Gleich nach Berufseinstieg gezwungenermaßen versetzt

  • Das ist eine verdammt steile These, bei der du viele Punkte wie Wohnortnähe, Karrierechancen, Fachkombinationen usw. schlicht und einfach außer Acht lässt. Zusätzlich steckt noch die Fehleinschätzung drin, dass Arbeit an Brennpunktschulen per se schlechter/minderwertiger/anstrengender sei. Von einer Lehrkraft erwarte ich eigentlich mehr als oberflächliches Stammtischdenken.

    Vor allem gibt es leider nicht so viele Stellen, die ausgeschrieben werden, sodass sich auch die 1er Kandidaten eine Schule in einer Großstadt in der besten Lage aussuchen können, wo es nur Eltern gibt, die einen gut bezahlten Job haben. Eine bekanne Referendarin hat sich bewusst für eine Schule entschieden, in der es eben nicht ein solches gutes Klientel gibt. Für einige Kollegen ist eine solche Schule mit einem erlesenen Klientel auch nichts. Bei mir in der Stadt gibt es auch ein solches Gymnasium. Und ich würde dort nie unterrichten wollen.

  • Vor allem gibt es leider nicht so viele Stellen, die ausgeschrieben werden, sodass sich auch die 1er Kandidaten eine Schule in einer Großstadt in der besten Lage aussuchen können, wo es nur Eltern gibt, die einen gut bezahlten Job haben. Eine bekanne Referendarin hat sich bewusst für eine Schule entschieden, in der es eben nicht ein solches gutes Klientel gibt. Für einige Kollegen ist eine solche Schule mit einem erlesenen Klientel auch nichts. Bei mir in der Stadt gibt es auch ein solches Gymnasium. Und ich würde dort nie unterrichten wollen.

    Eine solche schule durfte ich mir auch mal anschauen, da diese mir ein Stellenangebot unterbreitet hatte. Nach einem ellenlangen redeschwall der SL, wie engagiert die sus und Eltern sind und dass auch sus und Eltern bei der Einstellung neuer Kollegen mitreden wollen, habe ich dankend abgelehnt. Und das mit Recht, wie sich hinterher durch berichte der Kollegen dort zeigte. Elternsprechtage dauern dort wohl den ganzen Tag, ständig gibt es zank über Noten, jedes Kind ist ja laut Eltern so unglaublich intelligent, dass nichts außer einer 1 ins Frage kommt usw. Und wenns keinen1 ist, dann ist ja grundsätzlich der Dienstleister aka Lehrer schuld.
    Von dem Personal dort, was sich zu großen Teilen für den Nabel der pädagogischen Welt hält, ganz zu schweigen. Da bleib ich lieber bei meiner BBS im nicht so feinen viertel, erlebe dort aber Wertschätzung durch Eltern und sus, die den Lehrer nicht nur als Entertainer der lieben kleinen sehen.
    Ich hatte also die wahl zwischen "gebildet und schick" und "rebellisch in jogginganzug" und habe mich freiwillig für zweitere entschieden. Und es nicht bereut. Mir gefällt es, dass der schwerpunkt meiner Arbeit im erzieherisch-pädagogischem Bereich liegt. Meine Fächer sind mir nicht so wichtig wie das pädagogische Einwirken auf meine Schüler. Das mögen viele anders sehen. Aber mal ehrlich - was vom vermitteltem Fachwissen hat wirklich dauerhaft bestand? Bei aller Liebe für die eigenen Fächer, aber ich empfinde es sehr viel befriedigender, wenn sich mein chaos-schüler zu einem schul- und gesellschaftsfähigem Individuum wandelt, als wenn er mir einen korrekten Wirtschaftskreislauf aufzeichnen kann. Optimal ist natürlich, wenn beides klappt ;) Aber von den Früchten meiner erzieherischen Arbeit kann ich länger zehren als von der Vermittlung eines Unterrichtsgegenstandes. Und gerade mit Blick auf die häufig fehlende Wertschätzung unseres Berufsstandes finde ich das für die eigene Arbeit wichtig.
    Meine Kollegen sehen das ganz ähnlich und sind auch alle freiwillig da :gruss: also vorsicht mit Aussagen, dass jeder gerne "Sahnehäubchen schulen" als erste Wahl nehmen würde.

  • Ich würde es mal so formulieren: Im Brennpunkt arbeiten Lehrer, die es im System "Referendariat" nicht soweit gebracht haben. Ob sie fachlich besser sind ist eine andere Sache. Oder gibt es irgendwo wirklich objektive und für alle gleiche Bedingungen wie in einer Zentral-Abitur-Klausur im Fach Mathematik?
    Das Einstellungssystem beruht nun einmal auf Ordnungsgruppen, also auf Noten. Entsprechend können sich die Absolventen mit besseren Noten eher die Schulen aussuchen und die mit schlechteren Noten müssen das nehmen, was übrig bleibt.


    So, wer von den sehr guten Absolventen geht jetzt freiwillig an eine Brennpunktschule? ;)
    Diese Lehrer sind sich selber zu schade für den Brennpunkt.

    Lehrerbashing ist auch sooooo viel schöner, wenn es aus den eigenen Reihen kommt...


    Ordnungsgruppen oder Leistungsziffern (BaWü) sind das Eine, intrinsische Motivation das Andere. Neben Leuten, die es sich vielleicht wirklich nicht aussuchen konnten, sind da eben die vielen Kollegen, die sich ganz bewusst für bestimmte Schulen oder Schulformen entschieden haben. Für alle anderen gilt, dass sie ihre Prüfungen bestanden und eine volle Lehrbefähigung haben.
    Ich bin auch jemand, der fachlich sehr viel von seinen Kollegen erwartet, habe da im Studium und auch im Ref manches Mal damit gehadert, wie Kommilitonen oder Mitanwärter wenig Ehrgeiz zeigten sich gut zu qualifizieren (weshalb ich mit Quer- oder Direkteinstieg auch nicht wirklich warm werde). Dennoch habe ich den allergrößten Respekt vor jedem Lehrer und jeder Lehrerin der/die täglich seinen Mann oder seine Frau vor einer Schulklasse steht. Wer das auch noch in einer Brennpunktschule macht- chapeau!
    Was manche meiner Mitanwärter aus ihren Schulen (Hauptschulen, Werkrealschulen, die meisten Gemeinschaftsschulen) berichten wie sie arbeiten müssen, was sie fachlich oder auch sozial vorraussetzen dürfen in ihren Klassen verdient in meinen Augen die größte Hochachtung. Ich weiß nicht, ob ich meine fachlichen Ansprüche so weit zurückschrauben könnte um die Art Schule die deren Alltag ist nicht als frustrierend zu erleben.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • So, wer von den sehr guten Absolventen geht jetzt freiwillig an eine Brennpunktschule?
    Diese Lehrer sind sich selber zu schade für den Brennpunkt.

    Das ist schon eine sehr schräge Denkweise. Umkehrschluss: Sehr gute Absolventen sind also nicht in der Lage, erfolgreich an Brennpunktschulen zu arbeiten?

    Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. (Salman Rushdie)

  • @plattyplus
    Ich setze deiner Argumentation einfach Mal mich als Argument entgegen:


    2. Staatsexamen mit 1,1 bestanden. In Hamburg gibt es nur das direkte Bewerbungsverfahren an den Schulen, keine Listen. Ich habe mich vor Ausschreibung der Stellen an meine Brennpunkt Gesamtschule initiativ beworben. Sie hat den schlechtesten Sozialindex. Meine Seminarleitungen haben insbesondere meine hohe Fachlichkeit "trotz" der Arbeit im Brennpunkt, in dem ich auch ausgebildet wurde, sowie meine inklusiv ausgerichtete Arbeit gelobt.
    Wo soll ich damit hin, wenn nicht in den Brennpunkt? Wir haben Schüler, die werden in extra Kleingruppen teilbeschult, weil die Kollegen nicht mit ihnen klar kommen und behaupten mit diesen Kids im Raum könnten sie nicht unterrichten. In meinen Unterricht kommen sie weiterhin und nehmen regulär Teil, weil ich das wollte. Und es funktioniert problemlos, die Kinder sind glücklich, dankbar. Und vor allen Dingen lernen sie für meine Fächer und legen eine Motivation und Konzentrationsfähigkeit an den Tag, die alle verblüfft, weil es keiner für möglich halten würde. Wäre das nicht Verschwendung, wenn ich mich an ein Gymnasium mit "unkomplizierter" Schülerschaft bewerbe? ;)


    Das sollte jetzt kein Eigenlob auf mich werden...vielleicht bin ich ein kleines bisschen stolz auf das was ich da erreiche.


    Diese "bin ich mir zu schade für" Haltung finde ich nach wie vor absolut irritierend. Auch Brennpunkt Kids kann man mit sehr viel Freude unterrichten!!!

  • Zumindest in BW ist es tendenziell so, dass eben die Gymnasiallehrer an die GMS gehen, die an den Gymnasien keine feste Stelle bekommen. So ganz von der Hand zu weisen ist die Argumentation nicht ...

    Angesichts der Einstellungssituation im Sek.II-Bereich in BaWü düften daruntern durchaus auch einige Kandidaten sein, die ihr 2.Staatsexamen mit 1,x gemacht haben aber eben keine rare Fächerkombination vorzuweisen haben. Natürlich gibt es auch Kandidaten mit anderen Noten, aber die finden vor allem deshalb so zahlreich den Weg an die GMS weil die Schulform so unattraktiv ist, dass sich nur wenige gezielt zuweisen lassen wollen als 1.Wahl: Wer will schon größtenteils Hauptschüler mit Methoden beschulen die erwiesenermaßen besonders förderlich sind für den Lernprozess besonders leistungsstarker SuS und damit diesen Schülern nur sehr begrenzt gerecht werden können? Ausgrenzung und Bildungsbenachteiligung 2.0, Version "Ländle" wenn man so will.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Nachdem der ganze Formalkram seitens der Bezirksregierung ziemlich auf sich warten ließ, konnte ich jetzt zumindest durch Hospitation schon einmal einen Einblick gewinnen und habe zwei ruhige Unterrichtsstunden gesehen. Auch sonst merke ich nichts von dem durch die Schulleitung dargestellten Chaos an der Schule. Es wirkt alles ziemlich gesittet und angenehm. Ich kann es ja verstehen, wenn eine Realschule lieber Sek 1- Lehrer haben will, aber solche Abschreckungsmaßnahmen finde ich schon extrem unfair, zumal denen meine verzwickte Lage ja bekannt war.
    Ich versuche jetzt mal, optimistisch in die Zukunft zu schauen.

  • Gehe auch davon aus, dass es ein Abschreckensszenario war. Vielleicht gab's noch irgendwo einen versteckten Wunschkandidaten oder die haben schlechte Erfahrungen gesammelt.
    Drück dir die Daumen

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