Aber wozu braucht man eine Kirche für Glaubenserfahrungen? Ich kapiers wirklich nicht, würde aber gern.
Natürlich braucht man Kirchen als Organisationsformen nicht für Glaubenserfahrungen, dennoch gehören sie eben für viele Menschen dazu. Hat meines Erachtens sehr viel mit familiärer Sozialisation zu tun sowie dem urmenschlichen Bedürfnis nach Gemeinschaft.
Persönlich würde ich mich als überzeugte Agnostikerin bezeichnen. Ich weiß, dass ich nichts weiß, glaube aber es könnte mehr geben als was wir Menschen uns so alles einbilden, vorstellen und erhoffen. Ich glaube an das Göttliche (auch wenn ich mehr mit dem Pantheismus anfangen kann, als der christlichen Seelenlehre), kann mit Amtskirchen aber wenig anfangen. Wenn ich zuhause bin gehe ich dennoch gerne in die Kirche, da wir einen sehr klugen Pfarrer haben, dessen Predigten immer sehr sozialpolitisch und sehr aktuell sind. Für mich ist das die Art Kirche, die ich mir wünsche: Engagiert, politisch, werteorientiert, respektvoll, tolerant, handelnd und auf der Basis eigenen Handelns auch moralisches Verhalten bzw.Handeln fordernd (und nicht von oben herab anordnend). Manchmal denke ich über einen Kirchenaustritt nach (vor allem, wenn ich mal wieder den pietistischen Pfarrer in meiner aktuellen Gemeinde predigen höre). Jedes Mal wenn ich diesen Pfarrer predigen höre weiß ich wieder wie Kirche sein sollte und möchte denen, die dogmatische Einseitigkeiten predigen nicht das Spielfeld überlassen.
(Vor vier Jahren an Weihnachten hat er in seiner Weihnachtspredigt allen Anwesenden eine gehörige Standpauke gehalten von wegen "erst shoppen bis zum Umfallen in der Vorweihnachtszeit, dabei immer grantiger zueinander werden, statt Zeit mit seinen Nächsten zu verbringen, nur um sich dann an Weihnachten als Saisonchristen zu gerieren und ein gutes Gewissen für den Familienstreit unterm Weihnachtsbaum zu verschaffen mittels Kirchgang". Das ganze perfekt unterstützt durch Zitate aus der Weihnachtsgeschichte und die Werte, um die es darin geht, was es bedeutet diese tatsächlich im Alltag mit Leben zu füllen. Eine der besten Weihnachtspredigten seit Jahren, auch wenn der Mann schlichtweg wütend war als er sie geschrieben hat.)