Am gleichen Strang ziehen - aber wie?

  • Liebe Mitglieder,


    an meiner Schule haben wir ein sehr lebhaftes Klientel. Das führt dazu, dass die SuS sich im Unterricht kaum an Gesprächsregeln halten können, viel ungefragt kommentieren und in fast jeder Klasse eine Grundunruhe ist. Ich habe es durch mehrere Systeme und Klarheit geschafft, dass in den Stunden eine Arbeitsatmosphäre aufkommen kann. Es fühlt sich aber für mich immer an, alswenn ich den Deckel auf einen Druckkochtopf drücke. Wann immer ich die Zügel locker lasse, geht gar nichts. Ich führe generell nur Einzelarbeit durch, weil viele SuS bei einer leichten Öffnung schon komplett ausbrechen. Für mich ist das anstrengend und auch wenig spaßig, da der Unterricht dadurch sehr gleichförmig wird. Der Lärmpegel ist mir in offeneren Settings dann häufig auch zu extrem, wodurch ich dauernd regulierend einschreiten muss und das halte ich auch keinen ganzen Schultag durch.


    Nervlich bin ich so weit, dass ich gegen diesen permanenten Drang zum Dazwischenreden gerne geschlossener agieren würde, weil es sich tatsächlich um ein generelles Problem des Klientels handelt und die Kollegen auch genervt sind. Neue Kollegen fallen an meiner Schule oft erst einmal vom Glauben ab, bevor sie sich an den Wahnsinn gewöhnen. Nun ist aber mein Problem, dass sich die Schulleitung nicht sonderlich dafür zu interessieren scheint und das Verhalten unserer SuS verharmlost (nebenbei nimmt sich die Leitung aus der Unterrichtsveranrwortung auch komplett heraus). Eine Kollegin hatte konkret den Wunsch geäußert, dieses Thema auf einer Konferenz zu besprechen, wurde aber eher abgeschmiert. Dennoch werde ich den Antrag auf eine Behandlung dieses Themas mit ihr zusammen aus der nächsten Konferenz stellen. Dazu sei auch gesagt, dass wir eine interne Regelung zum Umgang mit Störungen haben, die aber nicht einheitlich genutzt wird. Alleine das ist ja bereits ein Symptom, dass nicht alle Kollegen Vertrauen in das System haben und/oder dass es nicht zum Erfolg führt.


    Dann habe ich eine 6. Klasse, die unglaublich anstrengend für das gesamte Klassenkollegium ist. Bei einem Gespräch mit dem Klassenlehrer wirkte dieser aber nicht gerade begeistert von der Idee, für ein Regelsystem zu sorgen, an das sich alle halten. Und somit ist dann eigentlich jeder zu seinem Einzelkämpfertum verdammt, bzw. drückt weiter alleine den Deckel auf den Druckkessel und hütet sich vor dem Verbrennen.



    Meine konkrete Frage ist nun: Was für Möglichkeiten kann ich noch ausschöpfen, damit alle an einem Strang ziehen? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und konntet ihr an eurer Schule verbindliche Regeln zum Classroom Management etablieren? Wie habt ihr das geschafft?

  • Wir haben sehr viel ins Classroom Management investiert. Das wächst nun schon im 5. Jahrgang hoch, die neuen Klassenteams werden diesbezüglich intensiv vorbereitet. Meiner Meinung nach das einzige was wirklich hilft. So können auch Fachlehrer unterrichten, die Regeln und Rückmeldesysteme sind transparent und funktionieren eben bei allen gleich.
    Ich halte sehr viel davon. Wie man aber die Kollegen davon überzeugt? Vielleicht Mal gemeinsam an einer Schule hospitieren, die da schon zwei Schritte weiter ist?

  • Es ist mir immer wieder ein Rätsel, warum es unter Lehrern so schwierig ist, an einem Strang zu ziehen. Es hat doch jeder etwas davon.


    Wir haben an unserer Schule nach jahrelangem Herumdoktern seit einer Weile ein einheitliches pädagogisches Konzept, das von der SL forciert wurde, nachdem das Chaos in immer mehr Klassen um sich gegriffen hatte. Dafür bin ich der SL auch sehr dankbar.


    Mein Rat wäre deswegen: Geht eurer Schulleitung so lange auf die Nerven (z.B. mit Mails, Aktennotizen, Konferenzen), bis sie euch in eurem Ansinnen unterstützt. Such dir dazu Gleichgesinnte.

  • Am besten geht das meiner Erfahrung nach so:

    • Im Vorfeld informelle Mitstreiter suchen
    • Thema von mehreren Kollegen vorschlagen lassen
    • Wenn öffentlicher Vorschlag, dann schlägt einer vor und 2-3 melden sich mit unterstützenden Beiträgen.
    • Lehrerrat (Personalrat an der Schule) einbinden, falls es den bei euch gibt (Bundesland?)
    • Schulinterne Fortbildungstage sind prädestiniert für so ein Thema, falls es die bei euch gibt (Bundesland?). Für die werden ja immer (verzweifelt) Themen gesucht.
    • Falls alles nicht hilft, macht ihr es einfach mit den willigen Kollegen selbst und überlaßt die anderen ihrem Chaos. Je mehr Mitstreiter pro Klasse desto einfacher wird es natürlich.

    Einmal editiert, zuletzt von kodi () aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler

  • Konferenzbeschlüsse bringen nur was, wenn man sich sowieso einig ist, dann braucht man sie aber auch nicht. Lehrer ziehen nicht an einem Strang, weil sie einfach unterschiedlich sind. Man kann anderen Menschen aus vielen Gründen schlicht nicht vorschreiben, wie sie erzieherisch handeln sollen.


    Trotzdem denke ich, dass die Hauptfachlehrer und der Klassenlehrer Ruhe in den Laden bringen müssen. Fachlehrer mit Kurzfächern, die womöglich in besonders schwierigen Räumen stattfinden und von den Eltern als nicht so wichtig erachtet werden, haben es sonst einfach schwer. Die gute Nachricht ist aber: Es reicht, wenn zwei oder drei Kollegen in jeder Klasse zusammenarbeiten. Manchmal dauert es ein paar Wochen, in sehr vermurksten Klassen auch mal Monate, aber es lohnt sich meiner Erfahrung nach. Wenn Klassen erstmal gut laufen, bleibt es über Jahre einfacher. Und wenn man erstmal ein paar Klassen aufgeräumt hat, weiß man, wie es geht, dass es geht, wie lange es dauert, welche Konflikte auftreten werden, und der Ruf, den man sich erarbeitet, hilft auch. Es kommt jedes Mal recht bald der Punkt, an dem die Schüler selbst merken, dass es viel angenehmer ist, wenn sie sich an Regeln halten und der Unterricht interessanter wird. Dann muss man das üben, einfordern, durchsetzen, an Weihnachten hat man es fast immer geschafft. Bis dahin hilft nur Klarheit und Konsequenz. Dafür muss man aber nicht vorher die ganze Schule reformiert haben.

  • Nun ist aber mein Problem, dass sich die Schulleitung nicht sonderlich dafür zu interessieren scheint und das Verhalten unserer SuS verharmlost (nebenbei nimmt sich die Leitung aus der Unterrichtsveranrwortung auch komplett heraus).

    Da liegt bei euch der Hund begraben. SL hat Angst vor Eltern, Kollegen wollen bei SL bloß nicht auffallen. Nun hast du die Wahl: Willst du dich in allen Unterrichtsstunden gestresst und unwohl fühlen? Oder willst du lieber ab und zu von deinem Chef informiert werden, dass ein Vater angerufen hat?

  • Konferenzbeschlüsse bringen nur was, wenn man sich sowieso einig ist, dann braucht man sie aber auch nicht. Lehrer ziehen nicht an einem Strang, weil sie einfach unterschiedlich sind. Man kann anderen Menschen aus vielen Gründen schlicht nicht vorschreiben, wie sie erzieherisch handeln sollen.

    Einem Konferenzbeschluss gehen Diskussionen voraus, in denen jede*r (m/w/d) seine Bedenken einbringen kann. Beschlossen wird dann mit einer Mehrheit. Selbst wenn Kollege A keine Lust hat, Sanktionen durchzusetzen, gibt es trotzdem eine einheitliche Linie, an die sich Kollegen B,C und D halten können. Ich finde schon, dass es Sinn ergibt, ein gemeinsames Vorgehen zu beschließen. Und auch wenn's dem Schulleiter egal ist, kann trotzdem jemand das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Vielleicht haben ja mehr Kollegen Interesse daran als die, die es öffentlich zugeben...

  • Selbst wenn Kollege A keine Lust hat, Sanktionen durchzusetzen, gibt es trotzdem eine einheitliche Linie, an die sich Kollegen B,C und D halten können.

    Ja, das wär schon schön. Hab ich aber an keiner meiner (größeren) Schulen je erlebt. Vielleicht ist es bei symmetra ja anders? Auch wenn es nicht danach klingt, ehrlich gesagt.


    Einem Konferenzbeschluss gehen bei uns leider meist höchstens ausschweifende Wortmeldungen Einzelner voraus, begleitet vom Augenrollen der schweigenden, auf die Uhr schauenden Mehrheit. An den Beschluss fühlen sich viele von vornherein nicht gebunden. Muss man nicht gut finden, aber auch noch die Erwachsenen erziehen - nö.

  • Lehrer ziehen nicht an einem Strang, weil sie einfach unterschiedlich sind.

    Es kann doch nicht so schwer sein, dass man sich als Kollegium an einheitliche Spielregeln hält.


    Wenn es wie bei Symmetra eine interne Regelung zum Umgang mit Störungen gibt, dann ist doch nichts leichter, als sich einfach daran zu halten.


  • Einem Konferenzbeschluss gehen bei uns leider meist höchstens ausschweifende Wortmeldungen Einzelner voraus, begleitet vom Augenrollen der schweigenden, auf die Uhr schauenden Mehrheit. An den Beschluss fühlen sich viele von vornherein nicht gebunden.

    klingt ätzend. Und das hat m.M.n nichts mit Erziehung zu tun, sondern mit Unkollegialität.

  • Ich finde es gut, sich Mitstreiter zu suchen,
    kenne aber auch Schulen, in denen es wie läuft, wie @Ratatouille beschrieben hat.


    Und gerade wenn oder weil die ersten KollegInnen schon nicht mitziehen oder die SL nicht gewillt ist, das Thema allgemein aufzugreifen, ist es sinnvoll, zunächst gemeinsam mit einigen Lehrkräften oder dem Lehrerteam in bestimmten Klassen anzufangen.


    Die Alternative wäre ein Minimalkonsens, aber das ist bei diesem Thema Murks.

  • Moin,


    ich finde es tatsächlich schwierig, bestimmte Regeln mit allen Kollegen abzustimmen. Andere klappen allerdings super.
    So gibt es z.B. die klare Regelung, dass wir jederzeit Schüler in die Parallelklassen setzen dürfen, wenn die bei einem die Hütte auf den Kopf stellen. Außerdem haben wir ein Trainingsraumkonzept, an das sich jeder hält. Das Handyverbot ist auch allgemeingültig. Genauso haben wir eine gewisse Kleiderordnung. Wer seine Aufgaben nicht erledigt, sitzt in der Mittagspause und arbeitet. Etc.
    Als jedoch plötzlich jeder Lehrer so ein Smileyrennen in der Klasse gestalten sollte, haben wir gestreikt. Da stehe ich nicht hinter. Oder auch das Wegnehmen von irgendwelchen Steinchen, die vor den Schülern auf dem Tisch liegen. Das sind einfach nicht unsere Methoden und dabei fühle ich mich nicht wohl. Wenn die Konferenz nun per Mehrheit bestimmen würde, dass aber jeder Lehrer gefälligst diese ollen Steine benutzen soll, hätte ich auch mit den Augen gerollt.
    Es gibt allgemeine Regeln die wichtig und schlüssig sind (s.o.). Die Methodik dazu möchte ich aber selber wählen. Da reicht in der Regel Transparenz, Strenge, Konsequenz, Beziehungsaufbau, Elternarbeit.

Werbung