Latein in der Schule: Bringt das so viel für Grammatik?

  • Kein Altgriechisch, das gemeinsam mit Latein die Basis einer humanistischen Bildung ist?

    Doch. Ein Gymnasium bietet das an.

    Hier gab es auch mal ein Gymnasium, das in Klasse 5 mit Latein angefangen ist und in Klasse 7 erst mit Englisch. Griechisch kam dann wahlweise als 3. Fremdsprache. Ergebnis davon war, daß dort eigentlich nur die Kinder der Eltern, die selber dort mal Schüler waren, zur Schule gegangen sind.


    Und jedes Jahr gab es massive Probleme mit den Schülern, die notenmäßig nicht mithalten konnten. Die haben dann das Gymnasium nämlich gleich Richtung Hauptschule verlassen, weil sie mit ihren nicht vorhandenen Englisch-Kenntnissen in der Realschule nicht fußfassen konnten.

  • Übrigens ein weiteres Argument für Lateinunterricht: Latein ist die universelle Sprache der Kirche.

    Kannst du eigentlich Latein?


    Und mit "Latein können" meine ich, kannst du dich mit einer Tasse Tee, Georges Handwörterbuch und bisschen Zeit an einen Cicero-Text setzen und den dann hinterher auch strukturell und sprachlich genau verstehen?

  • ...mh, warum man latein lernen sollte? um es zu lernen. selbstzweck. bildung. um in strukturen einer sprache zu wühlen. um klasssiche autoren und deren gedankenwelt wirklich kennenlernen zu können (eine übersetzung ist halt immer nur eine übersetzung). weil es gut klingt und überhaupt, meine lateinlehrerin hatte haare wie marge simpson, das allein war ein tolles argument.


    in bayern gibt es recht viele gymnasien, die l1 machen, also die option bieten, mit latein zu beginnen. e1 ist parallel fast immer auch möglich, griechisch kommt nur sehr selten hinzu, die humanistischen gymnasien gibt es kaum noch, die vorhandenen sind aber gut gefüllt und haben i.a. leistungsstarke sus. bei den nicht altsprachlichen gymnasien englisch dann als zweite fremdsprache ab klasse 6. l1-klassen sind gefühlt tendentiell etwas leistungsstärkere klassen als e1-lerngruppen, aber wirklich nur tendentiell. vermutlich auch nur, weil eltern, die das wollen/ihren kindern als erstrebenswert vermitteln, i.a. selbst bildungsnah sind und dass bildungsnahe sus in unserem schulsystem vorteile haben, ist ja hinlänglich bekannt. und weil latein kontinueirliches pauken erfordert, das trainiert ein bisschen arbeitshaltung i.a., denke ich.

  • Kecks:
    Was ist das denn für eine Argumentation?
    Wenn es nur um das spräche lernen geht, kann man auch jede andere Sprache nutzen um dem Bildungszwecke zu entsprechen.


    Auch andere sprachen benötigen kontinuierliches Pauken.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, Keks meint auch, dass man manchmal auch Sachen lernt, die einem Spass machen, ohne es zu begründen.
    Ich lerne ein Musikinstrument, weil es Spass macht. Klar weiss ich, warum dieses und was vielleicht ein Ziel sein könnte, aber ich bin erwachsen.
    Dasselbe beim Sport.
    Viele Kinder treiben Musik oder Sport, um auch Sachen kennenzulernen, die einem den Horizonten erweitern. Nicht alles erschliesst sich sofort, aber die aktivierten Synapsen oder Muskeln werden schon später zeigen, dass es nie umsonst war.

  • Kecks:
    Was ist das denn für eine Argumentation?
    Wenn es nur um das spräche lernen geht, kann man auch jede andere Sprache nutzen um dem Bildungszwecke zu entsprechen.


    Auch andere sprachen benötigen kontinuierliches Pauken.

    "Selbstzweck", wie von keckks angeführt, bedeutet nunmal, dass sich dieses Argument auf jede Sprache anwenden lässt. Das mag in deinen Augen vielleicht keine zielscharfe Argumentation sein, vor dem Hintergrund eines humanistischen, genauer gesagt humboldtschen Bildungsideals (das zumindest in BW absolut klar und unmissverständlich Teil des Schulgesetzes ist) passt das aber finde ich absolut. Ob Latein deshalb Teil schulischer Bildung sein muss sei mal dahingestellt, es schadet aber als Basis für weitere Sprachen (sprachlich/historisch/sprachgeschichtlich) keinesfalls die lateinische Wurzel der vulgärlateinischen modernen Varianten zu kennen. Ich habe einerseits im Romanistikstudium von den Lateinkenntnissen profitiert (Sprachgeschichte war mein Steckenpferd), anderseits hilft mir das Wissen um diese Basis dabei Varietäten der verschiedenen modernen romanischen Sprachen besser einordnen zu können, auch ohne, dass ich die jeweilige Sprache kennen würde (z.B. Rumänisch lesen funktioniert überraschend gut bei grundständig bekannten Kontexten, in Italien komme ich mit meinem Latein-Spanisch-Italienisch-Mix exzellent durch und kann mich recht tiefgehend mit den Menschen damit unterhalten und diskutieren, etc.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich glaube, Keks meint auch, dass man manchmal auch Sachen lernt, die einem Spass machen, ohne es zu begründen.
    Ich lerne ein Musikinstrument, weil es Spass macht. Klar weiss ich, warum dieses und was vielleicht ein Ziel sein könnte, aber ich bin erwachsen.
    Dasselbe beim Sport.
    Viele Kinder treiben Musik oder Sport, um auch Sachen kennenzulernen, die einem den Horizonten erweitern. Nicht alles erschliesst sich sofort, aber die aktivierten Synapsen oder Muskeln werden schon später zeigen, dass es nie umsonst war.

    Wenn es einem gefällt, ist ja auch nichts dagegen einzuwenden (ich hab Latein und Altgriechisch aus Spaß im Studium nachgeholt, wobei Latein hierbei aber Pflicht für mein Studium der Geschichte war...nur braucht man das nur noch sehr selten bei Geschichte).


    Aber Latein zum Selbstzweck/weil es halt einfach zum Bildungsideal dazu gehört zu lernen, ist für mich sinnbefreit.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
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  • du bist doch historikerin. humboldt for the win. habt ihr das nicht an der uni mal lesen müssen? gibt es in eurem lehrplan/gesetzlichen bildungsauftrag keine referenz darauf? "allgemeinbildung" meint i.a. genau das. umfassendes wissen um der persönlichkeitsbildung ("horizonterweiterung") willen für jedes (!) individuum, bevor es ans spezifische training ("ausbildung") für einen spezifischen beruf geht. selbstzweck, nur, damit es eben ist, um seiner selbst willen. kein zweck, der außerhalb der sache selbst liegt ("spaß", "braucht man im beruf", "komepetenz" blablabla).


    allgemeinbildende schulen heißen genau aus diesem grund so, und gymnasien räumen dem ganzen den größten raum ein.


    siehe auch: humanismus, aristoteles' vorstellungen vom telos...

  • By the way, hast du versucht, Klingonisch zu lernen @Midnatsol? 8)

    Nö, aber Sindarin habe ich tatsächlich mal angefangen zu lernen. Ist aber 15 Jahre her und der Wahn dauerte nur so kurz an, sodass ich davon noch weniger behalten habe als von Latein, und das will was heißen.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • du bist doch historikerin. humboldt for the win. habt ihr das nicht an der uni mal lesen müssen? gibt es in eurem lehrplan/gesetzlichen bildungsauftrag keine referenz darauf? "allgemeinbildung" meint i.a. genau das. umfassendes wissen um der persönlichkeitsbildung ("horizonterweiterung") willen für jedes (!) individuum, bevor es ans spezifische training ("ausbildung") für einen spezifischen beruf geht. selbstzweck, nur, damit es eben ist, um seiner selbst willen. kein zweck, der außerhalb der sache selbst liegt ("spaß", "braucht man im beruf", "komepetenz" blablabla).


    allgemeinbildende schulen heißen genau aus diesem grund so, und gymnasien räumen dem ganzen den größten raum ein.


    siehe auch: humanismus, aristoteles' vorstellungen vom telos...

    Ja, man ist Historiker. No, wir mussten keinen Humboldt lesen. Den hab ich auch so im Bücherregal stehen ;)
    Und ja, mir hat das Erlernen von Latein und Altgriechisch Spaß gemacht. Für das Studium habe ich es aber nicht ein mal gebraucht und auch in meinem eigentlichen Beruf als Lehrer hat es mir nichts gebracht. Und wenn sich dann ein Altphilologe hinstellt und den Studenten als Antwort auf die Frage „Wozu brauchen wir als Geschichtslehrer das große Latinum und warum ist das Nichtbesitzen ein Ausschlusskriterium für die Absolvierung eines erfolgreichen Lehramtstudiums Geschichte?“ mit „Brauchen werden Sie es vermutlich nie, aber es gehört einfach dazu, weil das schon immer so war.“ antwortet, dann frag ich mich schon wie sinnbefreit es sein kann eine Sprache lernen zu müssen nur für den Selbstzweck eben jene Sprache gelernt zu haben.


    Inwiefern ist nun aber Latein so super toll für das Allgemeinwissen? Bzw. statt Latein könnte man doch einfach eine andere Sprache nehmen für die Erfüllung des Allgemeinwissenanspruchs. Mandarin etc. bildet auch immens und bringt die Persönlichkeitsentwicklung voran.


    Mein Großvater, seines Zeichens Abkömmling preußischen Landadels, musste auch Klavier/Latein/Altgriechisch/Französisch lernen, weil es zum Stand dazugehörte. Französisch hat er ein einziges Mal gebraucht im Leben. Den Rest nie. Und als studierter Agrarmensch hat ihm das nada gebracht.


    Meine Meinung dazu: Latein braucht man nicht, wer es lernen will soll es lernen, aber als verpflichtend für den Allgemeinwissenkanon kann auch jede andere Sprache hinzugezogen werden.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • brauchen - sicher nicht, völlig richtig. aber das weiß man erst, wenn man es getestet hat, durch einen ordentlichen, mehrjährigen lateinunterricht. und zur horizonterweiterung aka bildung trägt es immer bei, wie jede andere sprache auch. da aber lebenszeit begrenzt ist, hat es sich bewährt, die bildungsinhalte zuerst anzugehen, die der tradition entsprechen, in der man selbst aufwächst. das wäre also latein und an zweiter stelle dann altgriechisch, falls man auf den geschmack gekommen sein sollte.
    manche zweifeln diese prämisse mit der traditionsorientierung an und wollen lieber gleich was anderes zu bildungszwecken veranstalten: klar, auch gut, gibt ja nicht umsonst an vielen schulen mandarinkurse seit gut zwanzig jahren in deutschland (zumindest haben das einige kommilitionen in der schule schon gelernt in den neunzigern; heute ab und an als wahlfach im angebot).
    mir persönlich geht's beim latein um bildung und zugang zur antiken welt(erfahrung). das kann mandarin beim besten willen nicht leisten. und china ist sicher auch sehr spannend, aber ich bin europäerin.

  • du bist doch historikerin. humboldt for the win.

    Ja, ich weiß, das ist ein seit langer, langer Zeit tradierter Denkfehler in der Humboldt-Rezeption in der Pädagogik. Das humboldtsche Bildungsideal war niemals als ein demokratisches Bildungsideal gedacht, dass als rote Linie die Schulvorstellung einer gesamten Gesellschaft durchziehen sollte. Dieses Bildungsideal war das Bildungsideal einer bürgerlichen und adeligen Elite, das dadurch leistbar ist, dass die praktische Erwerbsarbeit von einer Mehrheit der Bevölkerung geleistet wird, die nicht an Vorzügen des Bildungsideal teil haben wird. Ein humboldtsches Bildungsideal ist ein Luxus, den man sich leisten können muss und das konnte sich im zeitgenössischen Preußen nur wenige. (Das klassische Gymnasium zeigt in heutiger Zeit dort am ehesten den humboldtschen Geist, wo es sagt - "wir bleiben hier unter uns, für Arbeiterkinder und Ausländer sind doch Hauptschulen und für die begabten darunter Realschulen besser geeignet. Da lernen sie was praktisches und werden damit glücklich.")


    Ist das für die Frage des Lateinunterrichts relevant? Ja, weil die Frage "Lateinunterricht ja oder nein" eine ökonomische ist. Unterrichtszeit ist wie gesagt ein wertvolles Gut. Wenn in einer demokratischen Gesellschaft die Schule sehr starken ökonomischen Zwängen unterworfen ist, dann wird man sich den Luxus nicht mehr leisten können. Latein und Altgriechisch als schöne weil prestigeträchtige Hobbies für eine kleine Oberschicht gehen dann halt nicht mehr. :)

  • Was ist eigentlich mit Sanskrit? Hab ich noch nie als AG gesehen...

    Was ich auch interessant fände sind Altenglisch und Althochdeutsch. Dafür lassen sich haargenau die gleichen Argumente ins Feld führen wie für Latein und Altgriechisch. (Zugegeben, der Literaturkanon ist kleiner.)

  • brauchen - sicher nicht, völlig richtig. aber das weiß man erst, wenn man es getestet hat, durch einen ordentlichen, mehrjährigen lateinunterricht.

    Wenn ich Sachen erst einmal ein paar Jahre lang intensiv ausprobieren muss, bis ich erkennen kann, ob sie mir was bringen oder nicht, dann mache ich irgendwas falsch. :D

  • ...man muss sich ja nun nicht der autorintention anschließen, wenn man einen text liest. man kann ihn auch humanistisch-demokratisch lesen, solange er sich nicht mit händen und füßen dagegen wehrt, und das macht der humboldt m.e. eher nicht. wir sind ja nun nicht mehr im 19. jahrhundert, wo man bitteschön die klassengesellschaft erhalten wollte, dankeschön. (nicht, dass das heute nicht viele immer noch wollen und de facto erreichen, aber zumindest im gg und den schulgesetzen steht deutlich was anderes.)

  • Wenn ich Sachen erst einmal ein paar Jahre lang intensiv ausprobieren muss, bis ich erkennen kann, ob sie mir was bringen oder nicht, dann mache ich irgendwas falsch. :D

    denke ich nicht. man muss schon ein bisschen schweiß und mühe und auch zeit investieren, bevor man sich wirklich ein urteil erlauben kann.


    wenn ich so weitermache, schimpft mich noch wer konservativ. meine fresse.

  • (...)Ist das für die Frage des Lateinunterrichts relevant? Ja, weil die Frage "Lateinunterricht ja oder nein" eine ökonomische ist. Unterrichtszeit ist wie gesagt ein wertvolles Gut. Wenn in einer demokratischen Gesellschaft die Schule sehr starken ökonomischen Zwängen unterworfen ist, dann wird man sich den Luxus nicht mehr leisten können. Latein und Altgriechisch als schöne weil prestigeträchtige Hobbies für eine kleine Oberschicht gehen dann halt nicht mehr. :)

    Ein schönes Plädoyer für ein Bildungssystem, in dem Herkunftseffekte nicht die Rolle spielen, die sie faktisch eben in Deutschland spielen. Ich bezweifel, dass Latein am Ende die alles entscheidende Stellschraube sein wird. Sollte der Lateinunterricht es nachweislich und ausnahmslos sein: Weg damit! Ansonsten reicht es aber doch Schülern und Eltern die Wahl zu lassen wie bislang, welche Sprachenfolge sie für zielführend halten. Bildungsgerechtigkeit bedeutet schließlich gerade nicht "jedem das Gleiche" zukommen zu lassen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Kecks, ich bin konservativ und finde, dass ein Zugang und die Beschäftigung mit der Antike durchaus erstrebenswert ist, ABER das geht mittlerweile auch ohne Latein und Altgriechisch super gut. Dafür gibt es Übersetzungen.


    Und etwas nur zu machen, weil es schon immer gemacht wurde ist nicht unbedingt konservativ, sondern rückschrittlich. Und da sehe ich eben das Problem als Spross aus dem Klientel, für den die beiden Altsprachen eine Möglichkeit darstellten, um sich vom Pöbel abzugrenzen.
    Wie gesagt: es würde mir an nichts fehlen, könnte ich kein Latein und Altgriechisch. Der einzige nutzen für mich ist, dass ich damit freiwillig arbeite weil ich neben meinem Beruf sich wissenschaftlich publiziere und eine eigene Übersetzung immer cooler ist als eine vorgefertigte.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-

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