Hallo zusammen,
zunächst wenige Daten zu mir, damit ihr euch ein Bild machen könnt, damit ihr, die vom Fach seid, mir vielleicht weiter helfen könnt:
Ich bin unter 30 Jahre alt, studiere mit dem Ziel Lehramt für berufsbildende Schulen, stehe dabei kurz vor dem Bachelor und habe vor dem Studium eine Ausbildung + Fortbildung absolviert. Zudem arbeite ich für ein Handelsunternehmen als Nachhilfelehrer. Biete den Azubis individuelle Förderung für Prüfungen an (schriftlich, mündlich) und werde von der örtlichen Industrie und Handelskammer als Prüfer beansprucht. Außerdem erhalten die Azubis Frontalunterricht in üblicher Klassenstärke, ca. 20 Azubis, jede Woche um diese auf die Prüfung vorzubereiten. Lange Rede kurzer Sinn: Ich will unglaublich gerne Lehrer werden und das aus Leidenschaft.
Dazu gehört auch, dass man sich als Lehrender ein recht dickes Fell aneignen muss und Dinge nicht persönlich nehmen darf, egal wie sehr ein Azubi im Unterricht stört, ich gebe ihnen jeden Tag eine neue Chance und zeige ihnen, dass ich mich trotzdem freu sie zu sehen, auch wenn es DER(!) Störer ist, nehme diesen öfters mündlich dran und zeige ihm das ich es gut finde, wenn er sich am Unterricht beteiligt, anstatt dass er stört. Verschaffe ihm Erfolgserlebnisse, damit er auch nicht das Gefühl hat, dass ich auf ihm rumhacke. Ich habe eigentlich keine Probleme mit den Azubis so gesehen. Der Unterricht verläuft so wie ich es mir vorstelle und mein Arbeitgeber es von mir erwartet.
Zu meiner Person muss gesagt werden, dass ich jung bin und eigentlich eher der strengere Typ bin, da ich persönlich von solchen Lehrer in meiner Biographie am meisten profitieren konnte. Handys werden von mir nicht toleriert, bei Störungen signalisiere ich in wenigen Augenblicken, dass ich diese nicht zulasse und lasse mich auch erst recht nicht auf irgendwelche Diskussionen ein. Ich beziehe ganz klar Position! Das hört sich so an wie beim Militär, aber so ist es nicht. Ich lasse den Azubis viel Luft zwischendurch, merke dass es unruhig wird und gebe ihnen diese 2 Minuten zum Luft holen, werfe einen Anker und weiter geht´s. Ich habe den Anspruch an diese Azubis und ich will, dass sie wissen, dass sie diesen Anspruch auch an sich selber haben sollten!
Meine strenge Art bekommt so fast nie zum Vorschein, aber jeder der Azubis weiss, dass ich diese habe, bin sonst eher sehr sympathisch mit Witzen unterwegs, aber auch autoritär. Dabei dulde ich es eben nicht, wenn jemand penetrant aufs Handy schaut und meint ich wäre blind oder konstant mit dem Sitznachbarn quascht.
Jetzt mein Problem, ich hoffe ihr habt noch Lust weiter zu lesen:
Es gab vor 2 Monaten einen Vorfall in der Klasse: Klasse wurde unruhig. Also habe ich mein übliches Schema laufen lassen, da ich weiss, dass dies in den 90 Minuten, die wir dort zusammen verbringen, 1-2 mal passiert und habe ihnen somit die Luft gegeben mal kurz die Gedanken kreisen zu lassen. Nach 2 Minuten den Anker geworfen und weiter ging es.
Später kam die zweite, diesmal entscheidende Störung: Klasse wurde unruhig, also wieder Ihnen 2 Minuten Luft gegeben. Das Problem war, dass diesmal meine Person komplett ignoriert wurde. Ich habe betroffene Person angeschaut, ihr signalisiert, dass er sich nach vorne fokussieren soll. Mein Signal wurde erkannt und verstanden(!), nur um sich in der nächsten Sekunde wieder weg zu drehen und mit seinem Sitznachbarn weiter zu quatschen. Das selbe geschah in der selben Situation mit 2 anderen Azubis. Kurz: Ich habe die gesamte Kontrolle der Klasse verloren und meine üblichen Instrumente zeigten keine Wirkung.
Ich wurde laut, weil ich mich durch die Klassenstärke durchringen wollte und habe dabei Wörter verwendet, die nicht so schön waren: "Wollt ihr mich gerade verarschen...".
Nun, der Altersunterschied zwischen mir und den Azubis ist nicht sehr groß, ich duze diese und führe viele persönliche Gespräche mit ihnen, da ich viel mit ihnen zu tuen habe und sie auch beim einkaufen immer wieder treffe. Mir erschien die Wortwahl in diesem Moment als angemessen, als eine Sprache die verstanden wird.
Heute, 2 Monate später, plagt mich noch immer ein schlechtes Gewissen. Ich habe die Situation immer wieder und immer wieder reflektiert und bin immer wieder aufs neue unzufrieden mit mir. Dies war ein einmaliger "Vorfall" aus dem ich gelernt habe, dennoch lässt mich dieser Tag nicht ruhen.
Daher meine Frage an euch, kennt ihr das, wenn ja, wie geht ihr damit um. Man kann als Lehrender nicht immer alles richtig machen, das weiss ich auch, aber mir fehlt eine Linie um damit umzugehen. Wie macht ihr das? Geht ihr manchmal auch unzufrieden aus der Klasse heraus? könnt ihr das einfach ausblenden?