Schülerkritik am Unterricht

  • Ich würde mich über Anregungen bzgl. folgender Situation freuen.


    Schüler eines Oberstufenkurses kommen nach der Stunde zum Lehrer und bemängeln die Art des Unterrichts, insbesondere im Vergleich zu einem Kollegen des Parallelkurses. Der Vorwurf lautet, dass die Klausurenvorbereitung methodisch nicht adäquat wäre (zu viel am Buch, zu wenig Tafelanschrieb, zu wenig Extramaterialien, zu viel Vortrag und Diskussion). Der Kollege des Parallelkurses ist eine fachlich absolut passionierte, didaktische Koryphäe, der Kritisierte ist Junglehrer. Hier werden ihm anscheinend fehlende Standards des Unterrichts zum Verhängnis. Muss sich der kritisierte Lehrer evtl. enger mit dem Kollegen absprechen oder sogar die gleichen didaktischen Methoden übernehmen?


    Danke!

  • Nö. Du macht deinen Unterricht. Dass du, im Vergleich zu jemanden der das seit Jahren macht, unerfahrener bist, ist normal.


    Entspann dich. Sollen sie meckern.


    P.S.
    Es kann nie ein zuviel am Lehrbuch geben 8)

  • Die gleichen Methoden übernehmen? Nein. Jeder Lehrer ist anders, und man sollte "seinen" Stil finden und umsetzen.


    Aber ich denke man sollte solche (dem Anklang nach ja durchaus konstruktive) Kritik auch nicht ignorieren, sondern selbstkritisch überlegen, was von der Kritik vllt. zutrifft. Falls es da etwas gibt, sollte man versuchen an den Mängeln zu arbeiten - z.B. indem man selbst im Zuge der Unterrichtsvorbereitung überlegt, welche zentralen Ergebnisse man an der Tafel wie festhalten kann, oder auch indem man den Parallelkollegen um konkreten Rat bittet (z.B. "Ich weiß nicht wirklich, wie ich die Schüler konkret auf das Textformat in der Klausur vorbereiten soll. Hättest du eventuell ein paar Tipps, wie du das machst? Du hast ja wesentlich mehr Erfahrung als ich.").


    Sich mit Parallelkollegen abzusprechen finde ich übrigens immer sinnvoll, weil es einerseits dir als Junglehrer Sicherheit gibt, dass du z.B. keine wichtigen Themen "vergisst", und andererseits den Schülern auch mehr Sicherheit gibt, wenn sie merken, dass ihr in etwa (!) dieselben Inhalte durchnehmt. Die Methoden dürfen sich aber selbstredend je nach Lehrertyp voneinander unterscheiden, und "zu viel am Buch" finde ich als Kritik durchaus schwierig - aus Schülersicht wirkt es natürlich langweilig, Seite für Seite im Buch zu arbeiten, aus Lehrersicht würde ich dazu sagen: Ein Buch ist dazu da, genutzt zu werden, und Unterricht in welchem man ein Buch regelmäßig nutzt kann trotzdem wertvoll sein.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Danke für die Anregungen!


    Ich werde die Kritik durchaus ernst nehmen und sensible Punkte wie die Sicherung zentraler Inhalte (als Lerngrundlage für die Klausur) anpassen.


    Auch ich sehe die konsequente Arbeit am Fachbuch für die Schüler als Vorteil, da so eine gute Struktur gewährt ist. Allerdings habe ich den Eindruck, dass mir die Schüler durch die Blume vermitteln wollen, dass ich zu faul bin, eigene Arbeitsblätter, Übersichten von Begriffsdefinitionen, Modellerläuterungen, etc. zu erstellen. Ich habe z.T. sehr anspruchsvolle Schüler, welche den Lehrern genau auf die Finger schauen und die erwarten, dass man "liefert".

  • Ich kann dich gut verstehen! Im letzten Schuljahr hat eine Schülerin einmal im Unterricht "gemault", dass der Unterricht "in letzter Zeit irgendwie ganzschön eintönig ist" und wir "nur noch mit dem Buch arbeiten." Mich hat das tatsächlich getroffen - weil es mir (eigentlich) wirklich wichtig ist, den Unterricht so vorzubereiten, dass ich willigen Schülern Freude an meinem Fach vermitteln kann.
    Sie hatte Recht mit ihrer Kritik. Ich war zu der Zeit einfach überlastet, rutschte von einer Korrekturphase in die nächste und musste einfach irgendwo "cutten". Es traf diesen Kurs, der, da ohne Abiturienten, "nicht so wichtig" war wie meine anderen Kurse. Ich habe den Unterricht kaum noch vorbereitet, mich auf das Buch verlassen, die Texte auf immer dieselbe Weise mit Aufgaben aus dem Buch dazu bearbeiten lassen und diese immer gleich ausgewertet. Der Unterricht war in dieser Zeit methodisch wirklich wenig abwechslungsreich und die Schüler haben diesen Abfall an Unterrichtsqualität ganz offensichtlich wahrgenommen. Es tat mir wirklich sehr Leid, als Konsequenz habe ich die Unterrichtsvorbereitung bei ihnen wieder etwas raufgefahren, aber trotzdem hauptsächlich mit Material aus dem Buch gearbeitet, weil ich für anderes keine Zeit hatte. So war es wieder "okay", wenn auch nicht "super".
    In diesem Schuljahr habe ich wieder einen Kurs derselben Jahrgangsstufe. Diesmal habe ich mit genau der damals kritisierten Unterrichtsreihe angefangen, weil ich zu Beginn des Schuljahres einfach noch genug Zeit für eine wirklich gut überlegte Vorbereitung hatte. Die Reihe ist inzwischen abgeschlossen, ich habe mir ein anonymes Feedback geben lassen: Alles supi, die Schüler fanden es toll - und ich auch. Diesmal hatte ich richtig Spaß an dieser Reihe und bin nun wieder ganz mit der Lehrerin in mir im Reinen und freue mich, diese Reihenplanung demnächst wieder zu verwenden :) .


    Warum schreibe ich das? Erstens um dir zu signalisieren, dass du nicht der/die einzige bist, der mal solche Kritik bekommt (im Kollegium sagt man das ja eher ungern so offen). Zweitens um dir zu versichern, dass ich verstehen kann, weshalb dich die Kritik vllt. trifft und dass das aus meiner Sicht nichts mit Unprofessionalität zu tun hat - deine Professionalität zeigt sich darin, wie du mit der Kritik umgehst. Drittens um zu zeigen, dass es sich nicht nur für deine Schüler, sondern auch für dich lohnt an den Kritikpunkten zu arbeiten, dass es aber aus meiner Sicht auch normal ist, wenn solche Verbesserungen auch ihre Zeit brauchen und man sich nicht mehr als das Leistbare abverlangen darf.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Danke für deine Ermutigung, Midnatsol.


    Auch mir geht es des Öfteren so, dass ich substantiell an der Unterrichtsvorbereitung sparen muss, weil es viele andere Baustellen gibt oder weil ich es einfach nicht einsehe, nach einem durchkorrigierten Wochenende Stunden damit zu verbringen, Extramaterialien vorzubereiten. Ich gehöre auch durchaus zu der Sorte Lehrer, die gerne ökonomisch arbeiten und Hilfestellungen wie Schulbücher dankend annehmen. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch ein gutes Verhältnis zu den Schülern bewahren und ihnen eine vernünftige Abiturvorbereitung ermöglichen. Wenn die Schüler jedoch den Eindruck haben, der Kollege des Parallelkurses bietet eine wesentlich bessere Abiturvorbereitung, könnte es über die Schülerkritik hinaus möglicherweise auch zu (juristischen?) Klagen der Eltern kommen. Welche Handhabe hätten die Eltern in diesem Falle mit gegenüber und welche Kriterien würden dabei zum Tragen kommen?

  • ...Wenn die Schüler jedoch den Eindruck haben, der Kollege des Parallelkurses bietet eine wesentlich bessere Abiturvorbereitung, könnte es über die Schülerkritik hinaus möglicherweise auch zu (juristischen?) Klagen der Eltern kommen. Welche Handhabe hätten die Eltern in diesem Falle mit gegenüber und welche Kriterien würden dabei zum Tragen kommen?

    1. ich wäre als Schüler vor (über) 20 Jahren nicht im Traum darauf gekommen, mich über Methoden zu beschweren.
    2. Meine Schüler beschweren sich eher darüber, dass ich nicht strikt genug das Arbeitsheft durcharbeite, die Eltern, dass ich manchmal Freiarbeit anbiete (spielen die hier nur?? also wir damals...) und das an der Förderschule 8)
    3. nein, niemand kann Methoden einklagen, denn: pädagogische Freiheit. Aber an der Schülerbeziehung kann man arbeiten. So, jetzt erzählt mal, was vermisst ihr? okay, ich überlege mir dazu was. Aber ihr dürft mir vertrauen, ich hab meinen Job gelernt und ihr bekommt genau das, was ihr fürs Abi braucht. Atmet mal tief durch. Und wer mehr machen will, kauft sich folgende Bücher...


    Gib den Schülern n bisschen Verantwortung zurück, deswegen kannst du trotzdem den Kollegen um Rat fragen. Ich würde ihnen aber nicht vermitteln, dass du jetzt alles änderst, damit keiner mehr nölt. Wenn du das tust, kannst du sicher sein, dass erst recht genölt wird, da das Gefühl entsteht, dass du nicht weißt, was du willst und nölen gerechtfertigt wäre.

    • Offizieller Beitrag

    wogegen sollte denn geklagt werden? Dagegen, dass du das an der Schule eingeführte Lehrbuch verwendest??


    Tafelanschriebe zum Lernen sind allerdings schon sehr wichtig, und je strukturierter, desto *lern* ;)
    das lässt sich ja recht schnell verbessern.


    Ansonsten würde ich das Gespenst der klagenden Eltern mal wegschieben ;)


    Du kannst sicher nachweisen, dass du den Lehrplan erfüllst und deine Noten sind transparent, also.... :pfeif:


    edit: ernst nehmen würde ich die Kritik auch. Auch vll mal mit dem begnadeten Kollegen reden. Aber du solltest dir nicht ins Hemd machen ;)

  • Erstens: Du bist nicht der Kollege aus dem Parallelkurs. Was auch immer der macht, das muss dich nicht in Zugzwang setzen.
    Zweitens: Niemand freut sich über Kritik, das ist klar. Aber anhören sollte man sie durchaus, wenn sie sachlich vorgebracht ist. Was daran in welcher Form berechtigt ist, kann man dann ja überlegen. Manches ist vielleicht einfach umzusetzen, z.B. die Extramaterialien.
    Meine Erfahrung: Wenn man mit Kritik angemessen umgeht, wird die Kritik, die man selbst an Schülern übt, ganz anders wahrgenommen. Und man kann sie anders in die Pflicht nehmen.


    Und: So leicht klagt es sich nicht, wirklich nicht.

  • Ich würde den Kollegen einfach mal fragen, ob ich ein paar Stunden bei ihm hospitieren kann. Ich mache das auch heute noch hin und wieder, dass ich mich bei meinen Kollegen hinten reinsetze wenn ich das Gefühl habe, ich bräuchte mal wieder Inspiration.



    Übersichten von Begriffsdefinitionen, Modellerläuterungen

    Das kannst Du sie auch selber machen lassen und schon haben sie ihre methodische Abwechslung. Bezüglich "zu wenig Tafelanschrieb" ... Oberstufenschüler müssen lernen, selber mitzuschreiben. Deine Aufgabe ist es, sie zunächst anzuleiten, irgendwann sind sie aber einfach selbst verantwortlich, ihren Kram zusammenzuhalten. Ich schreibe in der 10. Klasse typischerweise noch jeden Satz mit den SuS zusammen auf, dann gehe ich dazu über zu diktieren und irgendwann heisst es "schreiben Sie bitte selbst auf, was Sie für wichtig halten". Wer das nicht auf die Reihe bekommt, ist auch nicht studierfähig.


    Wenn es um Chemie geht ... nun, es macht halt schon einen Unterschied, ob man beim Thema "Gleichgewicht" z. B. die Ammoniak- oder Schwefelsäure-Synthese als Beispiel nimmt, die üblicherweise in den Schulbüchern steht, oder ob man sich mit der Entstehung von Dioxin im Zusammenhang mit Agent Orange befasst (steht halt nicht im Schulbuch). Rate, was die SuS spannender finden ... Das soll jetzt von mir nicht auch noch Kritik sein, ich kenne Dich und Deinen Unterricht ja gar nicht. Ich will Dich nur darauf hinweisen, dass man in manchen Fächern halt ein bisschen mehr den "Clown" geben muss, als in anderen Fächern um die SuS bei Laune zu halten. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mal ein Repertoire mit solchen Unterrichtsreihen anzulegen, die kannst Du ja hinterher noch ein paar mal wieder gebrauchen. Macht vielleicht zu Beginn ein bisschen mehr Arbeit, aber wenn Du sagen wir 80 % Buch und 20 % Eigenkreaktion machst, reisst Du Dir eigentlich auch kein Bein damit aus.

  • Ich kenne diese Kritik gut. Was ich für mich bisher festgestellt hab ist, dass man es echt nicht zu persönlich nehmen sollte. Ich finde davon sichtbar getroffen zu sein und verunsichert, macht das ganze Klima nur schlechter. Für Schüler ist man der einzige Lehrer, bei dem es langweilig ist, das entspricht aber meist nicht der Realität, denn die Kollegen arbeiten auch mit dem Buch. Ich war jetzt mal hospitieren beim Kollen, die Stunde war top. Inhaltlich haben sie ein Bild besprochen und 20 Minuten Stichpunkte aus dem Buch geschrieben. Daraus dann ein Fazit gezogen. “Spannend“ ist daran gar nix, gelernt haben sie trotzdem ne Menge.


    In der Oberstufe mach ich es jetzt so, dass ich meine Tafelbilder vorher schon digital fertig mache, dann schreiben sie erstmal was ab/ich erklär was, dann wird an Texten geübt usw., das wird besprochen. Vor allem achte ich drauf, mich selber fachlich tiefgründiger vorzubereiten, wirklich alle Texte selber vorher genau zu bearbeiten, damit ich weiß, was rauskommen soll und die SuS intensiv danach fragen kann. Und die Stoffmenge hab ich jetzt auch erhöht, also dass sie hinterher mehr in ihrem Hefter stehen haben und das Gefühl haben, “viel lernen“ zu müssen.

  • Es wundert mich, dass das hier bisher bzw. ausgängig ein Gym.-Thread ist!


    Für mich ist das eine Methode, die ich bei schwachen Schülern anwende.
    Flipped Classroom mache ich sogar in manchen BK-Klassen (à la "Diesen Text lesen Sie bitte zuhause oder in der U-Bahn, damit wir im Unterricht gleich darüber diskutieren können und keine wertvolle Zeit für's Lesen drauf geht.")


    Wenn Schüler wollen, dass mehr "aufgeschrieben" wird - was mir auch schon vorgekommen ist - schien mir das Problem, dass manche Schüler nicht verstehen, was der Lehrer sagt. Sie brauchen was "handfestes", an dem sie sich festhalten können, dass sie "pauken" können.
    Das ist natürlich auch schön und gut, aber das ist ja (je nach Schulart/Klasse) wirklich nur Reproduktion/"Anforderungsbereich I".


    Wie hier schon gesagt wurde:

    Oberstufenschüler müssen lernen, selber mitzuschreiben.

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