Coming out im Jahre 2019?

  • Hallo Community,


    ausgehend von einer Vertretungsstelle, die ich nächste Woche antreten werde, habe ich mich gefragt, wie man eigentlich vor den SuS am besten mit seiner Homosexualität umgeht. Bei der Frage geht es jetzt nicht um die Vertretungsstelle, die war nur der Auslöser, sondern sie ist eher im Hinblick auf das Ref und für später gedacht.


    Auf der einen Seite haben wir 2019 und man sollte davon ausgehen, dass die Menschheit keine Probleme mehr mit nicht-heterosexuellen Partnerschaften hätte. Die Erfahrung, ja auch meine eigene, zeigt aber, dass dem nicht so ist und dass es selbst in Kollegien immer Menschen gibt, die damit absolut nicht einverstanden sind und einem das auch mehr oder weniger deutlich zeigen. Die Uni ist da irgendwie offener.


    Ich möchte mich nicht verstellen müssen, zumal ich mich auch noch sehr gut daran erinnere, wie sehr mir das Wissen um eine lesbische Lehrerin, die ich auch im Unterricht hatte, geholfen hat, mich nicht völlig unnormal und alienhaft zu fühlen, auch wenn diese selbst nicht geoutet war und dies vor SuS auch bis heute nicht ist. Ein Coming out vor meinen Klassenkameraden kam für mich nie in Frage, dafür hatte ich über die Jahren von deren Seite zu viel Negatives gehört. Daher rührt wohl auch meine eigene Unsicherheit wie ich in Zukunft mit der Situation umgehen soll.
    Gerade im Ref ist es nun einmal auch nicht ganz unwichtig was Schulleitung, Studienleiter, Eltern und nicht zuletzt die SuS von einem denken.


    Ich wäre sehr dankbar, wenn ich hierzu ein paar Meinungen oder persönliche Erfahrungsberichte hören bzw. lesen könnte. Diese Frage beschäftigt mich gerade ziemlich und hier im Forum lassen sich leider keine halbwegs aktuellen Threads dazu finden (wobei ich auch nicht ausschließen würde, dass ich einfach nur nicht in der Lage bin, die entsprechenden Threads zu finden). Ich studiere übrigens für LA Gym/Ge und werde voraussichtlich eher im ländlichen Bereich landen. Bin kein Großstadtmensch.


    Ps. Der Satz "aber die Heteros outen sich ja auch nicht" ist an dieser Stelle nicht wirklich angebracht. Sie machen es. Ständig! Sie merken es nur nicht. Ein "Wochenendausflug mit Freundin" wird vom Kollegen Schmidt nicht als Coming out gewertet, von Frau Nachgedacht dagegen sehr wohl.


    Viele Grüße
    Nachgedacht

  • Da ich selbst homosexuel bin:


    Ich würde mich im Referendariat und in der Probezeit danach nicht outen, da man in dieser Zeit zu subjektiv von anderen abhängt bzw. bewertet wird. Danach würde ich es so machen wie immer und jeder Situation. Sobald es sich im Gesprächsverlauf ergibt, antworte ich ehrlich, so wie es eine heterosexuelle Person auch tun würde. Z.B.


    "Herr X was haben Sie am Wochenende gemacht?"
    "Ich war mit meinem Mann..."


    "Herr X haben Sie eine Frau?"
    "Nein, aber ich habe einen Mann..." oder auch nur "Nein." ^^


    Und wegen Comming Out auf dem Land. Ich war damals in der 8 Klasse auf dem Land und habe ganz ehrlich auf die Frage "Hey hast du eine Freundin?" mit "Nein, aber ich such auch keine. Suche eher nach einem Freund" keine homophobe Reaktionen zu spüren bekommen. Land muss also nicht immer gleich homophob bedeuten :)

  • Ps. Der Satz "aber die Heteros outen sich ja auch nicht" ist an dieser Stelle nicht wirklich angebracht. Sie machen es. Ständig! Sie merken es nur nicht. Ein "Wochenendausflug mit Freundin" wird vom Kollegen Schmidt nicht als Coming out gewertet, von Frau Nachgedacht dagegen sehr wohl.

    Dafür schon mal danke! Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber es ist wahr!


    Ich habe selber keine Erfahrungen in dem Bereich (bin halt als Frau mit einem Mann verheiratet, wo die Liebe so hinfällt), weiß allerdings, wie das bei einer Bekannten abgelaufen ist:
    Sie hat lange einfach nichts gesagt und auf die Frage "haben Sie einen Mann/ sind Sie verheiratet" einfach nur mit "nein" geantwortet. Dann hat sie aber geheiratet und den Namen ihrer Frau angenommen. Sie hat den Eltern der SuS ihrer Klasse auf einem Elternabend, der zufällig kurz vor der Hochzeit standfand, gesagt, dass sie eine Frau heiraten wird. Die Eltern haben sich für sie gefreut und dann mit den Kindern ein Geschenk gebastelt (sie ist an einer Grundschule). Auch das hat eher im ländlichen Bereich statt gefunden. Sie sagt, es sei kein Problem gewesen.
    Mehr als das "erzählen" kann ich aber natürlich nicht.
    Rein vom Gefühl her, würde ich, was Coming Out angeht Berufsschule93 zustimmen. Alleine die Tatsache, dass ich einen festen Freund hatte, hat an meiner Refschule schon dazu geführt, dass man übrlegt hat, ob man mich überhaupt übernimmt, weil ich ja sicher bald Kinder bekommen würde und dann erstmal in Elternzeit und dann in Teilzeit verschwinden würde. (Ich habe die Stelle dann aber bekommen).

  • Hm. Wie formulier ich das, ohne dass es blöd klingt...
    "Doofes Thema, das eigentlich gar kein Thema sein sollte"?


    der letzte Abschnitt hat mich etwas verwundert... das siehst du als "Outing"... ich habe über das Thema "Outing" nie wirklich nachgedacht. Ich bin einfach ich, und das heißt, ich bin lesbisch, und das schon mein Leben lang.
    Ja - ein gesundes Selbstbewusstsein ist da absolut notwendig. Du musst dazu stehen, dass an dir eben nichts "falsch" ist, und dass die, die dummes Zeug reden, eben minderbemittelt sind, und deiner Aufmerksamkeit gar nicht erst wert. Jeder Mensch ist "anders", ich vermutlich sogar in ziemlich vielen Punkten "anders als die Mehrheit" - ich habe das als Stärke definiert, nicht als Schwäche, und damit lebt es sich ganz gut.


    Insofern... ich gehe nicht damit hausieren, dass ich lesbisch bin. Aber wenn jemand fragt, gibts eine wahrheitsgemäße Antwort, und wenn Fragen sind - wieso soll ich die nicht beantworten? Ich bin bei uns schließlich auch Vertrauenslehrerin, und wenn da jemand Fragen hat auch zu dem Thema... na wo ist das Problem?
    Wer nun weiß, dass ich lesbisch bin, weiß ich oft gar nicht, ist mir auch egal. Ich lebe weder in Texas noch in Bayern, sondern mitten in einer Großstadt im Ruhrpott. Die Anzahl der Leute, deren Meinung mich interessiert, ist... sehr überschaubar. Insofern denke ich, oft wird das Thema durch unwichtige Leute ohne Ahnung von der Materie überflüssigerweise aufgebauscht, und dem sollte frau dann einfach entgegenwirken. Tenor: Ja ich bin lesbisch, na und? Geht euch so ganz nebenbei überhaupt nichts an. Gibts auch noch was wichtiges? Nein? Na dann zurück zur Tagesordnung.


    Der "ländliche" Bereich ist natürlich wenig förderlich - da kannst du mit einer höheren Quote an merkbefreiten Ewigvorgestrigen rechnen, brauchst du also vllt noch ein dickeres Fell - oder du suchst dir eine angenehmere Nachbarschaft. Die mehr oder minder Anonymität der Großstadt hat schon ihre Vorteile. Ich such mir schon aus, wen ich in meinen Dunstkreis lasse, in einem Dorf, wo Nachbarn quasi denken, alles geht sie was an, weil sie eben Nachbarn sind, könnte ich nicht leben. Hier wohne ich in einem Mehrparteienhaus, wenn ich wen treffe sagen wir uns eben guten Tag, die Leute sind freundlich, und mehr geht sie nichts an. Die wissen vielleicht, Miss Jones ist Lehrerin, aber die kennen nicht mal meinen Vornamen. Wozu auch? Und im Kollegium... manche wissen es, aber auch das ist mir egal. Ich bin eben in mehrerlei Hinsicht anders als andere, wer damit nicht klarkommt, geht mir besser aus dem Weg.


    Die Leute, mit denen ich persönlicher zu tun habe, wissen das natürlich. Und da hat niemand Probleme mit. Wieso auch? Da die sexuelle Ausrichtung persönliche Wahl ist, und weder die eine noch die andere "natürlich" oder "falsch" ist, sollte frau da mMn auch gar keinen großen Zirkus machen. Potentiellen Nervensägen nimmst du mit dieser "ja und?" Einstellung am schnellsten jeglichen Wind aus den Segeln. Und sollte wirklich mal einer im Dunstkreis auftauchen, der "nervt", fliegt der da entweder raus, oder bekommt einen Spruch a la "wusstest du eigentlich, das sämtliche völkermordenden Diktatoren der Weltgeschichte heterosexuell waren?"


    WIe gesagt - gesundes Selbstbewusstsein. Lebenswichtig. Du bist du. Und wie du bist entscheidest auch nur du. Du bist besser, weil du eben nicht irgendwelchen Zwängen folgst, sondern das auslebst, was du bist. Und wer damit nicht klarkommt, kann ja gehen. Selbst mein Vater war nicht gerade "begeistert" davon - aber ich hab ihm halt gesagt, wenn du mal Opa werden willst, drück mir die Daumen, dass ich mal ne Partnerin finde, mit der zusammen ich vielleicht eiin Kind adoptiere - oder halt dich an meine Stiefschwester. Und Ende der Diskussion.


    Kannst mir ansonsten gerne mal ne PN schreiben, wenn dir danach ist.


    ;)

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Im Ref hab ich mich in der Schule nur bei Kollegen geoutet. Meine Mitreferendare und meine Seminarleiter wussten es auch alle, war da schon in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und das steht ja im Personalbogen. War kein Thema.


    An meiner jetzigen Schule bin ich auch bei den Schülern geoutet. Das hat sich nach einem halben Jahr dort ergeben. Ganz einfach durch die erste Frage: Sind Sie verheiratet? Ja. Was macht Ihr Mann beruflich? Meine Frau macht dies und das.
    Meine 7er waren ziemlich interessiert an dem Thema. Wann ich es gemerkt habe und so weiter... Ich antworte gerne auf solche Fragen, wenn sie nicht zu privat werden sondern allgemeiner Natur sind. Mein eigenes Coming Out war spät und sehr schwierig, ich hätte mir ein Vorbild gewünscht.
    Ähnliche Situationen kamen in 3 oder 4 Klassen vor. Die 5er haben teils sehr süß reagiert. Ein Junge konnte sich die ganze restliche Unterrichtszeit nicht mehr konzentrieren... Am Ende kam er zu mir und sagte: Das hab ich mir noch nie vorgestellt, dass eine Frau eine Frau heiratet. Aber ist ja auch voll cool. :)


    Es ist übrigens meine erste Stelle, ich bin in der Probezeit und im Brennpunkt mit 90 Prozent Migrationsanteil. Ich habe nach einem Outing in einer Klasse jeweils kurz die Klassenlehrer informiert, weil die es zu dem Zeitpunkt nicht unbedingt alle wussten. Damit sie entspannt reagieren können, falls die Kids fragen: Wussten Sie eigentlich,dass Frau.... Ja klar. Somit war es immer sehr entspannt. Dieses Jahr bin ich gespannt, weil ich Klassenlehrerin bin. Aber auch da wird es früher oder später die Runde machen. Ich finde es wichtig mich nicht zu verstecken und statistisch gesehen müsste sich aus jeder Klasse irgendwann Mal ein Schüler outen, da bin ich gerne Vorbild und sehe das auch als meine Aufgabe, Toleranz und einen entspannten Umgang damit (also sich nicht zu verstecken) vorzuleben.
    Habe aber durchaus etliche Kollegen, die sich nur im Kollegium outen.


    Spannend wird das Thema für mich evtl nochmal bei einer Schwangerschaft... wie geht denn das ;)

  • Eine Kollegin hat ihrer neuen 5. Klasse am ersten Schultag ein Foto ihrer Familie gezeigt, auf dem ihre Frau und die gemeinsamen Kinder zu sehen sind. Die Schüler waren interessiert und aufgeschlossen; gestört hat es niemanden.

  • Schade, dass man das Gefühl hat, sich outen zu müssen. So nach dem Motto, Leute bei mir stimmt was nicht, ist was anders. Das wollte ich euch sagen, hoffentlich mögt ihr mich noch. Schade, dass Homosexualität nicht so selbstverständlich ist, dass keiner danach fragt wie bei den Heteros. Ich bin in einer ländlichen Gegend und habe das Gefühl, dass die Leute normaler damit umgehen, als man denkt. Beim Aufklärungsunterricht in Klasse 4 kommt man mit den Schülern auch manchmal auf das Thema. Die sind sehr interessiert und finden da eigentlich nichts seltsam. Ich würde mich outen, wenn es irgendwie in die Situation passt, sonst geht es niemanden was an. Ebenso wie die Religion, Familienstand, was auch immer. Solche Dinge würde ich bei gegebenem Anlass klären.

  • In meiner Ref-Zeit war ein homosexueller Mitreferendar, der sich in der Schule nicht geoutet hat, im Seminar wussten es manche.
    Der Hinweis darauf, dass man von der doch auch subjektiven Einschätzung abhängig ist, ist auch in meinen Augen richtig.


    Danach ist er sehr offensiv damit umgegangen und hat auch Gruppen dazu gegründet,


    ähnliches siehe
    https://www.gew.de/ausschuesse…hwule-lesben-trans-inter/


    Persönlich würde ich denken, dass es ggf. auf Ort und Schule ankommt, viele auch auf dem Land dem offen gegenüberstehen ...,
    ... und erinnere gerade beim Nachdenken und Schreiben darüber, wie offen doch alle sind, dass mir der Umgang einer Kollegin mit homosexuellem Eltern-Paar sehr sauer aufgestoßen ist und gar nicht so freundlich war und wie sekptisch oder abwertend sich ältere Bekannte oder Familienmitglieder äußern.


    Ich finde @Miss Jones Sichtweise gut, bin in vielerlei Hinsicht aus Sicht der Eltern oder Nachbarn selbst auch komisch und passe mich nicht an die Gepflogenheiten im Dorf an, aber die nehmen das so hin... oder zerreißen sich hinter meinem Rücken das Maul, mag sein, dann können sie selbst damit ihr Leben füllen.
    Vergleichbar ist es dennoch nicht und ich kann die Nachfrage und Sorge verstehen.

  • Auch Schüler und Schülerinnen sind doch heute nicht mehr alle heterosexuell. Ich hatte da schon pansexuelle (das musste ich mir erst mal erklären lassen), lesbische, schwule und bisexuelle.
    Ich denke die meisten Schülerinnen und Schüler haben damit das geringste Problem.
    Ich kenne aus dem Studium zwei lesbische Lehrerinnen, die zeigen sich in sozialen Medien auch immer mit ihren Partnerinnen und machen da keinen Hehl draus. Die eine war früher mit einem Mann verheiratet und ist an einer evangelischen Schule. Ist scheinbar unproblematisch.


    Wir sind gerade im Urlaub und hier ist ein lesbisches Paar mit Kind, da fragte mein Sohn vorhin wie das Kind denn wohl Mama und Mama unterscheiden kann. Hab ich gesagt: keine Ahnung, und dann haben wir gefragt (waren Engländerinnen, da musste ich dolmetschen für den Vierjährigen). Der Rest hat ihn nicht interessiert. Aber er kennt es nicht anders, mein Cousin ist schwul und kommt oft mit Partner.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Einige Schulen sind Horte der gesellschaftlichen Repression - ich würde erst einmal sehr gründlich meine Fühler ausstrecken, welches Klima und welcher Geist an der Schule herrscht, an der ich gelandet bin. Begegnet bin ich in meinem Berufsleben schon etlichen schwulen und lesbischen Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt an meiner Schule.

  • ausgehend von einer Vertretungsstelle, die ich nächste Woche antreten werde, habe ich mich gefragt, wie man eigentlich vor den SuS am besten mit Homosexualität umgeht.

    Gar nicht, wie mit dem anderen Privatkram auch.



    Sie machen es. Ständig! Sie merken es nur nicht. Ein "Wochenendausflug mit Freundin"

    Solcherlei erwähne ich gegenüber Schülern nicht.

  • Die Grundidee von einem Coming Out hat immer für mich einen etwas sündigen Beigeschmack. Ist die sexuelle Einstellung denn eine Sünde? Die Frage dürfte recht eindeutig zu beantworten sein. Daher würde ich da kein Theater veranstalten und mich im Gegenzug fragen: "Wie würde ein heterosexueller Kollege reagieren?". Der verkündet auch nicht in der ersten Unterrichtsstunde: "Ich bin heterosexuell und das ist auch gut so.", oder :sterne: ?
    Ich würde es im Prinzip so handhaben wie schon vorgeschlagen: Man muss es nicht jedem auf die Nase binden - gerade im Referendariat sollte man eh nicht unnötig viele private Informationen herausgeben - und wenn man sich etwas etabliert hat an der Schule, würde ich so locker wie möglich damit umgehen. Also z.B. in einem Nebensatz erwähnen, dass man etwas mit dem (gleichgeschlechtlichen) Partner unternommen hat oder so.
    Ausnahme könnte da vlt. die Grundschule, insbesondere im ländlichen Raum, sein. Wenn ich so darüber nachdenke, wir wussten als Schüler schon einiges über das Privatleben unserer Grundschullehrerin. Und in der weiterführenden Schule wusste man bei einigen Lehrern auch, ob sie lieert waren bzw. Kinder hatten. Auf jeden Fall war es bei unserer Grundschullehrerin so, dass sie zu Beginn der 2. Klasse heiratete, dadurch einen neuen Namen annahm und das muss man Kindern ja auch erst einmal erklären. Wir wussten alle, wer ihr Mann war, und er hatte auch kein Problem damit, sich in unseren Freundschaftsbüchern zu verewigen (sogar inklusive Adresse und Telefonnummer). Dadurch war es natürlich auch für uns alle normal und gerade im ländlichen Bereich kann es eher komisch sein, wenn die Schüler einen auf der Straße in einer für sie unbekannten Situation sehen und dann das Getuschel und die Gerüchte anfangen.

  • Schüler fragen eigentlich immer früher oder später Privates, auch ob man Mann/Frau/Kinder hat. Die Antwort auf diese Frage ist immer eine Ermessensentscheidung. Von "geht euch nix an" bis "am Sommerfest könnt ihr alle kennenlernen" geht alles.


    Aus Sicherheitsgründen möchte ich z.B. nicht, dass Schüler wissen, auf welche Schulen meine Kinder gehen oder wo ich wohne. Wir haben teils sehr aggressive Eltern und im Konfliktfall... man weiß nie. Daher antworte ich dann wage oder konkret, dass ich dies und das generell nicht rumerzähle/Datenschutz blablub.


    Welche Nachteile erwartest du denn konkret von dem Wissen um deine Lebensweise? Schlechte Unterrichtsbewertung? Lästernde Schüler? Tratschende Eltern?

  • @Lehramtsstudent Was bitte hat deine offensichtlich heterosexuelle Grundschullehrerin mit diesem Thema zu tun?


    Und es ist einfach so, dass es doch eher etwas Besonderes ist wenn ich als Frau von meiner Frau spreche. Und selbst wenn ich das völlig selbstverständlich mache ist es in dem Moment ein Outing. Das hat nichts damit zu tun, dass ich das so gerne zum Thema mache, sondern es ist einfach nicht der Standardfall.


    Außerdem: Als es noch die eingetragene Lebenspartnerschaft gab hab ich mich erst riesig gefreut, dass es ein extra Kreuzchen dafür auf dem Personalbogen gab. Im zweiten Schritt dachte ich, huch, damit ist das Outing vor meinen Vorgesetzten eh durch und ich brauche mir überhaupt keinen Gedanken machen ob ich das nun will oder nicht.
    Das ist ja mit der Ehe für alle nun ein anderes Thema.


    Was mir auf den Keks geht ist so zu tun als wäre es alles völlig normal und akzeptiert... Ist es in unserer Gesellschaft einfach Mal NICHT. Ich bin aus meiner Heimat weggezogen aus genau diesem Grund. Ich habe mit meiner Verwandtschaft zu 80Prozent keinen Kontakt mehr, wegen meiner Homosexualität. Auch das ist Realität in unserer ach so toleranten Gesellschaft, in der man angeblich nicht mehr über solche Dinge reden muss.


    (Sorry, das musste jetzt Mal raus)

  • Völlig okay, dir da mal Luft zu machen, @EducatedGuess.
    Was glaubst du, wie viele Teile meiner Familie mich mal kreuzweise können?
    Aber wie gesagt... wer damit ein Problem hat... kommt einfach nicht in meinen Dunstkreis. So a la "Du kommst hier nicht rein".


    Unter aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts ist das Thema mMn kein "Thema" mehr.
    Wer es zu einem machen will... rennt da bei mir vor ne Mauer und beweist, dass er noch nicht im Jetzt angekommen ist.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • EducatedGuess: Ich wollte mit dem Verweis auf meine ehemalige Grundschullehrerin nur zeigen, dass man das Privatleben als Lehrer nicht immer unbedingt ausklammern kann - und in manchen Fällen auch nicht sollte. Meine Lehrerin war damals bei Schülern und Eltern sehr beliebt - ich vermute, es hätte keinen großen Unterschied gemacht, wenn sie jetzt mit einer Frau statt einem Mann liiert gewesen wäre.
    Aber die Namensgeschichte hättest du natürlich auch in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft: Spätestens dann, wenn man anders heißt, muss man zumindest in einem Halbsatz mal erwähnen, dass das private Gründe hat ;) .
    Empfindest du dich denn selbst als "völlig normal und akzeptiert"? Es gibt tausend Zugänge zu dem Thema, aber ich würde mal behaupten, dass, wenn man selbst Probleme mit seiner Sexualität hat, man im Gegenzug nur schwer Verständnis seitens der Mitmenschen erwarten kann. Es ist sehr schade, dass du so schlechte Erfahrungen machen musstest - dadurch bist du natürlich ein gebranntes Kind. Es gibt in unserer Gesellschaft noch viele Vorurteile gegenüber homosexuellen Menschen (teilweise auch unterstützt durch die Medien) und da kann es durchaus helfen, wenn man nach außen kommuniziert, dass die Sexualität nichts über die eigene Persönlichkeit aussagt. Frage einfach mal die Leute, wie sie sich eine homosexuelle Frau vorstellen! Sie haben sofort ein Bild vor Augen. Wenn sie sehen, dass du doch ganz anders bist und der einzige Unterschied zu anderen Frauen das favorisierte Geschlecht deiner Sexualpartner ist, kommen sie häufig ins Grübeln und hinterfragen ihre bisherigen Einstellungen...


    Mit freundlichen Grüßen

  • Daher antworte ich dann wage oder konkret, dass ich dies und das generell nicht rumerzähle/Datenschutz blablub.

    Ich pflege sehr konkret zu antworten. "Das geht Sie nichts an." reicht als einmalige Ansage.


    Aber noch generell: Wenn Leute sich das Maul zerreißen wollen, über irgendetwas, das sie nichts angeht, werden sie das tun. Es gubt keine Strategie eignenen Verhaltens, mit der man sie davon abhalten könnte. Zu echter Toleranz sind nur wenige fähig. Also begnügen wir uns mit vorgespielter, gesellschaftlich eingefordeter oder vermeintlicher.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • ... Frage einfach mal die Leute, wie sie sich eine homosexuelle Frau vorstellen! Sie haben sofort ein Bild vor Augen. Wenn sie sehen, dass du doch ganz anders bist und der einzige Unterschied zu anderen Frauen das favorisierte Geschlecht deiner Sexualpartner ist, kommen sie häufig ins Grübeln und hinterfragen ihre bisherigen Einstellungen...

    Woher weißt du, dass dem so ist? Hast du gegrübelt und Vorurteile, die du dann abwerfen konntest? Wenn ja, was bringt dich zu der Sicherheit, dass das auf alle anderen zutrifft? Oder bist du eine homosexuelle Frau, die Vorurteilen begegnet ist, durch Offenheit aber nun ein entspanntes, vorurteilsfreie Leben führt?


    Erstens kann man nie wissen, was andere erleben, fühlen, denken, zweitens kann man es kaum beeinflussen und drittens würde ich keinem empfehlen, doch mal ganz offen mit diesem und jenem umzugehen, um die Gesellschaft zu verändern. Was, wenn der/die von dir so Beratene Nachteile daraus erfährt?

  • man im Gegenzug nur schwer Verständnis seitens der Mitmenschen erwarten kann.

    Wer erwartet Verständnis? Es gibt Dinge, zu denen andere einfach mal die Fresse halten können. Es braucht weder Verständnis noch Unverständnis, sondern einfach die Feststellung, dass man zu einer Sache mal nicht gefragt ist.


    Aber danke für das Beispiel vermeintlicher Toleranz.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    Einmal editiert, zuletzt von O. Meier ()

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