(gefühlt?) mehr psychische Erkrankungen von Schülern?

  • Bzgl der Krippe: Welches Alter hast du als sehr früh erlebt?
    Gute Nacht!

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • ich müsste echt noch mal nachfragen, weil mir die direkte Erinnerung fehlt. Aber es waren nur wenige Wochen

  • , aber wie viele Kinder wachsen heute noch so behütet auf wie wir früher?

    Wir? Behütet? Har, har, kann ich da nur mit dem kehligen Lachen eines vom Leben und von Formaldehyddämpfen gegerbten Ü40ers widersprechen. Du Küken hast noch nie das hier gelesen, oder?



    [Disclaimer: Obiges ist fast vollständig ironisch zu verstehen. Insbesondere distanziere ich mich von dem verlinkten Text, den ich für eines der dümmlichsten, selbstgefälligsten Machwerke halte, die im Internet jemals zu lesen waren.]

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Schade, langsam driftet die ganze Diskussion zu einem sehr spannenden und wichtigen Thema sehr ab :angst:


    Ich habe gestern in meinem Chor herumgefragt (dort sind viele sehr verschieden pädagogisch arbeitende Personen dabei), was die über die Fragestellung denken und der Tenor scheint zu sein, dass allen zumindest zunehmend schneller wechselnde Lebenssituationen oder Sozialisationen auffallen der SuS - und ja, ich bin der Meinung, dass dies eine Anfälligkeit für psychische Erkrankungen erhöht.


    Wie seht ihr das????


    Dies bestätigen mir auch die ErzieherInnen meiner Kinder. Eine Förderschullehrerin sagte mir, dass sie eigentlich immer mehr nur das Sozialverhalten im Unterricht trainiert und immer weniger wirklich inhaltlich arbeitet. Auch das fällt mir an meiner Grundschule auf.


    Ich habe im pädagogischen Klima der Leistungsgesellschaft studiert, ebenso mein Abitur abgelegt und da wurde neben der Lernzielorientierung stark auch auf individuelle Kompetenzentwicklungen bei den SuS geachtet. Teilweise fällt mir das gerade auf die Füße, denn wenn etwas in einer Klasse eskaliert (ob nun durch psychische Krankheitsbilder entstanden oder nicht), kann ich nicht mehr völlig engstirnig nur auf die Wissensvermittlung gehen, um im Stoffverteilungsplan zu bleiben und das versuche ich verzweifelt seit diesem Jahr und es erscheint mir zunehmend falsch.

  • Ihr sitzt dem gängigen Klischee auf, dass "eure" Generation besonders viel zu leiden hat. Das haben schon Generationen vor euch so empfunden.
    Klar wird heute mehr Sozialverhalten trainiert - es ist auch mehr erwünscht. In einer Schule der 40er Jahre war es doch egal, wer was fühlte, da wurde drüber gebrüllt oder ähnliches. Klar erscheinen heute mehr psychichsche Erkrankungen - man spricht heute drüber. Meint ihr die vom Krieg traumatisierten Papis in den 40ern haben darüber geredet?
    Es ist, so wie es immer war.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich habe mich in den letzen Tagen auch vermehrt mit Bekannten über dieses Thema ausgetauscht - dabei waren die meisten nicht aus dem Pädabereich. Auch bei ihnen war zumeist der Tenor, dass sie eine gesteigerte Anzahl an Kindern/jungen Erwachsenen kennen, die in psychologischer Behandlung sind.
    Interssant fand ich die Aussage meines Schwagers, der meinte, dass wir in Deutschland bald bestimmt amerikanische Verhältnisse bekämen, in denen es fast zum guten Ton gehöre, einen Therapeuten zu besitzen. Ich kann es nicht beurteilen, da ich keine Kontakte zu Amerikanern habe.

  • Ich habe hier in diesem Thread nie behauptet, dass ich viel zu leiden gehabt hätte.


    Ich habe hier lediglich thematisiert, dass ich mich in der Funktion des Lehrers in einer stark veränderten Lehrsituation befinde und das Unterrichten nicht mehr so unbedingt funktioniert wie ich es mal gelernt habe.

  • Ich wollte dich nicht angreifen. Ich habe lediglich auf die Thread-Überschrift geantwortet!

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich habe im pädagogischen Klima der Leistungsgesellschaft studiert, ebenso mein Abitur abgelegt und da wurde neben der Lernzielorientierung stark auch auf individuelle Kompetenzentwicklungen bei den SuS geachtet.

    Welche Kompetenzentwicklung denn? Dass Du Dir da selbst widersprichst, siehe hier:



    kann ich nicht mehr völlig engstirnig nur auf die Wissensvermittlung gehen

    Ja sowas aber auch ... haben die Jugendlichen heutzutage offenbar keine Lust mehr einfach nur zu funktionieren. An mir ist "Kompetenzenentwicklung" während meiner eigenen Schulzeit jedenfalls völlig vorübergezogen. An die Art von Verständnis, die wir unseren Jugendlichen heute entgegenbringen wenn mal einer nicht mehr funktionieren will, kann ich mich auch nicht erinnern. Mag natürlich aber auch an meiner Schule gelegen haben, man darf Anekdoten ja nie verallgemeinern (was hier aber kräftig getan wird).



    dass wir in Deutschland bald bestimmt amerikanische Verhältnisse bekämen, in denen es fast zum guten Ton gehöre, einen Therapeuten zu besitzen

    Und wenn? Schafft Arbeitsplätze, ist doch gut. Bei uns in der Schweiz gehört es auch zum guten Ton einen eigenen Physiotherapeuten zu haben. Hab ich mir jetzt auch zugelegt. Psychotherapeut fände ich eigentlich auch mal wieder eine gute Idee, so lohnen sich langsam wenigstens mal meine Krankenversicherungsbeiträge. Im Ernst ... der zitierte Satz klingt eben schon wieder so, als sei irgendwas komisch dran sich einem Therapeuten anzuvertrauen wenn man das Gefühl hat dass einem die Dinge gerade über den Kopf wachsen. Den Teil der Geschichte, nämlich dass dem Wohlbefinden der Psyche heutzutage zweifellos ein erheblich höherer Stellenwert zugesprochen wird als vor 20 Jahren oder so, finde ich eine ausgesprochen positive Entwicklung.


  • ...
    Eine Förderschullehrerin sagte mir, dass sie eigentlich immer mehr nur das Sozialverhalten im Unterricht trainiert und immer weniger wirklich inhaltlich arbeitet. Auch das fällt mir an meiner Grundschule auf.

    Ob das mehr geworden ist, weiß ich nicht. Mir haben viele Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, erzählt, dass die Lehrer in ihrer Schulzeit sehr rigide waren. Z.B. mit einem Schlüsselbund oder Medizinball nach Schülern werfen oder mit einem Gegenstand auf den Kopf schlagen. Trotzdem gab es Lehrer, die sich nicht durchsetzen konnten und bei denen Halligalli angesagt war. Und selbst Verwandte, die in den 40er Jahren in die Schule gingen, erzählten von Lehrern, die sich nicht durchsetzen konnten, auch damals haben sich Kinder scheiße verhalten. Mobben und Kloppen auf dem Schulhof gab es auch, vermutlich wurde dann Karzer erteilt und nicht darüber gesprochen, wer sich wie fühlt.


    All das sind aber keine psychischen Störungen. Psychisch krank sind bei uns Kinder, die Missbrauch oder Misshandlung erlebt haben und deren Eltern psychisch krank sind und absolut unvorhersehbar agieren oder inadäquat auf kindliche Bedürfnisse reagieren. Diese Konstellationen haben sich m.E. nicht erhöht.


    ... dass allen zumindest zunehmend schneller wechselnde Lebenssituationen oder Sozialisationen auffallen der SuS - und ja, ich bin der Meinung, dass dies eine Anfälligkeit für psychische Erkrankungen erhöht.



    Wie seht ihr das????

    Ist der Wechsel innerhalb einer Generation denn so enorm? Ich behaupte mal, viele Kinder hängen zu viel am Bildschirm. Aber dass sich im Laufe ihrer Kindheit/Jugend gravierende Einschnitte ergeben, sehe ich nicht. Kein Krieg, kein Hunger, Wahrscheinlichkeit für Arbeitslosigkeit oder Beziehungsabbrüche nicht plötzlich höher. All das kann Traumata auslösen oder die Vulnerabilität für eine psychische Erkrankung erhöhen. Oder was fiele dir ein? Was änderte sich so plötzlich und schwerwiegend im Leben eines durchschnittlichen 2000er Kindes, dass es heute Depressionen hat oder autoaggressiv agiert?

  • Weil sich noch niemand zum Anstieg der Burnoutdiagnosen um 2010 geäußert hat, hier noch ein Ausschnitt aus dem Ärzteblatt:


    "Ergebnisse: Zwischen 2009 und 2014 stieg die Häufigkeit von ADHS-Diagnosen bei 0- bis 17-Jährigen von 5,0 % auf 6,1 % (mit einem Maximum von 13,9 % bei 9-jährigen Jungen) und bei 18- bis 69-Jährigen von 0,2 % auf 0,4 % an. Während bei Erwachsenen mit ADHS-Diagnose die Verordnung von ADHS-Medikamenten zunahm, sank sie bei Kindern und Jugendlichen. Meistverordneter Wirkstoff war Methylphenidat, gefolgt von Atomoxetin und Lisdexamfetamin. In der Transitionskohorte fiel der Anteil der ADHS-Diagnosen innerhalb von 6 Jahren von 100 % auf 31,2 % und die Medikationshäufigkeit von 51,8 % auf 6,6 %"


    So ist das mit der Hibbeligkeit von 9-Jährigen und den Diagnoseschwankungen... wer Aluhüte mag, könnte noch die Nachtigal bzw. Pharmalobby trappsen hören :engel:

  • Ja, kommt immer drauf an, welchen Zeitraum man wählt, ne? 2006 waren's halt nur 2.5 % aller 3- bis 17-jährigen. Grund für die heute seltenere Verordnung von Methylphenidat & Co ist, dass es zwischendurch mal eine Gesetzesänderung gab und seither nur noch Spezialisten verordnen dürfen. So ist das halt immer mit diesen doofen Zahlen. Man muss sich schon auch damit beschäftigen, wie sie zustande kommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • Grund für die heute seltenere Verordnung von Methylphenidat & Co ist, dass es zwischendurch mal eine Gesetzesänderung gab und seither nur noch Spezialisten verordnen dürfen.

    Und? Was beweisen würde, dass jeder Kinderarzt auf Zuruf der Eltern "mein Kind nervt in der Schule" verschreiben durfte und nicht unbedingt, dass plötzlich mehr oder weniger Kinder psychisch erkrankt waren.


    . So ist das halt immer mit diesen doofen Zahlen. Man muss sich schon auch damit beschäftigen, wie sie zustande kommen.

    Schaffst du mal einen Post ohne Überheblichkeit? Wäre sehr angenehm.

  • Krabappel schrieb: "Ist der Wechsel innerhalb einer Generation denn so enorm? Ich behaupte mal, viele Kinder hängen zu viel am Bildschirm. Aber dass sich im Laufe ihrer Kindheit/Jugend gravierende Einschnitte ergeben, sehe ich nicht. Kein Krieg, kein Hunger, Wahrscheinlichkeit für Arbeitslosigkeit oder Beziehungsabbrüche nicht plötzlich höher. All das kann Traumata auslösen oder die Vulnerabilität für eine psychische Erkrankung erhöhen. Oder was fiele dir ein?"


    Das finde ich schon sehr gut ausgedrückt. Es geht wahrscheinlich weniger um den Generationswechsel als mehr um die Sozialstruktur in dem Viertel, in dem man unterrichtet.


    Um hier genauer zu fragen: Wie geht ihr denn mit Schülern um, bei denen erwiesen ist, dass sie schwerwiegende psychische Probleme haben und das z.B. auf die Klassenatmosphäre ausstrahlt, weil von z.B. 20 Schülern ca. 5 stark vom Verhalten her auffallen?

  • Auch mich stört teilweise der Umgangston hier. Ist so einer der Gründe, warum ich dann teilweise wieder komplett aus dem Forum verschwinde, aber immer angemeldet blieb. Ich find's schade.

  • Und? Was beweisen würde, dass jeder Kinderarzt auf Zuruf der Eltern "mein Kind nervt in der Schule" verschreiben durfte und nicht unbedingt, dass plötzlich mehr oder weniger Kinder psychisch erkrankt waren.

    Hab ich jemals was anderes behauptet?



    Schaffst du mal einen Post ohne Überheblichkeit? Wäre sehr angenehm.

    Schaffst Du's auch mal Quellen vollständig zu lesen und zu reflektieren bevor Du daraus zitierst? Wäre sehr hilfreich. So wie Du zitierst hast sieht's ja so aus, als wären die Diagnosen sogar rückläufig. Das stimmt nur für den betrachteten Zeitraum und es stimmt auch nur, weil der Gesetzgeber offenbar irgendwann mal einen Riegel vorgeschoben hat. Das tat er sicher nicht ohne Grund.



    Wie geht ihr denn mit Schülern um, bei denen erwiesen ist, dass sie schwerwiegende psychische Probleme haben und das z.B. auf die Klassenatmosphäre ausstrahlt

    Als Klassenleitung hat man m. E. den Auftrag dafür zu sorgen, dass es eben möglichst wenig aufs Klassenklima ausstrahlt. Wir versuchen generell möglichst offen (sofern der betroffene Schüler erlaubt, dass darüber gesprochen wird) mit solchen Dingen umzugehen. Problematisch fürs Klassenklima sind z. B. häufige Absenzen bei kranken Jugendlichen (wobei da relativ egal ist, was die Ursache der Erkrankung ist). Wenn man darüber mit der Klasse nicht spricht ensteht schnell mal der Eindruck, man müsse das mit der Unterrichtspflicht nicht so ernst nehmen und dann häufen sich plötzlich die Absenzen in der Klasse insgesamt. Auch wenn Massnahmen wie z. B. eine verkürzte Beurteilungsperiode beschlossen werden, muss man das mit der Klasse besprechen damit alle verstehen, warum Schüler XY plötzlich nur z. B. 4 anstatt der üblichen 5 Leistungsnachweise pro Schuljahr beibringen muss. Wichtig finde ich auch, dass die erkrankte Person nicht zu sehr in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, das nervt irgendwann den Rest der Klasse zu Tode. Das wiederum ist gar nicht so einfach, wenn man - wie bereits geschrieben - ein paar notorische Hobbypsychologen im Klassenteam hat.

  • Danke für die Beantwortung meiner Frage. Das deutet für mich ganz sicher daraufhin, dass ich noch viel mehr im Unterricht kommunizieren muss, als ich bisher annahm und viel mehr aufpassen muss, dass ich nicht wieder in ein Burnout rutsche, weil ich eigentlich sehr ehrgeizig bin und mit meinen Schülern im Unterricht wirklich etwas erreichen möchte

  • Aber was haben *Dein* Burnout und *Dein* Ehrgeiz mit den Problemen der Jugendlichen zu tun?

  • Ich habe nie behauptet, dass MEIN Ehrgeiz und mein BURNOUT etwas mit den Problemen der Jugendlichen zu tun haben.


    Warum klingt denn das alles so vorwurfsvoll? Warum sprichst du mich nicht direkt an oder schreibst mir eine persönliche Nachricht, wenn du irgendein Problem bei mir vermutest?


    Ich nutze dieses Forum hier, um mir mit Hilfe von anderen ehrlich Fragen zu beantworten, die mir einen Beruf erleichtern, den ich sehr liebe und die Frage dieses Threads find ich einfach gut.

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