weil das ja so gut klappt :)

  • Hmm... ich denke, eine Mischform ist eher die Norm als die Ausnahme, wenn die extrinsische Motivation richtig triggert.


    Ein Beispiel aus meiner eigenen Grundschulzeit: Unser Rektor(und Klassenlehrer) hatte unsere Klasse als eine Art "Testballon" laufen lassen - keine Hausaufgaben, sofern die vorher bekanntgegebenen Ziele im Unterricht erreicht wurden. Und das klappte wunderbar - unsere Klasse schloß insgesamt mit weit besseren Ergebnissen als die beiden Parallelklassen ab. Natürlich kam dann beim Wechsel aufs Gymnasium der Schock "Wie, wieso denn Hausaufgaben?" - und so manche diktierte Matheaufgabe habe ich dann schon quasi während des Notierens gleich gelöst, was meinen Lehrer zwar irritiert, aber nicht geärgert hat - hey, ich wollte meine freien Nachmittage behalten. Und ja, ich habe dann öfter durch nicht gemachte Hausaufgaben "geglänzt", aber den Stoff konnte ich trotzdem (hab den ein oder anderen Lehrkörper durchaus provokant aufgefordert, das doch zu testen, wenn die mal wieder aus Prinzip wegen den fehlenden HA was schlechtes eintragen wollten, und hab dann auch gesagt, dass der Tag zu kurz ist für solchen langweiligen Quark, der nix bringt).


    Von zuhause gabs noch mehr "Motivation" - finanziell. Für ne 2 ne Mark, für ne 1 2 Mark. Allerdings hätte ich für ne 5 oder 6 auch bezahlen müssen (ist aber nie vorgekommen). Und fürs zeugnis wurden diese Beträge schlicht verzehnfacht... klar ist das ein Anreiz. Resultat bei mir - gute Leistungen, aber sicher kein "kleines Rädchen", das einfach nur "funktioniert".


    Insofern... mMn ist es seitens der LuL sinnvoll, interessante Dinge in Aussicht zu stellen, um zu motivieren. Daraus entsteht dann bestenfalls auch intrinsische Motivation bei den Schülern, weil eben Spaß dabei ist, und nicht (Konkurrenz)druck. Auch wenn die Gesellschaft es oft nicht wahrhaben will - gelassen erreichst du mehr und leistest auch mehr als verbissen, zumindest auf lange Sicht. Wenn irgendwann der Kanal voll ist, kannst du durch weiteres "powern" auch nichts mehr erreichen, außer Frust. Und der demotiviert. Da die richtige Dosis und das passende Timing zu finden ist ein Teil der Kunst, guten Unterricht zu machen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

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