Stefans Lehrerarbeitsreformideen

  • Bei Facebook fand ich zu einem n4t-Artikel folgenden Kommentar von Stefan T. mit vielen Reformideen. Was haltet ihr davon bzw. von dieser oder jener Idee?


    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Ich will mal eine Idee hervorheben, die mir spontan besonders zusagt:


    9. Grundlegendes Verbot von jeglicher juristischen Klageform (ausgenommen Vergehen nach Strafgesetzbuch) gegen Lehrer oder die einzelnen Schulen.


    (PS.: K. und andere, nein, ich bin nicht Stefan T.) ;)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Vieles richtig und vieles schon oft gefordert.


    Aber in der "Bildungsrepublik Deutschland" gibt es offensichtlich wichtigere Dinge zu entscheiden und zu finanzieren...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hm, was sollen diese Vorschläge?


    Die meisten (schon allein 1-5) sind mit erheblichen finanziellen Mehrausgaben verbunden und werden allein deshalb nicht umgesetzt. Kategorie "Hach, wäre schon, wenn..." halt.

  • Ich will mal eine Idee hervorheben, die mir spontan besonders zusagt:


    (PS.: K. und andere, nein, ich bin nicht Stefan T.) ;)

    Ein ganz wesentlicher Punkt, den ich an der Selbstwahrnehmung des Lehrerberufes noch nie verstanden habe, ist die Angst vor rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Kundschaft. Ich bin jetzt 15 Jahre im Beruf und 10 Jahre Personalrat und habe in der Zeit gerade mal 2 Fälle miterlebt, bei denen Eltern rechtliche Schritte eingeleitet haben. Beide Fälle sind versandet, bevor es überhaupt vor Gericht gegangen ist.
    Ich fälle bei Notengebung oder Disziplinarmaßnahmen täglich Urteile, die für Schüler weitreichende Folgen haben. Ich tue das gut überlegt und auf Basis der Rechtsgrundlagen, die ich auch kenne (nein, das ist leider keine Selbstverständlichkeit). Wenn Eltern oder Schüler Zweifel äußern, kann ich meine Entscheidungen auch begründen und im Einzelfall ach mal überdenken (wobei eine Änderung der Entscheidung dabei nur äußerst selten vorkommt). Wenn die Betroffenen meiner Entscheidung dann immer noch Zweifel haben, steht es ihnen frei, ihre rechtlichen Möglichkeiten (die bereits jetzt recht begrenzt sind) auszuschöpfen. Falls dann tatsächlich mal rauskommen sollte, dass ich irgendwo einen Fehler gemacht habe, wird der eben korrigiert - und das hätte für mich persönlich nicht einmal irgendwelche negativen Konsequenzen (mir ist deutschlandweit kein einziger Fall bekannt, bei dem es zu dienstrechtlichen Konsequenzen gegen Lehrer aufgrund von Fehlern im Dienst gekommen wäre, wenn nicht bereits die Schwelle zum Strafrecht berührt worden wäre).
    Der Stress den Lehrer mit juristischen Auseinandersetzungen haben ist in erster Linie hausgemacht, weil im vorauseilenden Gehorsam immer schon im Kopfkino worst-case-Szenarien ausgemalt werden, die in der Realität niemals eintreten. Die einzige Ausnahme sind Schulen, bei denen die Schulleitungen nicht hinter ihren Kollegen stehen und bei jeder Beschwerde der Eltern Druck auf die Lehrer ausüben, das ist dann aber kein juristisches Problem.

  • Das Problem - zumindest bei uns - ist, dass Fachbetreuung und Schulleitung panische Angst vor Eltern haben, die evtl. rechtliche Schritte einleiten könnten und einen gewissen Druck auf das Kollegium aufbauen, dass ja nix in der Richtung passiert (indem wir alle SuS mit Samthandschuhen anfassen und eher freundliche Noten vergeben). Natürlich kann ich mich auf die Hinterbeine stellen (gerade als Beamter), aber der Druck ist halt auch nicht angenehm.

  • Ein ganz wesentlicher Punkt, den ich an der Selbstwahrnehmung des Lehrerberufes noch nie verstanden habe, ist die Angst vor rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Kundschaft. Ich bin jetzt 15 Jahre im Beruf und 10 Jahre Personalrat und habe in der Zeit gerade mal 2 Fälle miterlebt, bei denen Eltern rechtliche Schritte eingeleitet haben. Beide Fälle sind versandet, bevor es überhaupt vor Gericht gegangen ist.

    Das kann ich auch nicht verstehen. Einige meiner Kollegen haben da wahnsinnige Panik vor, insbesondere die in der Probezeit.
    Ich bin jetzt fast 20 Jahre im Beruf und hatte erst einen Widerspruch letztes Jahr (habe ich von berichtet) gehabt. Und der ist im Sande verlaufen. Meine Schulleitung hat da ebenfalls keine Angst.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • Bei uns gibt es auch eine handvoll Kollegen, die sich ständig ins Hemd machen, dass Schüler bzw. deren Eltern gegen irgendwas klagen könnten. Wenn man das Phänomen mal ne Weile beobachtet, stellt sich heraus, dass das exakt die Kollegen sind, die die Noten- und Prüfungsverordnung vermutlich noch nie gelesen haben und sich an exakt überhaupt keine einzige Regel in diesem Zusammenhang halten. Fällt besonders dann auf, wenn man mal als Klassenlehrer den Gesamtüberblick hat. Ja mei ... in dem Fall klagt der Schüler dann auch zurecht. Wir hatten letztes Schuljahr einen Schüler, der beim Schulrat Rekurs gegen seine Zeugnisnote im Englisch eingelegt hat und Recht bekommen hat. Hat er, weil die Kollegin nachweislich einen Bock geschossen hat. An die Noten- und Prüfungsverordnung haben sich schon brav beide Seiten zu halten. Ach ja ... "gegen den Lehrer" wird an der Stelle ja gar nicht geklagt, sondern gegen die Note und dieses Recht kann man den Schülern mal ganz sicher nicht absprechen.


    Abgesehen davon entspricht das meiste der genannten Forderungen (bis auf das mit der Verbeamtung natürlich) bei uns ganz einfach dem Ist-Zustand.

  • Bei uns gibt es auch eine handvoll Kollegen, die sich ständig ins Hemd machen, dass Schüler bzw. deren Eltern gegen irgendwas klagen könnten. Wenn man das Phänomen mal ne Weile beobachtet, stellt sich heraus, dass das exakt die Kollegen sind, die die Noten- und Prüfungsverordnung vermutlich noch nie gelesen haben und sich an exakt überhaupt keine einzige Regel in diesem Zusammenhang halten. Fällt besonders dann auf, wenn man mal als Klassenlehrer den Gesamtüberblick hat. Ja mei ... in dem Fall klagt der Schüler dann auch zurecht. Wir hatten letztes Schuljahr einen Schüler, der beim Schulrat Rekurs gegen seine Zeugnisnote im Englisch eingelegt hat und Recht bekommen hat. Hat er, weil die Kollegin nachweislich einen Bock geschossen hat. An die Noten- und Prüfungsverordnung haben sich schon brav beide Seiten zu halten. Ach ja ... "gegen den Lehrer" wird an der Stelle ja gar nicht geklagt, sondern gegen die Note und dieses Recht kann man den Schülern mal ganz sicher nicht absprechen.


    Abgesehen davon entspricht das meiste der genannten Forderungen (bis auf das mit der Verbeamtung natürlich) bei uns ganz einfach dem Ist-Zustand.


    Wurde denn wirklich "gegen die Note" geklagt oder gab es "nur" eine Beschwerde? Soweit ich weiß, kann man gar nicht gegen Noten klagen, die keine weitreichende Wirkung haben (Berufswahl z.B.). Beschwerdestellen gibt es allerdings durchaus und die Aussage, das würde dann geprüft werden. Auf diese Weide, finde ich, ist die normale "Nicht-Klagefähigkeit" gegen normale Noten ausgehebelt. Oder irre ich mich hoffentlich?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Zeugnisnoten sind bei uns rekursfähig*, der Rekurs muss beim Schulrat eingereicht werden und so ist es auch geschehen.


    *Edit: Sofern dem Zeugnis eine "rechtsfeststellende noch rechtsgestaltende Wirkung" zukommt, wie es im Schweizer Juristendeutsch so schön heisst. Habe gerade ein passendes Urteil vom Kantonsgericht Baselland dazu gefunden. Im Falle des erwähnten Schülers war dies zutreffend, da er bei Nichtbestehen der 1. Klasse Gymnasium den Ausbildungsgang hätte wechseln müssen.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

    • Offizieller Beitrag

    Bezüglich der "Klagemöglichkeiten"und Widersprüche kann ich mich nur wiederholen:


    Das Bewusstsein, dass man in jeder Situation rechtlich sicher handelt bzw. handeln könnte, trägt ungemein zur Souveränität einer Lehrkraft bei.


    Von einer studierten Lehrkraft kann man erwarten, dass sie Gesetzestexte findet, liest, versteht und danach handelt.
    Die APO-SI, die APO-GOSt, das Schulgesetz, sowie die ADO sind alle in der BASS zu finden und sind sprachlich keine Herausforderungen und durchaus verständlich. Die VVs und die in den kommentierten Ausgaben enthaltenden Hinweise zur Rechtspraxis helfen darüber hinaus wirklich weiter. Das dürfte für die anderen Bundesländer ebenfalls gelten.


    Auch wenn das nicht zwingend ein Positivindiz für meine bisherige Arbeit als Lehrer herhalten kann, so hatte ich in den vergangenen 13 Jahren keinen Widerspruch und keine Notenbeschwerde bei der Schulleitung. In pädagogischen Fragen kann man sich durchaus mal uneinig sein, aber das kann man von Angesicht zu Angesicht klären.

  • Zeugnisnoten sind bei uns rekursfähig*, der Rekurs muss beim Schulrat eingereicht werden und so ist es auch geschehen.


    *Edit: Sofern dem Zeugnis eine "rechtsfeststellende noch rechtsgestaltende Wirkung" zukommt, wie es im Schweizer Juristendeutsch so schön heisst. Habe gerade ein passendes Urteil vom Kantonsgericht Baselland dazu gefunden. Im Falle des erwähnten Schülers war dies zutreffend, da er bei Nichtbestehen der 1. Klasse Gymnasium den Ausbildungsgang hätte wechseln müssen.


    Ja, stimmt, du bist ja aus der Schweiz bzw. arbeitest dort. Danke trotzdem für die Antwort. Ich denke, in Deutschland ist es ähnlich. Vor Gericht hat man bei "normalen Noten" keine Chance, aber bei Schulleitung und Schulaufsicht kann man sich trotzdem beschweren. Sagen wir das mal lieber nicht zu laut. ;)


    (Und beim entsprechenden Lehrer ja sowieso.)

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  • Sagen wir das mal lieber nicht zu laut.

    Es ist das gute Recht eines jeden Schülers Rekurs einzureichen, wenn er mit guter Begründung unzufrieden mit seiner Zeugnisnote ist. Ich schrieb ja, dass im Fall des von mir erwähnten Schülers ein nachweisbarer Fehler auf Lehrerseite vorlag und dann wird der Rekurs natürlich angenommen. Mach Deinen Job ordentlich, dann hast Du auch nichts zu befürchten.

  • Es ist das gute Recht eines jeden Schülers Rekurs einzureichen, wenn er mit guter Begründung unzufrieden mit seiner Zeugnisnote ist. Ich schrieb ja, dass im Fall des von mir erwähnten Schülers ein nachweisbarer Fehler auf Lehrerseite vorlag und dann wird der Rekurs natürlich angenommen. Mach Deinen Job ordentlich, dann hast Du auch nichts zu befürchten.


    Hm ... warum gleich so angefressen, @Wollsocken80?


    Ich erkläre jedem Schüler, warum ich welche Note gebe und wenn sie einen Fehler entdecken, den ich gemacht habe, korrigiere ich meine Notengebung auch. Nachfragen zu Zeugnisnoten hatte ich noch nicht.


    (Hier ging es mir darum und in dem, was ich vorher dazu schrieb, dass Eltern wegen Noten vor Gericht klagen bzw. zur Schulleitung / Schulaufsicht laufen, STATT zu mir zu kommen und die Sache zu klären.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.


  • Ich finde diese Forderung ok. Sollen die Kinder ein bisschen länger Kind sein dürfen. Ich betrachte sie nicht unter dem Aspekt späterer beruflicher "Verwertbarkeit" und möglicher Steuerzahlungen. Ein bisschen länger Kind sein, warum nicht in einer Zeit, in der wir alle länger und länger leben, also auch noch lange genug arbeiten können, womit ich jetzt nicht das Renteneintrittsalter meine (was man sicher weiter anpassen wird), sondern auch, dass wir länger leben, weil man Krankheiten besser heilen kann (Stichtwort: Tag des Krebses heute). Auch dadurch können mehr Menschen länger arbeiten.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

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