Wie kann Religion ein Schulfach sein, wieso sind so viele Schulen konfessionell ausgerichtet?

    • Offizieller Beitrag

    Der Bibel folgende, die ja nun mal die Grundlage des christlichen Glaubens ist, muss man beim Verkauf seiner Tochter in die Sklaverei Geld verlangen (Exodus 21:7). hast du schon mal Sonntags Klausuren korrigiert? Wenn ja, musst du leider getötet werden (Exodus 35:2). Usw. usf.

    nichts gegen das AT, aber Christ sind für mich doch vorrangig die Texte des NT maßgebend

  • nichts gegen das AT, aber Christ sind für mich doch vorrangig die Texte des NT maßgebend

    ...selbst da steht so einiges, was mal dringend "auf den Prüfstand gehört".
    Lies doch mal so ganz "objektiv" den von mir oben erwähnten "Brief an die Römer", steht, wenn ich mich recht erinnere, direkt hinter der Apostelgeschichte und vor den Korintherbriefen...
    mich schüttelts bei so diversen Passagen. Und das ist "neues Testament".

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • nichts gegen das AT, aber Christ sind für mich doch vorrangig die Texte des NT maßgebend

    Aber darum geht's doch gerade. Wenn sich jeder die Quellen, Tips und Infos raussucht, die ihm gefallen, dann kann man auch aus allen anderen religiös orientierten Texten der Welt die Tips, Tricks und Infos raussuchen, die einem gefallen. Was ist denn das Christentum, was macht "dich als Christen" aus?

  • Ich schreibe das Folgende als nicht-gläubiger Ethik- und Philosophielehrer, der aber theologisch interessiert ist und in der Uni viele Veranstaltungen zu dem Thema besucht hat:


    Theologisch gesprochen ist im Christentum nicht etwa die Bibel das Wort Gottes, sondern Jesus selbst. Die Christen glauben an Jesus als das fleischgewordene Wort Gottes (siehe das Johannes-Evangelium). Die Bibel ist im christlichen Selbstverständnis eigentlich "nur" ein von Gott inspiriertes, menschengemachtes Buch, aber nicht das Wort Gottes im strengen Sinne, wie etwa der Koran im Islam. Im Zentrum des Glaubens steht Jesus. Die Bibel ist insofern wichtig für die Christen, als dass sie von Jesus erzählt. Dieser Ansatz lässt aber eben durchaus zu, dass man gewisse Bibelstellen relativ sehen kann, auch als gläubiger Christ.
    Dass die Realität allerdings oft anders aussieht, wenn man an streng bibelgläubige fundamentalistische Gruppierungen denkt, ist klar. Selbst die "Großkirchen" vergessen oft diesen Grundsatz ihres Glaubens...

  • Vielleicht mal als Denkansatz für die intellektuell begabteren Atheisten: Jürgen Habermas und Kardinal Ratzinger diskutierten über Religion und Aufklärung (2004)

    Zitat von Jürgen Habermas

    Säkularisierte Bürger dürfen, soweit sie in ihrer Rolle als Staatsbürger auftreten, weder religiösen Weltbildern grundsätzlich ein Wahrheitspotential absprechen noch den gläubigen Mitbürgern das Recht bestreiten, in religiöser Sprache Beiträge zu öffentlichen Diskussionen zu machen. Eine liberale politische Kultur kann sogar von den säkularisierten Bürgern erwarten, dass sie sich an Anstrengungen beteiligen, relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich zugängliche Sprache zu übersetzen.

    oder auch

    Zitat von Roland Baader

    Es ist kein Zufall, dass im Verlauf des 20. Jahrhunderts in allen totalitären und sozialistischen Zwangsstaaten der Erde zugleich mit der Freiheit auch die göttliche Botschaft ausgelöscht wurde.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • O. Meier: Ich diskutiere auch nicht mit der Wand.

    Aha.


    Du ignorierst alles was du nicht entkräften kannst

    Woher willst du wissen, was ich wahrnehme und was ich ignoriere? Womöglich gehe ich nicht auf alles ein, was in diesem Thread geäußert wird. Deswegen ignoriere ich den Rest nicht. Außerdem hänge ich beim Abarbeiten der Stellen, zu denen ich etwas zu sagen habe, etwas hinterher.


    Andersherum warte ich auch noch auf Antworten, auf Stellen, die ich explizit als Fragen formuliert habe, und vielleicht warte ich da vergebens.


    Aber so ist das, eine Diskussion ist kein Verhör. Trotzdem, wenn es dir an der einer oder anderen Stelle nach meiner Sichtweise begehrt, so frage doch konkret. Womöglich gibt es da tatsächlich etwas zu "widerlegen".

    verlangst dann Beispiele für Dinge, die zumindest nicht so einfach zu belegen sind.

    Nein, ich verlange schon mal gar nichts. Ich habe keinen Vergleich der Religionen mit anderen Sadisten und Mördern ins Feld geführt. Du warst dir sicher, wie der ausgehen würde. Nachgefragt, und schwupps, ist das doch nicht so einfach zu belegen. Und um ehrlich zu sein, wäre ich froh, wenn es bei dieser Aussage geblieben wäre und du es dir gespart hättest, in die Opferarithmetik einzusteigen. Diese finde ich eklig, den Opfern gegenüber würde- und pietätlos. Und ich schrecke in wenig davor zurück, darauf zu antworten. Nein, nicht weil ich es ignoriere, wie es mir lieb wäre, wenn ich das könnte, sondern weil ich daran zweifle, ob das jetzt noch etwas nützt.


    Aber wenn du glaubst die knapp 120 Millionen Toten (Hitler, Stalin und Mao zusammen)

    Warum gerade die drei? Bei Hitler und Stalin könnte man noch den deskruktiven Antisemitismus als Gemeinsamkeit erkennen. Bei Mao kenne ich mich da nicht so aus. Und was sagt uns diese Zahl? Wären Verbrechen im Umfang von 110 Millionen Toten erträglich? 100 Millionen? Und siehe da, ich vermag es nicht, auf so etwas zu antworten, ohne selbst die Pietät zu verlieren.


    könnten von Religionen geschlagen werden.

    Darum geht's? Das ist ein Wettbewerb? Wurde Ethik in diesem Thread schon erwähnt?


    So ein Kreuzzug hat doch oft mehr von einem innenpolitischen Ablenkungsmanöver,

    Und? Macht es das besser? Sind dergestalte Verbrechen besser zu ertragen, wenn die Gründe vorgeschoben sind? Langsam wird mir schlecht.


    Bestenfalls kann man der Religion attestieren, dass sie nichts nützt. Da wird siebzehnmal am Tag die besondere Expertise von Religionen in ethischen Fragen propagiert. Nur wenn es drauf ankommt, passiert bestenfalls nichts. Dann hilft die religiöse Ethik nicht weiter. Aber schlimmer noch, ratzfatz ist man bei jeder großen und kleinen Sauerei dabei. Und die Organinationen, die sich alle Nase lang vor die Karre spannen lassen, deren Ideologie so wunderbar einfach zu Mord und Folter passt, sollen mitreden dürfen, wenn es darum geht, was jungen Menschen in der Schule beigebracht wird? Genau diese Ethik-Verweigerer, sollen den Unterricht liefern, der bei den Schülern ethische Grundlagen aufbaut?


    Vielleicht wurden Religionen aber gar nicht missbraucht sondern nur gebraucht, also für das verwendet, für das sie erfunden wurde. Vielleicht wurden Religion nicht zu (Teilen von) Machtstrukturen transformiert, sondern waren das schon immer. Mit dem Selbstverständnis von Religionen, ihre Dogmen nicht begründen ioer belegen zu müssen, geht halt einiges, das sonst unmöglich wäre. Das Weinberg-Zitat hat Nele ja schon gebracht. Nein, Religionen haben bestimmt nicht die Marktführerschaft im Ethik-Segment.


    als gezielt eine ganze Volksgruppe umbringen zu wollen

    Bezüglich der Einzigartigkeit der Shoa musst du mich nicht anstacheln, da stehe ich ganz vorne. Über die Beteiligung christlicher Sozialisation und christlicher Organisation daran hat Nele einiges geschrieben. Vergleiche zwischen Greueltaten, wie du sie anführst, sind nicht nur menschenverachtend, sie sind auch noch historisch falsch, wenn man über eine solche Beteiligung hinwegtäuscht.


    Aber muss ja jeder für sich wissen.

    Ein gesellschaftlicher Konsens in ethischen Fragen wäre mir da schon lieber. Aber den wird es nicht geben, so lange Menschen bereit sind, Verbrechen gegen die Menschlichkeit klein zu reden und zu rechnen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • da haben Christen Christen umgebracht.

    Also innerhalb des Teams. Nicht schlimm.


    a. 3.000.000 Prozesse und 100.000 Hinrichtungen,

    Geringe Quote. Nicht schlimm.


    Nur muss man da definitiv trennen zwischen "Das ist ein inhärentes Problem von Religion" und "die Religion wird von Individuen als Vorwand genutzt"

    Nein. Da gibt es nichts zu trennen. Es ist ein inhärentes Problem von Religionen, dass sie immer und immer wieder im Zusammenhang mit Mord und Folter, mit Greultaten und erheblichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufreten. Ob nun duldend, mittendrin oder federführend. Und ob das immer nur Vorwand ist und nicht tatsächlich durch die religiöse Ideologie gedeckt, vermag man gar nicht festzustellen, weil Religionen nunmal keine Grundlage haben, sondern sich inhaltlich aus Fiktion rekrutieren. Da kann man sich alles und jedes ausdenken oder 'reininterpretieren. Wie wíll man da zwischen "ja, so war's gemeint" und "nee, so doch nicht" unterscheiden? Die Beliebigkeit der Dogmen, ihre Unbelegbarkeit und Unbegründetheit sind das inhärente Problem von Religionen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • In anderen Foren wäre ich den missionarischen und grundgesetzfeindlichen Atheisten inzwischen durch einen Ban wegen Spams los. Einstein hat mal was schönes über Kreise mit Radius Null gesagt. :)


    @Morse: Da Habermas selbst zwar religionsfreundlich, selbst aber der Religiösität unverdächtig ist, gehe ich von der milderen Form des "dürfen" aus. Was Franco angeht gebe ich dir übrigens durchaus Recht, da hat die katholische Kirche moralisches Totalversagen zugunsten von gesellschaftspolitischem Einfluss an den Tag gelegt. Was die NS-Zeit angeht muss man glaube ich bei beiden großen Konfessionen je nach Person unterscheiden. Von Galen und Bonhoeffer hui, die DEK war Totalversagen und Pius XII. kann man wohl vor allem vorwerfen, zu lange mitgespielt zu haben und am Ende nur sehr zaghaft widersprochen zu haben. Ist aber vielleicht auch nicht einfach, wenn man erst Mussolini und dann Hitler direkt vor der Haustür hat.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Bei dem müßigen Aufrechnen hier dreht sich alles im Kreis, weil man sich nicht auf gemeinsame Begriffe geeinigt hat, bevor Argumente ausgetauscht wurden.


    Ein Gespräch im Aufzug über Gott und die Welt. Bing!

  • Und was genau bringt dich auf die Idee, dass in Deutschland Kirche und Staat strikt getrennt wären im Sinne eines laizistischen Staatswesens?

    Nee, sind sie ja nicht. Soweit sind wir noch nicht. Die releigiösen Machtstrukturen haben an einigen Stellen Füße in den Türen.

    Deutschland war nie laizistisch und solange unser Grundgesetz besteht wird es auch nie laizistisch sein

    ... und verzichtet auf die Freiheiten, die daraus resultieren könnten.

    Diese ständige Vermischung von Begriffen wie Demokratie, Laizismus, Meinungsfreiheit

    Macht das jemand?

    Ich nehme eure persönliche Meinung hier die ganze Zeit zur Kenntnis, sie ist nur juristisch irrelevant

    Politisch aber nicht. Natürlich kann man sich darauf berufen, dass dieser Passus im Grundgesetz steht. Aber irgendeine nachvollziehbare Begründung wird's doch geben, oder?. Mich würde tatsächlich mal interessieren, was der Grund gewesen sein könnte, diesen Passus aufzunehmen. Scheint nicht ganz offensichtlich zu sein. Derjenige, der mir einleuchtet, dass nämlich hier nur Machtstrukturen ihre Position sichern wollten, wird man wohl kaum öffentlich ins Feld führen. Etwas subtiler darf's an der Stelle schon sein.


    Je länger ich darüber nachdenke, um so merkwürdiger kommt mir diese Regelung vor. Zwischen den Grund- und Menschenrechten, die doch viel klarer und erklärbarer sind, kommt mir dieser Absatz, in dem die Religionen zu etwas Unterrichtbarem erklärt werden, etwas verloren vor. Schade, dass man so gar nicht mehr nachvollziehen kann, warum man das damals 'reingeschreiben hat.


    Vielleicht war man auch nur etwas naiv, als amn diesen Absatz schrieb. In der von Valerianusnzitierten Urteilsbegründung ist vom den "im Schulwesen unvermeidlichen Spannungen zwischen 'negativer' und 'positiver' Religionsfreiheit" die Rede. Da hat der Staat sich womöglich ein größeres Ei ins Netz gesetzt, als er vor hatte. Glaubensfreiheit wäre in einem säkularen Schulwesen einfacher zu kriegen gewesen.


    Im Übrigen gehen die Länder mit zwar staatlichen aber konfessionellen Schulen ja noch weiter, als es das Grundgesetz mit dem Religionsunterricht fordert. Solcher kann ja auch an einer nicht einseitig geprägten Schule in dafür gebildeten Lerngruppen stattfinden. Mit den konfessionellen Schulen entfernt der Staat sich in - wie ich finde - ungehöriger Weise von der Glaubensfreiheit. Nicht nur, dass die Religionen Einfluss auf das Bildunsgwesen nehmen. Auch umgekehrt nimmt der Staat Einfluss auf die Religionen. Wenn de Staat eine katholische, sunnitische oder questionärische Schule betreibt, definiert er damit ja auch, was katholisch, sunnitisch oder questionärsch denn nun ist. Nämlich das, was an dieser Schule geboten wird.


    Und dann kommt noch der ganze dicke Sack voller Unmöglichkeiten, flächendeckend auch jedem eine passende Schule anzubieten. Einen solche Hickhack sollte es in einem so wichtigen Aufgabenfeld wie Bildung nicht geben.

    die Rolle der Religion als Mittel eines Staats zur Regierung spielt in der Diskussion kaum eine Rolle, dabei könnte sie doch die teilweise vorhandene Irritation darüber nehmen, weshalb ein "moderner"/"aufgeklärter" Staat überhaupt mit übersinnlichen Institutionen paktiert.

    Guter Punkt. Mir erscheint es druchaus so, als Religionen zu allererst genau als Machtinstrument entstanden sind. So gesehen hatten sie auch lange Zeit, sich in den Staat einzubauen und werden da auch nicht so schnell von ablassen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Es gibt durchaus Kommentare zum Grundgesetz und zu dessen Entstehungsgeschichte im Parlamentarischen Rat. Nur habe ich gerade weder Lust sie mir auszuleihen, noch sie zu lesen und noch viel weniger sie dir dann zu erklären, weil du offensichtlich keine Lust hast das selbst zu tun. Als ob Artikel 7 irgendwie vom Himmel ins Grundgesetz gefallen wäre und keiner hätte dabei nachgedacht, was er da eigentlich macht.
    Für deine Frage nach den konfessionellen Schulen bräuchtest du einen Blick in die Kommentare zu den entsprechenden Landesverfassungen oder zur Weimarer Reichsverfassung, aber ich hab so einen Verdacht, dass du auch da kein gesteigertes Leseinteresse zeigen wirst.


    BTW: Sie ist auch politisch irrelevant, schau dir doch mal die folgende Diskussion im Landtag von NRW von 2011 an: Klick mich, ich bin ein religiöser Link! ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Vielleicht mal als Denkansatz für die intellektuell begabteren Atheisten: Jürgen Habermas und Kardinal Ratzinger diskutierten über Religion und Aufklärung (2004)
    oder auch

    "...auch die Dauerkritik des Papstes am globalen Kapitalismus und sein Nein zum Irak-Krieg sind ein Hinweis darauf, dass der Vatikan nicht mehr nur nach der Erlösung der Schuldigen fragt, sondern nach Recht und Gerechtigkeit, gleichsam als eine massenmedial wirksame Autorität...
    ...Ohne George W. Bush auch nur zu erwähnen, beschrieb Ratzinger in kardinalen Sätzen die amerikanische Hegemonie als "Recht des Stärkeren", das dringend "gebändigt" und der Stärke eines gemeinsamen Rechts unterworfen werden müsse." ebd.



    oder auch


    Soll uns das sagen, dass die katholische Kirche eine Institution ist, die von Außen kritisch aufs Weltgeschehen guckt und beratend der Politik zur Seite steht? Und was wäre der Schluss daraus? Dass es ohne Kirche (Hier geht es ja munter abwechselnd um Religion, Glaube, Kirche, Konfession, leider mit mehr Fragen, als Antworten...) Also dass ohne katholische Kirche eine Verrohung der Welt droht?


    Zumal die christliche USA sich nun nicht wesentlich mehr an Jesu Nächstenliebe-Pläne halten, als die sozialistische DDR.


    Ich vermute, dass die meisten Menschen Religion brauchen, um mit dem nicht vorhandenen Sinn des Lebens klarzukommen und sich Unerklärtes zu erklären. Und dass Menschen sie eben zu jeder Zeit an jedem Ort benutzten, Gesetze des Zusammenlebens zu erfinden. (In warmen Ländern Schweinefleisch zu verbieten, dass verwurmt in der Sonne liegt z.B. macht sicher Sinn. Sich Kasten mit Unberührbaren auszudenken macht zumindest für manche Sinn und auch 10 Gebote vom Himmel geknallt schinden Eindruck...)


    Dass aber irgendeine Kirche die richtige Antwort für sich beansprucht finde ich schlicht vermessen. Brauchen wir sie daher als moralisch Beurteilende? Die sie als machtvolle Institution ihre eigenen moralischen Regeln aufstellt? Nett, wenn sie Globalisierung kritisiert, das verleiht ihr aber meines Erachtens kein größeres Anrecht auf Gehör, als Greenpeace oder Lobbycontrol.

  • Aus evolutionspsychologischer (nur anschauen, wenn man Zeit hat) Sicht ist das Bedürfnis nach Spiritualismus tiefer verwurzelt, als das nach Umweltschutz oder Korruptionsverhinderung bei Politikern. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Wie tut der Vatikan das?

    Der Vatikan verweigert sich dem humanistischen Wertekonzept, also der Vorstellung, dass Ethik durch menschliches Denken und durch menschliche Überzeugung definiert ist. Der Vatikan will nicht auf die Überzeugung verzichten, dass Menschenrechte letztlich göttlich gesetzt sind, denn das göttliche Recht sei dem menschlichen immer übergeordnet - eine problematische Vorstellung, wie ein Blick in die Geschichte und auf das hartnäckige Rückzugsgefecht zeigt, das die christlichen Kirchen gegen jeden Fußbreit in Richtung mehr Freiheit und mehr Gleichberechtigung bekämpft haben. In einem Beitrag des Deutschlandfunks findet sich eine sehr gute, knappe Erklärung dieses Problems.


    Letztendlich verfolgt der Vatikan eine Politik die äquivalent der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam verstanden werden kann. Mit allen üblen und kontraaufklärerischen Folgen. Weiß aber wieder mal keiner und den Christen in ihrer Allgemeinheit mit ihrem mangelhaften Interesse an Glaubensdingen ist es ohnehin gleichgültig.

    Zitat

    Hier, Bedarf angemeldet ;)

    Wissenschaft ist - gleichgültig ob "hard science" oder "soft humanities" - in strenger Definition ein methodisch-logisches Werkzeug, das angewendet wird, um weiterführende Erkenntnisse über die Realität zu gewinnen, die intersubjektiv überprüfbar und nachvollziehbar sind. Wissenschaft muss dem Goldstandard genügen, einerseits in ihren deduktiven Aussagen überprüfbar zu sein, andererseits überprüfbare induktive Aussagen über neue Sachverhalte zu tätigen. In den Geisteswissenschaften wird diese strenge Definition seit dem "linguistic turn" der 80er und der postmodernen Relativierungstendenz leider zunehmend und ohne Not verworfen. Die klassische Philologie und die strenge historische Methode verlieren auch bei der kritischen Reflektion des Master Discourse nicht ihren Wert, was aber oft genug nicht mehr gesehen wird, wenn Geisteswissenschaftler ihr Handwerk nicht mehr sicher beherrschen. Denn bei ihnen gilt weiterhin das Primat der Empirie und das Eichmaß der definierten und falsifizierbaren wissenschaftlichen Begrifflichkeit. Bei den Naturwissenschaften ist dagegen dieser Komplex selbstredend kein wissenschaftstheoretisches Problem, denn naturwissenschaftliche Aussagen führen zu funktionierenden oder zu nichtfunktionierenden Experimenten, was die Diskussion dann beendet. (Glückliche Naturwissenschaftler...)


    Die Theologie ist seit jeher anders. Dramatisch anders. Weil sie seit jeher mit der Interpretation einer besonderen Kategorie von Texten, nämlich den "heiligen Schriften" befasst ist, ist sie so anders, dass einige Denker im Vergleich von Wissenschaft und Theologie als von "non-overlapping magistera" sprechen, also von Formen des Weltverständnis, die nicht vereinbar aber dennoch gleichermaßen gültig seien. Meiner Meinung nach ist das und die Vorstellung, dass die Theologie eine Wissenschaft ist, ein apologetisches Konstrukt. Warum?


    Die Theologie basiert wie andere historisch diskursive Zweige der Geisteswissenschaft auf der Hermeneutik, d.h. der Analyse und Interpretation textlicher Aussagen im erweiterten Textbegriff. Der Hermeneutikerin liegt ein Text als als empirische Material vor und sie gewinnt durch die Anwendung geeigneter wissenschaftlicher Methoden daraus über ihre Fragestellung neue, intersubjektiv belastbare Erkenntnisse. Das grundlegende Konzept aller hermeneutischer Textbetrachtung nach modernen wissenschaftstheoretischen Vorstellungen ist das der Lesarten - d.h. dass die Bedeutung eines Textes nicht außertextlich fixiert ist, sondern in der diskursiven Dynamik zwischen Text, Leser und Kontext konstruiert wird. Die so entstandene Textbedeutung ist also etwas, was in ihrer konkreten Ausformung vom Kontext abhängig ist. Diese Textbedeutung mag nach jeweiligem historischen Kontext subjektiv zu unterschiedlichen Lesarten führen, diese Lesarten sind aber jeweils objektiv analysierbar und empirisch herleitbar. Die Hermeneutik ist nicht mit der Wahrhaftigkeit dieser Lesarten befasst, sie betrachtet und analysiert die Lesarten nur in ihrer Ausformung.


    Da, wo die Theologie nur mit der wissenschaftlichen Betrachtung von Lesarten ihrer "heiligen Schriften" befasst ist, kann sie wissenschaftlich arbeiten. Ohnehin kann der Theologe da wissenschaftlich arbeiten, wo er als Historiker, als Philologe, eventuell als Archäologe tätig ist und die Anforderungen und Grenzen dieser Wissenschaften beachtet. Das sind allerdings Zuträger der Theologie - so wie der Historiker die Numismatik, Chronologie, Paläographie, Diplomatik etc. als Hilfswissenschaften kennt und schätzt. Dort, wo die Theologie ihren Kernbereich berührt und zur "Wissenschaft des Göttlichen" wird, was ihr Name ist und repräsentiert, da beginnt sie allerdings die Auseinandersetzungen der potenziellen Lesarten zu verlassen, denn sie betritt das Areal des "Glaubens", d.h. einer vorgegebenen Systematik von Begrifflichkeiten und Vorstellungen, die per definitionem nicht zu hinterfragen sind. Denn wie ließe sich eine Aussage wie "Jesus ist der Erlöser" hermeneutisch überprüfen, außer, wenn die entsprechenden Aussagen des Evangeliums dogmatisch als "wahr" definiert werden? Verstöße gegen die Dogmatik werden von den Religionsgemeinschaften hart sanktioniert. Nicht wenige Hochschullehrer wurden in ihrer bürgerlichen Existenz vernichtet, weil sie autoritativen Dogmen nicht mehr folgen wollten.


    Glaubensinhalte sind nicht hermeneutisch ermittelt sondern historisch und diskursiv tradiert. Glaubensinhalte formen ein gedankliches, narratives System, dass eine metaphysische Struktur beschreibt, die als Basis des Weltverständnisses und deraus erwachsenden Konsequenzen dient. In anderen Worten, Glaubensinhalte definieren eine Mythologie, die jenseits rational kritischen Verständnisses verortet ist. Das führt allerdings zu einem Problem, nämlich der Schwierigkeit, dass die diskursiven Kontexte einer Mythologie nur mit Schwierigkeiten mit der hermeneutisch historischen Bedeutung einer textlichen Aussage der "heiligen Schrift" in Einklang zu bringen ist. Es ist nun einmal so, dass eine Aussage wie "die Hexe muss verbrannt werden" oder "die Frau schweige in der Gemeinde" oder "alle Wesen und Tiere der Natur sind dem Menschen zum Nutzen" nicht von Menschen aus einer zivilatorisch entwickelten Gesellschaft geteilt werden können. Im heutigen Deutschland sind solche Äußerungen nicht zu ertragen - hermeneutisch sind sie allerdings ohne jeden Widerspruch aus den "heiligen Schriften" abzuleiten.


    Hier setzt die Tätigkeit der Theologie ein. Denn es geht im Anspruch der Theologie nicht darum, eine intersubjektiv falsifizierbare Lesart der "heiligen" Schrift anzubringen, die ggf. mit den geltenden Werten der Gesellschaft kontrastiert werden könnte. Die Aufgabe der Theologie ist, eine Lesart zu konstruieren, die die Aussagen der "heiligen Schrift" als Begründung der jeweiligen Überzeugungen der Gesellschaft rechtfertigt: mit den "christlichen Werten" ließe sich eine Gesellschaft analog des IS genau so rechtfertigen wie eine tolerant pluralistische Gesellschaft, die durch die rational humanistische Aufklärung definiert ist. Da die Theologie also beliebige Wertesysteme bedienen kann, definiert sie sich als nichts anderes als als Werkzeug einer aktuell gewünschten Lesart der "heiligen Schrift" - in anderen Worten, sie ist ein textliches Instrument, die ursprünglich verstörenden Aussagen der "heiligen Schrift" durch eine neugestaltete Narrative in eine gewünschte Form umzuwandeln.


    In anderen Worten: die Theologie wandelt eine primitiv autokratische Textbedeutung, die einzig mögliche historische Lesart, der "heiligen Schrift" in eine scheinbar modern tolerante Lesart für eine Freiheitsideologie um. Wenn dies die heutige Funktion der Theologie angesichts der heutigen Leitdiskurse in Westeuropa ist, so ist die gleiche diskursive Funktion in allen möglichen historischen Kontexten zu zeigen: in der protestantischen und katholischen Theologie des 16. Jh. ist die Absolutismuskritik und -affirmation je nach landesherrschaftlichem Bedarf zu finden, in der amerikanischen Theologie des 19. Jh. ist eine Affirmation und Ablehnung der Sklaverei zu finden. In der Theologie des 20. Jh. ist eine Ablehnung und Bestätigung des politischen Widerstands gegen Diktatoren zu verorten oder heutzutage die Ablehnung und Toleranz gegenüber Homosexuellen. Theologische Wertung von Ethik ist immer und überall willkürlich und an die Bedürfnisse eines politischen Diskurses gebunden.


    Das ist eine narrative Neuerzählung, mit Wissenschaft, Kritik und Rationalismus hat das nichts zu tun.

  • Sie liegt bei staatlichen Gremien, halt nur in Absprache und ja, ich bin sehr froh dass wir nicht in einem laizistischen Staat leben. Sehe jetzt irgendwie auch die Vorteile nicht.

    Was wären die Vorteile eines laizistischen Staates?
    Man könnte natürlich mit "relativen Trivialitäten anfangen", z.B. damit, dass christliche Bischöfe nicht mehr vom allgemeinen Steuerzahler durchgefüttert würden, bloß weil es zu Napoleon Bonapartes Zeiten zu Verschiebungen von Territorialgrenzen gekommen ist.


    Aber das eigentlich nicht so wichtig. Interessanter bei einem laizistischen Staat wäre, dass die Arbeitnehmer kirchlicher Institutionen nicht mehr auf verfassungsrechtlich verbriefte Grundrechte wie das Streikrecht oder den Schutz von Ehe und Familie verzichten müssten, bloß, weil es die kirchliche Ideologie anders sieht; dass es also in Deutschland keine "religiöse Paralleljustiz" wie die Scharia mehr gäbe.


    Aber wenn du die Garantie von Grundrechten für die deutschen Bürger als nicht so sonderlich wichtig hältst, dann muss man das ja nicht weiter diskutieren.

  • Macht Wissenschaft das ganzheitliche Menschsein aus?


    Bei der Bibel kommt man um den Glauben nicht herum.
    Die Bibel ist weder eine wissenschaftliche, historische noch eine reine Glaubenschrift.


    Sie ist eine Sammlung von verschiedenen Schriften, Verfasserschaften und gewissen theologischen Richtungen in regionalen und historischen Kontexten. Es gab noch mehr Schriften. Diese wurden ausgewählt, wahrscheinlich auch aus bestimmten politischen und historischen Gründen. Die Kirche sagt, die Auswahl wäre von Gott inspiriert. Ägyptologen finden einige Parallelen zwischen Pharonenglauben und Heiliger Schrift. Die historische Gestalt Jesu ist nicht bewiesen, zumindest was die archäologischen Funde betrifft, vielleicht war es auch eine Widerstandsgruppe gegen die Römer.


    Ich finde die ganzen Diskussionen von Widerlegungen oder nicht - zwar interessant, aber wo haben sie denn einen praktischen Nutzen für mich als Mensch? Je näher man sich mit den ganzen Umständen der Bibel befasst, desto eher merkt man, dass man viele Aussagen dort gar nicht akeptieren kann und herausgestrichen gehören. Oder man sieht sie als längst überholt und heute nicht mehr relevant. Mich hat es immer gewundert, wie Theologen mit dem Hintergrundwissen an allem festhalten können. Man muss da schon viel verdrängen. Zumindest ging es mir so, nachdem ich eine längere Abhandlung über ein biblisches Thema geschrieben habe.
    Doch eines habe ich von meinem "kleinen" Theologiestudium mitgenommen: Die Aussagen der Bergpredigt sind die zentrale Botschaft, die heute gut lebbar sind, wenn man es will. Es geht um das soziale Miteinander. Ob man dafür einen metaphysischen Überbau braucht und wo man diesen findet, ist eine persönliche Glaubensfrage.
    Für mich ist es letztendlich wichtig, wie jemand ist, wie er sich verhält, wie ich mit ihm auskomme. Woher er seinen positiven Hintergrund hat, ist er z.B. metaphysisch, also an einem Göttlichen orientiert, weil er dadurch mehr motiviert ist (religiös ausgedrückt, mehr Kraft hat) oder ob er einfach humanistisch denkt, ist seine Sache, aber ist für mich persönlich nicht relevant.

  • Macht Wissenschaft das ganzheitliche Menschsein aus?


    Bei der Bibel kommt man um den Glauben nicht herum.
    Die Bibel ist weder eine wissenschaftliche, historische noch eine reine Glaubenschrift.

    Eben. Die Bibel ist nichts weiter als Literatur und zur Welterkenntis genau so hilfreich wie Harry Potter oder die Geschichten vom Räuber Hotzeplotz.


    Es ist völlig in Ordnung, wenn man die Geschichten von Harry Potter zur zentralen Grundlage für sein Weltverständnis machen wll, aber das darf dann weder zum Schulfach werden, noch dürfen dafür Stunden in der Stundentafel verschwendet werden, noch dürfen Harry-Potter-"Lehrer" auf Stastskosten ausgebildet werden, noch dürfen diese "Lehrer" vom zentralen Harry-Potter-Verein in ihrer Ausbildung kontrolliert und zugelassen werden, bevor sie im Staatsdienst "unterrichten" dürfen.


    Dass ganz allgemein so große Schwierigkeiten bestehen, die Vergleichbarkeit zu erkennen, ist natürlich auch eine Folge der frühkindlichen Indoktrination mit kirchlicher Propaganda. Die Religionsgruppen haben mit der Verführung von Menschen schließlich jahrhundertealte Erfahrung. Die wissen, was sie tun.


    Hier noch ein interessanter Artikel des humanistischen Pressedienstes zum Thema.

  • Ich formuliere einfach mal ein paar Fragen:


    1.) Wenn eure Meinung die Mehrheitsmeinung (außerhalb der Linkspartei) darstellt, wie kommt es dann, dass es noch keine Änderung des Grundgesetzes gegeben hat?
    2.) Wenn eure Meinung die einzig wahrhaft seligmachende ist, wie unterscheidet sich das von Religion?
    3.) Wenn eure Meinung die einzig wahrhaft seligmachende ist, wie genau erklärt ihr die Entwicklung von Spiritualität rund um den Globus, die so wie es scheint genetisch fest angelegt ist?


    @Meerschwein Nele: Deine Argumentation in 278 ist irgendwie fehlerhaft: Wieso müssen Beamte als Angestellte beim Staat auf verfassungsrechtlich verbriefte Prinzipien verzichten, wie das Streikrecht oder Einschränkungen im Rahmen der freien Meinungsäußerung? Das ist exakt dieselbe Argumentation. Ist bei dir eigentlich jeder völkerrechtliche Vertrag einseitig aufkündbar oder nur solche die die Kirche betreffen? Ich frage interessehalber, weil man dann bei Bedarf auch die Haager Landkriegsordnung und ähnlich alte Verträge einseitig in die Tonne kloppen könnte. Könnte ja irgendwann mal nützlich sein...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Vielleicht merkt man ja bei der ganzen Verwunderung über die Einmischung von Regierungen in private Lebensbereiche wie Religion, Partnerschaft, Nachwuchs usw., dass ein Staat womöglich doch ganz andere, eigene Interessen hat, als zunächst angenommen. Dann muss man sich wenigstens nicht mehr wundern, was das eigentlich soll oder noch schlimmer, das Ganze für ein Art historisch bedingten Betriebsunfall halten.


    An der aktuellen Debatte um islamischen Religionsunterricht, Kitas usw., merkt man doch ganz deutlich, was das Ziel dieser Einmischung ist und das dies mit Religion im theologischen Sinn oder sonstiger Moral nichts zu tun hat.

Werbung