Ist Abschreiben eine Rechtschreibleistung?

  • Sprachst du nicht von Spitzfindigkeiten? ;)


    Es gibt, mal so schnell überflogen, folgende Möglichkeiten:


    (1) Das Kind weiß nicht, ob es ihn oder ihm heißt, und schreibt die falsche Variante. (Grammatikfehler)


    (2) Das Kind weiß nicht, ob es ihn oder ihm heißt, und schreibt die richtige Variante. (Grammatikfehler bzw. -schwäche, aber keiner merkt's.)


    (3) Das Kind denkt richtigerweise, es heißt ihn bzw. ihm und schreibt es so. (kein Fehler)


    (4) Das Kind denkt fälschlicherweise, es heißt ihm bzw. ihn und schreibt es so. (Grammatikfehler)


    (5) Das Kind weiß richtig, es heißt ihm, schreibt aber ihn bzw. umgekehrt. (wird zumeist als Grammatikfehler angestrichen, ist aber eigentlich ein Rechtschreibfehler, weil es -m- und -n- verwechselt, also ein Problem in der Laut-Buchstaben-Zuordnung, nehme ich an)


    (Gibt es weitere Varianten?)

    Edit (23.00 Uhr): Ja, mir ist noch eine Variante eingefallen, @Krabappel: Kind denkt fälschlicherweise, dass es ihm heißt, schreibt aber ihn, weil es -m- und -n- verwechselt, hat also eine Rechtschreib- und eine Grammatikschwäche, kommt aber durch die Verwechslung zufällig zum richtigen Ergebnis, heißt, keiner merkt's!



    (5) würde dann vielleicht im Rahmen einer LRS-Diagnose herausgefunden werden, vermute ich. Kind verwechselt Buchstaben. Das ist dann nur eine Rechtschreibschwäche. Das ändert doch aber nichts daran, dass es grundsätzlich Grammatik ist, wie die Wörter gebildet werden und Rechtschreibung, wie die Wörter (u.U. infolge ihrer Grammatik) geschrieben werden. (Zu wissen und erkennen, was ein Nomen ist und wie man es bildet, ist also Grammatik; es dann als Nomen demzufolge großzuschreiben, ist Rechtschreibung.)


    Ich frage mich gerade, warum es eigentlich neben der Lese- und Rechtschreibschwäche keine "anerkannte" Grammatikschwäche gibt. Das haben doch etliche Kinder auch, nicht nur solche mit Migrationshintergrund. Oder gibt es die (und Tests dafür)?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    5 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Vielen Dank für eure Rückmeldungen. Das Bild wurde dadurch für mich klarer.


    Zum Abschreiben:
    Vielleicht sollte man das differenziert betrachten.
    Es gibt neben euren geschriebenen Gedanken auch Ansichten bzw. Argumente dafür, dass Abschreiben ein Phänomen der Arbeitshaltung ist.


    Richtiges Abschreiben heißt, das Wort genau und länger anzuschauen, idealerweise die Rechtschreibphänomene erkennen und merken. Dann das Wort und später längere Satzteile bzw. Sätze auswendig aufschreiben und im Kopf synchron zum Schreiben mitsprechen und anschließend nochmals kontrollieren. Das sind Arbeitsvorgänge, die in der Grundschule eintrainiert werden und später automatisiert angewendet werden.


    Klar ist es für schlechte Rechtschreiber schwieriger, aber für viele auch leistbar. Ich hatte schon Kinder, die diagnostizierte Legasthenie hatten, nicht auswendig schreiben konnten, aber richtig abschrieben. Irgendwie fand ich das bisher immer von Fall zu Fall verschieden. Dies hing auch ein Stückchen mit Arbeitshaltung und auch Konzentration zusammen.
    In meinem aktuellen Fall sehe ich die Abschreibschwierigkeiten als Folge von visueller Wahrnehmungsschwäche, graphomotorischer Schwierigkeiten, Wortdurchgliederungsschwäche und Konzentrationsschwäche an. Da würde ich es in dem Paket "Rechtschreibschwierigkeiten" sehen. Das Kind macht übrigens Ergotherapie.


    Es gibt aber auch oberflächliche Kinder, die diktierte Sachen akzeptabel schreiben, aber immer wieder Abschreibfehler machen, weil sie schnell fertig sein möchten und die einzelnen Schritte zum Abschreiben nicht richtig beachten.

  • Da fällt mir ein, dass ich mich letztens mit einem Bekannten unterhielt, der mir bei nem Bierchen erzählte, dass er Legastheniker ist (Abiturient, aktuell FSJ, wird bald studieren). Er hat alle Wörter auswendig gelernt, da er bis heute nicht verstehen kann, wie man eigentlich richtig schreibt. Ihm unbekannte Wörter bringt er nicht zu Papier. Dieses Gespräch war für mich noch einmal erschreckend und erhellend. Sicherlich ist es bei einigen Kids absolute Faulheit, ggf. auch einfach Unkonzentriertheit, doch man darf diese schwerwiegenden Fälle nicht übersehen.
    Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Fall!

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