Schulpolitik in NRW

  • - ein... geschlossenes Lager für alles, was zu dämlich ist, und keine Erziehung/Sozialisation hat, und eben nicht mehr die Hauptschulen zumüllen soll...?

    Na ja, wenn man mal die polemische Wortwahl weglässt, haben wir das ja in den Förderschulen. Die umfassen ja alles von geistigen Behinderungen bis hin zu sozialen Störungen. Um das eben nicht als "geschlossenes Lager" zu begreifen, sondern als gesellschaftlich notwendige Einrichtung, um auch schwierige Fälle sozial zu integrieren, müssen die natürlich mit mehr Ressourcen ausgestattet werden und besseres Ansehen in der Gesellschaft genießen.


    Das größte Problem des dreigliedrigen Schulsystems ist die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Wahrnehmung und eigentlicher Funktion der Schularten. So verkommt eben eine Schulart, die die wichtige Aufgabe der Vorbereitung auf handwerkliche Berufe etc. übernimmt, zur "Resterampe" und eine Schulart, die diejenigen auffängt, die durchs Raster fallen, wird zum "geschlossenen Lager".
    Und plötzlich ist nur noch die Schulart akzeptabel, die eigentlich auf akademische Laufbahnen vorbereiten soll. Absurd!

  • ... Ich unterstütze das dreigliedrige System, würde mir aber eine deutliche Aufwertung von Mittel- und Realschulen in der gesellschaftlichen Meinung und mehr Durchlässigkeit "nach oben" wünschen.

    Wie soll das aussehen? Die Hauptschule hatte noch nie einen guten Ruf. Wir hatten als Kinder schon Angst, an der kleinen Brücke vorbeizugehen, auf der die Hauptschüler saßen und denen Angst machten, die dort vorbei mussten.


    Es ist zu simpel, diese Vorstellung, dass es den "praktisch Begabten, netten aber etwas doofen Menschen" gibt (den man natürlich schon in Klasse 3 als solchen erkennt, wenn man die Bildungsempfehlung tippt) der sich ideal für eine Maurerlehre eignet, so wie seine Eltern und Großeltern schon vor ihm.


    Wo soll die Anerkennung denn plötzlich herkommen? Jeder hier, der sein Kind auf der Hauptschule anmelden würde, bitte mal Hand hoch.

  • Innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems wird die Gesamtschule immer Resterampe bleiben, denn ihr integratives Konzept verträgt sich mit dem selektiven Konzept des dreigliedrigen Schulsystems einfach nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Dreigliederung eine Hierarchisierung suggeriert, die so wohl gar nicht gedacht war. Deshalb will natürlich jeder sein Kind aufs Gymnasium schicken, denn jeder will für dein Kind "das Beste". [...]


    Ich unterstütze das dreigliedrige System, würde mir aber eine deutliche Aufwertung von Mittel- und Realschulen in der gesellschaftlichen Meinung und mehr Durchlässigkeit "nach oben" wünschen.

    yesyesyes. kann man dich irgendwie in die schulpolitik wählen?

  • Wie soll das aussehen? Die Hauptschule hatte noch nie einen guten Ruf.

    Ich habe leider keine Antwort, die sich praktisch auch problemlos umsetzen lässt. Ein theoretischer Ansatz müsste daran liegen, die Schulwahl mehr von der sozialen Herkunft zu lösen.
    Solange "Hauptschule" mit "asozial" gleichgesetzt wird, weil eben vor allem sozial schlechter gestellte und bildungsferne Schichten ihre Kinder dorthin schicken, wird sich das natürlich nicht ändern.
    Wenn, jetzt auch mal polemisch formuliert, der schlaue Asso aus dem sozialen Wohnungsbau am Gymnasium landet und der einfältige brave Junge aus dem Akademikerhaushalt auf der Hauptschule, dann ist der Weg offen, um den Ruf zu verändern.

  • Na, ich formuliere das hier ja ganz bewusst provokant, aber je nachdem, an welchem Ort du dir die Schulformen so anschaust, merkst du den leider doch hohen Realitätsanteil...


    Und... zu "unserer" Zeit... wurde noch härter gesiebt, und als wir als Gymnasiasten mangels eigener Sporthhalle die Hallen benachbarter Hauptschulen nutzen mussten, gab es regelmäßig Knatsch... ja, auch da waren "die Hauptschüler" als aggressive Assos verschrien, und dann (per self-fulfilling prophecy?) auch als solche präsent. Ja, Karate zu können war nie verkehrt. Und als Mädchen dann erst recht ne Überraschung.
    Unterschiede zu heute? Da konnte wennigstens noch die Majorität der Hauptschüler Deutsch. Das "Gefälle" ist einfach noch viel steiler geworden.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • ...naja, in meiner aktuellen gymnasialen oberstufe können im lesen und schreiben bestimmt 2/3 auch kein richtiges deutsch, textverständnis minus siebenhundert, korrekte sätze in fünf seiten klausur: im schnitt fünf oder so. aber mündlich und schriftlich zählen halt eins zu eins, und texten mündlich können sie. sehr gut sogar. politisch gewollte erhöhung der abiturquote lässt grüßen. die fallen zwar dann durchs schriftliche zentralabi, aber dann gibt es halt mündliche wiederholungsprüfungen, und wenn es immer noch hapert, zahlt papa das internat in england oder das ib hier in deutschland, ist dem abi gleichgestellt, aber dem hörensagen nach viel einfacher.


    an der berufsschule waren einzelne (! wirklich einzelne) in den einzelhandel- und friseurklassen (! nicht gerade die abinahen ausbildungsberufe), die besser waren vom abstraktionsvermögen als diese schwache q12.


    also ja, wir selektieren nicht immer die richtigen, beileibe nicht, siehe vererbung von bildugstiteln in deutschland aka bildungsungleichheit. wenn man versucht, davon wegzukommen, indem man das selektive schulsystem umwandelt in einheitssysteme, dann geben die bildungsbürger ihren nachwuchs halt auf passende privatschulen, und die segregation zwischen arm und reich nimmt noch mehr zu in diesem land. da bin ich eher für den erhalt des dreigliedrigen system, bei gesteigerter durchlässigkeit in beide richtungen und viel förderung für die, die es daheim nicht so dicke haben, von etablierten daz-unterrichtssystemen an jedem gym über schulinterne nachhilfe durch lehrer aus dem schuleigenen lehrerstunden-budget bis hin zu lernmittelfreiheit und eine vernünftige öffentliche bibliothek mit rechner und wlan in reichweite und vielen, vielen erfahrungen im schulleben, diediese kinder außerschulisch sonst nicht machen könnten, von chor, orchester über progammierkurse bis hin zu japanisch und vielen klassenfahrten und einem großen außerschulischen netzwerk.

  • Zitat

    Von daher hast du gerade nicht die Wahrheit auf Froschs Frage gesagt:

    @EffiBriest,


    ich weiß nicht, wie Du darauf kommst und was diese Anschuldigungen sollen?!


    Da Du anscheinend aus derselben Gegend kommst, solltest Du wissen, dass es hier durchaus mehrere Kleinstädte in der Region gibt und durchaus auch mehrere Realschulen. Bei Letzteren gibt es eben welche, die geschlossen werden/wurden, und andere, die gegründet werden sollen - offenbar nicht nur eine. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht ein und dieselbe Schule sein müssen. Was sie tatsächlich auch nicht sind. Also wirklich. Manchmal frage ich mich...

  • Innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems wird die Gesamtschule immer Resterampe bleiben, denn ihr integratives Konzept verträgt sich mit dem selektiven Konzept des dreigliedrigen Schulsystems einfach nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Dreigliederung eine Hierarchisierung suggeriert, die so wohl gar nicht gedacht war.

    Wie meinst Du das?
    Ich dachte genau diese Hierarchisierung wäre der Zweck der Dreigliedrigkeit.

  • Ich kann dir nur sagen, wie ich die Dreigliedrigkeit immer verstanden habe - allerdings habe ich dazu keine Belege oder so. Es ist nur meine Wahrnehmung.
    Ich habe es immer so gesehen, dass die Hauptschule auf handwerkliche Tätigkeiten vorbereiten soll, die Realschule auf nicht-akademische Bürotätigkeiten und das Gymnasium auf akademische Berufe. Daraus würde ich noch keine Hierarchie per se ableiten. Die kommt dann natürlich durch die gesellschaftliche Wahrnehmung ("Oh, ein Doktor!" vs. "Ach ja, ein Bäcker!") und dadurch, dass man mit dem "höheren" Schulabschluss auch die anderen Tätigkeiten ausführen kann, umgekehrt aber nicht.

  • natürlich nicht! der sinn besteht darin, kinder gemäß ihrer anlagen möglichst passgenau in mögichst homogenen lerngruppen zu fördern. der sinn besteht nicht darin, gymnasiasten zu helden und mittelschüler zu losern zu erklären. sie haben nur sehr unterschiedliche stärken bzw. schwächen.

  • Ich kann dir nur sagen, wie ich die Dreigliedrigkeit immer verstanden habe - allerdings habe ich dazu keine Belege oder so. Es ist nur meine Wahrnehmung.
    Ich habe es immer so gesehen, dass die Hauptschule auf handwerkliche Tätigkeiten vorbereiten soll, die Realschule auf nicht-akademische Bürotätigkeiten und das Gymnasium auf akademische Berufe. Daraus würde ich noch keine Hierarchie per se ableiten. Die kommt dann natürlich durch die gesellschaftliche Wahrnehmung ("Oh, ein Doktor!" vs. "Ach ja, ein Bäcker!") und dadurch, dass man mit dem "höheren" Schulabschluss auch die anderen Tätigkeiten ausführen kann, umgekehrt aber nicht.

    Verstehe.
    Für mich besteht oder bestand die Hierarchisierung im Maßstab der späteren Gehälter der Absolventen.
    Diese "jeder an seinem Platz"-Geschichte mit dem Arzt und Bäcker etc. schien mir immer als Beruhigung für diejenigen, die es in der Hierarchie nicht so weit gebracht haben. Nach dem Motto "Du verdienst zwar viel weniger, aber jeder Mensch ist gleich wichtig!".


    O-Ton aus einem Kindergarten:
    "Jeder kann was! Du kannst halt gut... äh... hm... Langeweile aushalten!"

  • Diese "jeder an seinem Platz"-Geschichte mit dem Arzt und Bäcker etc. schien mir immer als Beruhigung für diejenigen, die es in der Hierarchie nicht so weit gebracht haben. Nach dem Motto "Du verdienst zwar viel weniger, aber jeder Mensch ist gleich wichtig!".

    Das siehst du spätestens dann anders, wenn du bis zu den Knien in Fäkalien stehst, weil dein Klo verstopft ist, und du beinahe vor Freude heulen möchtest, wenn endlich der Klempner mit seinem blöden Quali in der Tür steht.

  • Das siehst du spätestens dann anders, wenn du bis zu den Knien in Fäkalien stehst, weil dein Klo verstopft ist, und du beinahe vor Freude heulen möchtest, wenn endlich der Klempner mit seinem blöden Quali in der Tür steht.


    Das schon und heutzutage verdienen sicher viele selbstständige Handwerker mehr, als arbeitslose Akademiker mit zwei Doktortiteln.
    Aber zumindest früher hat der Klempner im Beispiel einen geringeren Verdienst.
    Wenn man die "Wichtigkeit" an der Höhe des Verdiensts mißt, gab es m.E. eine Hierarchie im dreigliedrigen Schulsystem.


    Randnotiz: Von Dankbarkeit und gefühlter Wichtigkeit können sich mies Bezahlte auch nichts kaufen. ("Gotteslohn")
    Noch mehr Randnotiz: wenn sich Regierungen bei Freiwilligen bedanken, die das unentgeltlich das tun, was der Staat versäumt - z.B. im sozialen Bereich - finde ich das zynisch.

  • Ich finde man darf das nicht immer so schwarz/weiß sehen. Schüler können sich auch ändern, besser bzw. schlechter werden.


    Meiner Meinung nach, gibt es mehr lukrative Ausbildungen (Fortbildungen), als es Studiengänge gibt.


    Ich bin selber, von der Sonderschule auf die Grundschule und später nach der 10 Klasse der Hauptschule aufs Gymnasium gewechselt und habe dort mein Abitur gemacht. :)

  • Ich habe es immer so gesehen, dass die Hauptschule auf handwerkliche Tätigkeiten vorbereiten soll, die Realschule auf nicht-akademische Bürotätigkeiten und das Gymnasium auf akademische Berufe.

    So würde ich es auch gerne sehen, aber leider ist es nicht so. Es ist eine reine kognitive Leistungsauslese gepaart mit Arbeitshaltung, zumindest was unsere Empfehlungen, bei denen ein gewisser Notendurchschnitt in D, M und HSU erreicht werden muss, in Bayern betrifft. Auch wenn diese Empfehlung in anderen Bundesländern nicht verbindlich ist, wird sie - so denke ich - dennoch auf diesen Grundlagen erstellt. Von meinen Viertklässlern gehen Schüler auf die Hauptschule, die kognitiv im Augenblick keine andere Chancen haben.
    Die praktische Begabung zieht sich durch alle Schularten. Das sehe ich, wenn am Ende der 4. Klasse die Schüler in die verschiedenen Schularten übertreten. Ich habe oft zukünftige Gymnasiasten die super praktisch begabt sind. Die können es halt auf allen Gebieten. Leider geht dieses Talent an den Gymnasien unter. Auch sportliche, künstlerische und musikalische Begabungen ziehen sich durch alle Schularten. Oft sind in allen Bereichen die zukünftigen Real- und Gymnasialschüler leicht im Vorteil.
    Wenn man am dreigliedrigen Schulsystem festhalten möchte, muss man es sehr offen, mit vielen Möglichkeiten unterschiedlich weiterzumachen, ausstatten.
    Am Ende der Grundschule haben manche Kinder - vor allem Mädchen - gewisse Traumberufe, die allerdings noch in vielen Fällen unrealistisch sind. Auf einen Berufswunsch hin überzutreten, macht am Ende des 4. Schuljahrs nicht viel Sinn.
    In Bayern machen viele nach dem mittleren Schulabschluss weiter. Es gibt immer mehr Lehrer, die erst auf der Realschule waren und dann auf der FOS das Abitur gemacht haben.

  • So würde ich es auch gerne sehen, aber leider ist es nicht so. Es ist eine reine kognitive Leistungsauslese gepaart mit Arbeitshaltung, zumindest was unsere Empfehlungen, bei denen ein gewisser Notendurchschnitt in D, M und HSU erreicht werden muss, in Bayern betrifft. Auch wenn diese Empfehlung in anderen Bundesländern nicht verbindlich ist, wird sie - so denke ich - dennoch auf diesen Grundlagen erstellt. Von meinen Viertklässlern gehen Schüler auf die Hauptschule, die kognitiv im Augenblick keine andere Chancen haben.Die praktische Begabung zieht sich durch alle Schularten. Das sehe ich, wenn am Ende der 4. Klasse die Schüler in die verschiedenen Schularten übertreten. Ich habe oft zukünftige Gymnasiasten die super praktisch begabt sind. Die können es halt auf allen Gebieten. Leider geht dieses Talent an den Gymnasien unter. Auch sportliche, künstlerische und musikalische Begabungen ziehen sich durch alle Schularten. Oft sind in allen Bereichen die zukünftigen Real- und Gymnasialschüler leicht im Vorteil.
    Wenn man am dreigliedrigen Schulsystem festhalten möchte, muss man es sehr offen, mit vielen Möglichkeiten unterschiedlich weiterzumachen, ausstatten.
    Am Ende der Grundschule haben manche Kinder - vor allem Mädchen - gewisse Traumberufe, die allerdings noch in vielen Fällen unrealistisch sind. Auf einen Berufswunsch hin überzutreten, macht am Ende des 4. Schuljahrs nicht viel Sinn.
    In Bayern machen viele nach dem mittleren Schulabschluss weiter. Es gibt immer mehr Lehrer, die erst auf der Realschule waren und dann auf der FOS das Abitur gemacht haben.

    Ich hatte in der 4 Klasse eine Grundschullehrerin die mich gefragt hat welchen "handwerklichen Beruf" ich erlernen möchte und ich habe ihr ins Gesicht gesagt "Lehrer" :grimmig:


    Zudem kannte ich sehr viele die nach der 4 Klasse sofort aufs Gymnasium sind und dann ab der 8/9 Klasse wieder runter. Ich habs halt andersrum gemacht :)

  • @Berufsschule
    Das kommt vor. Wer nur irgendwelche Defizite, die im Vorschulalter auffallen in der Förderschule in Kleingruppen aufholen muss und normal begabt ist, der hat ganz normale Chancen wie andere auch, wenn er in der 3. Klasse an die Grundschule kommt. Solche Schüler, die ich hatte, sind nach der 4. Klasse hauptsächlich auf die Realschule gegangen, einer sogar aufs Gymnasium.


  • Ich habe oft zukünftige Gymnasiasten die super praktisch begabt sind. Die können es halt auf allen Gebieten. Leider geht dieses Talent an den Gymnasien unter. Auch sportliche, künstlerische und musikalische Begabungen ziehen sich durch alle Schularten.

    Das ist ein Grund für mich zu sagen, dass es nur noch GE geben sollte, damit alle Talente entsprechend gefördert werden! Würde es nicht die Ungerechtigkeit der sozialen Herkunft verringern? Und nicht zuletzt würde es unsere Bezahlung angleichen (müssen).

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