Gymnasium oder Gesamtschule

  • Ich habe bei meinem Sohn genau die Erfahrungen, die Schmidt für die Gesamtschule beschreibt, an einem Gymnasium erlebt. Es gab dort einfach keine Differenzierung außer der, dass man am Ende der Stunde schon mit Hausaufgaben anfangen durfte, wenn man mit den Aufgaben für die Stunde fertig war. Also musste er jahrelang nichts zusätzlich am Nachmittag machen. Und mein Sohn ist nicht ( übermäßig ;-)) hochbegabt.
    Wie man lernt, lernt er jetzt erst im Studium.
    Es gab an der Schule kein Zusatzangebot an besonderen AGs, die Beziehungsebene spielte keine Rolle. Man war damit zufrieden, wenn jemand nicht nervte. Bei Entwicklungskrisen, Pech gehabt!
    Also Schulen genau angucken und dann mir dem Kind entscheiden.

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • platttypus, kann ja sein, aber eine anekdote aka einzelfall ist halt genau das, eine anekdote. schön, dass es für dich am gym besser wurde. statistisch aka verallgemeinernd kann man anhand dieses materials nichts schlussfolgern.

  • Inwiefern sind die Abiturergebnisse der letzten drei Jahre von Gymnasium und Gesamtschule denn aussagekräftig über die Qualität der Schulform?
    Vielleicht haben Eltern am Gymnasium auch einfach mehr Geld für Nachhilfe :cash: und deswegen haben ihre Sprösslinge bessere Ergebnisse?

    Es ist doch logisch, dass auf der Gesamtschule weniger Leute Abitur machen, weil die fitten Kinder aufs Gymnasium geschickt werden. Der Vergleich ist doch, als ob man sagen würde: Gymnasiasten machen häufiger Abi, als Realschüler. Trotzdem ist es höchst wahrscheinlich, dass ein Akademikerkind das Abi schafft, egal an welcher Schulform.


    Die zentrale Frage ist doch nicht die nach Abitur oder netten Lehrern, die gut zuhören, sondern einzig und allein nach der Qualität der Mitschülerverhaltens. So ehrlich muss man bei aller Statistik wohl sein.

  • Ich versuche mich dann auch mal an Zahlen bzgl. Abiturergebnissen...
    Ich vergleiche
    Gymnasium 1: gilt als sehr streng, längst nicht jeder SuS schafft da das Abi - zumindest nicht ohne eine Wiederholung der Abschlussklasse mit
    Gymnasium 2: da gibt es auch Überflieger, aber die SuS am unteren Ende der Notenskala schaffen es meist noch mit Hängen und Würgen und vier Nachprüfungen im Abitur selbiges zu bestehen.


    Gymnasium 1 hat einen durchaus sehenswerten Abiturdurchschnitt, über Jahre hinweg.
    Gymnasium 2 liegt deutlich darunter.


    Frage: Ist Gymnasium 2 so viel schlechter als Gymnasium 1?
    Oder ist es vielleicht sogar besser, weil es aus den SuS noch das Letzte herausholt?
    Oder "verschenkt" es das Abitur?


    Ähnlich ließe sich auch hinterfragen, wieso die Abiturergebnisse an Gesamtschulen oder beruflichen Gymnasien immer wieder schlechter sind... vielleicht sind's einfach die "vielen" SuS, die so gerade eben das Abitur schaffen (trotzdem kann es an der Gesamtschule auch brilliante Köpfe geben, die berechtigterweise eine 1 vor dem Komma haben).


    Ich habe mir jetzt die verlinkten Studien nicht so genau angesehen. Interessant wäre vielleicht nicht nur die Betrachtung des Durchschnitts, sondern auch des Medians oder der Standardabweichung...

  • Meine persönliche Erfahrung deckt sich auch mit meiner, zugegeben etwas mickrigen, Erfahrung als Lehrer an einer Geaamtschule und den Erfahrungen von Freunden und Bekannten.
    Gesamtschulen sind Realschulen für Schüler, deren Eltern nicht akzeptieren wollen, dass ihre Kinder auf einem Gymnasium fehlplatziert sind. Oder für Idealisten, die es nicht besser wissen.

    Da gibts schon noch welche, die glauben, dass es genau die richtige Schule ist. Ich zähle mich zu keiner deiner Gruppen.

  • Ich finde man darf eh nicht alle Gesamtschulen und alle Gymnasien in einen Topf werfen.
    Da wo ich aufwuchs gab es 2 Gesamtschulen. Eine war sehr beliebt, egal welche Empfehlung. Die andere war Resterampe.


    Und mit dem im Hinterkopf: im Ref (am Gymnasium) bekam meine Schule (definitiv ein Gymnasium mit dem Ruf eher eine Gesamtschule zu sein, wo es doch fast jeder schafft, mit Realschule im Gebäude und viel Durchlässigkeit in beide Richtungen und auch sehr im Kontrast zu dem Elitegymnasium im anderen Stadtteil) in einem meiner Fächer zur Zweitkorrektur Abiklausuren von einer Gesamtschule und die Lehrer regten sich ziemlich auf, dass sie eigentlich alle Klausuren 2-4 Notenpunkte schlechter bewerteten. Mag ein Einzelfall sein, mag auch andersherum passiert sein.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Eine Schülerin mit guten sozialen und kognitiven Kompetenzen findet sich wahrscheinlich an den meisten Schulen zurecht.

  • Wie erklärt ihr eigentlich, dass die Abitur-Klausuren nie zwischen Gymnasium und Gesamtschule ausgetauscht werden?

    Hab doch oben geschrieben, dass das bei mir im Ref mal der Fall war.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

    Einmal editiert, zuletzt von yestoerty ()

  • Ich kann nur aus Bawü berichten: Die Realschüler kommen bei uns im beruflichen Gymnasium mit einem eher mittelprächtigen Allgemeinwissen an.
    Die Realschulen sind aufs Auswendiglernen ausgelegt, damit und mit "Neatness" scheint man gute Noten erreichen zu können.


    Viele SuS tun sich in der Oberstufe schwer, weil sie mit Fleiß und Auswendiglernen nicht weit kommen - wir wollen Transfer und eigene Beurteilung sehen.
    Andererseits haben wir auch intelligente junge Menschen, die aber in der Realschule das Arbeiten nie gelernt haben und ohne Aktivität durchgekommen sind, für die Oberstufe reicht es aber eben so nicht. Und sich nach der Pubertät komplett umzustellen im Lernverhalten ist gar nicht so leicht. Was Hänschen....


    Beide Gruppen tun sich schwer auf dem Weg zum Abi. Bei einem begabten Kind würde ich den Weg über die mittlere Bildungsschiene nicht gehen, wenn es nicht nötig ist.

  • Die Realschüler kommen bei uns im beruflichen Gymnasium mit einem eher mittelprächtigen Allgemeinwissen an.
    Die Realschulen sind aufs Auswendiglernen ausgelegt, damit und mit "Neatness" scheint man gute Noten erreichen zu können.

    Das ist so, und das gehört so. Realschulen haben einen anderen Job als Gymnasien. Auch Gymnasiasten finden sich oft nicht sofort in der Oberstufe zurecht, weil sie erstmal ihre Mittelstufenstrategien weiternutzen. Bei uns sind die hineinwechselnden Realschüler auf lange Sicht fast immer erfolgreich, eben weil sie fleißig sind und Biss haben. Von der Gesamtschule haben wir nur selten Schüler, wenn, dann sind sie öfter nicht sehr strukturiert, kann aber auch Zufall sein.


    Im Übrigen ist der Oberstufenunterricht meiner Beobachtung nach in den letzten 20 Jahren deutlich realschulartiger geworden (Arbeitsblätter zum Ausfüllen, bunte Tafelanschriebe, mehrfach den Stoff Durchkauen, mehr Übungsangebote, weniger Selbstständigkeit, weniger Methodenkritik, weniger philosophische Fragestellungen usw.), weil die Schülerschaft jünger ist, weil sie anders zusammengesetzt ist, weil insgesamt weniger Unterricht stattgefunden hat (der den Namen verdient). Natürlich zieht man die Kurse nach Kräften hoch. Aber mit der Bildungslandschaft verändert sich eben auch unser Job. Über die Studierfähigkeit der Einwechsler mache ich mir keine Sorgen. Wenn sie wirklich (noch) nicht gegeben ist, beraten wir eben in Richtung Berufsausbildung.


    Eine Sekundarschule oder eine Gesamtschule kann eine sehr gute Wahl sein. Es gibt Kinder, die erstmal das Klassenlehrerprinzip brauchen, die die Sprachförderstunden brauchen, denen Identifikationsangebote wie Sportklassen gut tun, die erstmal das differenzierte Kurssystem und die verstärkte Binnendifferenzierung brauchen, die die gezielte Berufsvorbereitung brauchen, um mit mehr Zeit und Sicherheit über die Berufsschulen aufzusteigen und in vielen Fällen schließlich ebenfalls zu studieren.


    In den Gymnasien herrscht bei uns je nach Einzugsgebiet ein ausgesprochen unterschiedlicher Geist. An den Gesamtschulen auch, da liegt es mehr an der jeweiligen Entstehungsgeschichte und der entsprechenden Lehrerschaft. Letztens hat sich eine Mutter aus meinem Bekanntenkreis gewundert, wieviel zügiger die Gesamtschule ihres Sohnes in der Orientierungsstufe vorangekommen ist als das zimperliche Helikopter-Gymnasium ihrer Tochter im Jahr davor. Man muss halt einfach genau hinschauen, auf das Kind, auf die Schule. Der Rest, also das Wichtigste, ist Glückssache (konkrete Lehrerbesetzung, tatsächliche Klassenkameraden) und kann auf jeder Schulform so oder so sein.

  • In der Stadt ist eine Sekundarschule zur Gesamtschule umdeklariert worden. Und weil man eine Oberstufe haben wollte, hat man einen Teil der Schüler (also rund 80) zu oberstufenfähig deklariert.

  • hat man einen Teil der Schüler (also rund 80) zu oberstufenfähig deklariert.

    "Oberstufenfähig deklariert" bedeutet, dass diese Schüler eine FOR-Q haben. Wie kommst du auf die Idee, dass sie diese nicht zu Recht bekommen haben?


    Andersherum könnte ich auch mal sagen: Am Gymnasium hat man das Abitur doch schon in der Tasche, wenn man die Erprobungsstufe besteht.

  • Was denn sonst? Formal vielleicht nicht, von Niveau und Unterrichtsmethoden her allerdings schon.

    Mein Kind hat eine Gymnasialempfehlung, ist auf eine Gesamtschule gegangen, die alle Aufgaben in 3 Niveaus anbietet. Meine Tochter macht dabei stets die 3-Stern-Aufgaben, die also Gymnasialniveau entsprechen. Ich denke nicht, dass meine Tochter eine Realschülerin ist. Das kann man so pauschal doch gar nicht sagen, wie hier auch schon oft genug angemerkt wurde.


    Was jetzt an Unterrichtsmethoden "Realschule" oder eben "Gymnasium" sein soll, weiß ich auch nicht. In der Gesamtschule meiner Tochter findet kaum Frontalunterricht statt. Es wird sehr viel selbst erarbeitet und in Referaten etc. präsentiert. Ihre Freundin vom Gymnasium berichtet fast nur von Frontalunterricht. Ist das dann gymnasial?

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