Eine Familie mit drei Kindern im ALGII-Bezug bekommt ca. 1700€ plus Miete plus Strom/Heizung. Da kommt man je nach Region schon auf rund 2500€. Ich kenne viele Facharbeiter, die ich zur Mittelschicht zählen würde, die unter dem Strich am Ende des Monat auch nicht mehr Geld zur Verfügung haben um ihre Familie zu ernähren. Die müssen dann aber auch noch Schulbücher, Klassenfahrten, Mittagessen in der Schule etc. aus eigener Tasche zahlen, während eine Familie im ALGII-Bezug das alles zusätzlich noch vom Amt finanziert bekommt.
Das war zwar im Ausgangspost noch eine vierköpfige Familie bei dir die mit 2000€ netto konkurrierte, aber es ist ja schön, dass du zumindest versuchst dich der Realität etwas anzunähern. Wagen wir dennoch den kleinen Faktencheck mithilfe eines ALG II-Rechners: Unsere fiktive Familie besteht also aus fünf Personen, zwei Erwachsenen und drei Kindern. Ohne Miete und Nebenkosten stehen ihnen je nach Alter der Kinder zwischen 911€- 1142€ vom Jobcenter zu zuzüglich 588€ Kindergeld (die bei der Berechnung des ALG II-Bedarfs zum Abzug gebracht werden) zuzüglich Miete/Nebenkosten von der Kommune und eventuellen Sonderbedarfen. Im Regelfall also stehen der 5-köpfigen Famlie für die Lebenshaltung ohne Miete/Nebenkosten 1499€ - 1730€ zu. Bedenkt man, dass ALG II das Existenzminimum darstellt und der Definition relativer Armut entspricht, ist das finanziell betrachtet nicht Mittel-, sondern Unterschicht und zwar ganz gleich, ob die Familie ALG II bezieht oder die 5 Personen ihre rund 2300-2500€ netto gemeinsam erwirtschaften für den Lebensunterhalt. Dein alleinverdienender Facharbeiter mit der 5-köpfigen Familie wird damit genauso zu einer Unterschichtfamilie, auch wenn sein Verdienst für ihn alleine betrachtet ihn natürlich besser stellen würde. Umgekehrt könnte eben diese "Facharbeiterfamilie" aufstockend ALG II verdienen beziehen, da ja die Zuverdienstgrenze die man mit ALG II hat noch nicht erreicht wird bzw. wenn gerade kein ALG II-Anspruch mehr bestehen sollte einen Wohngeldantrag stellen. Ganz so simpel wird man nämlich natürlich nicht von den Sozialversicherungssystemen abgevespert wenn man selbst arbeitet, wie du hier behauptest. Man muss halt wie sonst auch überall seine Rechte kennen und für sich kämpfen.
Was die "Wahnsinnszuschüsse" für Schulbücher, Klassenfahren und Co.anbelangt so sind diese Teil der Leistungen für Bildung und Teilhabe und stehen neben ALG II-Beziehern auch Wohngeldbeziehern offen. Da deine Vergleichsfamilien bei ihrer Familiengröße und ihrem Einkommen einen Wohngeldanspruch hätten (ggf.sogar ALGII-Aufstockung), könnten sie dies ebenfalls beantragen. Kein Grund für Sozialneid auf die Ärmsten der Gesellschaft also. Aktuell gibt es laut BAMF übrigens für Schulbedarf 150€ jährlich (soll ab 2021 jährlich erhöht werden analog zur Entwicklung der Regelbedarfe), Mittagessen/Schülerbeförderung sollen ab jetzt komplett übernommen werden, Lernförderung soll ermöglicht werden, wenn die Schule den Bedarf bestätigt, für weitere Aktivitäten (Musikuntericht, Vereinsmitgliedschaft...) gibt es einen monatlichen Teilhabebeitrag von aktuell 15€. Klassenfahrten werden übernommen.
Und ich möchte an dieser Stelle noch einmal wiederholen: Deine Beispielfamilie mit einem vergleichbaren Familieneinkommen als Facharbeiter hätte mindestens auch Anspruch auf Wohngeld und damit ebenfalls Anspruch auf die Leistungen aus dem "Starke-Familien-Gesetz" (Bildung&Teilhabe). Diesen Anspruch hat sie nicht, weil sie mit ihrem Familieneinkommen zur Mittelschicht gehört, sondern weil sie am Existenzminimum lebt und entsprechend einen Anspruch auf gesellschaftliche Unterstützung hat insbesondere im Hinblick auf Bildung&Teilhabe ihrer Kinder.
Wen du persönlich zur Mittelschicht zählen magst ist an dieser Stelle irrelevant, ökonomisch betrachtet leben beide Familien in relativer Armut.