Fibel schlägt Rechtschreibwerkstatt

  • @icke,


    das hast du überzeugend dargelegt. Danke.


    Ich kenne ja die Reichen-Methode und das alles nur aus zweiter Hand. Ich dachte, vielleicht ging mit ihrer Einführung auch einher, dass nur noch Lücken auf Arbeitsblättern bzw. in Arbeitsheften ausgefüllt werden? Dann ist das wohl Zufall oder mein Eindruck trügt.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • In Deutschland auch. Vielen Fibeln oder allen eigentlich liegen Anlauttabellen bei, was aber nicht bedeutete, dass nach Lesen-Durch-Schreiben unterrichtet wird.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Die Kritik, die im Zusammenhang mit vermeintlichen oder tatsächlichen Schwächen der Methode „Lesen wie Schreiben“ – bekannt auch als „Schreiben wie Hören“ – an den Grundschulen geübt wird, verliert jedes vertretbare Maß. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (und Leiter eines bayerischen Gymnasiums), will mit einem bundesweiten Verbot „weiteren Schaden von unseren Grundschülern abwenden“. Die konservative Tageszeitung „Die Welt“ versteigt sich gar zu einem Kommentar mit dem Titel „Solche Bildungsexperimente zeigen Verachtung für Kinder“. In dem Beitrag ist von „irgendeiner esoterischen Unterrichtsmethode“ die Rede, die flächendeckend eingeführt worden sei. Geht’s noch? (...) Sehr viel wahrscheinlichere Ursachen sind doch wohl Entwicklungen, die die Grundschulen in den letzten Jahren mit voller Wucht getroffen haben: die Inklusion vor allem, aber auch die Aufnahme von Flüchtlingskindern und anderen sprachlich förderbedürftigen Schülern. Auch die dank des Wirtschaftsbooms drastisch gestiegene Erwerbstätigenquote unter Frauen mag ihren Einfluss haben – viele Mütter fallen als Förderkräfte am Nachmittag aus. Stattdessen eine einzelne Lehrmethode für Leistungsdefizite verantwortlich zu machen, ist für Politiker bequem. Dann sind eben die Lehrer schuld, und nicht die völlig unzureichende Ressourcenausstattung der Schulen. „Schwarzer Peter“ heißt das Spiel.
    Und es verfängt. Beim Bildungsbarometer des Münchner ifo-Instituts, der umfassendsten Umfrage zur Schulpolitik in Deutschland also, lehnt eine Mehrheit der Deutschen „Schreiben nach Gehör“ ab. Dabei dürfte es kaum jemanden geben, der überhaupt erklären könnte, was es mit der Methode auf sich hat. Die mediale Berichterstattung beschränkt sich meist auf Zerrbilder, siehe oben.
    http://Https://www.news4teache…-zum-schaden-der-schulen/


    Ich glaub ja auch, dass das mal wieder ein ziemlicher Medienhype ist. Icke hat die wirklichen Probleme in der Grundschule ja dargestellt.


    Ich hatte jahrelang 5. Klassen in Deutsch. Die Lehrmethode, die in den jeweiligen GSen meiner 5er angewandt wurde, hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Rechtschreibkopetenz. Was einen Einfluss hatte, war, ob die Kinder zu Hause lesen, ob sie häufig in Kontakt mit richtig geschriebener und gesprochener deutscher Sprache waren, ob sie in Ruhe arbeiten konnten, und ob sie das Abstraktionsvermögen für Regelhaftigkeiten hatten. Und das Lesen, das Lesen, das Lesen.

  • Mich ärgert, dass sogar die GEW mit auf die Methode einprügelt, ohne eben darauf hinzuweisen, dass Reichen etwas ganz anderes ist, als vielleicht mal eine Anlautabelle zu nutzen und ganz am Anfang "Mama ich liep dich" zu schreiben.

    • Offizieller Beitrag

    Das würde mich auch ärgern. Habe dazu gar nix gefunden? Die Hauptprügel kommt jedenfalls von den üblichen Verdächtigen:

    Zitat

    Umso unverständlicher, dass sich auch Lehrer – genauer: der Philologenverband und der Deutsche Lehrerverband – vor den Karren spannen lassen. Sie müssten eigentlich wissen, dass Eltern und Politiker kaum die richtigen Instanzen sind, um fachgerecht über pädagogische Kernkompetenzen – und dazu gehören Unterrichtsmethoden zweifellos – zu urteilen. Wenn der Damm jetzt bricht, können sich auch Gymnasiallehrer nicht mehr sicher sein, dass nicht bald auch ihre Methoden öffentlich verhackstückt werden: Frontalunterricht verbieten? Die Klagen der Universitäten über kaum studierfähige Abiturienten könnten das nahelegen. Gruppenarbeiten verbieten? Bestimmte Sitzordnungen verbieten? Warum nicht? Auch dazu werden sich sicher bald Studien finden lassen, die einen Zusammenhang zum Lernerfolg erkennen lassen. Ein Germanistik-Professor will unlängst ja auch herausgefunden haben, dass ein Lehrer, der sich von seinen Schülern duzen lässt, negativen Einfluss auf die Rechtschreibung hat. Welches Verbot sich daraus ableiten lässt, liegt auf der Hand.

  • Heute morgen wurde eine Dame von der GEW dazu interviewt...
    Der Bericht wars: https://rtlnext.rtl.de/cms/stu…esten-4222686.html?c=ddbf Heute morgen hat sie aber noch mehr gesagt.


    Hier: https://www.waz.de/politik/sch…h-gehoer-id215345085.html


    lese ich "Die Lehrergewerkschaft GEW erklärte, dass kaum eine Schule allein auf „Schreiben nach Gehör“ setze, vielmehr komme ein Mix zum Einsatz. Freies Schreiben werde durch einen systematischen Rechtschreibunterricht ergänzt, hieß es."


    Das klingt schon besser.

    • Offizieller Beitrag

    Gibt‘s da nen Link? Vielleicht schreib ich die mal an. Bei uns hier herrscht dazu ne sehr differenzierte Tonlage und Einschätzung. Edit, wegen nachgetragenem link: danke! Edit2 leider funktioniert beides bei mir nicht. Aber ist auch egal für die Diskussion hier.
    Der von dir zitierte Satz ist ja noch keine Kritik.

  • Heute morgen hat sie meiner Meinung nach mehr dazu gesagt. Ich weiß nicht, ob da was geschnitten wurde. Ich habe mich zumindest ein wenig geärgert.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe mich heute Morgen mit einer Kollegin gestritten, die Sonderpädagogin ist und meint, dass nicht analytisch-synthetisch gelehrt wird, sobald eine Anlauttabelle auch nur beiliegt. Grrrrr!
    Ich kann mich schemenhaft an meinen Fibelunterricht erinnern: Alle lernen zur gleichen Zeit das gleiche im gleichen Tempo mit genau der gleichen Methode. Man durfte offiziell keine Buchstaben und Wörter schreiben, die noch nicht offiziell eingeführt waren. (Heimlich habe ich das natürlich zu Hause getan.) Der Wortauf- und -abbau, der typisch für dieses analytisch-synthetische Vorgehen ist, musste quasi immer mit allen gemeinsam nach der immer gleichen Schrittfolge gemacht werden.
    Das half dem Mittelfeld. Die leistungsschwachen wurden überwiegend abgehängt, die leistungsstarken langweilten sich und wurden mit Druck der Lehrer und Eltern "brav" gehalten (oder eben nicht, dann liefen sie Gefahr, Schulversager zu werden).


    Damals gab es ein breites Mittelfeld, und all das, was icke schrieb, kann ich nur 10mal unterstreichen.


  • Ich will wirklich keinen Streit anfangen Conni, aber ich kenne nicht einen Menschen über 50, der eine so hundsmiserable Rechtschreibung hat, wie es sich manche Abiturienten bei uns zur Zeit erlauben (und ich komme aus einer Arbeiterfamilie, d.h. ich hab genug Kontakt zu Personen die einen Volksschulabschluss + Lehre gemacht haben). Die Fähigkeiten im Bereich Rechnen, Lesen, Schreiben sind massiv eingebrochen und das ist das einzige was ich von der Grundschule erwarte. Ich kann problemlos 25 Kindern beibringen, wie sie einen Computer nutzen, aber ich hab echt keine Zeit und keine Lust dazu, im Matheunterricht
    a) 1x1 Reihen üben zu lassen (kleines und großes)
    b) das Lesen von Schreibschrift zu erläutern
    c) die schriftlichen Grundrechenarten von Grund auf beizubringen (Wiederholung ist sowieso Inhalt von Klasse 5, aber wie ein Kind eine uneingeschränkte Gymnasialempfehlung erhält, ohne schriftlich multiplizieren und dividieren zu können ist mir absolut schleierhaft)
    d) (in Sachkunde könnte man gewisse Dinge, die unter Allgemeinwissen fallen vielleicht auch mal auswendig lernen lassen. Die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg als deutsche Bundesländer, da gruselt es mich schon ein wenig)


    Ich weiß, dass das nicht an den Grundschulkollegen, sondern an den Vorgaben aus den Ministerien liegt...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    • Offizieller Beitrag

    Ich will wirklich keinen Streit anfangen Conni, aber ich kenne nicht einen Menschen über 50, der eine so hundsmiserable Rechtschreibung hat, wie es sich manche Abiturienten bei uns zur Zeit erlauben (und ich komme aus einer Arbeiterfamilie, d.h. ich hab genug Kontakt zu Personen die einen Volksschulabschluss + Lehre gemacht haben). Die Fähigkeiten im Bereich Rechnen, Lesen, Schreiben sind massiv eingebrochen und das ist das einzige was ich von der Grundschule erwarte.

    Siehe Beitrag von icke. 8)

  • Stell dir mal vor, ich habe auch keine Lust, Valerianus, ständig ab Klasse 2 bis Ende 4 das kleine Einmaleins zu üben. Glaubst du eigentlich wir liegen da in der Grundschule in der Hängematte.


    Die Leistungen sind eingebrochen und du erwartest! dass die Grundschule das alles auffängt? Schonmal über Ursachen Gedanken gemacht?


    Verdammt geh doch mal in eine frisch eingeschulte Schulklasse und schau dir an, mit was wir STARTEN.


    Dazu kommen die Flüchtlingskinder. Ich habe in einer aktuellen 3. Klasse ein Mädchen, die nicht mal zählen kann. Und die soll ich neben den anderen sowieso schon 23 sehr heterogenen Kindern auch noch unterrichten. Alleine!


    Einfach mal auswendig lernen lassen? Deine Gymkinder können das vielleicht. Die Gym-Kinder meiner Klassen auch. Aber warte wir haben ja nicht nur die...

  • Wobei man im Arbeitsheft arbeiten und trotzdem einen Hefteintrag verfassen könnte. Traurigerweise schreien meine Schüler im Kollektiv auf, wenn mehr als 2 Sätze an der Tafel stehen: ob ich sie bestrafen wolle?! Neulich haben wir gar in Mathe Wörter ins Heft übertragen! Ein persönlicher Affront. Vielleicht muss man sich wirklich wieder trauen, mehr Langweiligkeiten einzubauen, Abschreiben kann sooo kontemplativ sein. Aber in Zeiten, wo Fegen beim Hausmeister verboten wird und Hausordnungschreiben zur Strafe der Wahl werden muss... :flieh:

    • Offizieller Beitrag

    Stell dir mal vor, ich habe auch keine Lust, Valerianus, ständig ab Klasse 2 das kleine Einmaleins zu üben.

    Einmaleins? Eher + und - bis 20, und "rechts und links", heute mal wieder in Klasse 4...



    Man sieht leider oft nur das, was nicht funktioniert, nicht die Arbeit, die vorher geleistet wurde.

  • Man sieht leider oft nur das, was nicht funktioniert, nicht die Arbeit, die vorher geleistet wurde.

    So ist es. Es scheint medienwirksamer zu sein, immer nur Negativbeispiele von Schule zu bringen. Kein Wunder, dass es zu wenig Lehrer gibt.

  • Man sieht leider oft nur das, was nicht funktioniert, nicht die Arbeit, die vorher geleistet wurde.

    Naja... es sind halt die Schnittstellen definiert und nicht "ich habe 10 mal 'Mama' geschrieben".

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Was ich mich halt ernsthaft frage ist das Folgende: Die Kinder sind (bis vor ca. 10 Jahren, seitdem stagniert der Quatsch) immer klüger geworden (Flynn-Effekt). Ich sehe aber gleichzeitig (und das betrifft schon meine Schulzeit gegenüber der meiner Eltern) eine massive Abnahme von Kopfrechenfähigkeiten (Überschlag, Rechnen im Zahlenraum bis 1000, kleines und großes 1x1), Rechtschreibung und Lesefähigkeit. Wie kann es sein, dass die Schule in den 50/60er Jahren all diese Fähigkeiten vermitteln konnte (und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nach dem 2. Weltkrieg eine größere Anzahl von Kindern aus traumatisierten Familienverhältnissen in der Schule sitzen hatten als heute) und das heute nicht mehr passiert?


    Meine erste Antwort waren ministeriale Vorgaben und man kann sicher auch die fehlende Unterstützung mancher Elternhäuser anprangern. Nur bin ich jetzt an einer Schule mit einem 1a Einzugsbereich und zumindest Punkt 2 fällt bei uns definitiv weg, zudem nehmen wir auch noch nur die Kinder, die nach der Grundschule als uneingeschränkt gymnasialtauglich eingestuft werden (hohe Anmeldezahlen und Ersatzschule). Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das an den anderen weiterführenden Schulformen teilweise aussehen muss, wenn unsere Schüler schon nicht ansatzweise das erfüllen, was in den Vorgaben für Ende Klasse 4 für alle Schüler steht.


    P.S.: Ich habe keine Lust mit den Schülern 1x1 Tabellen zu üben und ich muss es auch nicht (steht nicht in unserem Lehrplan), ich mach es aber trotzdem (und erfolgreich), weil damit die Geschwindigkeit beim schriftlichen Rechnen und bei der Bruchrechnung so sehr ansteigt, dass sie eine realistische Chance haben mit den Klassenarbeiten zeitlich hinzukommen. Wenn ein "uneingeschränkt gymnasialtauglicher" Schüler bei einer Aufgabe wie 7x6 die Finger rausholt und die Reihe als fortgesetzte Additionsaufgabe durchgeht...sorry, im Ernst... :)


    P.P.S.: Noch einmal, ich mache da den Lehrkräften keinen Vorwurf. Die Schüler, die wir mit Abitur abgeben sind auch nicht "allgemein hochschulreif" und das obwohl ich denke, dass wir im Vergleich auf verdammt hohem Niveau abgeben...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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