Unterrichtsstörungen

  • Ich bin auch so eine eher liebe Lehrerin, wenngleich ich mich in den knapp 3 Jahren Festanstellung schon etwas weiterentwickelt habe und inzwischen auch etwas tougher auftreten kann, wenn es nötig ist. Ich hoffe, dass du das auch lernen wirst, denn manchmal ist es sowohl für dich selbst, als auch für die Schüler angenehmer, wenn man mal gewisse Grundregeln tough durchsetzt, als wenn man nett daran erinnert, diese doch bitte einzuhalten.


    Für die momentane Situation und dich, wie ich dich eben als Lehrertyp einschätze, waren wie ich finde schon viele gute Ansätze dabei, nur würde ich manche eben etwas abwandeln, damit sie zu dir als netter Person passen.
    Sehr brauchbar finde ich z.B. den ersten, (bislang) 22 mal gelikten Beitrag von Krabappel. Wenn du das wörtlich so sagst, passt es überhaupt nicht zu dir, aber das Vorgehen finde ich gut: Besonders den Spin, dass du ja dem Wunsch der Schülerschaft selbst folgst und sie bei der eigenen Verhaltenskontrolle unterstützt, passt gut zu uns Schafen :teufel: Ich würde übrigens auch noch erläutern, was genau Einzelarbeit (als die erste Sozialform, die ihr nun gezielt einüben werdet) bedeutet: Einzelarbeit heißt, dass es keinen Grund gibt, mit dem Nachbarn zu sprechen. Wer Fragen hat, meldet sicht und du wirst ihm dann weiterhelfen. Das gilt auch für Plenumsphasen, also Unterrichtgespräche: Es redet immer genau eine Person: Du, oder der Schüler, den du drangenommen hast. Wer Fragen/Kommentare hat: Melden. Sobald du dir sicher bist, dass diese Einzelarbeit durchgängig funktioniert, wirst du mal eine Partnerarbeitsphase einbauen. Gibt es hierzu noch Fragen? Gut, dann beginnen wir jetzt mit ...


    Damit das jetzt funktioniert, ist es fundamental wichtig, dass du jetzt wirklich bei jeder Störung reagierst. Unverzüglich.
    Was das Problem angeht, dass du den Anfang der Unterrichtsstörungen nicht bemerkst (weil sie unter deiner Toleranzschwelle liegen, oder deine Konzentration gerade auf etwas völlig anderes gerichtet ist): Versuch natürlich immer mal einen Blick für die Klasse übrig zu haben, aber wenn du das noch nicht hinbekommst (mit steigender Unterrichtserfahrung wirst du da mehr Kapazitäten entwickeln): Sobald dir dann was auffällt, reagieren. Nicht denken "oh mist, da quatschen ja schon wieder 5 Leute! Aber ich bin mitten in einem wichtigen Satz, den muss ich jetzt noch eben zu Ende führen/ Aber Jannes liest ja gerade den Text, das müssen wir jetzt fertig machen. Und wer hat denn da jetzt angefangen, wen sollte ich ermahnen?" - Nein, du stellst deine Konzentration sofort auf die Unterrichtsstörung um, suchst dir eine Person raus, deren Lippen sich gerade in dem Moment bewegen, und unterbrichst Jannes, je nach Situation z.B. so:
    a) "Jannes, I'm really sorry to interrupt you, but Selma has obviously got a problem that she needs to share with the class; she's talking and I can't concentrate on you doing your job until her problem is solved. Selma, what's the problem?" "Niiiix." "Well, then stop talking now, please. Jannes is doing a great job here and I want to listen to him. So should you. Thank you. Jannes, can you please start again at the beginning of the paragraph?"
    b) "Selma. It's Jannes' turn. Please stop talking and listen to him."
    c) "Selma!"
    Damit unterbrichst du den Unterrichtsflow natürlich total. Normalerweise würde ich sagen, dass nonverbale Signale unter Weiterlaufen des Unterrichts zunächst zu bevorzugen sind, aber um überhaupt erstmal ein Problembewusstsein zu schaffen, finde ich das in deiner Situation sogar gut. Ggf. auch mal drauf hinweisen: "Ich habe dich jetzt 3x ermahnen müssen, Peter. Das kostet die gesamte Klasse jedes Mal Unterrichtszeit und zerstört jedes Mal die Konzentration aller anderen, die sich am Riemen reißen und sich an die Klassenregeln halten!"


    Wenn deine Schüler zu Diskussionen neigen (Selma: "Ich hab doch garnix gesahaagt." / Selma: "Boah, der Dorian redet die ganze Zeit und ich werd hier ermahnt!") würde ich auch darüber mal ein Meta-Gespräch mit der Klasse führen (ggf. proaktiv im Zuge des Metagesprächs von weiter oben zur Sozialformeinübung): "Ihr seid eine sehr unruhige Klasse. Häufig reden ganze Grüppchen. Ich werde euch das ab jetzt sehr deutlich spiegeln. Dabei ist es mir vollkommen egal, wer mit dem Gespräch angefangen hat, ob es darum geht sich ein Radiergummi zu leihen und wer am meisten redet. Wenn ich sehe, dass Leon redet, dann werde ich Leon ermahnen, und er braucht mir nicht ankommen mit "Ronja hat angefangen" oder "Lisa quatscht doch auch!". Das ändert nämlich rein gar nichts an der Tatsache, dass Leon in dem Moment, in dem ich zu ihm hingeschaut habe, gequatscht hat. Und dafür, dass Leon quatscht, ist einzig und allein eine Person verantwortlich: Nämlich du, Leon." - "Aber wenn einen einer was fragt, dann muss man doch antworten!" - "nein, das muss man nicht. Wenn Lisa Leon was fragt, kann er ihr nonverbal signalisieren, dass er nicht bereit ist jetzt ein Gespräch zu beginnen, sondern dass er dem Unterricht folgen will. Das erwarte ich von euch. Lasst ihr euch auf ein Gespräch ein, seid ihr selbst für die Unterrichtsstörung durch euch verantwortlich. Und daher lasse ich mich auf keinerlei Diskussion ein und verbitte mir weitere Unterrichtsstörungen durch unnütze Diskussionsversuche. Verstanden?"


    Und wenn absehbar ist, dass einzelne (mehrere) Schüler sich auch bei dem Vorgehen, erstmal nur Einzelarbeit/Stillarbeit zu machen, nicht werden am Riemen reißen können, könntest du auch direkt noch ein System zum Umgang mit aufkommenden Störungen einführen: Störende Schüler erhalten eine Ermahnung als Warnschuss, bei der zweiten Ermahnung (oder meinetwegen dritten) bekommen sie einen Zettel mit nach Hause, auf welchem steht, dass Schüler xyz den Unterricht mehrfach gestört hat und die Eltern ihre Kenntnisnahme per Unterschrift belegen müssen. Du sammelst diese zu Beginn der nächsten Stunde wieder ein. Wer den fünften Zettel erhalten hat, muss (z.B.) ein Kurzreferat zu einem von dir gestellten, an den Unterricht angebundenen Thema halten, um gegenüber der Klasse die durch ihn verlorene Lerngelegenheit wieder gutzumachen. Wenn die sich gerne vor die Klasse stellen und was referieren/ da eine Show draus machen, müssen sie halt einen Text von mindestens 250 Wörtern mit Hintergrundinformationen zu einem an den Unterricht angebundenen Thema verfassen, den du dann korrigierst, bewertest und bei guter Qualität an die Klasse austeilst oder so. Dazu musst du dann immer (!) entsprechende Zettel (vllt. als Warnfarbe auf rotes Papier gedruckt) dabei und vor dir auf dem Tisch liegen haben, auf denen du nur noch den Namen des Schülers und das Datum eintragen musst, und ggf. ankreuzt, ob "einfach nur" der Unterricht gestört wurde, oder ob der Unterricht gestört wurde und der Schüler aufgrund der wiederholten Vorfälle zur nächsten Stunde eine Arbeit zum Thema (Lücke) einreichen muss.
    Liste anlegen, wer wie viele dieser roten Zettel bekommen hat und bei x roten Zetteln eben den unteren Teil mit ausfüllen. Wenn es so schlimm ist wie von dir geschildert, hast du so auch direkt ein neues Ritual zu Stundenbeginn ;) .


    Noch ein Gedanke: Du sprichst mehrfach selbst deine eher gebückte Körperhaltung an. Die ist natürlich wirklich nicht ideal. Es ist aber auch echt schwer, daran zu arbeiten, weil du dich natürlich 28 Jahre lang daran gewöhnt hast, so zu stehen. Du nimmst es also selbst erstmal garnicht wahr. Wie wäre es, wenn du dir irgendwas unauffälliges in dein Mäppchen legst (nen Würfel, ein rotes Radiergummi, ...), das als Erinnerungsstütze dient: Wenn du es anschaust, soll es dich an eine aufrechte Körperhaltung erinnern. Das legst du dann neben dein Mäppchen aufs Pult und immer wenn dein Blick drauf fällt, richtest du dich auf (fest auf zwei Beinen stehen, Rücken gerade, Schultern nach hinten, Kopf hoch). Vllt. habitualisierst du das dann mit der Zeit.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

    Einmal editiert, zuletzt von Midnatsol ()

  • Also meiner Meinung nach ist es am sinnvollsten, durch Ruhe für Ruhe zu sorgen.


    Will sagen:


    Wenn es (zu) laut ist, schenke ich der Klasse ganz bewusst Aufmerksamkeit, indem ich entweder noch hinter dem Pult, oder ggf. auch durch Aufstehen (mit verschränkten Armen) Stille signalisiere. Das dauert mal länger, mal geht es relativ schnell. Situations- und Tagesform abhängig.
    Was weniger bringt ist ständiges Ermahnen oder gar "schreien". ;)


    Das heißt, ich zeige Präsenz einfach nur dadurch, dass ich still beobachte. Gucke einfach nur die (quatschenden) Schüler an oder lasse meinen Blick über die Klasse gleiten und zwar so lange, bis sie merken: "Huch, irgendwas ist gerade falsch."
    Wenn es dann wieder leiser ist, nicke ich oder lobe ich. Genauso mache ich es hin und wieder, wenn die Klasse von sich aus ruhig arbeitet. Dann aber nur positiv und wertschätzend, also in dem Sinne, dass ich sage: "Ihr arbeitet heute sehr gut/leise. So ist es genau richtig."


    Das funktioniert gut, allerdings habe ich auch festgestellt, dass es ruhigere und lautere Klassen gibt.


    Einzelarbeit verstehen die meisten als leise Partnerarbeit. Wenn das so ist, dann ist das auch (erstmal) gut und ich versuche Pö a Pö die Schüler zu wirklicher EInzelarbeit zu begleiten. "Heute möchte ich auch kein Flüstern hören."
    Ich erkläre ihnen auch häufig, warum sie die Aufgaben alleine machen sollen.


    Gerade bei ethischen Themen (z.B. Sinnfragen, Philosophie) ist es aber auch teilweise notwendig, dass sie miteinander sprechen dürfen, weil sie entwicklungsmäßig noch nicht so weit sind, das alleine zu entscheiden. (Peer-Group usw.)


    Dann bietet sich an, nach einer Phase des (leisen!) Austausches, in einer anderen Sitzform zusammen zu kommen, Beispielsweise Kreis, um die Ergebnisse der einzelnen entsprechend zu würdigen. Das kann sogar soweit gehen, dass es einen Redestab gibt oder ähnliches. (Hat in einer sehr quirrligen 5. Klasse schon mal ganz gut funktioniert.)


    Last but not least ist mir wichtig, gleich zu Anfang eine ruhige Situation herzustellen. Bei manchen dauert das länger, bei manchen geht das recht unproblematisch.
    Ich erinnere die Schüler also gerade zu Beginn des Unterrichts immer wieder daran, dass sie jetzt bei mir im Unterricht sind und wie ich es gerne hätte. Auch das funktioniert.


    Ansonsten kann ich grundsätzlich auf die tollen Studien von Jacob Kounin verweisen. Unterricht steht und fällt mit der Lehrerperson. Und keine Bange, ich war auch mal so ein Schaf, aber wenn man weiß, was man will, dann braucht man eigentlich nur noch ein paar erlernbare Tools und dann klappt das schon.
    Meistens.
    Alles andere ist eben "die Praxis".


    Viel Erfolg!

    • Offizieller Beitrag

    Haltung: Ein/e guter Physiotherapeut/in und ein paar Übungen, die man ein halbes/Jahr diszipliniert machen muss, können da nachhaltig helfen. Auch deine Halswirbelsäule wird es dir eines Tages danken!

  • Würde ich mir überlegen. Die Klassenlehrerin sollte m.E. lieber der Klasse vermitteln, dass sie keine Beschwerden von dir über die Klasse hören will und dass sie erwartet, dass sich die Gruppe am Riemen reißt. Hilfreiches Motto: die Lehrer halten hier zusammen. Ungünstiges Motto: Seid mal bitte nett zu Frau Dafina, die kann das noch nicht so gut. Ganz ganz schlechtes Motto: Jetzt sagt mal Frau Davina, was ihr euch von ihr wünscht.
    Also derlei "Vermittlungsgespräche" würde ich nur führen, wenn ich mir der Unterstützung der Klassenleitung 100% sicher sein kann.


    Und noch mal: es ist normal, dass man sich am Anfang auf den Unterricht konzentriert und dabei die Klasse aus dem Blick verliert. Daher würde ich am Anfang die Methoden so wählen, dass meine Konzentration für die Klasse reicht. Dann wird der Text halt nicht vor- sondern leise gelesen. Oder du hörst nicht dem Vorlesenden zu, sondern achtest auf die Dazwischenquassler. Reicht ja ein: Danke, Günther, Sabine liest jetzt weiter. Und wenn dann wieder einer anfängt zu reden, haust du mit der flachen Hand auf den Tisch und unterbrichst die Leserei demonstrativ. Oder, sanfter, sagst dass manche gerade nicht zuhören können und deswegen jetzt still jeder für sich liest...


    Da muss ich mal und durchaus gerne @Krabappel zustimmen.


    Ich musste als Referendar so ein "Vermittlungsgespräch" führen. Es ging um eine Lapalie. Ich hatte in Klasse X gesagt, dass sie diesmal besser im Test abgeschnitten hatten als Klasse Y, die sonst meistens leistungsstärker waren. Heraus kam, ich hätte Klasse Y "total schlecht" gemacht und die Klassenlehrerin "vermittelte" ein Gespräch, in dem ich mich rechtfertigen musste und natürlich kam zu jeder Antwort von mir ein Aber aus einer anderen Ecke. Ich fand das sehr entwürdigend.


    (Nein, Autorität hatte ich damals keine bei den Schülern. Aber gerade deshalb meine ich, man kann das alles lernen!)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • @Dafina,


    ich finde es auch alles "normal", was du da über dich geschrieben hast, also dass du dich nicht auf die Klasse konzentrieren kannst, wenn du gerade die Antwort eines Schülers hörst usw. Das ging mir genauso. Am Anfang habe ich nicht mal die Antwort richtig wahrnehmen können und einfach nur "Hm-hm" gesagt, also genickt sozusagen, weil ich schon krampfhaft schaute, was ich als Nächstes machen wollte/sollte.


    Dieses notwendige "Multitasking" (?) kommt mit der Zeit, wenn du sicherer wirst, vieles verinnerlicht und automatisiert hast und bestimmte Themen und Abläufe "sitzen", weil du sie schon x-mal (gemacht) hattest.


    Bei Sanktionen finde ich zweierlei wichtig:


    1. Konsequenz. Keine unmenschliche Härte, aber Konsequenz! Die (womöglich sogar verabredete) Regel sagt quasi, dass jemanden eine bestimmte Sanktion für ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten trifft, "nicht du". Das unerwünschte Verhalten darf nicht erfolgreich sein.


    2. Positive Rückmeldungen, also loben, loben, loben für alles, was gelungen ist, also unbedingt auch positive "Folgen" überlegen für die Schüler, die sich an die Regeln gehalten haben bzw. ggf. auch die ganze Klasse, wenn es geklappt hat.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • ...
    Wenn deine Schüler zu Diskussionen neigen (Selma: "Ich hab doch garnix gesahaagt." / Selma: "Boah, der Dorian redet die ganze Zeit und ich werd hier ermahnt!") würde ich auch darüber mal ein Meta-Gespräch mit der Klasse führen (ggf. proaktiv im Zuge des Metagesprächs von weiter oben zur Sozialformeinübung): "Ihr seid eine sehr unruhige Klasse. Häufig reden ganze Grüppchen. Ich werde euch das ab jetzt sehr deutlich spiegeln. Dabei ist es mir vollkommen egal, wer mit dem Gespräch angefangen hat, ob es darum geht sich ein Radiergummi zu leihen und wer am meisten redet. Wenn ich sehe, dass Leon redet, dann werde ich Leon ermahnen, und er braucht mir nicht ankommen mit "Ronja hat angefangen" oder "Lisa quatscht doch auch!". Das ändert nämlich rein gar nichts an der Tatsache, dass Leon in dem Moment, in dem ich zu ihm hingeschaut habe, gequatscht hat. Und dafür, dass Leon quatscht, ist einzig und allein eine Person verantwortlich: Nämlich du, Leon." - "Aber wenn einen einer was fragt, dann muss man doch antworten!" - "nein, das muss man nicht. Wenn Lisa Leon was fragt, kann er ihr nonverbal signalisieren, dass er nicht bereit ist jetzt ein Gespräch zu beginnen, sondern dass er dem Unterricht folgen will. Das erwarte ich von euch. Lasst ihr euch auf ein Gespräch ein, seid ihr selbst für die Unterrichtsstörung durch euch verantwortlich. Und daher lasse ich mich auf keinerlei Diskussion ein und verbitte mir weitere Unterrichtsstörungen durch unnütze Diskussionsversuche. Verstanden?"

    Danke dafür, ich bin solche Diskussionen sowas von leid, dass ich gar nicht mehr die Geduld habe, zu erklären, wie sich normale Leute Verhalten.
    (Es ist mir auch ein Rätsel, wenn ich früher vor die Tür geflogen bin -was selten vor kam- wusste ich warum. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, zu erzählen, dass Hinz oder Kunz auch irgendwas gemacht haben...)


    Es ärgert mich und ich hab da null Toleranz, sprich Diskussionsbedarf. Vor allem, weil sie auch bei wirklich schweren Verstößen (Körperverletzung) nicht einsehen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Aber wenn ich dann die Eltern höre, wird es klar: Natürlich muss er ein Messer mit in die Schule nehmen, er soll sich doch wehren können!


    Daher Danke, ich werde es mal wieder öfter mit erklären versuchen, für die Kinder ist es ja immer wieder neu, nur für mich wiederholt es sich bis zum Erbrechen :sterne:


    So, ich hoffe, das war nicht zu off topic.

  • Schließlich habe ich dann die Zulassung zur zweiten Staatsexamensprüfung nicht bekommen und durfte dann endlich sowohl Seminar als auch Schule wechseln.
    Jetzt ist eigentlich alles gut: Ich habe den ersten Teil meiner Probezeit mit 3 von 5 Punkten bestanden und meine Schüler sind pflegeleicht und motiviert (klassisches Gymnasium mit gutem Einzugsgebiet). Dennoch mache ich mir riesige Sorgen: einige Eltern haben sich mehrfach über die Lautstärke in meiner Klasse beschwert und ich bin mir sicher, dass dies auch zu meiner Schulleitung durchgedrungen ist.



    Nach den Gesprächen fühle ich mich ehrlich gesagt noch armseliger und kleiner als zuvor zumal wir pflegeleichte Schüler haben, die bei anderen Lehrern folgsame Schafe sind.


    Hallo Dafina,


    ich finde es toll, dass du trotz Nichtzulassung zur Prüfung nochmal woanders anfangen konntest, bei uns wäre man dann endgültig draußen.


    Sind drei von fünf Punkte in der Schulleiterbeurteilung wirklich gut? Ich kenne das Punktesystem nicht, aber hier gilt alles, was schlechter als 2.0 ist, bereits als bedenklich.


    Meiner bescheidenen Erfahrung nach, die wesentlich kleiner ist als die deinige, läuft so gut wie alles über die Beziehungsebene. Was hat man mich zu Beginn des Referendariats dazu genötigt, disziplinarische Maßnahmen (Strafarbeiten, Nachsitzen, gelbe Karten etc.) zu verhängen, um Ruhe herzustellen. Das hat mir nicht geholfen, zumal das nicht meiner Art entspricht. Bei mir läuft alles über die möglichst direkte und unverbaute Interaktion. Verbaut ist sie im Referendariat oft allein schon dadurch, weil man durchgeplanten Unterricht nach Stechuhr ableisten muss und das bereits 100% der Aufmerksamkeit einfordert - da bleibt kaum Raum für andere Dinge.


    Kurzum: Authentisches Auftreten und personenbezogene Interaktion sind bei mir die Rezepte, um in Klassen akzeptiert zu werden und geregelten Unterricht durchführen zu können. Ich halte überhaupt nichts von disziplinarischen Maßnahmen, die mir dann wiederum organisatorisch Zeit und Nerven kosten. Du musst deinen Stoff halt sicher beherrschen und dann die Ressourcen haben, wie auch schon mehrfach hier gesagt wurde, den Blick ständig schweifen zu lassen und doch fokussiert zu bleiben. Allgegenwärtigkeit eben. Bevor noch ein Schüler ein Gespräch mit dem Sitznachbarn beginnt, muss er schon deinen kontrollierenden Blick wahrnehmen. Ist brutal schwer, aber da muss man hin.


    Das wissen natürlich alle erfahrenen Lehrpersonen und es gibt sicherlich etliche in deinem Kollegium, die deine Situation genießen. In solchen Schulen, wo jeder für sich alleine herumwurstelt, herrscht ja meist ein hoher interkollegialer Konkurrenzdruck und von daher wäre ich auch vorsichtig mit den vermutlich geschönten Berichten darüber, wie es bei anderen angeblich vorzüglich läuft. Wirst du zu kollegialen Hospitationen eingeladen? Wie reagiert man auf diesbezügliche Anfragen deinerseits?


    Alles Gute weiterhin!
    Sorgen mache ich mir um dich keine, weil du ganz offensichtlich schon ganz andere Sachen durchgestanden hast.


    der Buntflieger

  • ... es gibt sicherlich etliche in deinem Kollegium, die deine Situation genießen...

    Wie kommst du denn darauf? Vielleicht schließt du von dir auf andere? Die Menschen, die ich kenne, sind nicht schadenfroh. Viele sind mehr mit sich beschäftigt, als mit dem Rest der Welt, aber dass jemand genießt, dass es einem anderen schlecht geht, ist kein normales Verhalten. Auch unter Lehrern nicht, die du vielleicht für eine einheitliche Spezies hältst :weissnicht:

  • Daher Danke, ich werde es mal wieder öfter mit erklären versuchen, für die Kinder ist es ja immer wieder neu, nur für mich wiederholt es sich bis zum Erbrechen :sterne:


    So, ich hoffe, das war nicht zu off topic.

    Das war unser Berufsalltag in einem Reagenzglas. :P

  • zum beziehungsaufbau gehört vor allem auch zuverlässigkeit von deiner seite. wer immer nur redet, und das alleine wird das abweichende verhalten in 99% der fälle nicht abstellen, und dann nicht konsequent auch handelt ("sich durchsetzen") bei weiteren verstößen, der wird von kindern und jugendlichen als unzuverlässig, unsicher und eben gerade nicht authentisch wahrgenommen, bestenfalls als authentisch unfähig.


    du bist der zaun, an dem das rind sich reibt, entwicklungsbeding. die sind in der pubertät, da ist das halt so. das hat nichts mit dir zu tun. ein guter zaun ist ein zaun und fällt nicht um, auch nicht bei druck der klasse oder einzelner schüler.


    nimm sie an, sei konsequent nett und freundlich, sanktioniere abweichendes verhalten sofort und immer. das wird schon. es dauert, aber es wird. "strafen" in form logischer konsequenzen sind sinnvoll und sehr wichtig und auch sehr pädagogisch. wichtig ist, dass du transparent agierst, immer annehmend-freundlich bleibst, und sicher bist, mit dem, was du da tust. zudem musst du die gewählte strategie länger als nur ein paar monate durchhalten, verhalten löscht sich nicht von heute auf morgen. und das classroom-management ist natürlich im sinne der prävention mindestens ebenso wichtig. dazu gehört auch deine gefühlte allgegenwärtigkeit, siehe buntfliegers post. dahin kommen die allermeisten zu anfang ihrer berufslaufbahn eher nicht, weil sie eben noch mit tausend anderen dingen simultan kämpfen, siehe deine schilderung zum unterrichtsgespräch. das ist bis zu einem gewissen grad normal, unterrichten muss man lernen, es handelt sich um handlungsroutinen, die du halt noch nicht hast. insofern ist "allgegenwärtigkeit" dein ziel am fernen horizont, aber nicht geeignet, um dir aktuell mit dem problem im klassenzimmer weiterzuhelfen.


    ideen: der trainingsraum, falls ihr sowas habt, sozialdienst beim hausmeister nach schriftlicher elterneinladung ("dein verhalten hat den anderen lernzeit geklaut. du erhältst hiermit gelegenheit, das am x.y.2018 durch sozialdienst beim herrn hausmeister xy wieder gut zu machen."), früharbeit oder nacharbeit, wenn in der stunde arbeit verweigert/unzureichend erledigt wird, ein kleiner comic über die stunde, der ruhig auch gezeigt und gelobt werden darf, wenn er wirklich gut ist, ein gedicht über die stunde... denk dir was aus. diese dinge eröffnest du den betreffenden immer nach der stunde, nie währenddessen. das kind muss immer die chance haben, sein gesicht vor der gruppe zu wahren. das hier ist kein machtkampf, sondern nur dein freundlicher, aber bestimmter hinweis auf den zaun. der magische satz: "xy, du kommst bitte nach der stunde zu mir.", besser leise und im vorbeigehen zum betreffenden, statt laut im plenum.


    konkret am beispiel:
    keine diskussion ("aber der paul hat auch geredet! das ist so unfair! bloß, weil sie mich nicht mögen! sie mobben mich!" blablalamimimimi), keine "anwälte" ("der max hat echt gerade nicht geredet! ich hab nichts gehört!"). einfach nur "okay, du findest das also unfair. das ist okay, ändert aber nichts daran, dass ich dich gerade erwischt habe, und du daher nach der stunde bitte kurz zu mir kommst." oder "es geht hier um dein verhalten, nicht um das von paul. komm bitte nach der stunde kurz zu mir." oder zum anwalt: "ich rede gerade mit max."
    wenn es vom typ her passt, ist es auch nicht verkehrt, einfach selber mit einem doofen spruch zu kontern ("selber unfair. ich finde es unfair, wenn du durch gequassel meinen unterricht und deine mitschüler beim lernen stößt. komm, lies gleich mal weiter/hol uns neue kreide/putz die tafel/stell deine ergebnisse zu aufgabe 3 vor...") "ja, das leben ist hart und ungerecht. ich seh dich nach der stunde kurz bei mir." oder auch einfach nur "mimimimimi" :).

  • was mir grad noch einfällt: wenn die diskutierer sehr hartnäckig sind und du noch sehr unsicher bist: wiederhole einfach immer wieder, was du gerade schon gesagt hast ("du findest das also unfair. ist okay. ich seh dich trotzdem nach der stunde kurz bei mir, weil du gerade geredet hast."). und wieder. und wieder. freundlich und bestimmt. und nochmal. und nochmal. nochmal. streiten mit automaten ist ziemlich langweilig, selbst für krawall-teenager. du regst dich gar nicht auf, du gehst auf die "argumente" nicht ein. du bist nur freundlich und zuverlässig. "komm bitte nach der stunde kurz zu mir."


    für den buntflieger und eigentlich nicht offtopic: du beklagst dich in deinem letzten post, dass man dir im ref keinen raum für beziehungsarbeit lasse, weil du gezwungen seist, "unterricht nach stechuhr zu machen und rätst ganz richtig zum ziel "allgegenwärtigkeit", was ein effekt gekonnten classroom-managements ist. meine meinung: genau wie dieser tipp der threaderstellerin wenig hilft, schlicht, weil sie aktuell das mit dem classroom-management noch nicht kann, weil sie noch mit dem rest-unterricht, z.b. unterrichtsgespräch differenziert weiterführen und gleichzeitg sichern an der tafel, mehr aus ausreichend beschäftigt ist und keine ressourcen für störungsprävention übrig hat, genauso wenig hilft es dir, dir einzureden, deine probleme kämen daher, dass du keine beziehungsarbeit machen kannst, weil man dich in stechuhr-unterricht zwingt. du kannst das mit dem unterricht einfach noch nicht routiniert genug (was keine schande ist, du bist im ref, um das zu lernen), weshalb du meinst, das eine schließe das andere aus. das gegenteil ist der fall. gekonnter unterricht folgt dem geplanten verlauf (wenigstens meistens) und bietet trotzdem gleichzeitig gute beziehungsarbeit. das ist eine sehr anspruchsvolle multi-tasking-aufgabe, die in der praxis nur durch ausführliches üben zu lernen ist. das ref ist nur ein erster anfang. man braucht etwa sieben jahre, um ein routinierter lehrer zu werden.


  • genauso wenig hilft es dir, dir einzureden, deine probleme kämen daher, dass du keine beziehungsarbeit machen kannst, weil man dich in stechuhr-unterricht zwingt. du kannst das mit dem unterricht einfach noch nicht routiniert genug (was keine schande ist, du bist im ref, um das zu lernen), weshalb du meinst, das eine schließe das andere aus. das gegenteil ist der fall. gekonnter unterricht folgt dem geplanten verlauf (wenigstens meistens) und bietet trotzdem gleichzeitig gute beziehungsarbeit. das ist eine sehr anspruchsvolle multi-tasking-aufgabe, die in der praxis nur durch ausführliches üben zu lernen ist. das ref ist nur ein erster anfang. man braucht etwa sieben jahre, um ein routinierter lehrer zu werden.


    Hallo keckks,


    ich bezweifle nicht, dass man Jahre benötigt, um im Lehrerjob eine echte Routine zu entwickeln. Aber ich habe keine nennenswerten Disziplinprobleme. Die hatte ich nur zu Beginn, weil ich mich zu sehr an die Vorgaben und gut gemeinten Ratschläge angepasst habe. Die Folge war, dass ich nicht mehr authentisch wirkte. Als ich das abstellte, kam ich auch mit den SuS wieder klar. Dies nur zur Klarstellung, falls das falsch rüber kam.


    der Buntflieger

  • Hallo keckks,


    ich bezweifle nicht, dass man Jahre benötigt, um im Lehrerjob eine echte Routine zu entwickeln. Aber ich habe keine nennenswerten Disziplinprobleme. Die hatte ich nur zu Beginn, weil ich mich zu sehr an die Vorgaben und gut gemeinten Ratschläge angepasst habe. Die Folge war, dass ich nicht mehr authentisch wirkte. Als ich das abstellte, kam ich auch mit den SuS wieder klar. Dies nur zur Klarstellung, falls das falsch rüber kam.


    der Buntflieger


    Magst du Einzelheiten nennen, @Buntflieger, welche gut gemeinten Ratschläge und Vorgaben nicht halfen und was du stattdessen tatest, als du es abstelltest?


    (Es interessiert mich einfach, es ist keine "Fangfrage", ich weiß, dass ich mich selbst oft mit Einzelheiten zurückhalte.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Was @Buntflieger da erwähnt, stimmt durchaus.
    SuS merken sofort, wenn irgendwas nur "aufgesetzt" ist, und darauf stürzen sie sich wie Geier. Authenzität hingegen wird angenommen, egal "wie" du eigentlich bist. Hauptsache "echt", damit die SuS sich auf irgendetwas einstellen können. Haben die den Eindruck, du würfelst jeden tag deine Laune oder Marotten aus, nehmen die weder dich noch den Unterricht ernst.


    Von daher... es waren schon eine Menge gute Tipps hier drin, die du aber immer auch ein wenig an dich anpassen musst, @Dafina. Klar, an deiner Körperhaltung kannst (und solltest) du arbeiten, aber nicht wirklich an "dir". Du kannst kein Abziehbild eines Vorbilds sein. Sicher, Anregungen und Ideen holen und ausprobieren, das geht. Aber bleib und sei DU.


    Dann klappts auch mit den SuS.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Vermutlich reagierst du nicht oder nicht angemessen auf Unterrichtsstörungen und dementsprechend nicht konsequent genug.



    --


    Warum du das Coaching als "verdonnert" betrachtest, ist mir schleierhaft. Offensichtlich benötigst du Hilfe - hier bekommst du sie. Dann nutze es auch und gehe nicht gleich mit einer negativen Grundeinstellung daran.

  • wiederhole einfach immer wieder, was du gerade schon gesagt hast ("du findest das also unfair. ist okay. ich seh dich trotzdem nach der stunde kurz bei mir, weil du gerade geredet hast."). und wieder. und wieder. freundlich und bestimmt. und nochmal. und nochmal. nochmal.


    Wenn man sich richtig zum Affen machen will, kann man das machen. Sonst sollte man das tunlichst sein lassen. Derartige Aufforderungen wiederhole ich einmal, und dann gehe ich weiter nicht darauf ein. Erscheint der Schüler nicht, eskaliere ich die Konsequenzen entsprechend.

  • Na, wenn du meinst. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn du nicht deine Erfahrungen generalisiert. Freilich muss man ein Gespür dafür haben, wann man was macht, aber in der klassischen Angstsituation vieler unsicherer Anfänger (ich sag dem pubertierenden Schüler, er soll sich wegsetzen, und der macht nicht, sondern diskutiert stundenlang!) funktioniert das oft. Sogar auch, wenn der Kerl lachen muss, auch schon gesehen. Dann musste der Refi nämlich auch lachen, und die Spannung war weg.


    Oder noch anders: Sich selbst und überhaupt die ganze Veranstaltung nicht allzu ernst zu nehmen (sich zum Affen machen), kann recht hilfreich sein. Lachen und Humor und so. Nein, das ist nicht der Gegensatz zu Disziplin und Autorität, eher ein sehr bewährter Baustein auf dem Weg dorthin.

  • Doch, in diesem Fall schon. Eine Aufforderung x-Mal zu wiederholen, wie du schilderst, ist definitiv der sicherste Weg sich Affen zu machen.

    ...wenn das jemand ernst meint ja.
    Wenn das aber jemand als "Stilmittel" verwendet, um Schülern klarzumachen "du kannst dich hier jetzt auf den Kopf stellen, Spagat machen und auf Kisuaheli jodeln, das ändert nichts", ist das durchaus okay.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Karl, vor was hast du Angst? Unterrichten ist was Schönes, echt. Und ja, es gibt sehr verschiedene Wege nach Rom. Nur weil du dir eine Taktik für dich nicht vorstellen kannst, kann dieselbe Maßnahme für unsichere Refis recht griffig und ein guter Notnagel sein. Erfahrungswerte sind vorhanden.

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