Lehrer werden in der Schweiz

  • Hallo an alle,


    mein Name ist Christian und ich bin im Moment 20 Jahre alt und befinde mich in der Übergangsphase/auf dem Weg zu einem Zweitstudium.
    Grundsätzlich habe ich mehrere berufliche Ziele im Leben aber es hat sich allmählich herausgestellt das ich auf keinen Fall eine typische Konzernkarriere machen möchte. Ich habe bereits in meinem dualen Studium gemerkt, dass mein Anspruch und meine Ziele weit davon abweichen.
    Seit einiger Zeit lässt mich der Gedanke nicht mehr los in die Schweiz zu gehen und als Lehrer mein Glück zu versuchen.
    Ich gebe seit Jahren, teilweise auch größeren Gruppen, Nachhilfe um mein Taschengeld aufzubessern und habe gemerkt das ich eine gewisse Affinität dazu habe.
    Kein klassischer Bürojob, mehr freie Zeiteinteilung, die Vorstellung Anderen zu helfen Erfolg zu haben und Lebensweisheiten weiterzugeben.
    Dazu muss ich sagen das ich wohl einen ziemlich guten Draht zu Kindern und Jugendlichen haben. Ich hab ziemlich Spaß mit ihnen und Sie mit mir, auch die Noten verbessern sich deutlich. Die Schweiz als Land liebe ich einfach durch meine vielen Besuche und sehe dort meinen zukünftigen Lebensschwerpunkt.
    Ich will dabei keinesfalls langfristig mehr als Teilzeit arbeiten, was mit meiner zweiten Präferenz zusammenhängt und in der Schweiz(trotz hohen Kosten) möglich wäre.
    Das ich in irgendeiner Form zukünftig andere bilden werde ist mir klar, das Hauptziel ist für mich momentan aber das Unternehmertum(nicht Unternehmensberater, freiberuflicher Freelancer oder weitere Scheinunternehmer-nein der Aufbau eines Produkts einer Marke).
    Ich gründe gerade ein Unternehmen und beschäftige mich viel mit finanzieller und wirtschaftlicher Bildung. So blöd es sich auch anhören mag sehe ich das Studium doch eher als Sicherungsseil, Reifungsmöglichkeit und nicht wirklich als Sprungbrett. Ein BWL/VWL-Studium für mich ausgeschlossen, da es enorm auf einen rationalen Markt im Großkonzern abzielt, was meiner Ansicht nach falsch und irreführend ist.


    Doch zurück zum Thema. Ich spreche leider kein Schwyzerdütsch und Französisch. Meine einzigen Sprachen sind Englisch, Russisch und natürlich Deutsch. Ein Studium in der Schweiz ist enorm schwer für mich zu packen, denn ich müsste mich zu 100% selbst versorgen und selbst mit Auslandsbafög wäre ich in einer Spirale aus Job, Studium und Selbstständigkeit gefangen was ziemlich kontraproduktiv für jeden einzelnen Bereich wäre.


    Soviel zu mir nun meine Fragen:
    1. Ich könnte mich wie ein wahnsinniger reinhängen und in einer schweizerischen Universität/pädagogischen Hochschule meine Lehrerausbildung machen, in der Gefahr hin das ich ca. 5 Jahre lang wie ein wahnsinniger arbeite, mir Schulden aufsetze etc. Wie groß ist der Vorteil in der Schweiz wenn man sagen kann: Ich habe hier studiert?
    Geht es hierbei um 10% Gehaltsunterschied und etwas bessere Einstellungschancen oder ist es praktisch verpflichtend?
    2.Ich könnte in Deutschland studieren, meine Examen machen und mich daraufhin auf die Anerkennung über die EDK fokussieren + Bewerbungen in die Schweiz. Vorteil wäre hier das ich finanziell leichter durchkommen könnte und ich ebenfalls die Verbeamtung in Deutschland offen habe. Ein etwas dickeres Sicherheitsnetz. Nachteil ist dann natürlich ein anderes Bildungssystem und die Angst als Deutscher mit deutscher Uni chancenlos zu sein.
    3. Ich habe über Educa bereits die Stellenanzeigen recherchiert und mich versucht über das schweizerische Schulsystem zu informieren.
    Ich will auf jeden Fall die Fächer Mathematik und Wirtschaft unterrichten können. Anerkennungsschwierigkeiten sehe ich besonders bei Wirtschaft, was in der Schweiz mit Wirtschaft und Recht anders bewertet wird. Dazu kommen könnten Geographie, Physik/andere Naturwissenschaft. Ich wäre grundsätzlich auch offen für niedrigere Klassenstufen. Welche Kombination+Schulform könntet ihr mir raten?


    Es wäre mir eine große Hilfe wenn Sie mir einige Ratschläge, Meinungen, eigene Erfahrungen(auch im Bezug zur Akzeptanz von Deutschen in der Schweiz) geben könnten. Ich möchte alle Möglichkeiten einmal sehen um mich bestmöglich entscheiden zu können.
    Ich danke jedem der sich die Mühe macht mir ein wenig auf den rechten Weg zu helfen!

  • (...) Lebensweisheiten weiterzugeben. (...)

    Habe ich heute selbstredend den halben Vormittag über getan, den restlichen Vormittag lang tröpfelte Weisheit in die Gehirne meiner Jünger, auf dass sie Erfolg haben mögen. *Ironie Ende*


    Deine Motivation klingt nach einem Ausgangspunkt, dennoch solltest du dir bewusst machen, dass die Arbeit mit Schulklassen oft anders aussieht, als von dir geschildert. Eventuell sollte das mit ein Teil deiner Überlegungen sein, denn "Lebensweisheiten" gibt man einerseits als Lehrer eher selten weiter, andererseits ist die Arbeit zumindest in der Sek.I (Förderschulen, Grundschulen?) meist auch nicht ganz so idyllisch. Ich arbeite auch dafür, dass meine SuS erfolgreich sein können, versuche ihnen zu zeigen, wo sie Potentiale haben, sie bei der Entwicklung derselben zu unterstützen, Wege zu zeigen diese zu nutzen- bei manchen SuS gelingt das, bei einigen nicht. Das ist das Gießkannenprinzip: Geben, pflegen, wässern, (zwischendurch mal den Gärtner rausholen zum Düngen und mal ein wenig Zurechtstutzen und Jäten) viiiiiiiiel Zeit und Liebe und hoffen, dass ein möglichst großer Teil der Saat früher oder eben manchmal auch erst später aufgehen wird.


    Spaß haben meine SuS gerne auch in meinem Unterricht, ob ich guten Unterricht mache hängt aber nicht vom Spaß ab. Manchmal lernen meine SuS am meisten, wenn sie klare Grenzen bekommen und gegen alle Widerstände zur Mitarbeit verpflichtet werden. Das ist weder für sie noch für mich "spaßig", aber ein völlig normaler Teil des Berufs. Erziehung ist das täglich Brot eines Lehrers (auch der Sek.II, auch wenn die natürlich oft mit einer anderen Klinetel arbeitet, die meist anderen sozialen Milieus und einer anderen Bildungssozialisation entstammt- pubertierend über die Stränge schlagen aber auch Gymnasiasten oder haben null Bock auf Schule und Unterricht).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Allgemeinbildendes Gymnasium als Ingenieur?


    Hier hat @Wollsocken80 ziemlich viel zur Lehrerbildung in der Schweiz geschrieben. Vielleicht hilft dir das weiter.


    Was ich in deinem Post noch nicht ganz verstanden habe:


    Welches Studium hast du denn im Moment abgeschlossen? Also auf was möchtest du aufbauen?
    Möchtest du wirklich Lehrer werden oder hast du dir nur überlegt, wie du deine Risiken aus der Unternehmensgründung möglichst gut absichern kannst? Was genau sind jetzt deine Beweggründe?
    Du möchtest gerne Wirtschaft unterrichten aber kein BWL studieren? - Das geht in Bayern z.B. gar nicht.
    Warum willst du unbedingt in die Schweiz?

  • Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr Leuten zu antworten, die es nicht schaffen, die Suche Funktion des Forums zu benutzen. Vielleicht hat @Philio ja die Musse.

  • @Wollsocken80 hat wie oben erwähnt schon viel einem anderen Thread darüber geschrieben, wie die Lehrerbildung für Sek 2 Lehrpersonen aussieht.


    Du sagst, dass du dir auch tiefere Stufen vorstellen könntest. Das ist teilweise eine andere Ausbildung als Sek 2. Für Kindergarten und Primarschule (in der Regel bis 6. Klasse) reicht in Bachelor und du unterrichtest dann grundsätzlich alle Fächer. Vorteil: du wärst in 3 Jahren fertig damit. (Das Studium an einer PH ist sehr stark strukturiert). Also solltest du Fragen zu tieferen Stufen haben, kann ich dir wahrscheinlich weiterhelfen, für die höheren Stufen gibt es hier andere Experten.


    Was die Sprache angeht: Unterrichtssprache ist ab 1. Klasse eh Hochdeutsch.

  • du bist 20. du sprichst von einem "zweitstudium". sei mir nicht böse, das kann ich mir kaum vorstellen. vielleicht hast du bald einen praxisnahen bachelor an einer fh erworben, aber das ist inhaltlich kaum tiefschürfender als ein abitur. für ein studium im eigentlichen sinne braucht man wenigstens fünf jahre, für ein zweitstudium dann vielleicht etwas weniger. hast du mit 15 abi gemacht?


    insofern - deine großen pläne in ehren, aber mach mal langsam. sammle lebenserfahrung, studier lehramt, wenn dir das taugt. ob das wirklich was für dich ist, merkst du dann schon. du hast noch dein ganzes leben vor dir. bwl gehört mit sicherheit zu jedem wirtschaftslehramtsstudium dazu. in bayern könntest du dir mal wirtschaftspädagogik ansehen, das könnte was sein. damit kann man recht vieles anfangen.

  • du bist 20. du sprichst von einem "zweitstudium". sei mir nicht böse, das kann ich mir kaum vorstellen. vielleicht hast du bald einen praxisnahen bachelor an einer fh erworben, aber das ist inhaltlich kaum tiefschürfender als ein abitur. für ein studium im eigentlichen sinne braucht man wenigstens fünf jahre, für ein zweitstudium dann vielleicht etwas weniger. hast du mit 15 abi gemacht?

    Da er aus BW ist und duales Studium geschrieben hat, gehe ich davon aus, dass er an der DHBW studiert – eine dreijährige Ausbildung, die mit dem Bachelor abschliesst und zu 50% an der Hochschule, zu 50% in einem Betrieb oder einer öffentlichen Einrichtung stattfindet.


    @CintB98
    Auf deine Fragen zu antworten, ist schwierig. Es kommt mir so vor, als wolltest du dir gerne alle Optionen offenhalten aber auch gleichzeitig maximale Sicherheit haben. Falls dem so sein sollte, muss ich dir leider sagen: Das geht nicht. Mein Rat: Entscheide dich, was du möchtest und verfolge das dann konsequent.


    Doch zurück zum Thema. Ich spreche leider kein Schwyzerdütsch und Französisch.

    Beides kann man lernen. Mein Französisch reicht übrigens gerade, um in Frankreich nicht verloren zu gehen oder zu verhungern. Im Alltag habe ich hier noch nie Französisch gebraucht, in der Schule auch nicht.


    Ein BWL/VWL-Studium für mich ausgeschlossen, da es enorm auf einen rationalen Markt im Großkonzern abzielt, was meiner Ansicht nach falsch und irreführend ist.

    Ich will auf jeden Fall die Fächer Mathematik und Wirtschaft unterrichten können.

    Das ist leider ein unauflösbarer Widerspruch. Wenn du Wirtschaft unterrichten willst, musst du auch Wirtschaft studieren.


    Falls du wirklich Lehrer werden möchtest mit Wirtschaft und Mathe, dann mein Tipp der deinem Sicherheitsdenken entgegenkommt: Studiere Wirtschaftspädagogik in BW, kann man in Konstanz, Mannheim und Hohenheim. Nimm Mathe als zweites Fach. Ein anspruchsvolles Studium, aber damit hast du Chancen sowohl als Lehrer in CH und D, als auch in einem Unternehmen. Sehr wahrscheinlich bekämst du als Auflage, Leistungsnachweise in schweizerischem Recht nachzuholen, falls du dann tatsächlich in der Schweiz Lehrer werden möchtest. Falls du nicht schon dein Leben lang Geographie studieren wolltest, lass es bleiben - jedenfalls für die Sek 2. Allerhöchstens als Kombination mit einem gesuchten Fach.


    Über das Lehrerdasein in der Schweiz ist, wie schon von @Wollsocken80 geschrieben, einiges im Forum zu finden.

  • Wirtschafts- und Rechtslehre ist an Schweizer Gymnasien das meist gewählte Schwerpunktfach. Wirtschaftslehrer werden daher immer gesucht. Allerdings finde ich es, wenn ich so überlege, doch ziemlich unklug ausgerechnet das ind Deutschland studieren zu wollen und dann in der Schweiz zu unterrichten. Vor allem das schweizer Arbeits- und Steuerrecht unterscheiden sich doch erheblich vom deutschen. Studier doch in Basel, dann kannste in Weil oder Lörrach wohnen. Machen hunderte andere deutschen Studenten genauso. Wenn Dir das klassische Unternehmertum aber derart widerstrebt, frage ich mich ja schon, wie Du Wirtschaft- und Rechtslehre an der Schule unterrichten willst. Das ist so wie unsere tollen Biochemiker, die sich einbilden Chemie unterrichten zu können und sich dann wundern, dass sie gerade von Organik überhaupt keine Ahnung haben.

  • Erstmal ein großes Dankeschön an alle,
    ich habe schon einige Berichte gelesen, ist immer interessant verschiedene Erfahrungen zu bekommen- letztendlich ist es wohl immer so das man die Erfahrung wohl selber machen muss, es hängt auch etwas Glück darin wie glücklich man damit werden kann.
    Ich wollte noch ein paar Fragen beantworten, wo ich mich wirklich umständlich ausgedrückt habe:
    1. Auf den Begriff Zweitstudium bin ich nur gekommen, da dies so in einem Bafög-Antrag gestanden hat und ein junger Mann bei der Studienberatung das simultan verwendet hat.
    Ich habe mein Studium abgebrochen(hört sich schlimmer an als es ist) und 1,5 Jahre an der DHBW-Stuttgart studiert. Es war übrigens E-Technik bei dem großen Automobilzulieferer mit dem Doppel-T-Anker.
    2. Meine Motivation ist schwierig zu beschrieben, ich denke es ist eine menschliche Angewohnheit nach Sicherheit, Erfolg und vielen offenen Optionen zu streben. Ich will Unternehmer werden, langfristig führt für mich kein Weg daran vorbei. Natürlich kann ich mich dann hinstellen und mich durch unausgebildete Tätigkeiten über Wasser halten, mit dem Ziel mir meine eigene Tätigkeit zu schaffen. Ich fürchte mich aber davor, es kann natürlich spaßig sein als Profi-Artist zwischen zwei Heißluftballons auf einem Seil zu balancieren. Ob ich diesen Kick brauche, nein nicht wirklich. Ich habe Angst vor dem Szenario weder meiner jetzigen noch meiner zukünftigen Familie, den Lebensstandard bieten zu können den sie verdienen. Meine Erfahrungen zum Lehrerberuf sind natürlich beschränkt und idealistisch. Ich analysierte oft was die Lehrer gemacht haben die ich schätzte, bei denen ich viel gelernt habe und ich muss sagen, dass eigentlich immer ein Mindestmaß an Spaß, Unangepasstheit, Lebensweisheit bei den Lehrern vorhanden war. Durchsetzungsfähigkeit und Autorität ist für mich kein Widerspruch dazu.
    3. Ich habe den Punkt zum Wirtschaftsstudium eigentlich vor allem dazu geschrieben, weil ich mein Umfeld kenne. Ich spreche kurz das Wort Unternehmertum an und mein Bekanntenkreis sagt sinngemäß:
    Dann studier doch BWL, das ist die perfekte Basis dafür.
    Wie gesagt habe ich eine andere Meinung, ich will keinen reinen BWL-Abschluss, keinen reinen BWL-Job im Großkonzern.
    Als Mittel zum Zweck aber gerne, ich halte die gegenwärtige Ausrichtung sogar nicht für falsch aber für enorm einseitig.
    Wie wenn man sein ganzes Leben Musik studiert aber nie etwas von Mozart gehört hat.


    Ich werde mir auf jede Fall die Studiengänge in Konstanz und Basel nochmal genau anschauen.

  • Es ist ein Unterschied Wirtschaft (egal in welcher Studienfachrichtung) zu studieren, um in einem Unternehmen zu arbeiten oder ob man Wirtschaft studiert um es zu unterrichten. Je nach Studiengang können sich da Inhalte unterscheiden (Wirtschaftspädagogik oder Wirtschaftslehre setzen deutlich andere Schwerpunkte als BWL/VWL), in jedem Fall aber zielt das Studium auf einen anderen Beruf ab.


    Ich bin selbst Wirtschaftslehrerin, habe also ein entsprechendes Studium. Eine kritische Grundhaltung empfiehlt sich in allen Gesellschaftswissenschaften, dennoch sollte man sich bewusst sein, dass man als Lehrer nicht einfach individuelle Überzeugungen lehrt. Ich persönlich bin sehr interessiert an der Postwachstumsökonomie, lehre aber gemäß Bildungsplan Konjunkturpolitik als Wachstumspolitik, ergänze das dann aber im Sinne des Kontroversitätsgebots um Hinweise, dass es dazu auch andere Auffassungen gibt und warum man aus dieser Perspektive eine reine Wachstumspolitik kritisch betrachtet (hat keinen meiner SuS überzeugt). Ich arbeite mit meinen SuS wie vorgesehen zum Arbeitslosengeld (I und II), ergänze das aber um eine Doppelstunde zum bedingungslosen Grundeinkommen. Das sehe ich persönlich zwar durchaus kritisch, aber auch hier gebietet es das Kontroversitätsgebot, dass meine SuS erfahren, dass es alternative Vorschläge gibt und sie als künftige Wähler miteintscheiden können, ob solche Ansätze eine Rolle spielen sollen. (Fanden viele meiner SuS sehr überzeugend.)
    Deine Kritik "am rationalen Markt im Großkonzern" ist deine persönliche Auffassung. Als Lehrer eines gesellschaftswissenschaftlichen Fachs wäre es deine Aufgabe Schülern einerseits begreiflich zu machen wie das aktuelle Wirtschaftssystem strukturiert ist (und was du gemäß äußerer Vorgaben dazu an Wissen vermitteln sollst) und andererseits dazu zu befähigen eigene, begründete Werturteile zu fällen (die eben auch konträr zu deinen Auffassungen ausfallen dürfen). Kontroversität ist ein zentrales Gebot der Gesellschaftswissenschaften und auch wenn der Beutelsbacher Konsens außerhalb Deutschlands keine Relevanz hat, dürften die darin artikulierten grundständigen Vorstellungen zu guter politischer Bildung (die in Form von Wirtschaftspolitik eben auch ein Teil des Wirtschaftsunterrichts ist) aller Vorraussicht in der einen oder anderen Form auch in der Schweiz relevant sein. (Wobei ich es spannend fände, das von einem Wirtschaftslehrer aus der Schweiz genauer zu erfahren.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Kontroversität ist ein zentrales Gebot der Gesellschaftswissenschaften und auch wenn der Beutelsbacher Konsens außerhalb Deutschlands keine Relevanz hat, dürften die darin artikulierten grundständigen Vorstellungen zu guter politischer Bildung (die in Form von Wirtschaftspolitik eben auch ein Teil des Wirtschaftsunterrichts ist) aller Vorraussicht in der einen oder anderen Form auch in der Schweiz relevant sein.

    Das ist in der Tat eine spannende Sache, die Du da nennst. Spannend insofern, als es ausgerechnet im Land der halbdirekten Konkordanzdemokratie ein Fach "Politik" gar nicht so wirklich gibt. Wir sind im Baselland da geradezu fortschrittlich, wir haben in der 3. Klasse 1 Lektion "Politische Bildung" im Stundenplan stehen. Allerdings gibt es keine eigens dafür ausgebildeten Lehrpersonen, die 1 Lektion übernimmt einfach der Geschichtslehrer. Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, wie es um die Neutralität meiner Kollegen im Unterricht bestellt ist. Politik ist ein heisses Thema, eigentlich hat fast jeder dazu eine recht starke Meinung (man wird ja auch zig mal im Jahr zu irgendwelchen Volksentscheiden eingeladen) und die Diskussionen sind sicher ganz andere als in Deutschland. Will heissen, man darf hier so einiges sagen, was in Deutschland einfach bäh ist. Auch die Einstellung gegenüber Grosskonzernen ist speziell, Roche und Novartis sind die grössten Arbeitgeber der Region und überhaupt ist die komplette Ausrichtung des Landes ausgesprochen wirtschaftsliberal.


    Was mir noch zum Thema "Lehramt" einfällt ... Mir ist tatsächlich noch kein Wirtschaftslehrer untergekommen, der noch ein zweites Fach unterrichtet. Das wollte ich einfach mal erwähnt haben. Wirtschaft- und Rechtslehre wird fast ausschliesslich als Schwerpunktfach unterrichtet, d. h. im Schnitt 4 Lektionen pro Woche pro Klasse am Gymnasium. Ein Niveau unter dem Gymnasium gibt es noch die Wirtschaftsmittelschulen, an denen das Fach auch entsprechend viel unterrichtet wird. Der Bedarf ist also wirklich recht hoch und wenn es dieses Fach nun sein soll, dann sollte man davon ausgehen, dass es dann auch nur dieses Fach ist und nichts dazu kommt.

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