Moin, moin aus dem Norden

  • Vorweg - ich bin KEIN Lehrer, hoffe, aber, dass ich am Austausch teilhaben darf.


    Warum habe ich mich hier angemeldet? Ich bin Erzieher und mehr als 5,5 Jahren als Schulbegleitung/ Integrationsassistent in der Grundschule unterwegs.


    Angemeldet habe ich mich, um Infos über die - aus meiner Sicht - zunehmenden Agressivitäten der Kinder auszutauschen.


    Freue mich auf unterhaltsame Gespräche und Infos.

  • Zunehmende Aggressivität, findest du das?


    Ich finde nicht, dass die Schüler aggressiver sind, als vor 10 oder 20 Jahren....vereinzelte aggressive Kinder gibt es schon, gab es aber auch schon länger.
    Sie sind vermehrt kleine Prinzessinnen und Prinzen, aber sonst....

  • ...sowas mag auch am Einzugsgebiet liegen. Und auch zu meinen, man wäre Prinz(essin) kann als "aggressiv" gewertet werden, denn wenn die ihren Willen nicht bekommen... ist vielleicht oft in der Schule der erste Kontakt mit der Realität?


    schau dich mal um, ich mag Wölfe...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Hallo Wolf


    erstmal Willkommen :)


    Mit angressiv ist mehr das Verhalten in Konflikten gemeint. Schnell wird getreten, geschlagen, geschubst.

    also "meinen" Kinder fehlen da oft noch die Worte oder Handlungsalternativen um Konflikte anders zu lösen. Ist bei uns ein Lernfeld. Immer wieder Alternativen aufzeigen, dazwischen gehen und es auch mal den Kindern überlassen.

  • Wir sprechen viel mit den Kindern. Inzwischen so viel, dass sogar Zeit vom eigentlichen Unterricht genutzt werden muss.


    Fehlene Worte oder Handlungsalternativen werden ebenfalls aufgezeigt. Wegen banalen Dingen "Der guckt mich an", gibt es Streit, die sich dann auch schon zu kleineren Prügeleien hochgeschaukelt haben.


  • Wegen banalen Dingen "Der guckt mich an", gibt es Streit, die sich dann auch schon zu kleineren Prügeleien hochgeschaukelt haben.

    da habe ich vor allem einen bei dem das extrem ist. Den setze ich dann einfach wortlos für 3min (mit Sanduhr) in die Garderobe. Also bei dem Kind funktioniert das ganz gut, er ist viel ruhiger geworden Mittlerweile sag ich nix mehr gross, sondern drück ihm einfach die Sanduhr in die Hand. Wir brauchen sie immer weniger.

  • es ist doch selten nur einer, bei mir auch nicht.


    Wie reagiert ihr darauf?


    Ich hab jetzt in meinem 2. Berufsjahr ein paar Strategien. Und alles diskutiere ich nicht mehr aus. Wenn 2 sich in der Pause streiten, müssen sie in die Garderobe, da ist es mir egal, wer egal angefangen. Es gehören mindestens 2 dazu.
    Ich hab auch schon in der ganze Klasse diskutiert wie man damit umgehe kann.
    Und wenn sich einer beschwert, der oder die hat mir den Mittelfinger gezeigt oder die Zunge rausgestreckt...da helfen oft die Fragen "hatte er/sie einen schönen Finger/eine schöne Zunge?" oder "Ist das dein Problem?"


    es gibt auch Gewaltpräventionsprogramme...da kenne ich aber nur "Faustlos". Das haben wir in allen Kindergartenklassen im letzten Jahr gemacht. 7


    Umgang mit Konflikten kann man lernen und ich finde Kinder haben dazu in der Schule das Recht und das passende Übungsfeld. Ich hab Kinder, die waren vorher noch nie in einer grössere Gruppe....woher sollen den Umgang mit Konflikten können? Es ist ein Riesenunterschied zwischen vielleicht 1-2 Geschwister haben und in einer Klasse sein. Es gibt viele Situationen, die sind für die Kinder frustrierend. Den Umgang mit solchen Situationen zu lernen, halte ich zentral gerade in den ersten Schuljahren.

  • Bei uns gilt die Stopp-Regel. Geöffnete Hand dem anderen entgegenhalten/zeigen bedeutet, dass der sofort aufhören muss. Womit auch immer. Funktioniert ganz gut, zumal die anderen SuS das genau registrieren und melden: Anna hat Stop gezeigt und Paul hat nicht aufgehört. Das Entsetzen der anderen hilft oft mehr als meine Standpauke.

  • Wie alt sind denn die Kinder?


    Von meinen 8-10jährigen Schülern meiner Klasse kann ich schon sagen, dass häufiges Reflektieren in Gesprächen mit den Beteiligten bzw. Einzelgesprächen hilft. Es muss aber immer ein gewisses Ziel herausgegeben werden. Außerdem habe ich als Klassenlehrkraft vielleicht den Vorteil, dass mein Einfluss doch größer ist. Konflikte mit einer gesamten Klasse zu bereden, mache ich nur in Ausnahmefällen, wenn ich es pädagogisch verantworten kann bzw. wenn viele daran beteiligt waren, weil da einzelne oft in eine Ecke vor anderen gedrängt werden und die Gefahr gegeben ist, dass man sich dadurch den Zugang zu einem schwierigen Kinder verbaut.


    Meine Gespräche laufen meistens so:
    Wie ist es dazu gekommen? (ohne Schuldzuweisung, denn an Konflikten sind mindestens zwei beteiligt, nur die sachlichen Argumente zulassen, man muss die Provokateure auch genau in Augenschein nehmen)
    Wie hätte man das verhindern können?
    Was kann man daraus lernen?
    Auftrag: Macht das das nächste Mal anders, damit es nicht dazu kommt bzw. ändere dein Verhalten an den Stellen, wo es nötig ist. (Manchmal ist dann ein konkretes Einzelgespräch danach noch nötig.)
    Die Grundlage dazu muss sein, dass von vorneherein klar ist, dass es allen mit einem guten Umgang besser geht und dass man das, was man getan hat, selbst auch nicht will.


    Man könnte auch nach den 15 Schritten von dem System: "Ich schaff's" (Ben Furmann) vorgehen, doch das muss man richtig auswendig lernen und auch überlegen, ob alle 15 Schritte passen.


    Wenn jemand mit der Ausrede kommt, der hat mich krumm angeschaut oder der hat mich schon vor 2 Wochen geärgert, dann lasse ich so etwas nicht gelten. Das ist kein Grund und sage ihnen, wenn dich das vor zwei Wochen gestört hat, dann hättest du das vor 2 Wochen regeln müssen, notfalls mit Hilfe eines Erwachsenen, wenn es dir vernünftig nicht gelingt.

  • Drei oder vier Kinder.
    Versuche vielleicht erst einmal zu analysieren, was da im Hintergrund läuft. Sind immer 2 befreundet und unterstützen sich gegenseitig? Gibt es Mitläufer? Ist es eine Dreierbeziehung mit Eifersucht?
    Wenn dir klar ist, wie das Beziehungsgeflecht der Kinder ist, dann kannst du auch bessere positive Verhaltensimpulse, die auf dei Kinder passen, geben.

  • Zitat

    Ich hab jetzt in meinem 2. Berufsjahr ein paar Strategien. Und alles diskutiere ich nicht mehr aus. Wenn 2 sich in der Pause streiten, müssen sie in die Garderobe, da ist es mir egal, wer egal angefangen. Es gehören mindestens 2 dazu. Ich hab auch schon in der ganze Klasse diskutiert wie man damit umgehe kann. Und wenn sich einer beschwert, der oder die hat mir den Mittelfinger gezeigt oder die Zunge rausgestreckt...da helfen oft die Fragen "hatte er/sie einen schönen Finger/eine schöne Zunge?" oder "Ist das dein Problem?"

    Wir reden hier immer mit denselben Kindern. Auch das Ignorieren von Zungerausstrecken und Co. versuchen wir mit einzubauen (Schöne Zunge, gibt es die auch in Gelb?, Ich habe auch einen Mittelfinger, deiner ist aber schöner...).


    Soweit kommt es bei den immer gleichen Kindern leider nicht. Anstatt zu ignorieren, stacheln die sich gegenseitig so weit aus, dass sie dann keine Argumente mehr haben und körperlich aktiv werden.


  • Soweit kommt es bei den immer gleichen Kindern leider nicht. Anstatt zu ignorieren, stacheln die sich gegenseitig so weit aus, dass sie dann keine Argumente mehr haben und körperlich aktiv werden.

    wie alt sind sie?


    Ich hab 2, die habe ich dann eine zeitlang gewähren lassen (also unter Beobachtung). Dann haben sie sich aneinander abgreagiet....mittleweile kommt das kaum noch vor.

  • (Schöne Zunge, gibt es die auch in Gelb?, Ich habe auch einen Mittelfinger, deiner ist aber schöner...).

    Ich glaube, diese Ironie verstehen die Kleinen nicht und verbinden das nicht mit der Aussage eines unerwünschten Verhaltens.


    Ich könnte mir vorstellen, dass es besser wäre, wenn man den Kindern klar sagt, was man von ihnen erwartet, kleine Ziele setzt und immer wieder Rückmeldung gibt.
    Außerdem kann man die loben, die das alles schon schaffen.


    Hast du Zeit, irgendein Projekt zu machen? Faustlos wurde schon vorgeschlagen. Dann gibt es noch eine schöne Geschichte über die Giraffen- und Wolfssprache. Geeignete Bilderbücher gibt es zu diesen Themen auch.

  • Die o.g. schlagfertigen Aussagen verstehen die Kids zum Teil schon. Sie sollen in erster Linie die Schärfe aus dem Konflikt nehmen. Kann aber auch nach hinten losgehen, dass der Provokateur sich dann erst recht hochfährt. Ist aber bisher noch nicht passiert.


    Faustlos sagt mir was, die anderen Dinge nicht.

  • Z.B.
    Kathrin Schärer: Nein, so war das! Nein so!
    Oder: Du hast angefangen, nein du!
    Wohin mit meiner Wut?
    Guck mal diese Bilderbücher bei amazon, da kannst du die Kritiken lesen und gleichzeitig auf neue stoßen.


    Materialien zur Giraffen- und Wolfssprache findet man im Internet. Es ist auch dazu etwas in der Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung "Achtsamkeit und Anerkennung".

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