Smartphone auf dem Pausenhof: Elternklage

  • Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,


    an größeren Schulen (ca. 2000 Schüler_innen) könnte es im Falle der erlaubten Smartphonenutzung in den Pausen große Probleme mit der Aufsichtspflicht geben.


    Angenommenes (fiktives) Szenario: Lehrkraft L1 hättein einer Mittagspause auf einem der Schulhöfe ca. 400 Kinder zubeaufsichtigen. Das Gelände wäre z. B. durch Büsche,Treppen und abgeschirmte Bolzplätze unübersichtlich, an einem Ort wären je nur ca. 20 % des Hofes einsehbar. L1 könnte also nur durch Herumlaufen alle Orte einsehen. Wenn es an einem Ort Probleme gäbe (z. B. kleine Schlägereien, was in fast jeder Pause vorkäme), wären also ca. 80 % der Schulhofecken für die Dauer des Konflikts nicht einsehbar. Ohne Probleme bräuchte L1 gute fünf Minuten für eine Runde.
    Während einer 50minütigen Mittagspause könnte es nun passieren, dass z. B. drei Schüler S1, S2 und S3 einer achten Klasse der Schülerin S4 aus einer siebten Klasse auf dem Smartphone von S1 Gewaltpornos zeigen würden. L1 hätte davon nichts gemerkt. S4 hätte alles ihren Eltern geschildert, die bei ihrer behüteten Tochter ein Trauma bemerken und eine Anzeige androhen würden.


    Die Schuleitung hätte den Fall so auslegen können, dass L1 seinerAufsichtspflicht nicht nachgekommen wäre. Die Schulleitung hätte ja während einer Lehrerkonferenz deutlich darauf hingewiesen und auch verschriftlicht, dass die Aufsichtsführenden auf die Inhalte zuachten und diese ggf. zu unterbinden hätten. Die aufsichtsführenden Lehrer_innen hätten die volle Verantwortung bei solchen Vorkommnissen.


    Wie könnte man sich gegen Anzeigen von Eltern in solchen Fällen absichern? Könnte man der Schulleitung mitteilen, dass man bei so vielen Smartphones, unübersichtlichen Ecken und vielen sonstigen Problemen nicht in der Lage sei, alle Inhalte zu kontrollieren? In der Tat ist es ja völlig unmöglich, z. B. 300 Smartphones im Blick zu haben, von anderen Aufgaben bei so einer großen Schüler_innenzahl ganz abgesehen?


    Wie könnte man es schaffen, nicht vor Gericht zu landen?


    Beste Grüße


    Jägerfeld

  • Man könnte dem wohl gelassen entgegensehen. Es ist vollkommen unrealistisch und unzumutbar (und wahrscheinlich auch unrechtmäßig), dass Lehrkräfte angezeigte Inhalte auf privaten Endgeräten der Schüler kontrollieren. Auch sehe ich keine (grob fahrlässige) Aufsichtspflichtverletzung der Lehrkraft, so sie denn tatsächlich wie von ihrem Dienstherren bestimmt, zur festgelegten Aufsichtszeit ihre Aufsicht wahrgenommen hat. Ob andersherum die Schulleitung möglicherweise Probleme bekommen könnte, weil a) zu wenig Aufsichtspersonen für die unübersichtliche Situation vorgesehen sind und b) eine möglicherweise rechtswidrige Dienstanweisung erging, mag ich anhand der kurzen Schilderung nicht beurteilen.

  • Selbst wenn L1 "vor Gericht landen" sollte, sehe ich keine Probleme für ihn.
    1. Er hat seine Aufsichtspflicht erfüllt.
    2. Die Kontrolle von Hunderten Smartphones kann ihm niemand ernsthaft auferlegen wollen.


    L1 sollte sich überlegen, ob er a) auf die Änderung der Hausordnung hinwirkt und evtl. b) remonstriert (machen doch Beamte?) bzw. eine so genannte Überlastungsanzeige schreibt um im Fall der Fälle abgesichert zu sein, wenn ernsthaft mal was passieren sollte. Die Aufsicht ist m.E. zu gering besetzt.


    Edit: unsere Beiträge haben sich überschnitten...

    • Offizieller Beitrag

    Die Schuleitung hätte den Fall so auslegen können, dass L1 seinerAufsichtspflicht nicht nachgekommen wäre.

    ein aufsichtführender Lehrer muss seiner Aufsicht aktiv nachkommen. Das heißt nicht, dass er überall zur gleichen Zeit sein muss.


    Ist doch dasselbe, wenn ein Lehrer Aufsicht führt und am anderen Eck seines Aufsichtsbereichs stellt ein Schüler einem anderen ein Bein, so dass es zu einer Verletzung kommt. Alles kann auch eine Aufsicht nicht verhindern. Aber sie muss wahrgenommen werden.

  • ...muss gerade noch mal das Haupt schütteln: das ist nicht wirklich so passiert, oder? Ein Schulleiter, der anordnet Smartphones zu kontrollieren existiert nicht in der Realität? :ohh:

  • Die Schuleitung hätte den Fall so auslegen können, dass L1 seinerAufsichtspflicht nicht nachgekommen wäre. Die Schulleitung hätte ja während einer Lehrerkonferenz deutlich darauf hingewiesen und auch verschriftlicht, dass die Aufsichtsführenden auf die Inhalte zuachten und diese ggf. zu unterbinden hätten. Die aufsichtsführenden Lehrer_innen hätten die volle Verantwortung bei solchen Vorkommnissen.

    Eine Schlulleitung die so argumentiert hat keine Ahnung. Zudem: Wenn absehbar ist, dass eine Lehrkraft die Pausenaufsicht in dem Bereich alleine gar nicht leisten kann, muss die SL für mehr Aufsichten sorgen, dass ist deren Organisationverantwortung. Als Lehrer wäre ich da sehr entspannt. Man sollte die SL schriftlich darauf hinweisen (Kopie an PR), dass die Aufsicht alleine nicht zu schaffen ist.


    Es ist vollkommen unrealistisch und unzumutbar (und wahrscheinlich auch unrechtmäßig), dass Lehrkräfte angezeigte Inhalte auf privaten Endgeräten der Schüler kontrollieren.

    Lehrer dürfen die Smartphone-Inhalte ohne Zustimmung der Schüler auf keinen Fall kontrollieren und selbst mit Zustimmung wäre ich da sehr vorsichtig, insbesondere da nicht-volljährige Schüler nicht unbeschränkt geschäftsfähig sind, was auch solche Zustimmungen (=Abgabe einer Willenserklärung) umfasst. Die Kontrolle widerspricht dem Persönlichkeitsrecht der Schüler und deren individuellem Recht auf Datenschutz. Kontrollieren ohne Zustimmung dürfen nur die Eltern als Personensorgeberechtigte, die Staatsanwaltschaft auf richterlicher Beschluss oder die Polizei bei Gefahr im Verzug. Kurz: Ein Lehrer, der die Smartphones inhaltlich kontrolliert, macht sich eventuell strafbar, egal was die SL oder ein Konferenzbeschluss dazu sagen.


    Gruß !

  • Das Problem an der Stelle ist nicht unbedingt das Medium: Die drei Schüler S1, S2 und S3 könnten der behüteten S4 ähnliches in gedruckter Form zeigen. Insofern wäre die Forderung nach der Kontrolle von Handy-Inhalten hier zu kurz gegriffen... (Wie wär's mit 'nem intensiven Blick/in alle Schultaschen, bevor SuS in die Pause gehen?)



    Aus diesem Grund / dieser Befürchtung heraus ist ein Verbot von Smartphones auf dem Schulhof unsinnig: Wer wirklich Verbotenes tun will, findet dafür andere Mittel und Wege. Andererseits kann man mit erlaubter Handynutzung schneller unterscheiden zwischen den "Normalnutzern", die jetzt völlig frei in Sichtweite der Lehrkraft Multi-Player-Spiele spielen - und denen, die sich immer noch mit dem Handy in irgendwelchen Ecken rumdrücken und bei Näherkommen der Lehrkraft das Handy schnell wegpacken, den Ton leiser stellen o.ä. Falls ich da dann tatsächlich einen begründeten Verdacht habe, bitte ich die Polizei um Amtshilfe... (und schon allein das Wissen um dieses Vorgehen schreckt so manchen "Kreativ-Nutzer" davon ab, die gefühlte Freiheit auf dem Schulhof zu missbrauchen).

  • Wie könnte man es schaffen, nicht vor Gericht zu landen?

    Einfach seine Aufsicht guten Gewissens machen. Wenn du der Meinung bist, dass es zu wenig Aufsichten gibt => Melden.

    L1 könnte also nur durch Herumlaufen alle Orte einsehen


    Das muss man in diesem Fall sowieso machen. Der Grundsatz ist: Die Schüler müssen sich beaufsichtigt fühlen. Wenn also Lehrer Müller immer nur an dem gleichen Ort steht, weil er dort seinen Kaffee trinkt, und dadurch in Bereichen quasi "rechtsfreie Räume" existieren, dann ist das nicht ok. Er muss halt überall auch mal vorbeischauen.

  • Wie könnte man sich gegen Anzeigen von Eltern in solchen Fällen absichern?

    Da würde ich mir gar keine Sorgen machen, so lange ich meine Aufsicht durchgeführt habe und über den Schulhof gelaufen bin. Mehr kann ich nicht machen. Eine Schlägerei kann ich ja auch nicht abwenden, wenn ich sie sehe, aber 20-30m weit weg bin. Bis ich da bin, ist die Schlägerei schon gelaufen.


    Solltest du verbeamtet sein, gibt es im Beamtenrecht einen Passus: "Unfähigkeit ist kein Dienstvergehen." Du mußt dein Möglichstes tun, wenn dies nicht reicht, ist es nicht mehr dein Problem.

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