Ist Abschreiben eine Rechtschreibleistung?

  • Was meint ihr? Ist richtiges Abschreiben eine Rechtschreibleistung?


    Hintergrund der Frage: Bei einem LRS- Schüler werden die Rechtschreibleistungen nicht gewertet. Klar ist das bei allem, was diktiert wird, wo man die richtige Schreibweise ankreuzen muss usw.


    1) Was ist, wenn er in einer Deutscharbeit (Grammatik) etwas falsch abschreibt?
    Es gibt z.B. immer wieder Aufgabenstellungen, wo Wörter vorgegeben sind, die man z.B. richtig einordnen muss oder grammatikalisch umformen muss.


    2) Lückenaufgaben: Würdet ihr einem solchen Schüler Punktabzug geben, wenn er ein Wort am Satzanfang einsetzen muss (z.B. Pronomen) und es klein schreibt? Die Großschreibung am Satzanfang bei einer Lückenaufgabe sollte eigentlich klar sein oder?

    Einmal editiert, zuletzt von Caro07 () aus folgendem Grund: zur Verdeutlichung nummeriert, weil es eigentlich zwei Fragen sind

  • Primarstufe UND LRS? - Da ich in der Familie einen Fall habe, wo in der GS die LRS einfach ignoriert wurde (mit fatalen Folgen für die seelische Gesundheit des Kindes) halte ich das aus einer sehr persönlichen Perspektive für hochproblematisch gerade in diesem Alter nicht konsequent die Rechtschreibung zurückhaltend zu bewerten. Wenn alles nur eine Frage klarer Regeln wäre, dürften ja auch bei Diktaten keine Probleme für die davon betroffenen Kinder entstehen. LRS wirkt sich auch auf das Lesen von Texten aus, wirkt damit auch beim "simplen" Abschreiben von Texten. Fehler im Regelbereich, Verdrehen von Buchstaben oder Lautfolgen sind typische Probleme bei LRS (weshalb es auch ein großes Hindernis beim Erlernen von Fremdsprachen sein kann).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich würde behaupten ja, auch Abschreiben ist generell eine Rechtschreibleistung. Du musst dabei ein Wortbild abspeichern und wiedergeben. Das Großschreiben am Satzanfang zählt zwar m.E. nicht dazu, das ist reines Wissen und Konzentrieren, allerdings würde ich, wenn die Rechtschreibung nicht bewertet wird, wohl nicht bei jedem Wort neu überlegen, ob er/sie das nun gerade hätte richtig schreiben können müssen. Mein Gefühl sagt hier Anstreichen aber nicht werten.

  • (...) Das Großschreiben am Satzanfang zählt zwar m.E. nicht dazu, das ist reines Wissen und Konzentrieren, (...)

    Oder infolge typischer LRS-Symptome wie dem Verdrehen von Buchstaben zumindest ohne eine begleitende LRS-Therapie als Entlastung eine Überforderung des Kindes.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Als Idee: man könnte künftig auch sagen, pass auf, ich möchte, dass du anfängst, dich auf die Rechtschreibung zu konzentrieren. Die Wörter aus Aufgabe x und y, die oben schon stehen, sollst du richtig übertragen, kontrolliere Silbe für Silbe nochmal (achte auf Großschreibung am Satzanfang) oder sowas. Dass neben der Grammatik der Fokus auf eine einzelne Rechtschreibleistung gelegt wird?


    @CDL, LRS-Therapie ist kein geschützter Begriff oder?

  • @ CDL
    In Bayern ist das etwas anders. Hier wird die Lese- und Rechtschreibleistung durch die Schulberatung (Schulpsychologe oder Beratungslehrer) auf Antrag der Eltern mit Empfehlung des Klassenlehrers getestet (durch offizielle, anerkannte Tests), was in diesem Fall geschehen ist. Also kein Grund zur Aufregung. ;)
    Wenn eine der Leistungen stark von der Intelligenz abweicht, dann ist das bei uns eine Rechtschreibstörung oder eine Lesestörung oder beides. Bei uns ist es ganz normal, dass wir im 3. Schuljahr bei Lese- oder auch Rechtschreibauffälligkeiten, die nicht besser werden, die Schulberatung hinzuziehen und zu einem Test raten.


    Wo sich die Schulpsychologin und ich noch nicht ganz einig sind, ist, was wir jetzt bei der diagnosizierten Rechtschreibstörung bei kombinierten Proben ( vermischte Grammatik- und Rechtschreibproben) herausnehmen.
    Der Schüler verwechselt übrigens keine Buchstaben, er zeigt eher Wortdurchgliederungsschwächen, eine schwache Speicherkapazität und kann aufgrund festgestellter visueller Wahrnehmungsschwäche zum ersten schlecht abschreiben und zum zweiten nicht immer synchron mitsprechen, wenn er abschreibt. Seine Konzentration ist schnell weg beim Abschreiben. Die Abschreibleistung ist fast noch auffälliger als die Rechtschreibleistung.

  • Angesichts der Vielzahl von Anbietern in diesem Bereich vermutlich nicht. Über die Krankenkasse bzw.den Kinderarzt kann man aber die Namen seriöser Anbieter in der jeweiligen Region erfahren. Bei anerkannter LRS bereits im Primarbereich wäre eine unterstützende Behandlung wichtig. Scheitert wie ich leider von meiner Schule weiß aber manchmal am Willen der Eltern.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Was meint ihr? Ist richtiges Abschreiben eine Rechtschreibleistung?
    Hintergrund der Frage: Bei einem LRS- Schüler werden die Rechtschreibleistungen nicht gewertet. Klar ist das bei allem, was diktiert wird, wo man die richtige Schreibweise ankreuzen muss usw.


    Was ist, wenn er in einer Deutscharbeit (Grammatik) etwas falsch abschreibt? Es gibt z.B. immer wieder Aufgabenstellungen, wo Wörter vorgegeben sind, die man z.B. richtig einordnen muss oder grammatikalisch umformen muss.


    Würdet ihr einem solchen Schüler Punktabzug geben, wenn er ein Wort am Satzanfang einsetzen muss (z.B. Pronomen) und es klein schreibt? Die Großschreibung am Satzanfang bei einer Lückenaufgabe sollte eigentlich klar sein oder?


    Ganz klar, nein, ich würde keinen Punkteabzug geben, weil ja - wie du schreibst - die Rechtschreibleistungen nicht gewertet werden.


    Großschreibung am Satzanfang ist Rechtschreibung und nicht Grammatik.


    (Das richtige Bilden der Wörter, z.B. ihn oder ihm, ist Grammatik. Das richtige Schreiben der Wörter, z.B. ihm, Ihm, im, Im, Iehm, iehm, iim..., ist Rechtschreibung.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Voraussetzung zur Therapie:
    In Bayern muss man beim Kinder- und Jugendpsychiater die Legasthenie nochmals überprüfen lassen. Mit dieser fachärztlichen Diagnose kann man eine Therapie bei einem der dünn gesäten anerkannten LRS- Therapeuten machen. Es wird dann kostenlos, wenn das Jugendamt diese auf Antrag unter bestimmten Auflagen (z.B. psychische belastende Komponente muss beschrieben werden) genehmigt. Bei uns gibt es im Umkreis von 30 km einen solchen Therapeuten.

  • Großschreibung am Satzanfang ist Rechtschreibung und nicht Grammatik.


    (Das richtige Bilden der Wörter, z.B. ihn oder ihm, ist Grammatik. Das richtige Schreiben der Wörter, z.B. ihm, Ihm, im, Im, Iehm, iehm, iim..., ist Rechtschreibung.)

    Dass man Nomen erkennt und groß schreibt ist schon Grammatik. Ich würde aber nicht spitzfindig sein, eben weil es eine Vereinbarung gibt.


    @Caro07, wie bekommt man die Anerkennung und von wem? "Lerntherapeut" z.B. darf sich jeder nennen.

  • Du meinst die Therapeuten? Das weiß ich nicht genau, auf jeden Fall gibt es welche, die bei uns vom Landratsamt und damit vom Jugendamt anerkannt sind. In meiner Region habe ich einen anerkannten Therapeuten gesehen bzw. der war mir auch bekannt. Wegen möglicher Adressen würde ich jetzt eher den Kinder- und Jugendpsychiater, bei dem man dann nochmals testen lässt oder das Jugendamt selbst fragen.


    Hier gibt es eine bunte Mischung, aber nicht alle haben offensichtlich die Anerkennung, dass die Kosten übernommen werden:
    https://www.bvl-legasthenie.de…ice/therapeutensuche.html

  • Guten Morgen,


    bei einer diagnostizierten LRS dürfen inzwischen keinerlei Rechtschreibfehler mehr gewertet werden. Früher hat man die Groß- und Kleinschreibung nicht beachtet, da es sich hier um ein Regelbewusstsein handelt. Schließlich wurden dann alle bereits thematisierten Rechtschreibregeln nicht mehr für den Nachteilsausgleich anerkannt sondern nur noch die tatsächlichen isolierten Störungen, wie das Vertauschen von Buchstaben, Fehlen von Buchstaben, Fehlen von Silben... Das ist inzwischen nicht mehr so. Heutzutage (zumindest in NRW) wird kein Rechtschreibfehler bei der Notenbildung berücksichtigt. Außerdem darf den Kids mehr Zeit für die Arbeiten eingeräumt werden.
    Wenn es bei euch so wenige Förderzentren gibt, bietet ihr denn dann in eurer Schule LRS Förderkurse an?

  • Interessant, wie das bei euch einmal war. Wir hatten früher das System, dass zwischen einer Rechtschreibschwäche und einer Rechtschreibstörung unterschieden wurde. Bei einer Schwäche wurden Aufgaben erleichtert. Bei der Störung heißt es, nicht zu werten.


    Es war für mich eher die Frage, was ihr noch dem Bereich Rechtschreiben zuordnen würdet und was eher Grammatik ist. Das Wort nach Rechtschreibregeln zu schreiben kann man von einem Kind mit Rechtschreibstörung nicht verlangen. Allerdings finde ich schon, wenn es in einer Grammatikprobe um Nomen geht, müsste ich schon erwarten können, dass diese groß geschrieben werden.


    Die Hauptfrage allerdings war, ob Abschreiben eine Rechtschreibleistung ist. Von den Experten um mich herum wird es verneint im Gegensatz zum Tenor im Forum.


    In Bayern sind wir gut aufgestellt, was die Diagnose und Schulberatung betrifft. Das machen Experten, also nicht die Lehrer selbst. Allerdings sind wir von den schulischen Fördermöglichkeiten stundenplanmäßig ziemlich schlecht bestückt. Wir bekommen kaum Extrastunden für LRS- Kurse. Und ehrlich gesagt, bisher hat, wenn es einmal geklappt hat, eine Zusatzstunde pro Woche überhaupt nichts gebracht, obwohl die Lehrer entsprechende Fortbildungen hatten. Ich habe zumindest nie etwas gemerkt.

  • Abschreiben beinhaltet definitiv rechtschreibliches Vermögen.
    Ein Beispiel: Schreibe bitte folgendes Wort ab: Kryokonservierung


    Nun musst du zunächst das Wort versuchen zu lesen/entschlüsseln. Dabei versucht man bereits erlernte Rechtschreibstrategien anzuwenden, nämlich das Wort in Silben zu unterteilen und es dann zu verstehen. Außerdem untersuche ich es auf bekannte Muster. Die Endsilbe -ung wird abgespeichert (mit g, nicht mit k), auch das ganze Wort konservierung kann abgespeichert werden. (mit v, nicht mit w, mit ie, nicht mit i) und der Anfang ist eine totale Herausforderung. Das Wort muss groß geschrieben werden, da kommt ein y vor und eine Silbe besteht nur aus einem Vokal...
    Wörter werden nicht abgeschrieben, in dem ich mir jeden Buchstaben merke, sondern in dem ich versuche, bereits erlernte Rechtschreibmuster aufzurufen und anzuwenden. Da liegt bei LRS Kandidaten das Problem. Diese Herausforderung kann man sich vielleicht vorstellen, wenn man mal einen Text in einer fremden Sprache abschreibt.
    Meine LRS Kurse führen regelmäßig Abschreibdiktate durch, müssen diese rückwärts kontrollieren, markierte Wörter noch einmal in Silben aufteilen und es gibt immer noch Fehler. Wir haben ein sehr gutes Konzept und nach zwei Jahren Förderung können viele SuS ohne Förderbedarf am Unterricht teilnehmen.

  • @Jazzy82, was für Kurse machst du genau und orientierst du dich an einem bestimmten Konzept?

    Ich gebe bei uns u.a. die LRS Kurse jede Woche eine halbe Stunde pro Kurs. Die Kursgröße übersteigt nicht 12 Kids. Hautpsächlich orientiere ich mich an RELESA (Recklinghäuser Lese - Schreibaufbau) und benutze zur Diagnostik auch die dort angegebenen Tests. Dazu gibt es allerdings noch weitere Übungen zur Konzentration, diverse Arbeitspläne, Lernspiele... Vor einigen Jahren war das eine dreiteilige Fortbildung. Soweit ich weiß, wird die Fortbildung jedoch nicht mehr angeboten.

  • Dass man Nomen erkennt und groß schreibt ist schon Grammatik. Ich würde aber nicht spitzfindig sein, eben weil es eine Vereinbarung gibt.


    @Caro07, wie bekommt man die Anerkennung und von wem? "Lerntherapeut" z.B. darf sich jeder nennen.


    Nein, dass man Nomen erkennt, ist Grammatik; dass man sie "dann" großschreibt (wenn man sie als Nomen erkannt hat), ist Rechtschreibung.


    Das kommt nur in der Regel nicht getrennt voneinander vor, allerdings gibt es ja auch hier "konsequente Kleinschreiber", die benutzen trotzdem Nomen und die könnte man auch trotzdem bestimmen/erkennen (lassen - in einem Grammatiktest). Es gibt ja auch solche Übungen, wo man unter lauter Wörtern mit lauter Großbuchstaben die Nomen herausfinden muss. Das wäre einfach nur Grammatik. Wie man sie dann schreibt, wäre Rechtschreibung.


    Insofern ist das kleingeschriebene Wort am Satzanfang Rechtschreibung, egal, um welche Wortart es sich handelt. Ich würde es daher bei einem Kind mit LRS, noch dazu mit Notenaussetzung, nicht werten.


    Abschreiben ist eine Rechtschreibleistung.
    Nomen und Satzanfänge groß schreiben zählt nach dem neuen Rahmenlehrplan auch zur Rechtschreibung.


    War es denn jemals anders?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Nein, dass man Nomen erkennt, ist Grammatik; dass man sie "dann" großschreibt (wenn man sie als Nomen erkannt hat), ist Rechtschreibung.

    Nach der Logik wäre auch ihn/ihm eine Frage der Rechtschreibung. Kind wusste vielleicht, dass es "ich gebe ihm ein Buch" heißt, schrieb aber wegen seiner Rechtschreibproblematik "ich gebe ihn ein Buch".

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