Vielfältiger Facheinsatz

  • Ein wenig angestoßen aus einem anderen Thread beginne ich mal dieses Thema. Wie ist das für euch als Förderschullehrer (ob an der FS oder in der Inklusion), dass ihr in so vielen Fächern einsetzbar seid bzw. in der Regel auch eingesetzt werdet? Schätzt ihr diese Vielfalt an Themen, die ihr vermitteln könnt, oder nervt es euch, in so dermaßen vielen Themen präsent sein zu müssen?


    Ich habe ja auch schon einige Fächer bei mir an der Schule durch - ich hatte einmal gezählt und es waren neun. Mittlerweile hat sich das etwas reduziert. Bei Deutsch habe ich klar gesagt, dass ich das nie wieder unterrichten möchte, denn es ist überhaupt nicht meins. Bis auf ein wenig DaZ für einen Flüchtling wurde das auch eingehalten. Für Kunst und NaWi werde ich voraussichtlich nicht mehr eingesetzt. In NaWi ist derzeit kein Bedarf und Kunst wird oft als letztes besetzt und geht im Zweifel an einen Lehrauftrag oder irgendwen. Das bekommen ja viele irgendwie hin. Mit meinem Einsatz in derzeit 6 Fächern von Klasse 5 bis 10 (LE bis RS) bin ich ganz zufrieden und finde es abwechslungsreich.
    Wenn ich in der Beratung dann am Gym war, habe ich mich manchmal gefragt, wie es für mich wäre, auf nur zwei Fächer festgenagelt zu sein. Hat man ein Mangelfach, unterrichtet man das hauptsächlich oder im schlimmsten Fall ausschließlich. Ich glaube, ich wäre nach einiger Zeit echt ein wenig angeödet.


    Wie sieht's bei euch aus?

  • Ich unterrichte seit einem Jahr ausschließlich Mathematik und werde auch in absehbarer Zeit kein Physik mehr unterrichten. Vom Arbeitsaufwand ist das gut für mich, abwe manchmal würde ich mir doch die ein oder andere Physik Stunde wünschen.


    Das unterrichten anderer Fächer kommt in einem reinen Sek 2 System allerdings nicht in Frage. Möchte ich aber auch gar nicht, kann ich auch nicht.


    Summa summarum, bin ich ganz zufrieden.

  • Da ich überwiegend in der Primarstufe eingesetzt werde, ist es für mich ok, auch fachfremd zu unterrichten, da es vom fachwissenschaftlichen Niveau her keine Herausforderung ist. Ich finde es teilweise sogar spannend, mich in die fachdidaktischen und sonderpädagogischen Aspekte von Fächern einzuarbeiten, die ich nicht studiert habe, und sie zu unterrichten. Dabei lerne ich sogar Fächer zu schätzen, die ich als Schüler selbst überhaupt nicht mochte. Ich kann mir aber vorstellen, dass das in der Sek I und bei sechs bis neun Fächern (so viele sind es bei mir nicht und werden es wohl auch nicht) etwas anderes ist.

  • Ich schriebs schon mal irgendwo, ich finde es eine Zumutung. Ich hab mittlerweile 13 Fächer unterrichtet, 10 davon fachfremd. Klar ist es mal interessant, sich irgendwo einzulesen, ich hab aber inzwischen so viel Material, dass ich nicht mehr weiß, wohin damit. Außerdem ist es nix Halbes und nix Ganzes, wenn man keine Ahnung von einem Fach hat. Auch für Förderschulniveau, auch für Kunst. Ist in etwa wie besseres Homeschooling für Kinder, deren Eltern selbst nicht lesen können.

  • Ist in etwa wie besseres Homeschooling für Kinder, deren Eltern selbst nicht lesen können.


    Derart würde ich meine (unsere) Kompetenzen jetzt nicht herabstufen.


    Als Sonderpädagogen sind wir prinzipiell für alle Klassenstufen, für alle Förderschwerpunkte und auch für alle Fächer qualifiziert (und für Frühförderung, Diagnostik und Beratung).


    Das Einarbeiten in neue Aufgabenfelder gehört bei Akademikern in den meisten Berufen dazu. Warum sollten Lehrer eine Ausnahme sein? (Und werten wir uns dadurch nicht wieder selbst ab, wenn wir sagen, wir könnten das nicht?)


    Dass es nerven kann, so eine Vielzahl von Fächern (und eventuell noch häufig wechselnd) zu unterrichten, kann ich gut verstehen.

  • Ich finde, dass GERADE an der Förderschule, an der ggf viele sus mit Förderschwerpunkt Lernen sind, die unterrichtenden Lehrer die Fachdidaktik drauf haben müssen. Und das ist bei fachfremden Unterricht nicht gegeben. Klar kann man sich einlesen, aber das ersetzt kein Studium. Sonst bräuchte man ja für alle Schulformen keine Fächer mehr wählen, weil sich ja jeder selbst alles anlesen kann. Als ich fachfremd Mathe unterrichten musste, war das der Horror. Für mich und für meine sus. Ich habe mein bestes gegeben, aber das war bei weitem nicht ausreichend um den SuS nachvollziehbar Matheinhalte zu vermitteln. Gleiches gilt für Physik und Englisch. Ich war heilfroh, als ich das nicht mehr machen musste.

  • Ich finde, dass GERADE an der Förderschule, an der ggf viele sus mit Förderschwerpunkt Lernen sind, die unterrichtenden Lehrer die Fachdidaktik drauf haben müssen.

    Da bin ich absolut bei dir.


    Erstens gehe ich aber davon aus, dass Sonderschullehrer, gerade im Förderschwerpunkt Lernen, durch ihre Ausbildung (Studium + Ref) eine grundlegende Ahnung der Fachdidaktik für Deutsch und Mathematik haben. In vielen Bundesländern sind zumindest bestimmte Studienanteile der beiden Fächer verpflichtend für Sonderpädagogen, teilweise auch in das Studium der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte integriert.


    Zweitens denke ich, dass bezüglich Deutsch und Mathematik jedem eine solide Ausbildung als Basis für den Unterricht einleuchten und hoffentlich auch überall berücksichtigt wird. Wenn es aber um Fächer wie Musik, Kunst, Geschichte, Hauswirtschaft usw. geht, dann gibt es meines Erachtens schulorganisatorische Notwendigkeiten und vor allem auch pädagogische Gesichtspunkte, die schwerer wiegen als ein Fachstudium der Lehrkraft.


    Denn drittens: Zentral an Förderschulen ist ja auch das Klassenlehrerprinzip. Unsere Schüler benötigen vielfach feste Bezugspersonen und verlässliche Beziehungen, damit sie überhaupt lernen können. Klassen- und Zweitlehrer sollten möglichst weitgehend alle Fächer abdecken (je nach Klassenstufe). Das ist meines Erachtens wichtiger als ein entsprechendes Fachstudium in jedem Nebenfach (mit der Konsequenz von vielen Lehrern mit jeweils wenigen Stunden pro Klasse).

  • ...Klassenlehrerprinzip...

    das stimmt. Ich schrieb aber von 13 Fächern, die unterrichtete ich nicht in einer Klasse, sondern quer hoch und runter. Man kann als Schulleiter auch alle Nachteile miteinander kombinieren :top:

  • Als Sonderpädagogen sind wir prinzipiell für alle Klassenstufen, für alle Förderschwerpunkte und auch für alle Fächer qualifiziert (und für Frühförderung, Diagnostik und Beratung).

    darf ich fragen, wie du da die Anerkennung deiner Qualifizierung erlebst? An anderen Schulen zum Beispiel.

  • das stimmt. Ich schrieb aber von 13 Fächern, die unterrichtete ich nicht in einer Klasse, sondern quer hoch und runter. Man kann als Schulleiter auch alle Nachteile miteinander kombinieren

    Und warum wirst du quer durch die Klassen und quer durch die Fächer eingesetzt? Dafür hat deine Schulleitung doch sicher Gründe? Geht es an eurer Schule nur dir so oder auch anderen Kollegen?


    darf ich fragen, wie du da die Anerkennung deiner Qualifizierung erlebst? An anderen Schulen zum Beispiel.

    Wenn ich beruflich in Kindergärten oder Regelschulen unterwegs bin, dann fühle ich mich dort in der Regel schon als Experte wahrgenommen. Dabei geht es aber meistens auch um Fragestellungen, die mein Kernarbeitsgebiet betreffen und von denen ich vertieft Ahnung habe. Sehe ich andere Bereiche betroffen, kann ich auf entsprechende Kolleginnen oder andere Fachdienste verweisen, die hier mehr Expertise haben.


    Aber im Prinzip ist es bei Grund- und Hauptschullehrern mit den Fächern und Klassenstufen ja ähnlich wie bei uns; da fallen nur die spezifisch sonderpädagogischen Arbeitsbereiche weg.


    Darf ich mich nach dem Hintergrund der Frage erkundigen? Fühlst dich in deiner Qualifizierung nicht anerkannt?

  • Als Sonderpädagogen sind wir prinzipiell für alle Klassenstufen, für alle Förderschwerpunkte und auch für alle Fächer qualifiziert (und für Frühförderung, Diagnostik und Beratung).

    Der Satz wurde mir auch schon seitens meiner SL gesagt, als ich mich über diesen ausufernden Einsatz beklagte. Das ist wahr, aber natürlich irgendwie realitätsfern. Jeder hat ja seine Schwächen und Affinitäten. Mittlerweile wird bei uns mehr Rücksicht darauf genommen, indem wir die Fächerverteilung stufenweise gemeinsam erstellen. Vorher war das teilweise wie Lotto und man hat nach den Sommerferien erfahren, wo man jetzt mit den Stunden neben der eigenen Klasse eingesetzt wird.


    Aber im Prinzip ist es bei Grund- und Hauptschullehrern mit den Fächern und Klassenstufen ja ähnlich wie bei uns; da fallen nur die spezifisch sonderpädagogischen Arbeitsbereiche weg.

    Das ist auch nur im Prinzip so. An H/R-Schulen gilt theoretisch das gleiche wie für uns, aber was ich so gesehen habe, orientiert man sich dort schon recht nah an den studierten Fächern und den Wünschen der Kollegen. Man darf ja nicht vergessen, dass wir nicht nur in Klasse 5 bis 10, sondern auch in Vorklasse/Frühförderung (je nach Bundesland) bis Klasse 4 einsetzbar sind. Das ist schon mal ein Ründchen mehr. Als ich zur Beratung an Grundschulen musste, fiel mir das in den ersten beiden Klassen wirklich wieder auf. Ich kann mit den ganz Kleinen einfach nicht so gut umgehen.


    Außerdem ist es nix Halbes und nix Ganzes, wenn man keine Ahnung von einem Fach hat. Auch für Förderschulniveau, auch für Kunst.

    Das ging mir teilweise auch so. Ich hatte NaWi in meiner eigenen Klasse (LE) unterrichtet und durch eine Schwangerschaft fiel NaWi in der Mittelstufe weg. Zack, hatte ich NaWi Klasse 5 und 6 (H/R) an der Backe und bekam noch im nächsten Schuljahr die Klasse 9 (LE) dazu. Ich schaute mir dann mal so die Themen an und da waren Sachen dabei, die hätte ich nicht gekonnt. Beim Stromkreislauf war ich raus und hätte auch keine Experimente zeigen können. Ich wusste auch gar nicht, wo das alles in unseren NaWi-Räumen ist usw. Da hatte ich mich auf Bio-Themen konzentriert und so etwas wie Licht im Bereich Physik. Nach dem Jahr hatten wir wieder genug Kapazitäten in NaWi und ich habe nur noch mein eigene 6. Klasse zu Ende geführt.

  • Ich geb alle Fächer bzw gab insgesamt schon alle. Ich finde gerade die Vielfalt sehr angenehm. Natürlich gibt es Sachen, die mich weniger interessieren (Strom, Rechtschreiben, Sport), aber ich sehe das immer als Herausforderung bzw Wissenserweiterung. Und dass ich den Unterricht dann gut mache, ist meine Aufgabe. Wenn es geht, tausche ich solche Fächer mit Kollegen, geht aber nicht immer.
    Ich habe im Studium damals freiwillig Deutsch und Mathe als Didaktikfächer gewählt (und Musik als Zuckerl für mich), musste man nicht. Aber ich habe mir gedacht, als Klassenlehrkraft ist es doch sinnvoll, Deutschdidaktik gelernt zu haben. Und da Deutsch ca. 6 Stunden pro Woche ausmacht und Mathe bis zu 6 ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ich diese Fächer unterrichten muss. Also studiere ich deren Didaktik.
    Andersherum kann ich viele meiner Kollegen nicht verstehen, die zB Arbeitslehre, Erdkunde und Physik gewählt haben. Diese Fächer haben doch so wenige Stunden, das ist doch unwahrscheinlich, dass ich NUR das unterrichten werde.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Das ist auch nur im Prinzip so. An H/R-Schulen gilt theoretisch das gleiche wie für uns, aber was ich so gesehen habe, orientiert man sich dort schon recht nah an den studierten Fächern und den Wünschen der Kollegen. Man darf ja nicht vergessen, dass wir nicht nur in Klasse 5 bis 10, sondern auch in Vorklasse/Frühförderung (je nach Bundesland) bis Klasse 4 einsetzbar sind. Das ist schon mal ein Ründchen mehr. Als ich zur Beratung an Grundschulen musste, fiel mir das in den ersten beiden Klassen wirklich wieder auf. Ich kann mit den ganz Kleinen einfach nicht so gut umgehen.

    Deshalb schrieb ich ja auch GHS-Lehrer. Die werden zwar hierzulande nicht mehr so ausgebildet (irgendwo noch?), aber die meisten praktizierenden sind es ja noch.
    Klar, die haben auch 'nur' Klassenstufe 1 bis 9, während wir Geburt bis Berufsschulstufe haben (können).

  • Aber wo gibt es denn solche Regelschulen, die von Klasse 1 bis 9 führen? Deshalb habe ich diese universitäre Ausbildung nie verstanden.

  • Aber wo gibt es denn solche Regelschulen, die von Klasse 1 bis 9 führen? Deshalb habe ich diese universitäre Ausbildung nie verstanden.

    Doch, hier gibt es das schon. Früher Grund- und Hauptschulen, jetzt Grund- und Werkrealschulen bzw. Gemeinschaftsschulen, die von Klassenstufe 1 bis 10 gehen.

  • Andersherum kann ich viele meiner Kollegen nicht verstehen, die zB Arbeitslehre, Erdkunde und Physik gewählt haben. Diese Fächer haben doch so wenige Stunden, das ist doch unwahrscheinlich, dass ich NUR das unterrichten werde.

    Das denken sich leider sehr viele und es bringt uns z.T. echte Probleme. In manchen Fächern geht es gar nicht oder möchte man nicht fachfremd eingesetzt werden. Man muss im Zweifel eine Realschulprüfung abnehmen. Englisch, Sport, Chemie, AL, Musik und Physik sind bei uns solche Kandidaten, wo schon nach der Ausbildung geschaut wird und vorwiegend das Fachlehrerprinzip gilt.


    6 h Deutsch und 6 h Mathe pro Woche finde ich wenig.

    Wenig? Wir haben in den Hauptfächern ab der 5. Klasse 5 Stunden/Woche, was aber keine Pflicht in Hessen ist. Wird werden immer darauf wieder hingewiesen, dass es bei H/R lediglich 4 sind.

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