Inklusion - Opfert das Gymnasium!

  • Macht sich hier eine Schulform bezüglich der Inklusion tatsächlich einen schlanken Fuß?

    Ich fürchte leider nein. Bei uns ist die Inklusion angekommen, wenn auch nicht mit dieser Wucht wie an anderen Schulen.
    Aber natürlich wünschte ich, wir Gymnasien würden uns einen schlanken Fuß machen; mit Erfolg haben wir Kollegen einer Klasse einen schweren Fall integriert, der nichtmal offiziell ein Inklusionskind war. Aber ich bin nicht stolz darauf, sondern nur erleichtert, denn auf die fliegenden Gegenstände, umgeworfene Tische und Wutausbrüche kann ich gern verzichten. Ich bin kein Spezialist für sowas.


    Off topic: Mehr als die Inklusion, die zweifellos überall ankommen wird, wenn sie es nicht schon ist, beschäftigt mich die Frage, was denn unsere Kinder zu dem macht, was sie sind: Ich habe in einer Klasse mehrere Kinder, die Beruhigungsmittel kriegen. Ein Kind hat sich nicht im Griff, ein weiteres nur schwer, ein weiteres hat Depressionen, ein weiteres ist vor kurzem in der Kinderpsychiatrie aufgenommen worden, und von einem weiteren habe ich heute erfahren, dass es computersüchtig ist. Über die mangelnde Anstrengungsbereitschaft bei gleichzeitig selbstverständlicher Forderung, das Abitur zu bekommen, wollen wir gar nicht reden.


    Natürlich gab es schon immer spezielle Kinder; aber in dieser Anzahl?!
    Sind es die Familienstrukturen? Materialistische Lebensführung in den Familien? Die fehlende „Natürlichkeit“ der Kindheit? Technisierung, Digitalisierung?
    Das kann doch keine gesunde Gesellschaft sein, die so viele „unterstützungsbedürftige“ Kinder hervorbringt.


    Aber dies ist off-topic. Wer eine Antwort oder weiterführende Hinweise hat, melde sich gern bei mir.

    • Offizieller Beitrag

    Betrachtet man sich die Zahl an verhaltensauffälligen Kindern am Gymnasium, ist die Inklusion längst dort angekommen.


    Eine Diskussion ob eines plakativen Zitats aus dem Zeit-Artikel, der mir durchaus bekannt ist, vom Zaun zu brechen finde ich irgendwie schon vorgefärbt - daran mag ich mich nicht beteiligen, weil ich als Gymnasiallehrer da pauschal in die Rechtfertigungsposition gedrängt werde.


    Interessant waren neben dem Artikel die vielen Kommentare, die zum Teil wirklich substanzielle Argumente gegen die Abschaffung des Gymnasiums enthielten.

  • https://www.zeit.de/gesellscha…on-foerderung-schulsystem


    "Inklusion ist also ein Grund mehr für leistungsbewusste Eltern, ihr Kind am Gymnasium unterzubringen. Dort werden Schülerinnen und Schüler noch immer weitgehend davon verschont ..."


    Macht sich hier eine Schulform bezüglich der Inklusion tatsächlich einen schlanken Fuß?


    Hallo Freakoid,


    im Artikel wird wieder einmal behauptet, dass die UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland die Beschulung behinderter Kinder/Menschen in "Regelschulen" verlangt habe. Das ist eine plumpe Fehldarstellung. Die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt vielmehr, dass behinderte Menschen am allgemeinen Bildungssystem teilhaben und hiervon nicht aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen werden dürfen. Punkt. Des Weiteren ist es Aufgabe des Staates, geeignete Fachkräfte und Bildungsinhalte, die auf die Bedürfnisse behinderter Menschen zugeschnitten sind, zur Verfügung zu stellen. Das gerade geschieht jedoch nicht, indem man behinderte Kinder in Regelschulen stopft, wo sie sich weitestgehend selbst überlassen sind.


    Der Begriff "Inklusion" ist eine ideologische Blase, die in Wahrheit Unterschiede der Menschen ausblendet und eine Scheingleichheit kolportiert, die es in Wirklichkeit nicht geben kann und auch nicht geben muss. Behinderte Menschen müssen optimale Förderung erhalten, um nach Möglichkeit in vollem Umfang die Bildungsangebote unserer Gesellschaft nutzen zu können. Die hierzu nötigen Schulabschlüsse sind übrigens auch auf Förderschulen oftmals erreichbar und das im Sinne einer maximierten Chancengleichheit.


    Übrigens auch typisch, dass auf Werbebildern für inklusive Beschulung ein Rollstuhlfahrer gezeigt wird. In Realität sehe ich geistig schwer beeinträchtigte Schüler vereinzelt in Lerngruppen sitzen, die kognitiv auf einer ganz anderen Wellenlänge unterwegs sind. Ab und an kommt ein Förderlehrer vorbei und drückt dem Kind einige differenzierte Materialien in die Hand, vor denen es dann stundenlang ratlos sitzt, bis sich wieder jemand seiner annimmt. Wenn das Inklusion ist, dann widerspricht sie eklatant den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention!


    der Buntflieger

  • Aha ... dann frage ich mich, warum ich seit vier Jahren im Inklusionsteam am Gymnasium arbeite und entsprechende SchülerInnen betreue ... es gibt nämlich eine ganze Reihe von SuS, die trotz eines bestimmten Nachteils die Anforderung des Gymnasiums schaffen können (mit ggf. etwas Hilfe) oder es wenigstens versuchen wollen.

  • Hallo Freakoid,


    im Artikel wird wieder einmal behauptet, dass die UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland die Beschulung behinderter Kinder/Menschen in "Regelschulen" verlangt habe. Das ist eine plumpe Fehldarstellung. Die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt vielmehr, dass behinderte Menschen am allgemeinen Bildungssystem teilhaben und hiervon nicht aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen werden dürfen. Punkt.


    Komisch, das sieht das Deutsche Institut für Menschenrechte aber ganz anders:



    Zitat von Deutsches Institut für Menschenrechte

    Der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems sollte Hand in Hand mit der schrittweisen Abschaffung der Sonderschulen gehen. Die Aufrechterhaltung eines Sonderschulsystems neben der Regelschule ist nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention in Einklang zu bringen.


    https://www.institut-fuer-mens…nschenrechtsinstitut-for/

  • Aha ... dann frage ich mich, warum ich seit vier Jahren im Inklusionsteam am Gymnasium arbeite und entsprechende SchülerInnen betreue ... es gibt nämlich eine ganze Reihe von SuS, die trotz eines bestimmten Nachteils die Anforderung des Gymnasiums schaffen können (mit ggf. etwas Hilfe) oder es wenigstens versuchen wollen.

    Das soll nicht zynisch klingen, aber mich interessiert das wirklich. Was heißt denn "eine ganze Reihe". Wie viele SuS sind es denn pro Klasse mit einem Förderbedarf?

  • Inklusion am Gymnasium ist nichts als linke Ideologie. Geistig Behinderte an einer Schule für die künftige Elite? Das kann sich nur ein Ideologe ausdenken, so unsinnig ist es.
    Ich erlebe es an unserer Schule täglich. Die Lehrer sind komplett überfordert, die Behinderten stören den Unterricht mal eher aktiv, mal passiv durch ihr absolut unterdurchschnittliches Leistungsvermögen (verglichen mit den Nichtinklusionskindern). Und in den Seminaren (und damals an der Uni) erzählen uns weltfremde, meist linke Theoretiker, was für eine tolle Idee das alles ist umd wie diskrimierend die pösen pösen Sonderschulen doch sind. Es ist ein Trauerspiel.

  • Die Lehrer sind komplett überfordert, die Behinderten stören den Unterricht mal eher aktiv, mal passiv durch ihr absolut unterdurchschnittliches Leistungsvermögen (verglichen mit den Nichtinklusionskindern).

    Aha, und du denkst, dass täten sie an anderen (Regel-) Schulformen nicht? Und die Lehrer wären da weniger überfordert?

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Inklusion am Gymnasium ist nichts als linke Ideologie. Geistig Behinderte an einer Schule für die künftige Elite? Das kann sich nur ein Ideologe ausdenken, so unsinnig ist es.
    Ich erlebe es an unserer Schule täglich. Die Lehrer sind komplett überfordert, die Behinderten stören den Unterricht mal eher aktiv, mal passiv durch ihr absolut unterdurchschnittliches Leistungsvermögen (verglichen mit den Nichtinklusionskindern). Und in den Seminaren (und damals an der Uni) erzählen uns weltfremde, meist linke Theoretiker, was für eine tolle Idee das alles ist umd wie diskrimierend die pösen pösen Sonderschulen doch sind. Es ist ein Trauerspiel.

    Erster Beitrag und gleich so einer ... was verstehst du unter "Geistig Behinderte"? Die Inklusionsschüler, die ich unterrichtet habe, waren bzgl. ihrer geistigen Fähigkeiten genau so gut oder schlecht wie SuS ohne Nachteil ... der Nachteil bestand in einer anderen Form der "Behinderung". Ich habe durchaus am Anfang befürchtet, dass mich das überfordern würde ... das ist aber nicht eingetreten. Unterrichtstörungen gab es von der Seite weniger als von manchen Nichtinklusionskindern (von denen übrigens eine ganze Menge vom Leistungsvermögen - je nach Art der Anforderung - unter den Inklusionskindern lagen).
    Ich bin durchaus der Ansicht, dass wir eine große Zahl an Inklusionsschülern nicht leisten können und bei bestimmten Formen der "Behinderung" auch überfordert sein könnten (die habe ich aber an unserer Schule noch nicht erlebt). Ich kann mir auch vorstellen, dass in manchen Fällen Sonderschulen mit speziell ausgebildetem Personal Sinn machen. Deshalb die ganze Idee komplett abzulehnen finde ich aber falsch.

  • Ich würde mich fast gern dazu äußern, bin aber irgendwie viel zu müde dazu. An den Hauptschulen in Deutschlands größten Städten sieht's wahrscheinlich am heftigsten mitterweile aus. Ich kann dazu gar nichts mehr sagen eigentlich... außer, dass ich früher eher antielitär und mehr ein Verfechter der Gesamtschule war... seit der Inklusion und ihrer Auswüchse in Kombination mit dem Lehrermangel, hoffe ich allerdings ganz ganz fest, dass die Gymnasien "verschont" bleiben, damit irgendwo weiterhin kognitiv anspruchsvoller Unterricht angeboten werden kann.
    Es ist ja nicht der Gedanke der Inklusion an sich ...
    Privatschulen werden verstärkt in Anspruch genommen werden, denke ich. Ist doch bestimmt schon der Fall.

  • Spannend fände ich hier eigentlich auch einen Bundeslandvergleich. Inklusion (oder altmodische Integration) mag bereits unterschiedlich weit eingeführt sein. (Ich bin mir sicher, gelesen zu haben, dass Bremen am weitesten inklusiv arbeitet). Auch der Anteil an Gymnasien wird in den Bundesländern sehr verschieden sein.
    Auch kann es vielleicht einen Unterschied machen, ob die jeweilige Schule eher im ländlichen oder großstädtischen Bereich ist.


    Mein Erleben in NDS: Wir haben seit "schon immer" I-SuS gehabt. Die meisten zielgleich (mit Förderbedarf im Bereich Hören, Sehen, ES, ...). Aber auch GE - eindeutig zieldifferent. Der Troll hat hier ja behauptet, solche SuS würden durch ihr "unterdurchschnittliches Leistungsvermögen" den Unterricht passiv stören. Kann ich nicht bestätigen. Und wer versucht, mit jemandem auf dem Niveau eines Drittklässlers den selben Unterrichtsinhalt wie mit Zehntklässlern durchzuziehen, der kann nur scheitern.

  • Von einer Form der zieldifferenten Beschulung würde ich allerdings am Gymnasium immer abraten: LE. Gerade in höheren Jahrgängen habe ich von Haupt-/ Oberschulen mehrfach gehört, dass diese SuS einen "normalen" Hauptschulabschluss haben erreichen können, also nicht nur den Abschluss der Förderschule. Dafür wird vielleicht die Abschlussklasse (10. Klasse) wiederholt. Aber es kann der Förderstatus aufgehoben werden & die SuS haben eine Chance, im Unterricht regulär mitzumachen.


    Das sähe am Gymnasium anders aus: Die zieldifferente Beschulung bleibt erhalten, der Abschluss ist der der Förderschule. Wird der Förderstatus aufgehoben, "fallen" die SuS in den regulären Gymnasialunterricht. Das Niveau ist aber so deutlich unterschiedlich, dass die Hoffnung auf einen regulären Hauptschulabschluss (nach der 9. Klasse) nicht realistisch ist. Natürlich könnten die SuS dann die Schule Richtung Hauptschule verlassen. Aber so ein Schulwechsel kurz vor der Abschlussprüfung produziert zumeist (für alle SuS) besondere (nicht einfache) Bedingungen. Für einen LE-Schüler mag das den Unterschied zwischen Hauptschul-Abschluss oder nicht ausmachen.

  • Es ist ja nicht bei allen Schülern mit irgendwelchen Beeinträchtigungen das Kognitive betroffen. Beim Übertritt auf die weiterführenden Schulen zählt eben die kognitive Leistungsfähigkeit.
    In der Grundschule sammeln sich alle Arten von Beeinträchtigungen und somit die ganze Bandbreite der kognitiven Fähigkeiten.
    Schüler mit autistischen Tendenzen, ADS, ADHS findet man zu Recht auch auf Gymnasien, wobei verhaltensauffällige Schüler in allen Schularten eine besondere Herausforderung darstellen.
    Kinder mit reinen körperlichen Beeinträchtigungen machen vielleicht mehr "Umstände", sind aber sonst ganz normal im Sozialverhalten. Vor vielen Jahren hatte ich einmal einen gut begabten Jungen, der einen Herzfehler hatte und in der Folge in allem langsam war. Er konnte aber die Leistungen, wenn man ihm genug Zeit gab, abrufen. Er ging aufs Gymnasium - da war der Inklusionsgedanke noch nicht so weit gediehen - seine Beeinträchtigung konnte aber nicht berücksichtigt werden. Das Gymnasium hatte damals kein Konzept für solche Kinder und irgendwann musste er die Schule verlassen. Heute wäre ihm ein Verbleib eher möglich.
    Natürlich ist es unsinnig, ein lernbeeinträchtigtes Kind, am IQ und der Leistung ablesbar, auf das Gymnasium zu tun. Da ist Hauptschule oder sogar eine Förderung in Kleingruppen, wie es an Förderschulen möglich ist, angesagt.

  • Ich nicht, denn ich bin für Lastenteilung!

    Ich auch. Ich bin quasi aus Prinzip Hauptschullehrerin geworden. Ich arbeite gern mit "schwierigem" Klientel und dazu gehören auch Kinder mit Beeinträchtigung Richtung Behinderungen etc. Verhaltensauffällig ist ja eh jeder bei uns...
    Aber ehrlich gesagt finde ich, kann einem die Inklusion unter den gegebenen Bedingungen nicht zugemutet werden. Niemandem. Viele Schulen sind regelrecht verloren. Bevor nicht entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden, würde ich dann lieber die verbleibenden Schulen noch "verschonen". Um die Belastung auszugleichen kann dann die Stundenverpflichtung runter- und das Gehalt hochgeschraubt werden an Haupt- und anderen Schulformen, schlicht ganz so, wie es halt bei Sondeoädagogen normalerweise der Fall ist. Dann hat man Zeit, inklusiven Unterricht vorzubereiten und den Verwaltungswahnsinn zu stemmen.


    Ich will einfach unbedingt kostenlose und gute Bildung erhalten wissen... Bildung darf nichts kosten. Wenn die Gymnasien aber unter den aktuellen Gegebenheiten auch noch vor die Wand gefahren werden, wird es m.E. früher oder später in Form von Privatschulen dazu kommen.

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