Nichts gelernt im Religionsstudium?

  • Hallo liebe Lehrämtler, Referendare und Lehrer (und natürlich auch Lehrämtlerinnen,...:D) :wink_1:
    Ich befinde mich aktuell im 2. Mastersemester und studiere ev. Religion und Latein für das Gymnasiallehramt.
    In Latein lernt man wirklich wahnsinnig viel, sowohl fachlich als auch fachdidaktisch, ich habe das Gefühl mein ganzes Studium bestand eigentlich nur aus Latein.
    In Religion dagegen habe ich eigentlich fast nichts machen müssen, die Seminare waren alle ziemlich speziell und ich habe das Gefühl es ist nichts hängen geblieben. Bzw. ich habe überhaupt keine Ahnung was überhaupt für die Schule später relevant ist. Ich habe zwar den Bachelorabschluss und jetzt auch schon Masterkurse besucht in Religion, aber ich fühle mich wirklich nicht schlauer als vor Antritt des Studiums.... Das Studium hat mir nur gezeigt dass alles komplizierter ist, als man denkt und von was man alles keine Ahnung hat.


    Gibt es hier Religionsstudenten, -referendare, -lehrer, die ein bisschen von ihren Erfahrungen diesbezüglich berichten können?
    Ich habe total Angst, dass ich wahnsinnig unvorbereitet ins Ref komme und auch da fachlich nicht wirklich was lerne... und dann am Ende unvorbereitet vor den Klassen stehe.
    Vielleicht habt ihr ja Buchempfehlungen, sodass ich mir selbst noch einiges anlesen kann? Ich weiß gar nicht genau wo ich da anfangen könnte ehrlich gesagt.


    Ich will nicht behaupten, dass es nicht auch an mir liegt, dass das Studium in Religion so an mir vorbeigerauscht ist. Ich hätte sicher mehr aufpassen und nachhaltiger lernen müssen. Meine Noten sind allerdings gar nicht so schlecht gewesen... alles sehr seltsam irgendwie.


    Ich freue mich auf eure Erfahrungsberichte und vielleicht sogar ein paar Buchtippps :)
    :aufgepasst: :)

  • Ich habe zwar andere Fächer, aber die Befürchtungen hatte ich in E-Technik auch extrem! (Und sie bestehen noch weiterhin).
    Das Studium bereitet nur sehr gering auf das Lehramt vor. Man muss sich für jede Unterrichtsreihe noch immer alles wieder aneignen. Nicht immer alle Details, aber doch hier und da recht viel. Auch gibt es bei mir Fragen, die ich schlicht nicht beantworten kann. Da fehlt es auch an Erfahrung.
    An der Uni bekommt man viel Wissen was man nicht braucht und vieles bekommt man nicht was man braucht. Das lernt man mit der Zeit.


    Ich habe gelernt, es ist wichtig dazu zu stehen. Heißt ich sage meinen Schülern offen, wenn ich etwas nicht weiß. Dass ich es noch einmal nachlese, bzw fordere auch die Schüler auf sich das anzueignen und vertage das Thema dann.

    • Offizieller Beitrag

    ein wissenschaftliches Studium ist genau das: ein wissenschaftliches Studium.
    Mit Schulinhalten hat das kaum etwas zu tun.
    Auch in Latein wirst du längst nicht jeden Autor in der Schule behandeln können, den du im Studium liest.


    Deine Aufgabe als Lehrer ist es, dein Wissen auf die schulischen Anforderungen, auf deine Schüler herunter zu brechen.

  • 'Universitär gesprochen' würde die Antwort heißen: "Dann geh öfter zu Vorlesungen; Vorlesungen sind für Überblickswissen da, und Seminare für das Erlernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen anhand eines vertieften exemplarischen Spezialgebiets."


    Ich verstehe Dich schon, was Du meinst, und würde auch antworten wie Friesin.


    Ich hatte einen Fuß in die Tür bekommen, indem ich einfach immer nachgeschlagen habe, wenn ich ein theologisches Fachwort hörte, aber nur ungefähr etwas damit anfangen konnte. Und bei Interesse kann man sich Dank der Spezialbibliothek vor Ort ja in alles vertiefter hineinarbeiten. So kommt man gut voran, weil ja letztlich vieles miteinander in Verbindung steht. Und dieses mein Vorgehen hat den Vorteil, dass man vom "Häufigen", also von häufig vorkommenden Begriffen und Themen, weitere Felder erschließt. Und man freut sich, wenn man bei dieser Arbeit auf etwas stößt, was einem bekannt vorkommt, dann "schließt sich der Kreis".


    Mach's lieber so, wie ich es empfehle; kauf Dir nicht deshalb "neue Bücher", sondern kauf Dir ein neues Buch, das sich Dir bei der Arbeit bewährt hat.


    Hamilkar

  • ...
    Ich habe total Angst, dass ich wahnsinnig unvorbereitet ins Ref komme und auch da fachlich nicht wirklich was lerne... und dann am Ende unvorbereitet vor den Klassen stehe...

    Du könntest in die Lehrpläne deines Bundeslandes gucken und wenn du feststellst, dass dir Themen wirklich unbekannt vorkommen sollten, dann fängst du gezielt an zu lesen. Und kannst gleich noch überlegen, wie man das Thema mit 10-17-jährigen angehen könnte...

  • Hallo Papiertiger,


    in einem meiner Fächer erging es mir wie dir. Bei vielen der Studieninhalte ließ sich nur schwer eine Beziehung zu den Schulinhalten herstellen, was einem als Studenten natürlich nach deren Sinnhaftigkeit fragen lässt. Im Referendariat wird hingegen erwartet, dass man bereits Ahnung von den zentralen Inhalten und didaktisch-methodischen Zugängen des jeweiligen Faches in der jeweiligen Schulform hat. Das kann ziemlich demotivierend sein...
    Beim Gymnasiallehramt geht der Transfer zwischen Studien- und Schulinhalten meist noch irgendwie, aber gerade beim Förderschullehramt stelle ich mir das Umdenken als sehr anspruchsvoll vor. Ich weiß grob, was die Förderschulleute in meinen Fächern als Kurse belegt haben und mit diesem fachlichen Hintergrund addresatengerechten Unterricht für Jugendliche mit Förderbedarf gestalten? Mmmm...
    Nach dieser Erfahrung rate ich Studienanfängern: Belegt so viele praxisrelevante Kurse im Studium wie möglich! Den Praxisschock hat man so oder so, aber er fällt zumindest geringer aus, wenn man sich zweimal überlegt, ob es wirklich ein "nettes Zusatzwissen"-Kurs sein muss, nur weil dieser zu einer angenehmen Uhrzeit stattfindet oder leichte Prüfungsanforderungen verspricht.


    Mit freundlichen Grüßen

    Einmal editiert, zuletzt von Lindbergh ()

  • ...
    Beim Gymnasiallehramt geht der Transfer zwischen Studien- und Schulinhalten meist noch irgendwie, aber gerade beim Förderschullehramt stelle ich mir das Umdenken als sehr anspruchsvoll vor. ..

    Papiertiger ist doch Gymnasiallehreranwärter(in)? Ich verstehe es so, dass der/die TE sich fachwissenschaftlich noch nicht vorbereitet fühlt.


    Ich denke, wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll mit dem Nachholen, bieten sich die Lehrplanthemen als Anfang oder Struktur an.

  • Du verstehst das völlig richtig. Ich meinte eher im Sinne von "Ich kann das Gefühl gut nachempfinden und es gibt sogar Schulformen, bei denen der Sprung von der Theorie in die Praxis NOCH größer ist."... Das schließt sowohl die Inhalte als auch Didaktik/Methodik ein.

  • Kurzfassung:


    Wer ein fachwissenschaftliches Studium schafft, der schafft es auch, sich im Alltag in die Themen des Lehrplans reinzuarbeiten. Da würde ich mir wirklich keine Sorgen machen, egal, was da in der Uni gelaufen ist.


    Die Umsetzung im Unterricht ist natürlich nochmal eine andere Frage, das wirst du aber im Referendariat lernen, besonders, wenn du dich an erfahrenen Kollegen orientierst.

  • Nach dieser Erfahrung rate ich Studienanfängern: Belegt so viele praxisrelevante Kurse im Studium wie möglich! Den Praxisschock hat man so oder so, aber er fällt zumindest geringer aus, wenn man sich zweimal überlegt, ob es wirklich ein "nettes Zusatzwissen"-Kurs sein muss, nur weil dieser zu einer angenehmen Uhrzeit stattfindet oder leichte Prüfungsanforderungen verspricht.

    Hast du denn den "Praxisschock" inzwischen selbst erlebt - bist du also endlich im Ref angekommen? Oder sind das nur Theorien, die du dir während deines Studiums zusammenreimst.
    Über den Wert der fachwissenschaftlichen Inhalte des Studiums habe ich schon an anderer Stelle ausführlich geschrieben, wo du das leider auch nicht verstanden hast.
    Deshalb nochmal in Kurzform für den TE:
    Die vertieften fachwissenschaftlichen Inhalte sind - auch wenn sie in dieser Form nicht im Lehrplan vorkommen - absolut unabdingbar, um bei der Unterrichtsvorbereitung den Überblick über das Fach zu haben. Damit kannst du Schwerpunkte setzen, Schwierigkeiten antizpieren und Unterrichtsreihen mit Blick auf das große Ganze planen. Die fachlich-inhaltliche Erarbeitung der konkreten Unterrichtsinhalte sind dann für dich - auch wenn du sie konkret im Studium so nicht behandelt hast - vor diesem Hintergrund trivial.
    Es geht also um den Blick auf das Fach als Ganzes - und, nein, das hat nichts damit zu tun, dass man alle heiligen Zeiten mal eine Außenseiterfrage eines interessierten Schülers beantworten kann. Das ist ein netter Nebeneffekt, aber der wirkliche Mehrwert des Fachstudiums zeigt sich im Arbeitsalltag an beinahe jedem einzelnen Tag bei der Unterrichtsvorbereitung - und oft auch bei der Korrektur, wenn man eben nicht nur nach "Kochrezepten", wie Nele sie gerne mal nennt, bewerten kann.

  • Die Frage war doch

    ...
    In Religion dagegen habe ich eigentlich fast nichts machen müssen, die Seminare waren alle ziemlich speziell und ich habe das Gefühl es ist nichts hängen geblieben. Bzw. ich habe überhaupt keine Ahnung was überhaupt für die Schule später relevant ist. ..

    Die TE bezweifelt also nicht den Wert der Fachwissenschaft, sondern hat die Sorge, nicht gut genug vorbereitet zu sein.


    Was spricht dagegen, sich den Oberstufenlehrplan vorzunehmen und mit Fragen einzusteigen, wie


    "mit Grundzügen biblisch-reformatorischer Anthropologie vertraut sein

    • der Mensch als Geschöpf und Ebenbild Gottes, als gebrochenes Wesen und Sünder im Sinne von 1. Mose 1.2f., Röm 7,7-25 und M. Luthers Auslegung des 1. Glaubensartikels im Kleinen Katechismus
    • der gerechtfertigte Mensch im Sinne von Röm 3,21-28 und der Rechtfertigungslehre M. Luthers ("simul iustus et peccator")

    Um mal ein beliebiges Beispiel zu zitieren. Wenn ich dann feststelle, ich hab selbst keine Ahnung was die biblisch-reformatorische Anthropologie ist, dann geh ich in die Unibibliothek und fange an zu lesen.


    Scheint mir zumindest ein pragmatisches Vorgehen zu sein.

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