Warum der Digitalpakt wahrscheinlich ein Schuss in den Ofen werden wird

  • Klar, das Geld ist quasi bewilligt, die Länder haben auch schon große Pläne, siehe z.B.
    https://www.news4teachers.de/2…r-system-administratoren/


    Aber der größte Kostenblock, nämlich wer bezahlt diejenigen, die das ganze Zeugs warten und administrieren, kommt bei den Ländern überhaupt nicht vor!


    Der Bund erlaubt zwar, von dem Geld auch "Systemadministratoren" zur bezahlen, aber wenn man obigen Artikel genau liest, taucht in keinem einzigen der zitierten Pläne der Bundesländer für die Mittelverwendung überhaupt der Gedanke auf, dass es außer Kosten für WLAN, Gerätekauf usw. auch Folgekosten, vor allem in Form von Personalkosten, gibt!


    Wenn ich sehe, wie oft alleine unsere wenigen (qualitativ sicherlich hochwertigen!) Kopierer kaputt gehen (und nein, es ist nicht "Papier ist alle und der Lehrer ist zu doof das nachzufüllen": Gefühlt kommt hier alle paar Wochen ein Servicetechniker von der Leasingfirma vorbei und repariert die Dinger stundenlang...), dann kann es ohne die entsprechende "Manpower" bei der Digitalisierung nichts werden.


    Fähige Systemadministratoren bekommt man zudem nicht für TV-L Entgeltgruppe E9... in der freien Wirtschaft werden mittlerweile ganz andere Beträge dank des "Fachkräftemangels" aufgerufen.


    Was will man denen dann zahlen? E13 aufwärts? Dann wird sich so mancher fähige Kollege, der bisher die Systemwartung nebenbei für lau gemacht hat, fragen, warum er sich den stressigen Job als Lehrer antun will und ob er nicht mit weniger Stress bei den nächstbesten Schule als Systemadministrator für das gleiche Geld anheuern soll... so ein WLAN macht sicherlich letzendlich weniger Stress als eine Horde pubertierender Jugendlicher.


    Ich bin einmal gespannt, wie sich das ganze entwickeln wird.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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  • Ich habe gestern im Radio gehört, dass eine Voraussetzung für die Bewilligung von Geldern ein langfristiger Plan inklusive Wartung und Instandsetzung ist. Fände ich gut, wird nur wahrscheinlich dazu führen, dass nur wenig bewilligt wird.

  • 5 Milliarden Euro verteilt auf 40.000 Schulen ergibt im Durchschnitt 125.000 Euro pro Schule. Davon kannst du einen fähigen Systemadministrator zwei Jahre lang bezahlen. Kannst dir aber kein einziges zusätzliches Gerät leisten... klingt nach FAIL!


    Gruß !

  • Erinnert mich an Hamburg und seine Smart-Board-Iniative. Wir haben gerade ganz frisch gesagt bekommen, dass alle unserer Schuleausgemustert werden, sobald sie Kosten verursachen (Reparaturen). Unser Budget kann das nicht mehr leisten. :(

  • Da sehe ich schon die nächste SPON-Überschrift: "Hamburger Pädagogen versagen am Smart-Board und unterrichten wieder wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten".


    Und die ersten SPON-Kommentatoren werden entrüstet feststellen, dass es ja nicht sein kann, dass es keine verpflichtenden Fortbildungen in den Ferien für Lehrer zur Smartboard-Reparatur gibt...


    Gruß !

  • Der allergrößte Kostenblock wird zumindest in Niedersachsen ja auf die Eltern abgewälzt - die Kosten für die Anschaffung der individuellen digitalen Endgeräte.


    Die 5 Mrd. können (trotz dieser Maßnahme) aber tatsächlich nur eine Anschubfinanzierung sein. Andererseits ist es ja nicht so, dass aktuell Schulen gar keinen Etat für "digitales" haben. Bei uns wurde schon mal das ein oder andere Smartboard repariert (allerdings haben wir auch nicht in jedem Raum ein Smartboard, wäre das so, dann würde unser gesamter IT-Etat vermutlich nur für die Instandhaltund dieser Dinger draufgehen).


    Da ich, was Gelder + Planung betrifft, so einiges mitbekomme, habe ich aber ohnehin das Gefühl, dass das Geld aus dem Digitalpakt von den Schulträgern im Vorfeld schon eingespart wurde (also eigentlich geplante + notwendige Investitionen auf Eis gelegt, damit sie dann später aus den Geldern des Digitalpakts bezahlt werden können).


    Ein Posten, der vermutlich überhaupt nicht beachtet werden wird, ist die pädagogische Mehrarbeit: Das Entwickeln + Erproben von Konzepten kostet Zeit, die Arbeit an der Schnittstelle von Technik und Pädagogik (damit meine ich: Selbst wenn man eine Firma hat, die alles technische macht, muss es an den Schulen trotzdem Leute geben, die sowohl von Technik als auch von Unterricht eine Ahnung haben und das ganze koordinieren + abstimmen) muss mit entsprechenden Entlastungsstunden honoriert werden. Ein Mehr an Digitalisierung müsste also bedeuten, dass die Schulen mit einem größeren Topf an Entlastungsstunden bedacht werden, damit geeignete Teams das koordinieren können.

  • Und, sind sie es wert?


    An der Grundschule meiner Kinder heißen die Dinger "Zaubertafel", das wird dann wohl das "tiefe Technikverständnis" sein, das schon an der Grundschule erreicht werden soll.


    Aber im Ernst:
    - wenn der Lehrer ein Endgerät hat, mit dem er interaktiv unterrichten kann (ein Convertible mit Stift etwa), kann er damit ähnlich arbeiten wie mit einem Smartboard (ich sage ähnlich, weil die Bewegungsabläufe natürlich andere sind, generell macht man an großen Tafeln, zu denen auch die Smartboards gehören, viel größere Bewegungen als mit einem Stift, was sowohl Vor- als auch Nachteile haben kann)
    - wenn die Schüler auch noch Endgeräte haben, und man deren Arbeit jederzeit nach vorne projizieren kann, braucht man nun wirklich kein interaktives Board mehr


    Da ich andererseits ja gegen Endgeräte für Schüler an Grundschulen bin, machen da eigentlich die Smartboards noch am ehesten Sinn. Wenn sie dort natürlich den kompletten Etat auffressen (sodass z.B. für einen Werkraum kein Geld mehr da ist), dann lieber nicht!

  • Die Verlage (ich beziehe mich auf den oben verlinkten Beitrag auf Spiegel Online) sollen mal schön vor der eigenen Tür kehren:
    - die Flash-Basierten "digitalen" Bücher sind lächerlich (um nur ein einziges Beispiel von vielen zu nennen: Wenn ich bei der BiBox mit dem Stift meines Convertibles einen Satz auf eine Buchseite schreibe, dann kommt danach erst mal eine Sanduhr, weil die Bibox das erst mal verarbeiten muss)
    - zudem sind sie auch noch viel zu teuer (typischerweise 10 € pro Buch pro Jahr, damit kommt man mit dem analogen Buch für 30 € billiger, sobald man es mehr als drei Jahre benutzt)


    Natürlich hätte ich lieber ein PDF-Buch! Das würde sich dann auch nicht bei jedem Start mit einem überlasteten Server versuchen zu synchronisieren!


    Das einzige (das mir bekannt ist) technisch modern und gut (inhaltlich kann ich nicht beurteilen) umgesetzte Digitale Schulbuch ist das M-Book.


    Wenn es interaktiv werden soll, würden die Verlage besser daran tun, ihre Inhalte als Module für die gängigen Lernplattformen (Moodle etwa) anzubieten. Sonst habe ich für jedes Fach eine andere Plattform, muss jeden Schüler 100 mal irgendwo anmelden (lassen) usw. usf.


    Wir verwenden in einer Pilotklasse digitale Schulbücher. Insgesamt bevorzugen die Schüler trotz der genannten (erheblichen) Mängel die digitalen Bücher, weil sie es schätzen, nicht so viel schleppen zu müssen und immer alles dabei zu haben.


    Die Schüler haben aber auch noch die analogen Bücher, diese werden von den Schülern zu Hause verwendet (um die vorhandenen Vorteile analoger Bücher auch noch mitzunehmen).


    Fairerweise muss man aber sagen, dass wir nur die Basisversionen der digitalen Bücher haben (weil es die sehr preiswert zu den analogen Büchern dazu gibt), ob also die Erweiterungen der "Vollversion" lohnen oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ich hatte das in Mathe mal oberflächlich geprüft, und mein Eindruck war, das man diese Art von Interaktivität auch kostenlos im Netz oder mit einem Geogebra-Arbeitsblatt hinbekommt, für mich absolut nichts Neues.

  • Der Digitalpakt wird scheitern. Natürlich liegt es an den Lehrern: "Wie Lehrer sich der Zukunft verweigern"


    http://www.spiegel.de/lebenund…zuversicht-a-1254906.html

    Interessant vor allem wieder die Leserkommentare: Während dort auch viele Nicht-Lehrer die Probleme sehen (vor allem die mangelhafte Infrastruktur und der nicht-existente Support der Technik), tauchen vereinzelt auch immer wieder hasserfüllte Kommentare gegenüber der Lehrerschaft auf. Aber das wird offensichtlich geduldet. Lehrer als Sündenböcke für alles, was in der Gesellschaft schiefläuft. Wie immer. Und dann wundert man sich über den Lehrermangel.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich nutze das Smartboard viel. Bei anderen verstaubt es. Seit einer Woche geht das Internet nicht, weil irgendwas beim Wächter schief ist.


    Das sind Moment, in denen ich auch eine Kreidetafel herbeisehne, die habe ich nämlich nicht mehr. Also auch keine Whiteboards.

  • Na ich hab doch das Smartboard (die Version ohne Flügel, also nix mit Whiteboards). Kreidetafeln sollen angeblich nicht in denselben Raum (Staub) . Ansonsten habe ich eine Minikreidetafel, da passt aber nix drauf.

  • Bzgl. des digitalen Angebots der Schulbuchverlage ... die Dinge, die ich gesehen habe, waren es kaum wert, damit zu arbeiten. Einfallslos, ohne Mehrwert. Die Karte wird nicht besser, nur weil man sie statt über Doku-Kamera und Beamer nun auf dem Tablet anschauen kann.
    Ich hab vom Körner Verlag eine DVD mit digitalem Zeugs rumliegen, hauptsächlich Texte, die man verändern und irgendwo einfügen kann - das soll dann ein super tolles Angebot für das Digitalzeitalter sein? Ganz abgesehen davon, dass die Texte auch noch schlecht sind.


    Und bzgl. der so gelobten "Zeitzeugen-App" ... ich arbeite seit Jahren mit einer Kombi aus DVD und Buch, wo Überlebende des Holocaust zu Wort kommen ... Mehrwert der App?

  • Na immerhin kann man im Fremdsprachenunterricht jetzt unbekannte Wörter nachschlagen. Das konnte man früher nicht :aufgepasst:
    Und man kann Aufgaben mit einem Tabletstift beantworten, wo man früher auf das Blatt geschrieben hat; ein BLATT! Wie öde :victory:

  • @Mikael Ich seh' das grundsätzlich wie Du, aber denke hier und da wird es schon ein paar motiviere (Jung)lehrer geben, die diese Mehrarbeit gerne für umsonst übernehmen...
    Und so wird an den meisten Schulen weiter gewurschtelt werden, mit dem Unterschied, dass nun tatkräftige Politiker die Apple-Deals als Ausweis ihres Engagements für unsere Kinder verkaufen und glückliche Schulleitungen die Portfolios ihrer Schulen erweitern (Schüler-Akquise).

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