Konsequenz Zuspätkommer Klausuren

  • Hallo,


    in letzter Zeit beobachte ich zunehmend, dass sich unsere SuS nicht an einfachste Regeln halten und nach einer begründetetn Entscheidung meinerseits sofort zur SL rennen. Es simd aber immer nur vereinzelte Personen.


    Ein Schüler ist bei der letzten Klausur in Klasse 12 gut 15 Minuten verspätet erscheinen. Der Teil der Hörverstehens war fast abgeschlossen. Um die anderen nicht zu stören bat ich den S kurz draussen zu warten, bis dieser Aufgabenteil beendet ist.


    Er durfte diesen Teil natürlich nicht nachholen ...


    Daraufhin ist er zu Koordinatorin seiner Schule, die umgehend bei meinem Koordinator angerufen hat (Wir koorperieren in den Fremdsprachen mit einer anderen Schule) Daraufhin musste ich kurz zum Gespräch ...


    Letztendlich ging es darum, dass der Schüler eine Verspätungsbescheinigung vom Busunternehmen vorgelegt hat. Diese ständige Argumentation, dass die SuS bei einer eventuellen Klage recht bekommen würden geht mir so langsam tierisch auf die Nerven, wobei es sich hierbei nicht mal um einen Verwaltungsakt handelt ... Wir müssen jede Minute, die die SuS verspäten im Klassenbuch notieren. Konsequenzen dürfen wir aber vor Angst eine Klage nicht mehr ziehen? Wo bleibt denn die Erziehungsarbeit? Kein Arbeitgeber würde ein solches Verhalten tolerieren. Vor allem, es ist schon ein SuS der oft kommt und geht wann er will ...


    Darf sich die SL eigentlich in pädagogische Entscheidungen einmischen? Bzw. dürfte mir ein "fremder" Koordinator Anweisungen geben?


    LG
    Profe

  • Entschuldigtes Zuspätkommen(eben z.B. Bescheinigung des Busunternehmens, die aber zeitnah): Zeitverlängerung oder Nachtermin.
    Unentschuldigtes Zuspätkommen: keine Zeitverlängerung, Bewertung eines bereits durchgeführten Prüfungsteils (Hörverstehen) mit Note 6.


    Ich hatte das mal sogar in der Abiturprüfung: mündliches Gruppengespräch mit 5 Minuten "Vorbereitungszeit" auf das gestellte Thema vorher. Gespräch dauert dann ca. 15 Minuten. Schüler kommt 5 Minuten nach Beginn des Gesprächs eigenverschuldet zu spät. Ich hab ihn wieder raus geschickt, weil er die anderen im Gesprächsfluss störte und ohne die 5 Minuten Vorbereitungszeit evtl. auch das Niveau des Gesprächs der anderen runter gezogen hätte. Ich habe damit gerechnet, dass er halt einen Nachtermin bekommt, habe ihm also nicht gesagt, dass es 0 Punkte wären. Er lief aber gleich zur Schulleitung ... dort ist er wohl mit einem ähnlich optimistischen Selbstbewusstsein aufgetreten wie sonst auch und die SL hat (ohne mein Zutun) entschieden, dass dieser Teil der Abiturprüfung mit "0" bewertet wird.


    Ja, ich denke in solche Entscheidungen kann sie die SL einmischen, da es (zumindest in meinem Bundesland) in den entsprechenden Verordnungen und Gesetzen steht, dass ein Schüler, der eine angesagte Leistungserhebung mit ausreichender Begründung versäumt, einen Nachtermin erhält. Eine Verspätungsbescheinigung des Busunternehmens ist eine solche Begründung. Aus meiner Sicht stellt dein SL also nur sicher, dass die entsprechenden Regelungen eingehalten werden - und das muss er, ich sehe hier keinen pädagogischen Ermessensspielraum.

  • Ich hätte genau wie du gehandelt.


    Eine Entschuldigung für eine Klausur, damit man sie nachholen darf, ist lediglich ein ärztliches Attest. Oder eine Beurlaubung seitens der Schulleitung, die VORHER erteilt wurde.


    Zu späte Busse ist privates Pech.


    Ich hatte mal einen Schüler, der eine ganze Stunde zu spät kam (von 2 Stunden). Er wäre beim Arzt gewesen. Konnte aber weder Bescheinigung noch Attest vorweisen. Also musste er die Klausur in 1 Stunde schaffen. Der war dann auch ganz erstaunt darüber.

  • Wie viel später war denn der Bus?


    Wenn der Bus alle 10 Minuten kommt: Er wäre auch mit dem Bus davor zu spät gewesen.
    Wenn der Bus alle 20 Minuten kommt: Er wäre viel zu knapp dran gewesen, selbst, wenn der Bus exakt pünktlich ankommt.
    Wenn der Bus alle 30 Minuten kommt: Immer noch so gerade eben, bei einer Prüfung baut man aber einen Puffer ein. Verspätete
    Busse sind vollkommen normal


    Der Schüler hat also einen Fehler gemacht und muss nun die Konsequenzen tragen.

  • Wie viel später war denn der Bus?


    Wenn der Bus alle 10 Minuten kommt: Er wäre auch mit dem Bus davor zu spät gewesen.
    Wenn der Bus alle 20 Minuten kommt: Er wäre viel zu knapp dran gewesen, selbst, wenn der Bus exakt pünktlich ankommt.
    Wenn der Bus alle 30 Minuten kommt: Immer noch so gerade eben, bei einer Prüfung baut man aber einen Puffer ein.

    Und wenn der Bus ein Schulbus ist und einmal am Morgen aus der tiefsten Pampa in die 40 km entfernte Schule fährt: Entschuldigung ist plausibel, Schüler ist nicht schuld.


    - Nicht jeder wohnt im urbanen Umfeld, wo ein 30-Minuten-Takt die Grenze des Vorstellbaren ist.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das Gespräch hat nichts ergeben.


    Es war für beide Seiten verschwendete Zeit...


    Mein Koordinator ist mit meiner Vorgehensweise einverstanden, die Koordinatoren der anderen Schule nicht.


    Es hieß aber, für den Fall das geklagt wird, müsste ich den Schüler im Nachhinein prüfen. Die Bitte, mir den entsprechenden Paragraphen bzw. den konkreten Erlass zu zeigen, konnte nicht erfüllt werden.


    Ich denke, dass einige Schulleitungen den Erziehungsauftrag der Lehrkräfte deutlich einschränken wollen, um die Aussenwirkung der Schulen zu schützen.


    Für Pünktlichkeit ist jeder mündige Bürger selbst verantwortlich ... dass Bus oder Bahn zu spät kommen können sollte jedem bewusst sein...

  • Für Pünktlichkeit ist jeder mündige Bürger selbst verantwortlich ... dass Bus oder Bahn zu spät kommen können sollte jedem bewusst sein...

    Nein, damit machst Du es Dir definitiv zu einfach, das hat fossi ja auch schon geschrieben. Wenn bei uns im Winter die Oberleitungen der SBB zufrieren (was etwa 1 x pro Winter durchaus vorkommt), dann stecken die Fricktaler eben fest, da können die nichts dafür. Wie das nun genau mit diesem Bus war, das müsste man sicher im Detail anschauen und dann eine Entscheidung treffen.


    Ich denke auch absolut nicht, dass es hier um eine "pädagogische Entscheidung" geht, denn wer wann und aus welchen Gründen Prüfungen oder Teile davon nachholen darf, das ist sicher irgendwo in der Notenverordnung festgelegt. Du bist in jedem Fall gut beraten Dich an diese zu halten und im Zweifelsfall ist hier ganz sicher die Schulleitung hinzuzuziehen, denn deren Aufgabe ist es sicherzustellen, dass in ihrem Laden alles rund läuft. Ich hätte das im konkreten Fall überhaupt nicht als "Einmischung" empfunden sondern im Gegenteil sogar höchst selbst die Schulleitung kontaktiert und um Rat gefragt.


    Eine "pädagogische Entscheidung" wäre es z. B. einen Schüler vom Unterricht auszuschliessen wenn dieser zum wiederholten mal zu spät kommt. Das ist quasi Dein privates Hausrecht in Deinem Schulzimmer, das geht die Schulleitung nichts an.

  • Habt ihr ein tolles Schüler/Lehrerverhältnis.
    Wenn einer wegen einer Panne oder Busverspätung oder auch nur Übelkeit am Morgen zu spät kommt, darf er selbstverständlich mitschreiben und kann die Prüfung voll mitschreiben. Wenn es einen Raumwechsel oder gar Klassenwechsel gibt, zieht der Schüler mit mir um.


    Allerdings habe ich nahezu nur motivierte Schüler, die überwiegend volljährig und freiwillig bei uns sind. Denen lege ich durch Formalitäten keine Steine in den Weg, allerdings verlange ich stofflich viel von meinen Schülern.

  • Für Pünktlichkeit ist jeder mündige Bürger selbst verantwortlich ... dass Bus oder Bahn zu spät kommen können sollte jedem bewusst sein...

    Ist eine legitime Argumentation, wenn das tatsächlich vom SuS leistbar ist aufgrund der äußeren Bedingungen. Bei uns fährt aus einem Schwarzwalddorf morgens immer erst um viertel nach sieben der Bus ab, der dann drei Minuten vor Schulbeginn bei uns ankommt. Ultraknapp und wenn zum Monatsanfang viele Kunden erstmal eine Monatskarte kaufen müssen, kommt der Bus zuverlässig 20min zu spät an der Schule an. Klar erwarte ich von meinen SuS solche erwartbaren Verspätungen auszugleichen, indem sie an so einem Tag gezielt einen Bus früher nehmen. Geht in dem Fall aber nicht, denn der nächstfrühere Bus fährt um 2 Uhr morgens ab. Also dröppeln wenigstens einmal im Monat (plus immer wenn es Stau/Baustellen/etc.gab) 8 SuS 20 min nach Unterrichtsbeginn in den Raum, die bei Klassenarbeiten damit dann eben diese 20min länger schreiben als alle anderen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Und wenn der Bus ein Schulbus ist und einmal am Morgen aus der tiefsten Pampa in die 40 km entfernte Schule fährt: Entschuldigung ist plausibel, Schüler ist nicht schuld.
    - Nicht jeder wohnt im urbanen Umfeld, wo ein 30-Minuten-Takt die Grenze des Vorstellbaren ist.

    Ich hatte so eine tolle Diskussion mal mit einem Lehrer zu meiner eigenen Schulzeit:
    Wohnte ca. 50km westlich von Berlin, ruaraler Raum, die nächsten Einkaufmögkichkeiten in jede Richtugn 30km entfernt. Notarzt kam nie, immer nur der Rettungshelikopter. Der Bus kam alle 1 1/2 Stunden.
    Habe daher ganz oft, vor allem im Winter, den Bus davor genommen und stand dann 1h und mehr vor verschlossener Schultür (Aufstehzeiten teilweise 4.30 Uhr). Busfahrzeit 60 Minuten und mehr (Kleckernester).
    Ich war fast immer pünktlich, nur das eine Mal im Winter bei diesem tollen Kollegen nicht. Der kam auch aus der Ecke mit dem Auto. Ich hatte vorher sogar noch in der Schule angerufen (!). Er meinte dann wortwörtlich "10km weiter ist die Bahnstation, dann musst du da halt hinlaufen!". Zur Situation sei gesagt, das der einzige Weg auf einer Landes- und dann auf einer Bundesstraße lang geführt hätte. Bei -20 Grad und Dunkelheit. Die Diskussion, die er dann mit meiner Mutter, die sonst immer recht freundlich ist, führen durfte, war dann nicht mehr so amüsant für ihn.


    Ich glaube, dass solche Umständde irgendwie immer noch vergessen/ausgeblendet werden. Deutschland ist was den Nah- und Fernverkehr angeht teilweise sehr abenteurlich.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • Profe schreibt doch "Vor allem, es ist schon ein SuS der oft kommt und geht wann er will ...".


    Was erzählt ihr denn jetzt von euren Schwarzwalddörfern und Rettungshelikoptern?


    Man traut sich ja bald nicht mehr, einen Thread zu eröffnen, weil direkt eine Handvoll Kollegen um die Ecke kommen, die einem die Welt erklären wollen.

  • Ich glaube, dass manche von euch die Situation gar nicht kennen, Dutzende Dauerschwänzer zu haben.


    Ich unterrichte an der BBS, wie Profe.
    Seit ich an meiner aktuellen Schule unterrichte - seit fünf Jahren - hatte ich noch NIE (!) eine angekündigte Leistungsfeststellung, bei der alle Schüler anwesend waren. In der Regel fehlen 4-6 SuS, mein persönlicher Rekord lag bei 12 Fehlenden bei einer Klassenarbeit.


    Das liegt nicht an der schlechten Busverbindung - das liegt an unserer Schülerklientel, die oft die Nächte durchzockt und morgens nicht ausm Nest kommt oder auf dem Weg vom Bahnhof zur Schule lieber schnell eine Line zieht statt in den Unterricht zu gehen.

  • ...der aber in dem Fall ja offenbar belegen konnte, dass der Bus Verspätung hatte, so dass es eben nicht einfach nur am Verhalten des SuS gelegen hat.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Wenn ich es richtig verstanden habe, denkt Profe, er könne selbst die Konsequenzen im vorliegenden Fall ziehen. Kann er aber nicht, denn dafür gibt es eben die Notenverordnung an die er sich halten muss. Eine Schulleitung ohne Bobbes in der Hose ist immer ein Problem, soweit stimme ich Dir zu. Nur ändert das nichts an der Zuständigkeit. Sicher habe ich nicht "Dutzende von Dauerschwänzern", aber natürlich kenne ich das Problem von einzelnen Dauerschwänzern und das ist dann ganz sicher nicht mehr mein Problem als Lehrperson sondern das Problem der Schulleitung, die mit der übergeordneten Behörde das weitere Vorgehen absprechen muss. Dafür gibt es Hierarchien und dafür bekommt meine Schulleitung auch mehr Geld als ich.

  • Ich will mich jetzt gar nicht zu sehr in Profes Situation reinhängen, aber vieles, was er/sie schildert, könnte auch an meiner Schule so ablaufen.


    Man hat so viele Baustellen, wird mit Verwaltungskram (Minuten zählen und dokumentieren, aber keinen interessiert's) zugeschüttet, ist ständig mit Problemen, die die SuS machen (Gewalt, schwänzen) und haben (Drogen, häusliche Verwahrlosung) konfrontiert und die SL sitzt am polierten Schreibtisch und sagt: "Kamma nix machen. Is halt so." oder "Ach Gottsche, aber wenn die klagen!"

  • Jedem ist klar, dass es keine pauschalen Antworten gibt. Wer um die Ecke mit einer 10 oder meinetwegen auch 30Mintentaktung öffentliche Verkehrsmittel nutzt, ist anders zu bewerten als jemand, der kaum eine andere Möglichkeit hat. Wer keine zumutbaren Alternativen hat, sollte ohne Konsequenzen später kommen dürfen.


    Hier wird über völlig verschiedene Sachverhalte diskutiert.

  • Ein nicht unerheblicher Teil meiner Arbeit an der BBS ist es, Nachschriften und Nach-Nachschriften zu konzipieren und mich mit Dutzenden fehlenden Schülern zu beschäftigen.


    Irgendwann wird man pragmatisch (oder vielleicht auch ein wenig barsch) und mag keine Storys mehr hören. Ich würde auch bei einer Verspätung wegen des ÖPNV eher streng reagieren und von meinen Schülern durchaus verlangen, dass sie vor einer Klausur nicht den Bus auf den letzten Drücker nehmen.


    Würde ich mit Schülern arbeiten, die zum Großteil nur dann fehlen, wenn sie auch wirklich krank wären (oder aus irgendeinem Grund wirklich nicht kommen können), wäre ich sicherlich auch großmütiger...

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