Fibel schlägt Rechtschreibwerkstatt

  • Es hat schon vor einigen Jahren eine empirische Untersuchung gegeben, die ein klares Ergebnis hatte: Kinder aus bildungsnahen Haushalten lernen mit "Schreiben nach Hören" besser, Kinder aus bildungsfernen Haushalten deutlich schlechter, für das Mittelfeld gibt es keinen Unterschied.


    Ich habe schon damals nicht verstanden, wieso die Methode nicht verworfen wird, wenn sie für die Mehrheit der Schüler keine Vorteile oder sogar Nachteile hat.

  • Es hat schon vor einigen Jahren eine empirische Untersuchung gegeben, die ein klares Ergebnis hatte: Kinder aus bildungsnahen Haushalten lernen mit "Schreiben nach Hören" besser, Kinder aus bildungsfernen Haushalten deutlich schlechter, für das Mittelfeld gibt es keinen Unterschied.


    Ich habe schon damals nicht verstanden, wieso die Methode nicht verworfen wird, wenn sie für die Mehrheit der Schüler keine Vorteile oder sogar Nachteile hat.

    Marked it for you ;)


    Nee, im Ernst: hast du nen Link dazu?

  • Ich bin überrascht wie undifferenziert hier diskutiert wird. In den Grundschul-Gruppen bei Facebook wird das viel intensiver gemacht.


    Was soll denn bitte die "Fibel-Methode" sein? Das wird in keinem Artikel erklärt. Da wird geschrieben von "Es ist wichtig, dass die Buchstaben einzeln eingeführt werden" . SO arbeiten wir schon seit 10 Jahren. Das so verpöhnte reine "Lesen durch Schreiben-Konzept" (Reichen) praktiziert keiner den ich kenne. *schulterzuck*


    Und da es hier auch mal wieder aufkommt. Ein Konzept "Schreiben nach Hören" gibts schonmal gar nicht.


    Übrigens stand auch in einem Artikel, dass die Vorkenntnisse sowie das Einzugsggebiet etc nicht in die Studie eingeflossen sind. Äh ja.


  • Und da es hier auch mal wieder aufkommt. Ein Konzept "Schreiben nach Hören" gibts schonmal gar nicht.

    Doch das gibt es. Hier in der Schweiz arbeiten viele Primarschulen damit. Das mit bekannte Lehrmittel dazu heisst "Leseschlau". Da lernen die Kinder über Mundbilder zuerst eine Lautanalyse des Wortes und dieses dann zu verschriftlichen. Es ist ein schweizer Lehrmittel.


    In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass man am besten synthetische Methoden (z.b. Anlautmethode, Buchstabiermethode..) mit analytischen (Wort als ganzes erfassen) mixt.

  • Das ist aber nicht gemeint, wenn hier von "Schreiben nach Hören" spricht, oder? In Deutschland heißt das Konzept jedenfalls richtig "Lesen durch Schreiben" nach Reichen. Und in Reinform macht das heute, zumindest in NS und HH keiner.

  • ...
    b) wahrscheinlich durch a bedingt: Die Studie lässt keineswegs offen, ob es schon zum Beginn unterschiedliche Voraussetzungen gab. Die Forscher haben die phonologische Bewusstheit gemessen (die als Voraussetzung für Lesen und Schreiben gilt) und nutzen sie als Kovariate, geben aber den Ausgangswert nicht an. Vielleicht waren die drei Gruppen am Anfang sogar gleich gut, aber bei den hohen Dropoutzahlen wäre es ein Wunder, wenn das so geblieben wäre...

    Was schließt du daraus? Dass die Ergebnisse noch extremer in die gezeigte Richtung gegangen wären? Warum gab es denn den hohen "Dropout"?


    Und wäre es nicht möglich, dass bestimmte Schulen mit bestimmtem Einzugsgebiet eben doch ganz verschiedene Voraussetzungen mitbringen?


    Interessant jedenfalls, wäre schön gewesen, mehr Schulen in unterschiedlichen Regionen einzubeziehen.

  • 3.000 Schüler sind schon eine Menge für einen Doktoranden, mehr bekommst du im Grunde nur, wenn du dich an irgendein Large-Scale-Assessment dranhängst. Dropout bei Studien an Schulen entsteht normalerweise dadurch, dass Schüler wegziehen oder ganze Schulen nicht mehr teilnehmen wollen, weil ihnen klar wird, dass Langzeitstudien manchmal wirklich für lange Zeit Leute an die Schulen schicken.
    Aus dem Poster an sich würde ich erst einmal gar nichts schließen. Man bräuchte die Zahlen für die phonologische Bewusstheit und evtl. nur für die frühen Messzeitpunkte für Rechtschreibleistung (falls da noch deutlich mehr Schüler dabei waren). Zahlen zum sozio-ökonomischen Background der Kinder wären natürlich bombig, aber du bekommst kaum Schulen, wenn du denen sagst, dass du die Eltern nach so etwas fragst (und von den Eltern gibt es auch selten Rückmeldung).

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Nee, im Ernst: hast du nen Link dazu?


    Die erwähnte Studie ist eine Metastudie, die Reinhold Funke 2014 (oder früher) durchgeführt hat. Hier ist ein Zitat aus einer Sendung des Deutschlandfunks über die Unterrichtsmethode:

    Damit sollte sich die Diskussion um diese Methode an den Schulen, an denen ein größerer Anteil der Schüler Migrantenkindern oder Kinder aus sozial schwächeren und bildungsfernen Bevölkerungskreisen sind, erledigt haben; ich kann doch als Lehrer nicht guten Gewissens eine Methode wählen, die einen guten Teil meiner Schüler benachteiligt!

  • Danke für die Erläuterungen! Genau sowas hatte ich befürchtet ... Es ist ja auch - auch wenn das erstmal kein Argument für sich ist - ziemlich plausibel, dass das Mäandrieren "auf die richtige Schreibweise hin" dann gut funktionieren kann, wenn man immer dieselbe Art Input bekommt.


    Wenn Du dann aber zwei verschiedene Sprachen mit völlig unterschiedlicher Phonetik und Schreibweise parallel lernst, müssen die sich ja zwangsläufig gegenseitig behindern.



    Was ich aber noch spannender finde: neben diesen negativen Aspekten spricht genau was FÜR schreiben durch hören? Wo also ist es nicht nur nicht von Nachteil, sondern tatsächlich von Vorteil?

  • Klar, wenn ich einen Apfel sehe, aber an "elma" (=türkisch) denke, macht die Methode keinen Sinn.


    @Marich Jern, die Idee ist folgende: eine Tabelle mit Anlauten soll Kindern helfen, einen Text selbständig zu schreiben, ohne den Erwachsenen ständig fragen zu müssen, wie man etwas schreibt. Sie ist also erstmal nur dafür da, Schreibanfängern zu ermöglichen, individuelle kleine Briefe zu verfassen, Erlebnisse zu verschriftlichen, Gefühle auszudrücken etc. Sie ist nicht dafür da, Zweitklässlern die Großschreibung nahezubringen.


    Ziel war, Kindern Lust am schriftlichen Ausdruck zu machen, bzw. zu erhalten. Ob das Ziel erreicht wird, kann ich jedoch nirgends ablesen. Schreiben Kinder häufiger oder lieber, die mit Anlauttabelle großwerden? Die Studie sagt nein.


    Ich wage sowieso zu bezweifeln, dass an vielen Schulen strikt nach Reichen gearbeitet wird. Bei meinen Kindern war z.B. eine Anlauttabelle im Buch, wurde jedoch nie genutzt. (Auch zu Hause hatten sie übrigens null Interesse daran.)


    Diese Phase, in der Kinder verstanden haben, dass Wörter aus Lauten bestehen und Laute durch Buchstaben dargestellt werden können aber nich nicht alle Buchstaben bekannt sind ist sowieso so kurz, dass ich die Aufregung darum nicht nachvollziehen kann. Kein Grundschullehrer wird bewusst Grammatik und Rechtschreibung im Unterricht vernachlässigen.


    Das Problem sehe ich eher darin, dass zu wenig geschrieben wird. In welchen Bundesländern werden in Klasse 3 und 4 noch klassische Aufsätze geschrieben? Wo wird noch mit dem Wörterbuch gesessen umd überarbeitet? Wer macht ernsthaft Schreibkonferenzen? Hier im Lande wird das jedenfalls total vernachlässigt.

  • Und nochmal danke, weil es das noch transparenter macht!


    Ich selbst hatte damit ganz gut schreiben gelernt (ich war nicht im Kindergarten, hatte aber ein "Tagebuch", wo solche Stilblüten wie "Fanser gekuk" statt "Fernsehen ... naja, geguckt halt" drin standen), aber ich bin auch in der Lage, die Evidenz von Anekdoten richtig einzuschätzen.

  • Und zum Thema "Lesen und Rechtschreibförderung", passt hier noch ganz gut finde ich: Ich las von einer Studie, in der Kindern, die viel Harry Potter lasen, Wörter aus dem Kontext diktiert wurden, die immer wieder gelesen wurden (Lord Voldemort oder Ravenclaw). Erstaunlich wenige Kinder konnten diese Wörter richtig schreiben.


    Rechtschreibung hat offenbar weniger mit visuellem Gedächtnis zu tun, sondern mehr mit bewusster Auseinandersetzung mit Sprache und Konzentration beim Schreiben.


    Ich vermute daher, dass Kinder nicht schlechter schreiben, weil sie ein Wort falsch geschrieben haben und es dann unkorrigiert sehen, sondern wenn ihnen niemand sagt, dass aus Strauch Sträucher wird und zwar dann, wenn es an der Zeit ist. Also nicht losgelöst "wir lernen jetzt aus au wird äu" sondern dann, wenn sie gerade mit Anlauttabelle von ihren Johhanisbeersträuchern erzählen wollen.


    Da das im Alltag mit 28 Kids aus 27 Ländern unmöglich ist, sollte so eine Methode den freien Grundschulen überlassen bleiben :)

  • ..."Tagebuch", wo solche Stilblüten wie "Fanser gekuk" statt "Fernsehen ... naja, geguckt halt" drin standen),

    Aber das ist ganz normal! Und alle Eltern freuen sich. wenn das Kind sowas selbständig schreibt. (Bei 5-Jährigen zumindest ;) )


    Wobei ich auch ohne Anlauttabelle so geschrieben habe, bevor ich in die Schule kam.


    Wer nutzt denn hier diese Tabellen systematisch? Erfahrungen?

  • Mein Kind (4. Klasse in Bayern) schreibt klassische Aufsätze. Letztes Jahr z.B. Reizwortgeschichte, Erlebniserzählung, Brief. Es gibt auch regelmäßig Diktate. Mag daran liegen, dass seine Lehrerin 62 ist und deutlich vom alten Schlag. Ich danke täglich dem Schulgott, dass er uns diese Lehrerin geschickt hat. Sehr strukturiert, Konzentration aufs Wesentliche und die Kinder gehen trotzdem alle gerne hin.


    Er hat das große Glück, dass er seine Lehrerin schon seit der 2. Klasse hat.
    In der 1. hatte er eine Lehrerin, frisch aus dem Ref und ich hatte ja schon das Gefühl, dass bei ihr viel nach dem Hören ging.
    Auf jeden Fall hatte er eine fein laminierte Anlauftabelle und es wurde fleißig drauf los geschrieben ohne Fehlerkorrektur. Ergebnis: Meinem Kind war schlichtweg wurscht, was er schreibt und diese Denkhaltung könnte man ihm bis heute nicht wiederganz austreiben. Leider hatte mein Kind auch gar keine Idee, was er mit diesem Ding von Anlauftabelle eigentlich sollte. Er hat nicht kapiert, was das B mit einem Ball zu tun hat.
    Kranpappel, du beschreibst das ja ähnlich. Gibt es überhaupt Kinder, die in der Praxis erfolgreich und gerne mit der Tabelle umgehen?
    Nun ja, Lehrerin vom alten Schlag arbeitet nun also seit 2 Jahren das auf, was in der 1. versäumt wurde.

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