Zweifel am Lehrerberuf

  • Hallo Forum,


    ich bin momentan in einer Situation, in der ich nicht so wirklich weiter weiß. Ich bin Lehramtsstudent kurz vorm Bachelor. Ich wollte eigentlich seit ich klein bin Lehrer sein. Allerdings, wie der Titel vermuten lässt, plagen mich seit einiger Zeit Zweifel an dieser Entscheidung. Und ich bin inzwischen an einem Punkt, an dem ich nicht mehr recht unterscheiden kann, ob diese Zweifel berechtigt sind und ich bisher eher naiv auf den Lehrerberuf geblickt habe, oder ob es einfach "normale" Zweifel an der Berufswahl sind und ich mich durch die ganzen Horrorgeschichten und Erfahrungsberichte rund um den Job verrückt machen lasse. Ich schreibe diesen Thread zum Teil, weil ich meine Gedanken ein bisschen ordnen will und zum Teil weil ich auf ein bisschen Input hoffe, der meine Zweifel im Idealfall ein wenig zerstreut (oder eben bestätigt).
    Vorneweg: Meine Motivation, Lehrer zu sein, entstand nicht durch die üblichen idiotischen Klischee-Gründe a la Verbeamtung, Pension, Ferien, etc. Das nur zur Klarstellung. Ich wollte Lehrer werden, weil ich zum einen gerne einen Beruf ausüben möchte, der einen "Sinn" hat, also einen gesellschaftlichen Nutzen (Ich könnte zB niemals etwas machen, bei dem es rein um irgendwelche wirtschaftlichen Interessen geht). Zum anderen glaube ich, dass ich durchaus ein paar Voraussetzungen für den Job habe. Ich habe Spaß daran, Wissen weiterzugeben. Ich bin gelassen, humorvoll und arbeite gern mit Menschen. Dazu kommt noch, dass mir sowohl von meinen Eltern, früheren Lehrkräften, als auch von Freunden, Kommilitonen und auch Seminarleitern an der Uni bisher oft gesagt wurde, dass ich auf jeden Fall das Zeug zu dem Beruf habe, oder sowas wie "dich kann ich mir wirklich gut als Lehrer vorstellen!", was einen natürlich bestärkt. Soweit so gut. Nach dem Abi habe ich dann angefangen Lehramt zu studieren. Und hier gingen die Zweifel los: Im Studium sind natürlich Hospitationen und Praktika abzuleisten. Mein Praktikum habe ich an einer "Brennpunkt"-Gesamtschule gemacht. Das war für mich ein ziemlicher Praxisschock. Absolut respektlose Kinder, überfüllte Klassen, ein erschreckend schlechtes Leistungsniveau, überforderte Lehrer, sehr viele Kinder mit Lernbehinderung oder Flüchtlinge, die aus irgendeinem Grund nicht in DAZ-Klassen saßen, und daher aufgrund der Tatsache, dass sie kein Deutsch sprachen, quasi vom Unterricht ausgeschlossen waren. Binnendifferenzierung war kaum möglich. Dazu ein Kollegium, das zur Hälfte aus engagierten Lehrern bestand, die auf allen Vieren gingen, und zur anderen Hälfte aus resignierten Lehrern, denen ihr Beruf augenscheinlich keine Freude mehr zu machen schien. Es war für mich, der nur sein behütetes Dorfgymnasium kannte, ein Schock. Dort würde ich niemals arbeiten wollen. Ich weiß nämlich, dass ich nicht das Maß an Idealismus habe, um mich derart aufzuopfern. Da würde ich kaputt gehen. Es schien mir als sei der Beruf an sich zwar schön, das System dahinter aber so marode, dass er einem kaum noch Freude machen kann. Aber: Es gab auch ein paar lustige und schöne Momente, und die Stunden, die ich dort gehalten habe, haben Spaß gemacht. Außerdem ist mir klar, dass so eine Schule eher nicht die Regel ist. Trotzdem hat diese Zeit einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
    Dazu kommt, dass man, sobald man das Internet öffnet und sich ein wenig umschaut, zu 99% negatives über den Lehrerberuf liest. Berge von Arbeit, respektlose Kinder, schlimme Zustände in den Schulen, Burnout, das Referendariat als "schlimmste Zeit des Lebens" und "Hölle". Ich kann gerade einfach nicht mehr einschätzen, ob das eine laute Minderheit ist, und die zufriedenen Kollegen einfach still und glücklich ihren Job ausüben, oder ob das ein realistisches Bild ist. Ich bin momentan wirklich am Zweifeln und habe Angst vor der Zukunft. Was, wenn ich für mein Ref auch an eine solche Schule gerate? Was, wenn meine Schule von damals eher die Ausnahme bildet und die Realität deutlich weniger rosig ist? Als Lehrer ist man in seiner Berufswahl ja doch eher festgelegter und ein Wechsel ist nicht unbedingt leicht. Ist der Lehrerjob wirklich so stressig und aufreibend, mit quasi niemals Feierabend? Oder spinne ich einfach total und lasse mich von Horrorgeschichten verunsichern?
    Ich weiß momentan nicht so recht, wie ich aus diesem gedanklichen Hin und her wieder herauskomme. Mir ist natürlich klar, dass mir niemand plötzlich alle Zweifel nehmen kann. Aber vielleicht habt ihr ja ein paar tipps, um wirklich festzustellen, ob man für den Job geeignet ist oder zumindest ein realistisches Bild bekommt? Das würde mir schon helfen. Vielleicht ein paar eigene Erfahrungen von Leuten, denen es ähnlich ging? Oder ein paar schöne Berichte von Menschen, die gern Lehrer sind und ihren Job lieben?
    Ich bin für jede Art Input dankbar


    Vielen Dank schon im Voraus.

  • Dann bist du mit deiner Praktikumsschule ziemlich ins kalte Wasser geworfen worden. Wie wäre es, wenn du dir noch eigene Praktika und/oder Hospitationen an anderen Gymnasien/Gesamtschulen suchst? Dann bekommst einen besseren Überblick über den Berufsalltag. Es bringt dir hier ja nicht viel, wenn dir andere Leute sagen „der Beruf ist total toll, mach es!“ oder hingegen davon abraten. Ich persönlich liebe meinen Beruf, auch wenn es teilweise schon recht anstrengend ist. Aber das musst du für dich selber herausfinden.
    Nachtrag: In vielen Bundesländern kann man mit dem Bachelor schon als Vertretungslehrkraft arbeiten. Vielleicht findest du ja eine Stelle, bei der du ein paar Stunden pro Woche unterrichten kannst.

  • Es ist so, dass der Beruf von Schule zu Schule ein ganz anderer sein kann. Gleiche Fächer, gleiche Schulform, aber einmal zweizügige Schule im sozioökonomisch "gehobenen" Einzugsgebiet, einmal fünfzügige Schule im "Brennpunkt" --> da kann man eigentlich kaum vom selben Berufsbild sprechen.


    Ich habe keine herkömmliche Lehrerausbildung, aber soviel ich weiß ist es doch heute überall die Regel, dass man sich direkt an Schulen bewirbt. Ich würde meine Fächerkombi dahingehend überprüfen, ob du dir damit quasi eine Schule aussuchen kannst oder ob du nehmen musst, was du kriegen kannst (dazwischen liegt natürlich eine Menge).


    Bei mir ist es so, dass ich drei Jahre lang im sozialen Bereich gearbeitet habe, auch mit Aufgaben und Belastungen, die man im Lehrerberuf nicht hat. Trotzdem habe ich das sehr gerne gemacht. An der Schule möchte ich aber als Lehrer arbeiten, nicht als Sozialpädagoge o. ä. Daher habe ich meine zukünftige Einsatzschule entsprechend ausgewählt. Hätte ich an keiner der von mir ausgewählten Schulen ein Angebot bekommen, hätte ich meine Vorstellungen nicht angepasst, sondern weiter außerhalb der Schule gearbeitet.

  • Nicht alle Schulen sind so, wie von dir beschrieben. Schau dich noch weiter um, sammel Erfahrungen. Und behalte immer die Erfahrung der Stunden im Kopf, in denen du selbst vor der Klasse standest. Mir ging es manchmal ähnlich im Studium. Mir hat das Unterrichten selbst immer Spass gemacht und nach den selbst gehaltenen Stunden hatte ich immer das Gefühl, dass es das ist, was ich machen möchte. Zwischendurch haben mich im Studium aber auch immer wieder andere Erfahrungsberichte getroffen, die bei mir Zweifel geschürt haben. Dann war die selbst gesammelte positive Erfahrung des eigenen Unterrichtens schnell wieder vergessen. Im Laufe des Studiums habe ich aber gelernt, mir immer wieder das Gefühl ins Gedächtnis zu rufen, wie es mir selbst in der Rolle des Lehrers ging. Und das war durchweg positiv. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nicht so sehr auf "Aussenreize" achten sollte. Klar habe ich auch die Horrorartikel übers Ref gelesen und Geschichten von Lehrern gehört, die haarsträubend waren. Aber man muss sich dann ernsthaft fragen, ob das die eigene Erfahrung ist, oder doch nur die Erfahrung anderer. Hast du in deinen gehaltenen Unterrichtsstunden unerträgliche Respektlosigkeit erlebt? Warst du unmotiviert? Bist du auf allen Vieren gekrochen? Hattest du keine Freude an der Tätigkeit? Natürlich stehst du noch ganz am Anfang. Aber auf Grundlage von Erfahrungsberichten würde ich niemals eine Entscheidung über die eigene Berufswahl treffen.


    Außerdem: Natürlich hat man gewisse Erwartungen, die in der Praxis möglicherweise nicht erfüllt werden. Aber das ist nur im ersten Moment ein Schock. Du erwartest lernwillige sus mit Vorwissen - Du bekommst unmotivierte sus die sehr leistungsschwach sind. Ist das ein Grund, an der Berufswahl zu zweifeln? Hier ist schlicht eine Korrektur der eigenen Erwartung gefragt. Dann sind die sus halt unmotiviert. Dann lernst du eben, wie man sie motiviert. Die sus haben kein Vorwissen? Prima, dann können sie ja ganz viel lernen von dir. Eine chaotische, lernschwache Truppe macht den Lehrerberuf nicht unbedingt schlechter. Es ist einfach ein anderes, herausfordernderes Arbeiten. Aber das kann genauso schön und vorallem spannend sein.

  • Ich denke, du hast dich wohl-überlegt und mit den "richtigen" Motiven für diesen Beruf entschieden. Kein Beruf auf der Welt ist 100% perfekt bzw. in jedem Beruf gibt es Bereiche, die einem weniger gefallen. Deswegen seine komplette Berufswahl anzuzweifeln... Halte ich für übertrieben.


    Und selbst wenn du feststellen solltest, "Ne, ist doch nicht so meins." Aus welchen Gründen auch immer... Es gibt so viele Möglichkeiten wie du dich innerhalb des Berufsbildes verändern/weiterentwickeln kannst. Ich bin mir sicher, da ist was für dich dabei.


    Zu den einzelnen Dingen, die du genannt hast, die dich zweifeln lassen... Rede mal mit zufriedenen Kolleginnen und Kollegen, wie sie das sehen. Mal als Beispiel: Burnout-Gefahr. Ein Kollege der am Rande es Burnouts ist, wird das sicher anders einschätzen, als ein Kollege, der eine gute Work-Life-Balance (wie es Neudeutsch heißt) lebt.


    Konkret raten möchte ich dir nichts. Mach erstmal den Bachelor fertig; in den Ferien vielleicht nochmal ein Praktikum im ländlichen Raum mit 15-jährigen bei denen die Mama morgens noch die Klamotten rauslegt. Dann sieht die Welt schon wieder anders aus. ;)

  • Ich wollte Lehrer werden, weil ich zum einen gerne einen Beruf ausüben möchte, der einen "Sinn" hat, also einen gesellschaftlichen Nutzen ... Zum anderen glaube ich, dass ich durchaus ein paar Voraussetzungen für den Job habe. Ich habe Spaß daran, Wissen weiterzugeben. Ich bin gelassen, humorvoll und arbeite gern mit Menschen. ...

    Das sind doch super Voraussetzungen für den Beruf. Die richtige Einstellung und die richtigen Gründe tragen einen über manches Tief hinweg, das einen belasten würde, hätte man den Beruf nur der äußeren Umstände wegen gewählt. Es gibt immer Schüler, die eine engagierte Lehrkraft zu schätzen wissen und die mitgebrachte Motivation gerne zurückspiegeln.
    Die "Klischees", von denen du sprichst, Ferien, Pension, Geld, usw. sind aber auch etwas, was man bedenken sollte. Bevor jemand sagt, in der freuen Wirtschaft verdient man mehr, das mag schon sein, aber mein Schwiegervater ist mit Ende 50 arbeitslos geworden (Firma pleite), die eigene Wohnung war beinahe weg, Zeitarbeit über Jahre, vor der Arbeit Zeitungen austragen und all so Sachen. Das ist eine Art von Stress, der man im angeblich stressigen Lehrerberuf, ob angestellt oder verbeamtet, nie ausgesetzt ist. Auch mit angeordneten Überstunden, Sorgen um die Existenz oder den Stand der Firma und all dem Zeug hat man nichts zu tun. Ein Freund ist promovierter Biochemiker, ist auch ganz zufrieden, aber gehört zu einem recht spezialisierten Kreis, was die Zahl der Arbeitsstellen in Europa, an denen er zudem jeweils mit Verträgen über wenige Jahre ausgestattet wird, recht klein hält. Mit Familie und Häuschen wird es da schwierig.
    Mich lässt meine eigene Jobsituation gut schlafen, auch weil ich zu häufig gesehen habe, wie es bei anderen Menschen aussehen kann.


    Zitat von StudentXYZ

    Im Studium sind natürlich Hospitationen und Praktika abzuleisten. Mein Praktikum habe ich an einer "Brennpunkt"-Gesamtschule gemacht. Das war für mich ein ziemlicher Praxisschock. Absolut respektlose Kinder, überfüllte Klassen, ein erschreckend schlechtes Leistungsniveau, überforderte Lehrer, sehr viele Kinder mit Lernbehinderung oder Flüchtlinge, die aus irgendeinem Grund nicht in DAZ-Klassen saßen, und daher aufgrund der Tatsache, dass sie kein Deutsch sprachen, quasi vom Unterricht ausgeschlossen waren. Binnendifferenzierung war kaum möglich. Dazu ein Kollegium, das zur Hälfte aus engagierten Lehrern bestand, die auf allen Vieren gingen, und zur anderen Hälfte aus resignierten Lehrern, denen ihr Beruf augenscheinlich keine Freude mehr zu machen schien. Es war für mich, der nur sein behütetes Dorfgymnasium kannte, ein Schock. Dort würde ich niemals arbeiten wollen.

    Ich würde dort auch nicht arbeiten wollen. Im Praktikum war ich an einer Schule, an der die Lehrkräfte grundsätzlich 10 Minuten nach dem Klingeln aus dem Lehrerzimmer gekommen sind und 25 Minuten später schon wieder da waren, einfach, weil sie keinen Bock hatten. In den Pausen haben sie sich damit gebrüstet, wie sie die Schüler fertiggemacht haben. Das kommt vor. Erstaunlicherweise hatte die Schule arge Probleme, Bewerber für die von ihnen ausgeschriebenen Stellen zu bekommen.
    Man ist mit der Berufswahl "Lehrer" schon in gewisser Weise eingeschränkt (obwohl es auch hier einige Möglichkeiten gibt) man ist aber bei der Wahl seines Arbeitgebers nicht eingeschränkt. Heute bin ich an einer super Schule, nette Kollegen, tolle Ausstattung und alles da. Das kann doch in jedem Beruf so sein. Der Bankkaufmann kann in der Dorfsparkasse mit Existenzängsten auch einen Praxisschock erleben, später in der Hauptfiliale der BlaBla-Bank in einer großen Stadt aber sehr glücklich werden.



    Zitat von StudentXYZ

    Ich weiß nämlich, dass ich nicht das Maß an Idealismus habe, um mich derart aufzuopfern.

    Du machst Englisch und Chemie, ich habe Deutsch und Biologie. Sagen wir, das ist in etwa gleich. Ich kann dir daher aus Erfahrung sagen, was du in deiner Chemiestunde machst, interessiert nach dem Ref niemanden mehr. Wenn es eine zentrale Prüfung gibt, bist du an den Lehrplan gebunden, ansonsten quatscht kein Nicht-Naturwissenschaftlicher in diese Fächer rein (ähnlich ist es bei Religion, Kunst, Musik). Das bietet Möglichkeiten für tolle Projekte, wirklich schöne Stunden, praktisches Arbeiten, das die Schüler wirklich begeistert, aber auch mal für ... ein bisschen weniger Aufwand, wenn man möchte.
    Deutsch und Englisch bringen viele und aufwändige Korrekturen mit sich, das ist wohl so. Aber so, wie es häufig beschrieben wird, dass ständig und immer mindestens 9 Stapel Klausuren auf dem Tisch liegen, ist es (zumindest bei mir) nicht. Ich hatte im letzten Schuljahr etwa 500 Klausuren, besonders ungeschickt verteilt auf 4-5 dicke Blöcke, in denen ich dann vom Schreibtisch nicht weggekommen bin. Aber dafür war dazwischen häufig auch mal kaum etwas los und bei geschickterer Verteilung wäre es auch leichter gewesen.



    Zitat von StudentXYZ

    Dazu kommt, dass man, sobald man das Internet öffnet und sich ein wenig umschaut, zu 99% negatives über den Lehrerberuf liest. Berge von Arbeit, respektlose Kinder, schlimme Zustände in den Schulen, Burnout, das Referendariat als "schlimmste Zeit des Lebens" und "Hölle". Ich kann gerade einfach nicht mehr einschätzen, ob das eine laute Minderheit ist, und die zufriedenen Kollegen einfach still und glücklich ihren Job ausüben, oder ob das ein realistisches Bild ist. Ich bin momentan wirklich am Zweifeln und habe Angst vor der Zukunft. Was, wenn ich für mein Ref auch an eine solche Schule gerate? Was, wenn meine Schule von damals eher die Ausnahme bildet und die Realität deutlich weniger rosig ist? Als Lehrer ist man in seiner Berufswahl ja doch eher festgelegter und ein Wechsel ist nicht unbedingt leicht. Ist der Lehrerjob wirklich so stressig und aufreibend, mit quasi niemals Feierabend? Oder spinne ich einfach total und lasse mich von Horrorgeschichten verunsichern?

    Mist, jetzt hab ich dazu schon geschrieben.
    Manchmal ist es stressig, manchmal auch nicht. Tatsächlich hängt das auch stark davon ab, wie viel man sich selbst aufbürdet. Einige tun gar nichts und haben zudem Sport/Reli, andere machen neben Deutsch/Spanisch noch Extraaufgaben. Da muss jeder seinen Mittelweg finden.
    Das Ref ist schon anstrengend, aber vor allem auch deshalb, weil alles neu ist, die Vorbereitung noch schwer fällt und dann diese blöden Prüfungen. Im Rückblick war es aber echt ganz ok und auch eine schöne Zeit.
    Die meisten Kinder bringen einem einen ähnlichen Respekt entgegen, wie sie ihn auch vom Lehrer bekommen. Wenn nicht, werfe ich sie aus dem Unterricht und kümmere mich später darum. Ich weiß nicht, wie andere das machen, es ist auch nicht überall so leicht.
    Beide Seiten, Schüler und Lehrer, freuen sich, wenn sie in der Schule, in der sie z.B. an einem schönen Sommertag nicht ganz freiwillig sitzen, eine schön Zeit haben. Häufig haben beide Seiten Lust, daran zu arbeiten, dass es eine schöne Zeit wird. Wenn ich so an die Schüler denke, die ich in den letzten Jahren unterrichtet habe, dann fallen mir eigentlich nur recht wenige ein, die wirklich fies und blöd waren. Mit den meisten kann man eigentlich was anfangen.
    Grundsätzlich glaube ich, ist das Schimpfen der Unzufriedenen immer sehr viel lauter als das zufriedene Schnurren der Menge. Mach dir keine Sorgen.



    Zitat von StudentXYZ

    Aber vielleicht habt ihr ja ein paar tipps, um wirklich festzustellen, ob man für den Job geeignet ist oder zumindest ein realistisches Bild hat?

    Du hast doch schon ein Praktikum gemacht. Wenige Jahre vor meinem Berufsstart habe ich im Radio einen "Life-Coach" gehört. Versehentlich. Auf die Frage, woher man denn wissen könne, ob der Beruf, den man ausübt, der richtige sei, hat er gesagt: "Ganz einfach, wenn Sie auf dem Weg zur Arbeit sind, zu Fuß, mit der Bahn, mit dem Auto, und Sie nähern sich der Arbeit, denken vielleicht an die ersten Minuten, lächeln Sie? Wenn ja, sind Sie richtig."
    Es ist nur das Gelaber eines Coaches, das ist ja nicht mal ein richtiger Job, aber als ich im Ref war, ist mir das wieder eingefallen und ich habe festgestellt, ich lächle auf dem Weg zur Arbeit.
    Du hast ja bereits ein paar Stunden gegeben und erzählt, dass die schön waren und dort lustige Dinge passiert sind. Lächelst du nicht, wenn du daran denkst? Freust du dich nicht auf weitere schöne Stunden?

  • Das Unterrichten macht nur einen Teil der Arbeit aus. Ich gehe davon aus, dass das den meisten Lehrern am meisten Spaß macht.


    Für mich sind folgende Dinge problematisch:
    Ich hatte nie gedacht, wie viel Erziehungsarbeit unterschwellig geleistet werden muss. Das mag an deiner Schulform vllt. sogar anders sein.
    Früher war auch nicht so viel Nachmittag. Es gab weniger Teamsitzungen und Konferenzen, die Betreuungszeiten waren kürzer.
    Ich persönlich empfinde Eltern oft sehr anstrengend. Im Gymnasium hast du aber mit denen wahrscheinlich weniger zu tun. Die Elternarbeit ist in der GS sehr aufwendig geworden.


    Die Bürokratie ist auch ziemlich viel: Lernentwicklungsdokumentationen, individuelle Förderpläne, Schülerbeobachtungen, Korrekturen, Jahrespläne schreiben, Zeugnisnoten vergeben, bzw. Zeugnisberichte schreiben.
    Hast du einen Abikurs, ist das wahrscheinlich auch nicht mit dem Unterricht getan.

  • Klar findest du im Internet mehr Horrorstories. Wer würde einen Artikel mit dem Titel „das Ref war gar nicht so schlimm wie erwartet“ schon lesen wollen?


    Falls du mal über den Tellerrand gucken willst und in deinem Bundesland das Lehramt erst im Master definitiv festgelegt werden muss, mach doch vielleicht mal ein Praktikum an einem Berufskolleg. Vielleicht ist das ja auch was, wenn du auf jeden Fall solche Brennpunkt-Gesamtschulen vermeiden willst.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Allererste Regel...


    Don't Panic!


    So wie du es schreibst hast du mMn die richtige Motivation um Lehrer zu werden. Klar war dein erster KKontakt mit der Materie "Schüler" ein Schock - bei der Schulauswahl kein Wunder. Weiter konnte es ja kaum von deinem gewohnten Umfeld abweichen...


    Es ist auch wenig verwunderlich, im Internet eher "Horrorstories" zu finden - menschen beschweren sich eben gerne, und lassen sich lieber über Dinge aus, die sie furchtbar finden, als mal was zu schreiben, was ihnen gefällt (passiert aber auch ab und zu, musst du nur finden).


    Ich kann jetzt nur für mich sprechen... ich bin an einem Gymnasium in iner Großstadt im Ruhrgebiet, Schülerzahl im vierstelligen Bereich. Sind wir "Brennpunkt"? Ich sage mal nein, aber nicht weit weg davon (sprich - es gibt schlimmere Ecken, aber sicher auch bedeutend "angenehmere"). Ich habe mir diese Schule aber quasi ausgesucht (ging dank der Fächer), weil ich diese Klientel irgendwie mag. Es ist vor allem kulturell ein sehr buntes Durcheinander, und davon - ja, wir sieben schon ein wenig - dann die "begabteren", die in der Regel schon ein gewisses Lerninteresse haben (wenn auch sicher nicht in jedem Fach).
    Sicher ist, alle SuS sind Individuen. Mit welchen du wie gut klarkommst kannst du nur im Einzelfall sehen. Und von daher - werde ruhig Lehrer. Besser als Stuhl - der muss nun wirklich mit jedem Arsch klarkommen....

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Dazu kommt, dass man, sobald man das Internet öffnet und sich ein wenig umschaut, zu 99% negatives über den Lehrerberuf liest.

    Ignorier das. Da dürfte auch keiner mehr in die Politik gehen oder ins Bankwesen. Es stimmt schon, dass es in Deutschland inflationär viele Klugscheisser gibt, die meinen ständig ihren Senf über uns Lehrer abgeben zu müssen. Ich erlebe hier in der Schweiz dagegen oft, dass die Leute meinen Beruf stressiger einschätzen, als er effektiv ist. Aber den gesellschaftlichen Status musst Du nehmen wie er ist, den kannst Du nicht ändern.


    Du hast Dir mit Chemie ein ziemliches Arschloch-Fach ausgesucht. Ich begrüsse meine SuS mittlerweile am ersten Schultag mit der Ansage "Herzlich Willkommen zu Ihrer ersten Stunde im nutzlosesten Fach Ihrer Karriere an dieser Schule". Die wenigstens interessiert es und es ist eben wirklich so, dass diejenigen, die nichts in die Richtung studieren wollen (also die Mehrheit) rein vom Fachwissen her absolut gar nichts aus der Chemie je wieder gebrauchen können. Dafür hast Du aber, wie @Trapito bereits schrieb, den riesen Vorteil, dass Du Dich in diesem Fach beinahe beliebig austoben kannst, weil's ja nicht nur die SuS nicht interessiert, sondern auch sonst keinen. ;) Und jetzt mal in weniger zynisch: Wenn Du es schaffst, dass die SuS anbeissen (dafür habe ich - *sichselberaufdieSchulternklopf* - ein gewisses Talent) bieten sich tolle Möglichkeiten den SuS weit über die fachlichen Inhalte hinaus Dinge über Verantwortung und Selbstdisziplin beizubringen. Und je nachdem wie gut Deine künftige Schule ausgestattet ist kannst Du kaum in einem anderen Fach produktiver werden. Du glaubst ja nicht, wie irrational stolz Jugendliche sein können, wenn sie ihr selbst hergestelltes Aspirin mit nach Hause nehmen dürfen. 8)


    So, alles andere wurde schon geschrieben. Alles Gute, Du machst das schon! :rose:

  • Nenne doch mal spontan einen Beruf, der nie anstrengend ist, immer erfüllend, gut bezahlt mit reichlich Urlaub, um das sauer Verdiente wieder auf den Kopp zu hauen.


    Ich würde weniger panisch im Internet nach Extrembeispielen suchen, sonst ist das wie Dr. Google zu befragen: im Extremfall ist es immer Krebs. In 97 Prozent aller Fälle ist es aber nur ein Wehwehchen...


  • Es war für mich, der nur sein behütetes Dorfgymnasium kannte, ein Schock. Dort würde ich niemals arbeiten wollen.

    Viele wollen gerade nicht auf dem Land arbeiten - vielleicht bietet Dir das die Möglichkeit an ein "behütetes Dorfgymnasium" zu kommen.



    Off-topic:



    Ich wollte Lehrer werden, weil ich zum einen gerne einen Beruf ausüben möchte, der einen "Sinn" hat, also einen gesellschaftlichen Nutzen (Ich könnte zB niemals etwas machen, bei dem es rein um irgendwelche wirtschaftlichen Interessen geht).

    Ich sehe keinen Unterschied vom Lehrerberuf zu anderen in dieser Hinsicht. Den genannten "gesellschaftlichen Nutzen" halte ich für ein wirtschaftliches Interesse aus der Perspektive des Staats (Standortkonkurrenz etc.).


    Randnotiz: während des Refs. hatte ich mal eine schöne Diskussion mit einem Fachleiter darüber, ob Unterricht ein Mittel zum Zweck sein muß, oder auch Selbstzweck sein darf. :)

  • Googel mal mit den Wörtern "Umfrage" "Zufriedenheit" "Beruf" "Lehrer".
    Es gab nämlich in der Vergangenheit über die Zufriedenheit mit dem Lehrerberuf verschiedene Umfragen. Da bekommst du einen anderen Eindruck.


    Lehrer sind fehler- und kritikorientiert. Das ist schon eine Eigenschaft des Berufes. Es ist gut, dass im Internet die Missstände aufgezeigt werden, schon alleine um die Missstände zu ändern. Das heißt aber nicht, dass andere Dinge nicht gut laufen. Allerdings kann man die augenblicklichen Herausforderungen, die du im Extremen mitbekommen hast, nicht wegzudiskutieren. Ich habe die Hoffnung, dass man da noch bessere Lösungen findet.


    Wenn man mit Menschen arbeitet, wird man selten sterile, ideale Arbeitsbedingungen vorfinden. Wie es so mit Menschen ist, gibt es positive und eher negative Erfahrungen. Es ist immer die Frage, wie man mit diesen Erfahrungen umgeht.
    Die Work-Life- Balance, die oben beschrieben wurde, ist ebenfalls wichtig.
    Auch Brennpunktschulen haben ihr Gutes. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass an einer Brennpunktschule der Zusammenhalt des Kollegiums am größten ist und dort die besten pädagogischen Ideen (zwangsläufig) entwickelt werden. Ich behaupte einmal, dass den Praxisschock viele von uns gehabt haben, gerade die, die sich den Lehrerberuf idealisiert vorgestellt haben (ich auch). Irgendwie haben das die meisten dann doch überwunden und Lösungen gefunden.
    Leichter ist es, wenn man in den Aufgaben des Berufes eine gewisse Faszination sieht. Manche sehen den Beruf als Job, das ist auch okay, die können sich schneller auf anderes konzentrieren. Das ist Typsache, behaupte ich mal.


    Ich würde dir auch raten, dennoch Praktika zu machen und auch einmal in andere Schultypen zu gehen. Ich habe mir bei der Berufswahl überlegt, ob ich nicht einen sozialen Beruf ergreife und habe entsprechende Praktika gemacht. Da habe ich gewusst, dass mich z.B. die Arbeit mit sozial schwierigen Fällen von meiner inneren Beteiligung her überfordert.

  • Viele wollen gerade nicht auf dem Land arbeiten - vielleicht bietet Dir das die Möglichkeit an ein "behütetes Dorfgymnasium" zu kommen.

    Echt? Ich habe eher den Eindruck, dass viele nicht auf dem Land wohnen wollen, aber arbeiten würde ich so nicht unterschreiben. Ich wohne in der Stadt, fahre morgens auf recht leeren Straßen aus der Stadt raus. Die meisten unserer SuS wohnen auf dem Land und sind recht handzahm. Zwei nicht zu verachtende Vorteile.

  • Echt? Ich habe eher den Eindruck, dass viele nicht auf dem Land wohnen wollen, aber arbeiten würde ich so nicht unterschreiben. Ich wohne in der Stadt, fahre morgens auf recht leeren Straßen aus der Stadt raus. Die meisten unserer SuS wohnen auf dem Land und sind recht handzahm. Zwei nicht zu verachtende Vorteile.

    In B.-W. sind die Stellenausschreibungsrunden nach dem Ref. so strukturiert, dass man Bewerber für das ländlichen Raum bekommen möchte.
    Ansonsten steht das zumindest oft in der Zeitung, z.B. gestern:


    "Da sich viele der noch unbesetzten Lehrerstellen „weit überwiegend im ländlichen Raum befinden und die Bewerber häufig genau jene Stellen nicht annehmen wollen"
    https://www.stuttgarter-zeitun…34-af12-a131954b7771.html

    Also zumindest in B.-W. scheint das so zu sein. Urbanisierung ist ja aber ein allgemeiner Trend, auch in Deutschland, wo 'sogar' Familien mit Kindern in die Städte abwandern.

  • Echt? Ich habe eher den Eindruck, dass viele nicht auf dem Land wohnen wollen, aber arbeiten würde ich so nicht unterschreiben. Ich wohne in der Stadt, fahre morgens auf recht leeren Straßen aus der Stadt raus. Die meisten unserer SuS wohnen auf dem Land und sind recht handzahm. Zwei nicht zu verachtende Vorteile.

    Hat mich auch überrascht, ist aber scheinbar tatsächlich so.


    Ich wohne in einer der Großstädte mitten im Ruhrgebiet. Hatte mich auf Stellen in dieser und anderen Großstädten "mitten drin" beworben, dort gab es dann aber doch auch Regelbewerber, zum Teil gar nicht wenige. Jetzt fange ich an einer Schule am Rand des Ruhrgebiets an, mit 30 bis 50 Minuten Fahrzeit von Duisburg, Essen oder Bochum. Ich hatte das starke Gefühl, dass es dort gar keine weiteren Bewerber gab. Und das kann nicht an der Schule oder der Schülerschaft gelegen haben, die sind eher vom Typ "behütete Dorfschule".

  • Kann es durchaus...
    wieder nur meine Erfahrung, aber die Klientel "behütete Dorfschule" wäre zB so gar nicht meine. Was wem liegt, ist eben unterschiedlich.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

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