Eigenverantwortung von Schülern stärken -"Strafen" oder Entgegenkommen?

  • Ich finde nicht, dass wir uns im Kreis drehen.
    Lieber Auct, du scheinst doch sehr reflektiert zu handeln und das nötige Verständnis für deine Schüler zu zeigen, indem du gesprächsbereit bist und deine Entscheidungen begründest.


    Wenn die allgemeine Situation so belastend für dich ist, würde ich an deiner Stelle wirklich einmal auf der Metaebene mit der Klasse sprechen und Verantwortlichkeiten klar kommunizieren.

  • Referate finde ich immer bedenklich, vor allem in höheren Stufen.
    Da steht dann einer vorne, leiert irgendwas runter, was er aus Wikipedia abgeschrieben hat und kann damit noch den Karren aus dem Dreck ziehen.

    Naja,
    wenn ich Referate zulasse, kommt am Ende des Referats noch die Fragerunde, ob er wirklich kapiert hat, was er da eben runterleiern durfte. Und ja, die Fragen können dann inhaltlich auch recht hart werden. So hart, daß die anderen Schüler im Publikum keinen Bock auf Referate mehr haben, weil das dann echt schon Züge einer mündlichen Prüfung annimmt. ;)


    Nein, Nachgeben verstärkt dieses doofe, unreflektierte Verhalten - und sendet das Signal an alle Mitschüler, dass so ein Verhalten sich lohnt.

    Ich gebe auch nicht nach, ich erinnere nur wiederholt daran, daß sie freiwillig bei uns sind, so auch mal einem Schüler, der bereits volljährig war. Er wollte sich daraufhin abmelden, was mich als Klassenlehrer dazu veranlaßt hat, diesem Wunsch auch sofort nachzukommen. Ich bin also noch in der Stunde ins Sekretariat, habe das Abmeldeformular geholt und es dem Schüler auf den Tisch gelegt. Er hat es unterschrieben, woraufhin ich ihn noch aufgefordert habe die drei ausgeliehenen Bücher, die er eh dabei hatte, bei mir abzugeben und ansonsten habe ich ihm noch viel Erfolg für sein weiteres Leben gewünscht.


    Alle anderen Schüler in der Klasse hatten daraufhin eine Gänsehaut, das sich sowas wirklich vor ihren Augen abspielt und wie einfach sowas geht. 12 Minuten und die Sache war erledigt. Danach hatte ich keine Disziplinprobleme mehr. :pirat:

  • Ich finde Deine Einstellung hier sehr gut. Natürlich reflektiert man. Aber wenn man hinter der Note steht, liegt das Problem nicht an der Note. Es kann daran liegen, dass es Dir nicht gelungen ist, überzeugend zu kommunizieren, warum es DIESE Note ist und keine andere. Es kann daran liegen, dass die Schülerin es einfach nicht wahr haben / einsehen will. Es kann auch sein, dass die Schülerin eine bessere Note BRAUCHT (oder glaubt zu brauchen), um eine Stelle zu bekommen, von den Eltern einen Wunsch erfüllt, von den Eltern keinen Ärger etc.


    Ich würde mit der Schülerin unter vier Augen reden.
    "Wir haben ein Problem. Du bist mit der Note nicht einverstanden, ich habe mir die Note wirklich gut überlegt, ich kann Dir - auch aus Fairness den anderen gegenüber - keine andere Note geben. Wir sind bisher gut miteinander ausgekommen - schätzt Du mich jetzt plötzlich so ein, dass ich Dir aus Bösartigkeit eine schlechtere Note geben will, als Du verdienst? Ich werde / kann die Note nicht ändern - wie soll es weiter gehen? Willst Du nun jede Stunde durch Verweigerung zeigen, dass Du beleidigt bist (anderes Wort statt beleidigt ist wahrscheinlich besser)? Damit schadest Du nicht mir, sondern DIR (Unterrichtsbeitrag)." ... usw.

  • Jemand fragte noch nach "Schmerzen".


    Also darunter verstehe ich, dass ich selber keine Angebote zum Gespräch mache, d.h. den Sachverhalt einmal erkläre und den Schüler das Thema dann "mit sich selbst" ausmachen lasse.

    Nein, das empfinde ich nicht als günstiges Erziehungsverhalten.


    Wenn ein Dreijähriger das Abendessen verweigert, weil er keine Gummibärchen bekommt, gibt es mehrere Möglichkeiten:
    a) Ich gebe ihm die Gummibärchen, damit er friedlich ist. Das dürfte der Anfang vom Ende sein :D
    b) Ich schicke ihn ohne Essen ins Bett, ohne weitere Erklärung. Folge: noch mehr Frust und das Gefühl "ich bin ein böses Kind, ich muss mich entschuldigen und "brav" sein, damit die Mami mich wieder lieb hat".
    c) Ich sage: "Ich weiß, dass du Gummibärchen magst. Du bist enttäuscht, weil du keine bekommst. Gummibärchen gibt's aber nur nachmittags nach dem Kindergarten. Wenn du jetzt nichts isst, hast du Hunger. Schau mal, hier ist die lustige Gesichtswurst, magst du davon ein Brot?


    Das meine ich mit Gesicht wahren. "Schau mal, XY, du verbaut dir gerade deine Note. Die 5 steht, das habe ich schon erklärt und erkläre ich nicht noch mal. Auch wenn du dich darüber ärgerst, du weist, dass nur du deine Noten ändern kannst. Wenn du sie verbessern willst, musst du dich jetzt wieder öfter melden.


    Sie kann gerade nicht allein aus ihrer Trotzphase, warum auch immer ihr Verhalten die letzten 15 Jahre erfolgreich war. Jetzt kannst du ihr noch zeigen, was altersgerecht ist.

  • Naja,wenn sie jetzt seit 6 Doppelstunden gar nichts gesagt hat, könntest Du ihr auch in jeder Doppelstunde als Rückmeldung geben, daß diese Doppelstunde jetzt wieder eine 6 in der Sonstigen Mitarbeit bedeutet, eben weil sie nichts gesagt hat. Das würde sich dann auf die nächste SL Note auswirken und das sie es so entsprechend selber in der Hand hat, was an Noten kommt.

    Ich war jetzt ehrlich gesagt zu faul, alles zu lesen und hoffe daher, das hier ist nicht doppelt:


    Ich denke nicht, dass es hilft, wenn du mehr Druck aufbaust, indem du ihr immer wieder vor Augen hälst, dass sie schon wieder eine 6 in Mitarbeit bekommen hat.


    Es gibt nur zwei Lösungsmöglichkeiten meiner Meinung nach: Du ignorierst das Geschmolle und wartest, bis sie sich von selbst wieder fängt. Oder du versuchst ihr mal ins Gewissen zu reden. Ich hatte es letztens auch mal, dass eine Schülerin aus einer 12 das Schmollen anfing. "Nein, danke, jetzt brauchen Sie mir das auch nicht mehr erklären." Worauf hin ich sie nur fragt, inwiefern sie dieses Verhalten nun weiter bringt und ihr sagte, dass ich ihr es gerne später nochmal erkläre, wenn sie aufhört zu mauern und für die Erklärung aufnahmefähig ist. Seither hatte ich nie mehr Probleme mit dieser Schülerin. Manchmal hilft es eben, ganz klare und deutliche Worte zu finden.


    Um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, setze ich auf Transparenz! Die Schüler wissen genau, was von ihnen verlangt wird und kennen meine Bewertungskriterien. Gerne lese ich auch mal den jeweiligen Absatz aus der NVO vor bzw. lege ihnen die Deskriptoren auf, nach denen ich bewerte. So kommt es sehr sehr selten vor, dass sich mal ein Schüler beschwert.


    Was auch noch hilft, falls sie mal bei Klassenarbeiten reklamieren: Du nimmst die Klausur nochmal mit, findest noch ein paar Fehler und gehst dann einfach noch etwas mit der Note nach unten. Statt einer 2 dann eine 2- oder so. Beugt zukünftigen Beschwerden auch sehr gut vor. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Ist euch das auch schon passiert, dass sich Schüler aus Frust und Enttäuschung über Stunden nicht mehr beteiligen? Das ist doch nicht normal, oder?

    neee, so hab ich das zumindest nicht wahrgenommen.
    Nicht normal im Sinne von nicht altersgemäß : da stimme ich dir zu.
    Umso wichtiger ist es, dass du dich davon nicht manipulieren lässt. Wie bei einem Trotzkind :D

  • Hallo Auct,
    ich finde es super, dass du dir so viele Gedanken darum machst.


    Das erinnert mich an zwei Situationen:
    Mein Sohn hatte ebenfalls in diesem Alter große Schwierigkeiten mit manchem Lehrer (vor allem mit einer Lehrkraft, die als unerbittlich bekannt war), das bis zur Arbeitsverweigerung ging. Er fühlte sich von der Lehrkraft nicht verstanden, seine Arbeitsversuche nicht gewürdigt, ständig der Kritik ausgesetzt und somit persönlich abgelehnt. "Die kann mich nicht leiden", sagte er öfter. Ich bin überzeugt, hätte diese Lehrkraft mit meinem Sohn einmal vernünftig geredet, so wie du dir Gedanken machst, wäre es nicht so weit gekommen, denn letztendlich hätte mein Sohn das verstanden.
    Als Lehrerin in der Grundschule passiert es selten, aber schon immer mal wieder, dass Kinder wegen subjektiv empfundener schlechter Noten weinen, weil sie Angst vor zuhause haben. Wenn ich ihnen dann anbiete, die Eltern anzurufen und sie sozusagen vorzubereiten, nehmen das die Kinder erleichtert an. Außerdem rede ich mit ihnen darüber, dass dies eine Note unter vielen ist und die nächste wieder ganz anders aussehen kann. (Individuell je nach Kind, ich gebe ihnen sozusagen einen positiven Impuls.) Mit diesem Beispiel möchte ich sagen, dass man die Noten nicht ändern muss, aber den Schülern Hilfe anbieten und ein positives Zukunftsszenarium darlegen kann.

  • wenn sie jetzt seit 6 Doppelstunden gar nichts gesagt hat, könntest Du ihr auch in jeder Doppelstunde als Rückmeldung geben, daß diese Doppelstunde jetzt wieder eine 6 in der Sonstigen Mitarbeit bedeutet, eben weil sie nichts gesagt hat.

    Wenn die "Sonstige Mitarbeit" sich ausschließlich aus der mündlichen Mitarbeit zusammensetzt, könnte man das. Zum Glück tut es das nicht.

  • Mal eine - wie ich finde - wirklich bemerkenswerte Geschichte, die einer noch recht jungen Kollegin von mir passiert ist: Ebenfalls eine 11. Klasse, zwei Jungs tratschen ununterbrochen im Unterricht. Die Kollegin sagt einem der beiden Jungs, er soll ab sofort an einem anderen Platz sitzen, weil sie das ewige Tratschen stört. Der junge Mann findet, er sei doch gar nicht Schuld, sein Kumpel neben ihm hätte angefangen, etc. etc. Die Kollegin besteht darauf, dass er jetzt bitte seine Sachen packt und an einen anderen Platz umzieht. Der junge Mann wird daraufhin so wütend, dass er all seine Sachen mit der Hand vom Tisch fegt und auf den Boden wirft.


    Stille im Zimmer ...


    Die wirklich noch sehr junge Kollegin (zum fraglichen Zeitpunkt erst 24!) bittet den Schüler ruhig und höflich, er möge seine Sachen wieder vom Boden aufsammeln und dann an seinen neuen Platz tragen, damit der Unterricht weiter gehen kann. Hat er dann auch gemacht. In der nächsten Stunde kam er zu ihr und hat sich für den Vorfall entschuldigt.


    Fazit: Ein junger Mann von etwa 17 Jahren verhält sich wie ein 3jähriger. Soll man jetzt reagieren wie auf die Trotzreaktion eines Dreijährigen? Nein. Man soll ihn behandeln wie einen 17jährigen. Keine Vorwürfe, keine Nonsense-Diskussion darüber, warum er das jetzt gemacht hat, denn dass das dumm war, weiss er selbst. Man bleibt einfach ruhig und höflich und gibt ihm so die Chance sein Gesicht zu wahren. Ich fand die Reaktion der Kollegin wirklich beeindruckend und es zu 100 % aufgegangen.


    Was würde ich nun mit dem Mädchen tun, dass sich da aus Trotz nicht mehr melden will. Nun, wir haben als Lehrer sowieso eine Holschuld im Punkto Mitarbeit und der würde ich weiterhin nachkommen. Wie die Mitarbeitsnoten (ich mache eh keine ...) gebildet werden sollte transparent sein und dann fordert man das Mädchen eben, genau wie alle anderen, immer mal wieder dazu auf, eine Antwort auf eine Frage zu geben, Notizen vorzulesen oder was auch immer. Sie muss lernen, dass sie keine extra Wurst gebraten bekommt. Du hast mit ihr schon über die Note gesprochen, erklär ihr notfalls noch mal explizit das weitere Vorgehen und dann machst Du das so. Lass Dich nicht provozieren und auch nicht manipulieren. Es ist übrigens auch müssig darüber zu sinnieren, ob sie sich nun altersgerecht verhält. Du bist kein Psychologe, das kann Dir egal sein. Wundern und vielleicht auch drüber ärgern darf man sich natürlich als Privatperson, aber als Lehrer würde ich da sicher kein grosses Fass im Sinne von irgendwelchen Belehrungsgesprächen dafür aufmachen.


    Ach ... Ich hatte in der Tat schon einen ähnlichen Fall, also dass ein Mädchen die Mitarbeit im Unterricht aus Frust komplett verweigert hat. Ich hab's mit ihr genauso gemacht, wie oben beschrieben, nur dass es bei uns eben in der Regel sowieso keine Mitarbeitsnoten gibt. Irgendwann mal war ich mit der Klasse auf einer Exkursion, da konnte ich mich mit dem Mädchen ganz normal unterhalten. Das hat mich einigermassen erstaunt, dass sie tatsächlich auch in der Lage war, zwischen der Situation im Unterricht und dem Umgang mit mir als (fast) Privatperson zu differenzieren. Als (Fach-)Lehrer muss man das sowieso und umso wichtiger ist es, sich von solchen Trotzaktionen nicht beeindrucken zu lassen. Als ich die Klasse abgegeben habe, hab ich ihr auch noch mal ganz deutlich gesagt, dass die Noten, die ich ihr für ihre Leistung nun mal geben musste, selbstverständlich nichts darüber aussagen, was ich über sie als Person denke. Wir haben uns die Hand gegeben und voneinander verabschiedet und das war's.

  • Natürlich mache ich mir Notizen zur Mitarbeit. Sogar fast jede Stunde. Ich sagte ja schon, dass meine Trefferquote sehr gut ist. ;)
    - Eigentlich.


    Danke für die zahlreichen Tipps, ich weiß jetzt besser, wie ich damit umgehen werde.

  • Nun, wir haben als Lehrer sowieso eine Holschuld im Punkto Mitarbeit und der würde ich weiterhin nachkommen.

    Falsch! In der Sekundarstufe 1 haben wir noch die Holschuld, in Sekundarstufe 2 bzw. 2b (=berufsbildent) haben die Schüler die Bringschuld. Das erkläre ich allen Schülern auch gleich in der ersten Stunde nach den Sommerferien, was das bedeutet. Zumindest ist das in NRW so.

  • Was willst Du denn noch bewerten? Etwa eine gute Note dafür, daß die Schüler nicht ihre Mitschüler beklauen?


    Mappenführung, fachspezifische Kompetenzen (z.B. wie gut jemand mit einem Mikroskop umgehen kann), Arbeit in Partner- und Gruppenarbeiten, Tests, usw



    Was meinst du, warum es nicht "Mündliche Note" sondern "Sonstige Leistungen/Mitarbeit" heißt?


    Hier mal als Beispiel für das Fach Mathematik:




    Der Bewertungsbereich „Sonstige Leistungen“ erfasst die Qualität und Kontinuität der Beiträge, die die Schülerinnen und Schüler im Unterricht einbringen. Diese Beiträge sollen unterschiedliche mündliche und schriftliche Formen in enger Bindung an die Aufgabenstellung und das Anspruchsniveau der jeweiligen Unterrichtseinheit umfassen. Gemeinsam ist diesen Formen, dass sie in der Regel einen längeren, abgegrenzten, zusammenhängenden Unterrichtsbeitrag einer einzelnen Schülerin, eines einzelnen Schülers bzw. einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern darstellen.
    Zu „Sonstigen Leistungen“ zählen beispielsweise

    • Beiträge zum Unterrichtsgespräch in Form von Lösungsvorschlägen, das Aufzeigen von Zusammenhängen und Widersprüchen, Plausibilitätsbetrachtungen oder das Bewerten von Ergebnissen
    • kooperative Leistungen im Rahmen von Gruppenarbeit (Anstrengungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit)
    • im Unterricht eingeforderte Leistungsnachweise, z. B. vorgetragene Hausaufgaben oder Protokolle einer Einzel- oder Gruppenarbeitsphase, angemessene Führung eines Heftes oder eines Lerntagebuchs
    • kurze, schriftliche Überprüfungen.
    • Offizieller Beitrag

    genau das verstehe ich unter "mündliche Mitarbeitsleistungen"


    Hefterführung bewerte ich maximal in den unteren Klassen, in den oberen Klassen und besonders in der Sek.II mache ich das nicht mehr.

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