Schüler mit Aufmerksamkeitsproblem

  • Was ist denn bitte ein "klassisches Gymnasialkind" deiner Meinung nach?

    Also meiner Erfahrung nach zu urteilen: "eigentlich" alle.


    Eigentlich.
    Denn: Ich sehe, dass viele Kinder, die mittlerweile am Gymnasium sind, sehr große Probleme haben, sich dem Stoff zu widmen. Hier beschriebener Fall ist einer davon.


    Ich vermute, dass das sehr stark mit dem Elternhaus zusammenhängt. Will sagen: Wenn ein Kind die notwendige, "natürliche" Unterstützung durch die Eltern erhält, dann hat es in der Schule ein leichteres Leben, kann den Stoff aufnehmen, weil es nicht durch irgendwelche (innerlichen) Probleme abgelenkt wird, oder anders gesagt: die nötigen Kapazitäten frei hat, um sich auf´s Lernen = die Aufnahme von Unbekanntem, zu konzentrieren.


    Zurzeit habe ich einige Schüler, denen DAS (= Elternhaus) fehlt. Ein paar schaffen es auch so (bewusst erinnere ich mich an ein Scheidungskind, das große Startschwierigkeiten hatte, es dann aber doch irgendwie "packte") viele geraten aber auch unter die Räder.


    Die Frage ist daher eigentlich: Wie schaffe ich (= wir Lehrer) es, dass das Kind es trotzdem packt? Können wir überhaupt etwas tun?
    Die Vorschläge bzgl. Eigenverantwortung fand ich sehr gut.

  • Unsinnige Fragen, die den Unterricht nicht voranbringen gehen bei mir negativ in die Mitarbeitsnote ein. Sonst Einzeltisch vorne, Aufholen von "verlorenen" Unterrichtsminuten in der Pause, "Denkzettel" - schriftliche Auseinandersetzung mit dem Regelverstoß + Unterschrift der Eltern, ...

    Ja und Nein.


    Das wäre eine relativ sinnige Methode, dem ganzen Herr zu werden.
    Aber wenn man das Drumherum und das Dahinter betrachtet, dann ist es eigentlich zu kurz gedacht.

  • hast du konkret mit den betreffenden Eltern schon mal geredet?
    Und da meine ich jetzt mal "Fakten auf den Tisch", nicht durch die Blume und pseudodiplomatisch.


    "Ihr Kind ist nicht doof, das braucht nur Aufmerksamkeit und Anerkennung. Die es von ihnen erwartet, aber nicht bekommt. Und deshalb stört es, denn auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit. Sie sind in der Bringschuld. Sprechen sie mit ihrem Kind über die Schule, über Klassenarbeiten, nehmen sie sich die Zeit. Das gehört zum Elternsein dazu. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, hätten sie kein Kind bekommen sollen."


    Und nein, DU machst nichts falsch. Auch das Kind nicht. Die brauchen wohl nen Spiegelsaal...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • "Ihr Kind ist nicht doof, das braucht nur Aufmerksamkeit und Anerkennung. Die es von ihnen erwartet, aber nicht bekommt.

    Davon würde ich abraten. Auf derart abgebügelte Weise, können die Eltern erstens nicht anders, als mit Gegenwehr reagieren und zweitens wirst du dem Problem nicht gerecht. Es geht im von dir frank und frei vermuteten Problem nicht nur darum, dass jemand das Kind fragt, "wie war's denn heute?" sondern dass das jemand ernsthaft wissen will. Mit der pädagogisch reduzierten Ansage erreichst du also eher das Gegenteil, als nichts.


    Zum anderen liegen Verhaltensstörungen häufig weit größere emotionale Missverhältnisse zugrunde. Von Leistungsdruck über Vernachlässigung bis psychischer oder physischer Misshandlung.


    Da wir das als Lehrer nicht wissen und auch nicht spekulieren sollten, wäre der (dringliche) Verweis an Fachleute das einzig Richtige.

  • Danke für die Antworten, so unterschiedlich sie auch sind 1. direkte Ansprache Eltern 2. Verweis auf Fachleute, so gut zeigen sie doch letztendlich das Dilemma:


    Was können wir Pädagogen tun? Wie weit reicht unsere Macht?


    Wahrscheinlich ist es, allgemein betrachtet, eine Einzelfallentscheidung. Bei manchen Eltern stimmt die Chemie, da kann man das vielleicht sogar auf´s Tapet bringen.
    Bei anderen ist Hopfen und Malz verloren, da geht es nur noch über Externe.


    Was ich noch als problematisch erachte ist, dass ich NICHT Klassenlehrer bin. Mein Einfluss ist also geringer als vielleicht vermutet. Doof, aber andererseits natürlich auch eine Möglichkeit zur Abgabe. Lieber wäre ich in diesem Falle aber selber in der Verantwortung.


    Nun denn.


    Gehabt euch wohl und einen schönen Abend noch!

  • Ich weiß nicht, ob dir der Tipp hilft, aber ich erkläre etwas, und wenn ich merke, die Aufmerksamkeit schwindet, halte ich inne und sage: "Achtung, ich erkläre das jetzt genau EINMAL. Hör zu!"
    Und danach erkläre ich es tatsächlich eine Weile nicht mehr.
    Die Kinder, die nur aus Langeweile, Denkfaulheit oder um Aufmerksamkeit zu bekommen fragen, hören dann irgendwann auf. Wenn es jemand tatsächlich noch nicht verstanden hat, Finger auf die zu bearbeitende Aufgabe. Wenns immer noch hapert, helfe ich konkret.


    Okay, hier geht es um Dinge wie Ziffern ins Heft schreiben, also vom Ablauf her immer gleich und die Kinder müssten eigentlich eh wissen, was sie tun sollen. Ich weiß nicht, ob du das auf deinen Unterricht ummünzen kannst. Aber das wirkt bei einigen Kindern ganz gut und hilft ihnen, dann doch selbstständig zu arbeiten.


    Vielleicht braucht der Junge auch einfach Struktur und Konsequenz, und man sollte nicht immer auf seine Nachfragen eingehen? Lieber positive Verstärkung, also viel Lob wenn er es einmal alleine und leise schafft.

  • Noch ne Idee wäre ein Verhaltensplan in Verbindung mit einem Belohnungssystem.
    Ich weiß, hört sich nach viel Aufwand und Kuschelpädagogik an (ist es tlw. auch) und ich mache es nur in Ausnahmefällen (bezogen auf den Verhaltensplan, nicht auf die Belohnungen ;) ), aber es kann langfristig wirklich etwas bringen und für alle Beteiligten entlastend wirken. Wahrscheinlich sollte der Schüler direkte Rückmeldungen und eine enge Anleitung erhalten... Auf Basis des Verhaltensplans 10 Minuten Besprechung pro Woche einplanen, den Eltern rückmelden und sie dadurch aktiv einbinden...

  • Ja und Nein.
    Das wäre eine relativ sinnige Methode, dem ganzen Herr zu werden.
    Aber wenn man das Drumherum und das Dahinter betrachtet, dann ist es eigentlich zu kurz gedacht.

    Funktioniert bei mir aber seit Jahren ganz gut und bereitet mir keine Probleme. Wir haben nicht nur einen Schüler mit Aufmerksamkeitsdefizit.
    Du hast aber gefragt, wie wir mit solchen Schülern umgehen und Situationen geschildert, auf die ich eingegangen bin!
    Das sind Handlungsmöglichkeiten während des Unterrichts, damit der ungestörter verläuft und sind erstmal sehr allgemein aufgezählt. Zusätzlich kommen noch soziale Förderstunden bei mir dazu, ggf. Gespräche mit dem Sozialarbeiter usw. Für konkretere Tipps müsste ich den Schüler persönlich kennen. Wie verhält er sich bei Kollegen?
    Das mit dem Weinen kenne ich aber auch ganz gut.

  • Das sind vielfach Möglichkeiten, die vom Klassenlehrer ausgehen würden, von daher schwierig durchsetzbar für den Fachkollegen.
    Als FL würde ich tatsächlich den Sozialarbeiter zwecks Konzentrationstraining (und 2. externer Meinung) ansprechen. Das ist natürlich auch KL Aufgabe, kann aber bei ihm/ihr als Vorschlag oder Wunsch angesprochen werden.

  • Vielleicht noch ein kleiner Literaturtipp: "Schwierige Schüler - 64 Maßnahmen bei Verhaltensauffälligkeiten in der Sekundarstufe"

    • Offizieller Beitrag

    Eigentlich ist es kein klassisches Gymnasialkind.

    was ist denn ein "klassisches Gymnasialkind"? :gruebel:


    Wir haben so viele Schüler, die im -scheinbar heilen- häuslichen Umfeld Probleme haben. Die ganz normale Vielfalt des ganz normalen Wahnsinns im ganz normalen Familienleben.


    Ist halt so. Müssen wir durch.

  • Eben. ein "klassisches Gymnasialkind" ist vermutlich ein gedankliches Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert.
    Die "Herkunft" hat über eine mögliche Qualifikation nicht wirklich etwas zu sagen. Möglicherweise über die Möglicheiten der Unterstützung durch Eltern, aber daran kann man arbeiten.
    Und - Probleme haben sie alle. Nur eben unterschiedliche. Und auch die eher "ungewöhnlichen" davon darf man nicht außen vor lassen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Über die gymnasiale Eignung entscheiden schlussendlich allein die in Ziffern ausgedrückten Noten. Solange die Promotionsbedingungen erfüllt sind, bleibt der Schüler am Gymnasium, egal, was wir von ihm halten. Da finde ich unsere Diskussionen im Notenkonvent auch oft sehr müssig. "Schüler xyz hat aber schon nicht die richtige Einstellung fürs Gymnasium ..." Bladiblubb. Das ist egal. Er hat die Noten und damit basta.

  • ...klassisches gymnasialkind sind für mich kognitiv begabte kinder. wir haben davon nicht mehr sehr viele (vielleicht ein drittel der klassen, eher weniger).


    zu dem zitierten fall: habt ihr ein coachingprogramm? das lässt sich mit recht wenig aufwand implementieren und bringt oft ziemlich viel für solche fälle. einmal die woche zwanzig minuten appell bei einem lehrer/sozpäd/schulpsychologen, der mit dem kind gut kann, zusammen mit regelmäßiger rücksprache mit dem elternhaus.

  • ...coachingprogramm? das lässt sich mit recht wenig aufwand implementieren und bringt oft ziemlich viel für solche fälle. einmal die woche zwanzig minuten appell bei einem lehrer/sozpäd/schulpsychologen, der mit dem kind gut kann, zusammen mit regelmäßiger rücksprache mit dem elternhaus.

    klingt gut, wo steht das genauer?

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