Das Leid mit der Unterrichtsplanung

  • Hallo Forum,


    vielleicht mal eine Frage an die "Fortgeschritten", gerne aber auch an alle, die Rat wissen.
    Ich möchte mal gerne wissen, wann man wo lernt, wie man bestimmte Sachverhalte vermittelt. In der Schule soll ich nun U-Reihen planen; schön und gut, hab ich schonmal was von gehört.
    Jetzt sitz ich hier am Schreibtisch, weiß was ich machen will, aber nicht wie. Mir fehlt da auch irgendwie die logische Reihenfolge, also beispielsweise welcher Text zuerst und welcher danach kommen muss (Deutsch). Eigentlich scheint mir die Reihenfolge immer relativ beliebig (nehmen wir mal das gerade aktuelle Beispiel Lyrik). Das dauert dann immer stundenlang bis ich mir mal eine U-Stunde gezimmert habe. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass man für 45 min. Unterricht bis zu 3 Stunden Vorbereitungszeit braucht! Wenn ich das dann meinem Ausbildungslehrer zeige, ist das auch immer alles im Prinzip gut, aber meistens so von hinten durchs Knie in die Brust. Die "Korrekturen" (oder besser Vorschläge; der Mann ist echt bemüht und nett) seh ich dann auch meist ein, klingt irgendwie immer logisch. Und ich sitz da Stund um Stund. Das kommt mir vor, als würd ich mir was zusammenstümpern (ich glaub, das kommt mir nicht nur so vor!).
    Is klar, der macht das auch schon 20 Jahre und nicht 4 Wochen wie ich.


    Hab schon bei Hilbert Meyer und in Gott-weiß-was für Büchern nachgeguckt, aber das hält mich alles nur noch mehr auf.


    Ich möchte wirklich meinen Job gut machen und ich geh auch gern in die Schule - ganz echt. Aber das ist irgendwie so frustran. Kommt das noch, oder muss ich mir das alles selbst irgendwo abgucken? Ich erwisch mich schon dabei, wie ich panisch im Internet nach irgendwelchen U-Materialien suche, obwohl ich sonst, ganz sesamstraßenlike, nach dem Motto "Wozu hast du Kopf und Hände? Denk dir selber mal was aus!" verfahre.


    Geht es noch anderen so? Ist das normal, und wenn nicht, was kann ich dagegen tun??


    Es grüßt wie immer optimistisch in die Zukunft blickend aber dennoch ein bisschen nachdenklich,


    Scary


    P.S. Wieso gibt´s hier eigentlich kein "Weinen"-Männchen? Aber so richtig weinen mein ich!<br>

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sary (wieso eigentlich, du bist doch gar nicht soo beänstigend ;) )
    Also, bei mir läuft das so (Beispiel Lyrik): Ich wurstele mich so durch die Lyrikbände, die ich zum Thema habe und suche mit für eine Reihe Oberstufe etwa 12-16 Gedichte raus (mittelstufe 8-12). Kriterien: Gefällt mir persönlich - könnt den Schülern gefallen - etwas leichtere - etwas schwerere - sprachlich sehr dichte - sprachlich einfacher, aber inhaltlich anspruchsvoll.
    Dann lege ich die alle auf den Fußboden vor mich und mache eine Liste, womit ich anfange und mit welchem ich weitermache: Zum Einstieg die, an denen man kreativ arbeiten kann (sonst versaut man den S gleich den Spaß), dann die, an denen man grundlegendes Handwerkszeug lernen kann (für die dann folgenden sprachlich schweren), dann die, an denen man Epoche / Thema diskutieren kann, wenn die sprachliche Ebene schon gesichert ist. Dann suche ich zu allen Gedichten Bilder und Musik und Zitate und wasweißich - und dann bastele ich zu jedem Gedicht eine Stichwort-Grob-Doppelstunde ("Rilkes Panther - Folie mit wildem Panther zeigen - Assoziieren - Vertonung hören - Stimmung/Gefühle/Eindrücke festhalten - Gedicht vorlesen - Rhytmus und Stimmung kommentieren - kreativ: Panthers Gedanken aufschreiben lassen - das Blatt gestalten (etwa mit Gitterstäben) - Präsentieren - erste Analyseversuche mit Partner - Besprechen - in Gruppen: Korrespondez Sprache /Panthergefühle (dabei auf eigene Ergebnisse beziehen").
    So bleibt das dann erstmal, bis ich anfange die Stunden zu halten - dann verschiebt sich oft nochmal was oder es muss Zusatzmaterial her - oder die Muse knutscht mich noch intesiver als bei der Grobplanung.
    Bei Romanen/Dramen ähnlich: Ich lese das Buch und schreibe immer oben an die Seiten, was hier das interessante Thema wäre (oder wenn mir einfällt, dass ich dazu Bild/Ton/Film/Gedicht habe). Das Buch blättere ich dann nochmal durch und schreibe die Themen und Einfälle auf ne Liste. Aus jedem Einfall/Thema wird eine Stundenüberschrift plus ein paar Notizen a la "1er Akt: tragisches Element - Verstoßung des Helden - irgend ne dramistch-verzweifelte Musik oder Bild "der Schrei" von Edward Munch als stummer Impuls - Gefühlslage des Helden - Spekulieren, was er jetzt tun wird - weiterlesen (verteilte Rollen)......etc etc.
    So geht das bei mir ganz schnell und zügig und ich behalte den Überblick. Die Stunden dann noch mit Zusatzmaterial und genauen Schritten zu füllen, passiert en passant - ich habe die Erfahrung gemacht, dass je genauer/kleinschrittiger das Konzept vorher schon stand, desto blinder bin ich für tolle Einfälle&Materialien, die mir so "unterwegs" begegnen, für Schüleranregungen/Bedürfnisse und Kreativitätsschübe meinerseits. Ich brauche für diese Grobplanung einer Reihe (nach dem Sichten der Literatur) nicht mehr als einen - zwei Nachmittage. Für jede Stunde dann nochmal 20 minuten bis eine Stunde (je nach Kurs und evtl Film gucken/Sequenzen analysieren. Arbeitsblätter machen oder Musik oder Bilder suchen/drucken/aufnehmen/etc pp).
    Ich hoffe das hilft dir ein bisschen - ach so ja - fertige Unterrichtsreihen helfen (mir) selten (außer für Material/Zusatztexte zu Epochen /Stilmitteln etc) - aber die Seklit für Schüler tut es - weil da nämlich alle Themen auf Schülerniveau Kapitel für Kapitel aufgezählt werden und man sich thematisch dran langhangeln kann (falls man, wie ich, eher zur Über- als Unterforderung neigt: ich kann sonst manchmal nicht ganz von der philosophischen Ebene weg, auch wenn's den Lieben grad zu viel ist. Ahem).

    Dir einen ganz lieben Gruß,
    Heike


    PS Was für ne Lyrikreihe machst du denn? (Klasse / Thema) Vielleicht hab ich was?<br>

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hi Scary,
    geht mir oft nicht anders... ich habe gewisse Ansprüche an meinen Unterricht, und mitunter dauert es ewig, bis ich was vernünftiges auf die Beine stelle. Manchmal gehts auch ganz fix. Das liegt daran, dass ich weniger beim Arbeiten als vor allem bei der Idee mitunter Ladehemmung habe. Es geht aber zum Glück allmählich immer schneller - alle Methoden, die man schon durch hat, gehen einem ja als "Repertoire" nicht aus dem Kopf, und man kann dann zunehmend auswählen. Aber trotzdem isses oft frustrierend... Auch Meyer & Co helfen da ganz und garnicht, ist sowieso größtensteils Gewäsch, finde ich.
    U-Reihen plane ich immer nur ganz grob thematisch, manchmal fällt mir dann methdoisch was ein, das kann man dann schon mal vormerken. Ich weiß aber noch nicht, wie das mit einer vollen Stellen (toi toi toi) und 25 Stunden werden soll - das würde ich jetzt noch nicht schaffen, urks...
    Gruß,
    JJ<br>

  • N'Abend Scary,


    hah, da frachse was, brauche im Moment auch ewig für meine Stunden... trotz 'Reihenvorplanung', die ich allerdings gerade in die Tonne kloppe, weil ich sie viel zu voll gepackt habe. Und mein Mentor wirft immer sehr freundlich nach der Stunde ein, wie man das Ganze viel schlauer hätte machen können, und hat auch noch Recht (Immerhin meckert er mittlerweile auf deutlich höherem Niveau). Kann deshalb nur eine 'man sollte' Liste einreichen, weil ich's auch noch nicht kann:


    1. Kleinschrittiger zergliedern - mir fällt immer erst hinterher auf, dass 'Arbeitsblatt zur Charakterisierung lesen - Arbeitsblatt verstehen - Arbeitsblatt auf Figur im Roman anwenden' drei Schritte sind und nicht einer.


    2. Auf die innere Herleitung achten - Ziel (laut meinem angebeteten Mentor für die Examensprobe anzupeilen): die Schüler kommen selbst darauf, was als nächster Arbeitsschritt folgen soll. Solang dem noch nicht so ist: Logische Übergänge bauen.


    3. Den Mentor um Vorgaben anquengeln - Meistens können die sich gar nicht vorstellen, dass man sooo viel nicht weiss, etwa wo der Schwerpunkt der Unterrichtsreihe liegt, was das in der Jahrgangsstufe heisst, usw. Bei Nachfragen kriegt man dann schon klarere Vorgaben... meistens.


    Viel mehr fällt mir momentan auch nicht ein, und jetzt muss ich auch wieder planen... :rolleyes:
    wolkenstein<br>

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Hi alle,


    danke für die Antworten. Hört sich so an, als gäb es noch andere denen es so geht. Hab auch heut mal vorsichtig in der Seminarpause andere Neu-Refs gefragt und denen geht es größtenteils ähnlich. Tröstlich, tröstlich.
    Morgen muss ich das erste Mal unterrichten, bin schon ganz aufgeregt, aber glaub eigentlich, dass ich das gut geplant hab. Kann man bestimmt auch besser machen, aber ich hab nu beschlossen, das das jetzt gut so ist.


    Heike: Die Reihe ist über Naturlyrik mit Schwerpunkt "Frühling", wie könnt´s anders sein!
    ;)


    Vom chaotischen Schreibtisch grüßt
    Scary<br>

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Scary,


    Da muss ich doch gleich mein Lieblingsgedicht losschicken:

    "Vorfrühling" von Rilke:


    Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
    an der Wiesen aufgedecktes Grau.
    Kleine Wasser ändern die Betonung.
    Zärtlichkeiten, ungenau,


    greifen nach der Erde aus dem Raum.
    Wege gehen weit ans Land und zeigens.
    Unvermutet siehst du seines Steigens
    Ausdruck in dem leeren Baum.


    Hab ich gemacht unter den Schwerpunkten "Natur und Körperlichkeit" - man beachte die "Zärtlichkeiten" und das "greifen nach" etc...
    insgesamt kann man da gut Personifizierungen dran machen - aber auch das Erotische am Frühling - die Schüler fanden gerade dieses Thema klasse ...


    (und du hoffentlioch auch - denn: es geht uns ja wohl hoffentlich allen gerade so...heute bei 17 Grad und Sonne..)


    angeregte Grüße,
    Heike
    <br>

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  • Hallo!
    Ich denke, du musst dir nicht allzuviele Gedanken machen, wenn du ewig brauchst, um eine Stunde zu planen. Ging mir am Anfang meines Refs genauso. Da saß ich manchmal das ganze Wochenende, um eine einzige Stunde zu planen (ich bin zusätzlich auch noch absolut perfektionistisch veranlagt :D) Inzwischen (kurz vor den Prüfungen) schaffe ich am Wochenende fast die komplette Stundenplanung. Natürlich nur, nachdem ich die Grobplanung schon habe. Die 20-60min pro U-Stunde, die Heike angegeben hat, kommen inzwischen auch bei mir hin. Liegt daran, dass man bestimmte Vorgehensweise, Methoden, Spiele,... schon im Kopf hat und aus dem ganzen Repertoire nur noch das passende aussuchen und eventuell ein wenig umändern muss. Ich gebe Heike auch im Bezug auf fertige Stundenentwürfe recht. Sie sind einfach nicht anwendbar, weil jeder andere Schüler vor sich sitzen hat, die andere Ansprüche stellen, andere Wünsche haben, ...
    Ich hoffe, ich konnte auch ein wenig zu deiner Beruhigung beisteuern.
    Viel Glück für deine Stunde morgen!!!!


    Gruß, Barbara<br>

  • Hi ihr alle,


    danke für Eure Tips und Aufmunterungen. Dann will ich mal hoffen, dass es bald besser wird.


    Liebe Grüße,
    Scary


    @ Heike: Die Reihe Frühling und Erotisches plan ich doch lieber mal für die Oberstufe ein. Die momentane Reihe ist für Klasse 6, hatte ich glaub ich nicht dazugeschrieben. Sorry.
    Hi, Hi, Hi<br>

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