Schülerin arbeitet nicht.

  • Ich habe eine Schülerin in meiner zweiten Klasse, die sich in schriftlichen Arbeitsphasen komplett verweigert. War schon am Ende der ersten so. Elterngespräche fanden statt. Keine Änderung. Sie ist die zweite von 5 Kindern, die Eltern haben einen Bauernhof. Bei den Sachkundethemen arbeitet sie erfreut mit, sonst nicht, erzählt auch kaum etwas. Meine Beobachtungen: Sie verletzt sich selbst mit einer Schere am Schienbein, bis es kräftig blutet. Die Mutter berichtet, dass sie nach dem "Schnitzen" auch verletzt sei. Als wir das Thema Wiese hatten und ein Terrarium anlegten, kam sie mit einem Schneckenhaus, indem sich eine tote Schnecke mit 2 Löchern im Körper befand. Das habe ich den Eltern alles erzählt und hoffte irgendwie auf Besserung durch die Sommerferien. Leider ist alles so wie am Ende der ersten Klasse. Das Mädchen macht auch irgendwie einen depressiven Eindruck, wirkt störrisch und verschlossen, wenn ich mit ihr allein reden möchte. Habt ihr Tipps?

  • Wir sind eine winzige Dorfschule und müssen den schulpsychologischen Dienst anfordern, das kann aber dauern. Es gibt auch eine Beratungslehrerin, die wir ordern können, aber die ist eher für Lernprobleme zuständig.

  • Hm.
    Ich würde dann an deiner Stelle den schulpsychologischen Dienst anfordern, auch wenn es dauert.
    Oder der Mutter in einem Elterngespräch die Problematik klarmachen und sie bitten, mit dem Kind zum Kinderpsychologen zu gehen. Dass das Mädchen die Arbeit verweigert, sich selbst verletzt und Tiere tötet, klingt nach einem Hilfeschrei. Das wirst du wahrscheinlich alleine nicht lösen können, denke ich.

  • Ich hatte der Mutter das schon empfohlen, aber ich habe den Eindruck, dass sie die Sachlage unterschätzt oder keine Zeit dafür hat. Manche Eltern neigen auch gerne dazu, die Schuld bei irgendwelchen Sitznachbarn zu suchen...

  • Meist wird es den Eltern ja viel bewusster, wenn es Noten gibt und dann eben mal eine 5 oder 6 auf dem Blatt steht. Gibt es die bei euch in BW auch zum Halbjahr? Wenn das Mädchen "nur" die Arbeit verweigern würde, fände ich Elterngespräche und Abwarten noch vertretbar. Aber die Schnitte / Verletzungen finde ich bedenklich. Das siehst du wahrscheinlich ähnlich, sonst hättest du hier nicht gefragt.
    Dann doch der schulpsychologische Dienst? Hoffentlich gibt dir die Mutter ihr Einverständnis...

  • Gespräch mit Eltern, zus. mit Kollegen, am besten SL. Ich bitte Sie dringend einen Therapeuten aufzusuchen. Das Verhalten Ihrer Tochter ist besorgniserregend. Es ist nicht normal, dass... Ich mache mir große Sorgen, weil... Bis wann kümmern Sie sich um einen Termin? Das halte ich an dieser Stelle/ in diesem Formular fest. Ich habe hier Adressen von Beratungsstellen und Ärzten in Ihrer Nähe... Sie sind als Mutter verpflichtet, sich angemessen um jedes Ihrer Kinder zu kümmern und ich bin verpflichtet, mich bei derartigen Verhaltensänderungen an das Jugendamt zu wenden, wenn Sie sich nicht weiter kümmern sollten. Gut, dann frage ich bis zum Soundsovielten nach, ob Sie sich Hilfe gesucht haben...

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Ich hatte der Mutter das schon empfohlen, aber ich habe den Eindruck, dass sie die Sachlage unterschätzt oder keine Zeit dafür hat.

    Ich würde so wie es Krabappel vorgeschlagen hat, vorgehen. Wenn sich in den nächsten Wochen dann nichts getan hat, würde ich das Jugendamt einschalten. Es gibt teilweise auch innerfamiliäre Gründe, warum die Eltern oder ein Elternteil nicht eingreift oder das Problem herunterspielt.

  • @ Kathie: Im ersten Halbjahr gibt es noch keine Noten, aber auf den Klassenarbeiten und Tests stehen die Punkte, man kann es annähernd erahnen. Halbjahreszeugnis erfolgt in einem Schüler-Eltern-Lehrergespräch. Noten in Deutsch und Mathe ab dem zweiten Halbjahr und auf dem Zeugnis.
    Wenn es so bleibt, sind die Noten unterirdisch, obwohl sie es könnte....aber vllt. wird es dann auch den Beteiligten klarer.

  • Ich denke ja auch, dass es ohne professionelle Hilfe nicht geht. Irgendwie hatte ich gehofft, dass bei anderen Grundschülern auch schon mal so etwas vorkam und jemand DIE zündende Idee hätte, ohne dass ich anders tätig werden muss. Aber wahrscheinlich geht es nicht anders. So ein Verhalten stelle ich mir eher in der Pubertät vor.

  • Vor allem die selbstverletzenden Veraltensweisen finde ich sehr alarmierend, zeitweise nicht sprechen auch.
    Statistisch gesehen ist in jeder Klasse ein Kind, das sexuelle Gewalt in irgendeiner Form erlebt hat. Ich sag das keinesfalls, damit man über die Ursachen spekulieren sollte, sondern damit du dich eher traust, da dran zu bleiben. Schön ist das natürlich nicht, sich mit Eltern anzulegen. Deswegen auf jeden Fall zu zweit und möglichst sachlich und verbindlich bleiben.

  • Die Eltern sind wie viele hier "überchristlich", und das anzusprechen ist schwierig, aber du hast Recht. Hab gerade per PN eine ähnliche Nachricht erhalten. Darauf war ich jetzt selber noch gar nicht gekommen. Muss ja nicht direktes Umfeld sein.

  • Sexueller Missbrauch ist fast immer direktes Umfeld. Aber es können ja auch ganz andere Ursachen sein. Ursachen würde ich auch nicht ansprechen, das führt zu nichts Gutem. Wichtig ist, dass sich die Familie Hilfe sucht und weiß, dass die Schule offene Augen hat. Überstürzen sollte man nichts. Es sei denn, Kinder sprechen etwas Konkretes von sich aus an und bitten um Hilfe, dann muss man sofort handeln.

  • Natürlich, möglich. Oder traumatisches Erlebnis irgendeiner Art. Oder sie nimmt sich Hänseleien sehr zu Herzen, hat ein ganz schlechtes Selbstbild aufgebaut und traut sich nichts mehr zu. Ihr Verhalten kann ja viele Gründe haben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich das jemand mal ansieht, der sich damit auskennt.


    Mach es so, wie Krababbel es oben vorschlägt. Du willst ja auch auf der sicheren Seite sein, nichts zu versäumen...

  • Ich kann mich dem nur anschließen. Das klingt alarmierend und da sollten andere Fachkräfte einbezogen werden.
    Außer dem schulpsychologischen Dienst kannst du den Eltern noch nahelegen, ein sozialpädagogisches Zentrum aufzusuchen. Am besten mit Krabappels herrlich verbindlichen Formulierungen, die sind super! :top:

  • ...Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich das jemand mal ansieht, der sich damit auskennt...

    Genau das. Für Diagnosen sind andere zuständig.


    Ich verstehe, dass du gern wissen würdest, was die Ursachen sind und eine angeborene Erkrankung dich beruhigen würde. Ich würde mich jedenfalls in Gegenwart der Eltern tunlichst mit Spekulationen zurückhalten. Immer ans Beobachtbare halten. Was meinst du mit "einfach depressiv"? Ich spreche aus Erfahrung... Schwupps ist die "Tür" nämlich zu und je nach Eltern kriegst plötzlich du die Probleme. Oder ein Problem wird verharmlost, weil "Autismus" oder "ADHS" oder "Depression" alles zu erklären scheinen.


    Ist immer so ein Grat bei Kindeswohlgefährdung, hartnäckig zu bleiben, ohne sich zu sehr vereinnahmen zu lassen. Sich nicht abwimmeln zu lassen, ohne die contenance zu verlieren. Zu wissen, was Kindern angetan wird, das auszuhalten und nicht die Nerven zu verlieren, das haben die Kids ja schon sonst überall in ihrem Umfeld...

  • Also, gehänselt wird sie nicht und ausgeschlossen auch nicht. Die Kinder sind lieb zu ihr. Sie hält sich ja aus dem Mädchengezicke (ich habe 14 Stück) sowieso raus und ist lieber für sich. In der Pause spielt sie manchmal mit den anderen. Bei Sport wird sie gewählt.
    Nach dem Unterricht zieht sie sich ewig nicht um. Auch da muss ich sie anschieben und wir warten immer. Vllt. hat sie auch auf den nächsten Unterricht keine Lust. Ich verstehe es nicht. Ich bin immer sehr lieb zu ihr, bin in den Augen meiner Kolleginnen die am wenigsten Strenge. Trotzdem fordere ich bei ihr mit Nachdruck die schulischen Dinge ein, die sie verweigert. Aber erfolglos bei ihr und bei allen anderen Schülern geht es gut.


    Die Beiträge hier bestätigen mich, dass meine Sorge nicht unbegründet ist und dass professionelle Hilfe her muss.

    Einmal editiert, zuletzt von lamaison ()

  • Hatte mal einen ähnlichen Fall - aber älter.
    Wir haben mit der Schulleitung zum
    Gespräch eingeladen - das war gut, um
    die Verbindlichkeit der Vereinbarung und ernsthafte Sorge um das Kind zu unterstreichen. Die Eltern waren geradezu dankbar für das Gespräch und haben verstanden , dass es uns um das Kind ging.
    Ein Termin beim Kinder - und Jugendpsychiater wurde festgehalten und von den Eltern sich eingehalten.
    Viele folgten und es stellte sich eine Störung im Autismus-Bereich heraus. Dem Kind konnte geholfen werden, die Eltern brauchten den “Augenöffner” . Es war wichtig , dass wir keine Schuldzuweisung betrieben , Wertschätzung und Sorge um Gespräch zeigten und den Eltern immer wieder Unterstützung anboten. Bitte nicht vorab spekulieren , es gibt Profis , denen sollte man das überlassen. Wünsche viel Erfolg .

  • Nach dem Unterricht zieht sie sich ewig nicht um.

    Klappt das denn vor dem Unterricht zügig? Kann sie alles andere zügig? (Anziehen für die Pause, Ranzen packen, ...)



    Trotzdem fordere ich bei ihr mit Nachdruck die schulischen Dinge ein, die sie verweigert. Aber erfolglos bei ihr und bei allen anderen geht es gut.

    Also bei allen anderen Lehrern arbeitet das Mädchen?
    Oder alle anderen Kinder arbeiten gut?



    Die Beiträge hier bestätigen mich, dass meine Sorge nicht unbegründet ist und dass professionelle Hilfe her muss.

    :top: Manchmal hilft, das Problem aufgeschrieben zu sehen, um die Dramatik zu erkennen, geht mir auch oft ähnlich.

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