Özil als Symbol eines tieferliegenden Problems?

    • Offizieller Beitrag

    Nachdem nun Özils Statement zu seinem Foto mit Erdogan nun eine der Top-Schlagzeilen einiger Online-Nachrichtenportale war, komme ich nicht umhin folgendes festzustellen:


    Özils Verhalten ist aus meiner Sicht einerseits verständlich. Andererseits weist es aber auf das zentrale Problem hin, das viele türkischstämmige Bürger selbst in dritter Generation in diesem Lande haben.
    Dann wiederum frage ich mich, wie jemand so naiv und politisch offenbar völlig ungebildet sein kann, um der Ehre und des Respekts halber einem Autokraten zu huldigen, was er noch nicht einmal als solches erkennt, obwohl es deutschlandweit als solches wahrgenommen wurde.


    Meine hinsichtlich des Ergebnisses völlig offene Frage ist nun, wie unsere Gesellschaft mit dem Phänomen, dass Menschen wie Özil offenbar zwischen den Kulturen gefangen sind dies ganz offensichtlich früher oder später zu erheblichen interkulturellen Konflikten führt, künftig umgehen soll. Letzlich haben wir alle damit ja jeden Tag mehr oder weniger zu tun.


    (Vielleicht können wir hier allgemeine Kritik am Islam, der Türkei, dem Kopftuch, Burkinis, Erdogan etc. zugunsten einer konstruktiven Diskussion zurückstellen.)

  • Dann wiederum frage ich mich, wie jemand so naiv und politisch offenbar völlig ungebildet sein kann, um der Ehre und des Respekts halber einem Autokraten zu huldigen, was er noch nicht einmal als solches erkennt, obwohl es deutschlandweit als solches wahrgenommen wurde.

    Haben wir hier doch an jeder 3. Straßenecke. Für das Phänomen spielts ja keine Rolle, ob der Autokrat noch unter den Lebenden weilt. Der Mann hat ganz einfach nicht auf seine PR-Berater hören wollen und macht jetzt einen auf Mimimi.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Man merkt:
    - die Türkei als militärischen Bündnispartner haben ---> ok
    - mit dem türkischen Präsidenten ein Foto machen ---> nicht ok


    von den dt. Rüstungsexporten nach Saudi Arabien etc. mal ganz zu schweigen - aber die Empörung über den Fußballer ist größer. Da frage ich mich schon, was hier das tieferliegende Problem ist.

  • Ich war heute etwas genervt, als sich meine Startseite öffnete. Die ersten drei Meldungen bezogen sich auf Özil - was zur Hölle!?! Sobald es um Fußball geht, spielt in diesem Land alles immer verrückt. Das fand ich schon immer befremdlich.


    Ich finde, man sollte mal dahinschauen, wo Integration am besten läuft: Süddeutschland. Ich bemerke, dass man dort eine deutlich stärkere Erwartungshaltung der Anpassung an die dortigen Verhältnisse hat. Mein Chemie-LK-Lehrer war aus Bayern und wir hatten eine Afghanin im Kurs. Er wusste recht gut über die dortigen kulturellen Gepflogenheiten Bescheid, hat dem Raum gegebenen und das wertgeschätzt, aber er war auch recht klar darin, dass manches hier nicht denkbar und akzeptabel ist. Das hat er auch gar nicht zur Diskussion gestellt. Das wird ja gerne gemacht oder man zieht die angedrohten Konsequenzen nicht durch. Deshalb fand ich die Abschiebung des einen (das war doch ein Marokkaner?) richtig. Wer sich hier danebenbenimmt, und damit meine ich nicht nur einen kleinen Ladendiebstahl, hat sein Gastrecht einfach verwirkt. Wenn einem das eigene Leben etwas wert ist, wird man sich wohl daran halten können.

  • - die Türkei als militärischen Bündnispartner haben ---> ok

    Hübscher Bündnispartner, der verbündete Soldaten als Faustpfand nutzt, die zugehörige Regierung zu schurigeln, so dass diese sich letztlich dazu entschliesst, in Drittländer zu verlegen. Nein, auch das war schon nicht ok. :thumbdown:

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • nur weil da jetzt (hoffentlich) kurzzeitig ein Autokrat an der Macht ist

    Da Erdogan bereits angefangen hat, die Weichen für seinen unbegrenzten Machtbehalt zu stellen, wäre ich da nicht ganz so zuversichtlich.


    Was mich ernüchtert, ist die Zusprache, die Autokraten derzeit bekommen, und zwar nicht nur in der Türkei. Der Wunsch nach einem starken Führer ist ja in manchen Ländern anscheinend so groß, dass diesem sämtliche Fehler, die ihm unterlaufen, von seiner Anhängerschaft bereitwillig verziehen bzw. dem Feind angelastet werden. Es ist keine sachliche, auf Fakten basierende Diskussion mit solchen Menschen möglich. Jedes rationale Argument wird hinfort gewischt, als "Fake", Lüge, von den "Gegnern" in die Welt gesetzt... :autsch:

  • eshalb fand ich die Abschiebung des einen (das war doch ein Marokkaner?) richtig


    Tunesier, aber gut. Persönlich befürworte ich die Abschiebung natürlich auch, trotzdem können sich Behörden nicht einfach über gerichtliche Entscheidungen hinwegsetzen. Darum geht es. Nicht um die Abschiebung generell

  • Für mich persönlich macht es im Alltag ehrlich gesagt keinen Unterschied, ob ich auf eine/n Schüler/in Rücksicht nehme, die/der wegen Ramadan fastet oder die/der Vegetarier ist.


    Solange sich die Schülerinnen und Schüler mir gegenüber angemessen verhalten und freundlich sind, habe ich mit niemandem ein Problem.


    Anders ist es natürlich bei Schülern, die mir ins Gesicht sagen, dass ich ihnen nichts zu sagen hätte, weil ich ja eine Frau sei. Da ist es bei mir mit Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Toleranz ganz schnell zu Ende.

  • Da Erdogan bereits angefangen hat, die Weichen für seinen unbegrenzten Machtbehalt zu stellen, wäre ich da nicht ganz so zuversichtlich.
    Was mich ernüchtert, ist die Zusprache, die Autokraten derzeit bekommen, und zwar nicht nur in der Türkei. Der Wunsch nach einem starken Führer ist ja in manchen Ländern anscheinend so groß, dass diesem sämtliche Fehler, die ihm unterlaufen, von seiner Anhängerschaft bereitwillig verziehen bzw. dem Feind angelastet werden. Es ist keine sachliche, auf Fakten basierende Diskussion mit solchen Menschen möglich. Jedes rationale Argument wird hinfort gewischt, als "Fake", Lüge, von den "Gegnern" in die Welt gesetzt... :autsch:


    Das interessante ist doch, dass es für das Handeln einer Regierung unerheblich ist, ob in einem Land ein "Autokrat" oder Demokrat herrscht.
    Für einen regierten Staatsbürger gelten andere Maßstäbe: dieser solle sich daran halten, was als Feindbild vorgegeben wird - obwohl sich die Regierung, die diese Feindbilder definiert, selbst nicht daran hält.


    Als Deutscher mit Migrationshintergrund wird von Özil ein Bekenntnis zur Nation abverlangt, damit sich die Nation sicher sein kann, dass sein Herz nur für Deutschland schlägt, seine Loyalität ungeteilt dieser Nation gilt. Wie User Frapper in Beitrag 5 bemerkt hat, ist derlei Benehmen typisch für Fußball, weil er auch hierzulande eben nicht nur eine Sportart ist, sondern Nationalsport. Auf diesem Feld gehört Nationalismus mit dazu, deshalb verwundert es auch nicht, dass gerade im Fußball Rassismus andauernd so offen zu Tage tritt.

  • Für einen regierten Staatsbürger gelten andere Maßstäbe: dieser solle sich daran halten, was als Feindbild vorgegeben wird - obwohl sich die Regierung, die diese Feindbilder definiert, selbst nicht daran hält.

    Welches Feindbild wird für uns von unserer Regierung vorgegeben?

  • Welches Feindbild wird für uns von unserer Regierung vorgegeben?

    Zum Feindbild einer Nation werden diejenigen anderen Nationen bzw. deren Führer, mit denen derzeitig eine verschärfte Konkurrenz besteht.
    Im Falle der BRD wäre das zur Zeit z.B. Erdogan, Putin, Orban, Trump. (Man merkt das u.a. an der Verwendung von Begriffen wie "Autokrat", oder der Unterlassung von derlei Begriffen, obwohl sie in der Sache zutreffend wären.) Dass ein Feindbild entsteht, hat keine moralischen Gründe, sondern liegt an den jeweiligen gegensätzlichen Interessen.

  • Ich finde Erdogan gefährlich und kann ihm ebenso wie wahrscheinlich die meisten hier wenig positives abgewinnen.


    Trotzdem: Er wurde in der Türkei bei einer Wahlbeteiligung von über 90 prozent mit über 50 prozent demokratisch gewählt. Somit scheinen die Menschen in der Türkei mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. Warum soll Özil also mit ihm kein Foto machen dürfen? Ebenso müsste man Spielern erlauben, Fotos mit Politikern der Linken, der AFD oder mit sonstwem zu machen, wenn man die Meinungsfreiheit so groß propagiert wie Deutschland. Ansonsten müsste sich Mutti Merkel auch von der Kabine und PR-Terminen mit den Spielern fern halten.


    Ich persönlich würde ihn aus der Nationalmannschaft werfen, weil er die Nationalhymne nicht mitsingt. Ebenso die anderen. Das finde ich eher respektlos. Das Foto dagegen gefällt mir nicht, da ich wie bereits gesagt kein Freund von Erdogan bin, jedoch kann ich akzeptieren, dass Özil da anderer Meinung ist.

  • Ich persönlich würde ihn aus der Nationalmannschaft werfen, weil er die Nationalhymne nicht mitsingt. Ebenso die anderen. Das finde ich eher respektlos. Das Foto dagegen gefällt mir nicht, da ich wie bereits gesagt kein Freund von Erdogan bin, jedoch kann ich akzeptieren, dass Özil da anderer Meinung ist.

    https://m.youtube.com/watch?v=EL4FxSPutTI

  • Ja, ich kenne den Link. Früher war es eben usus, dass man bei den Hymnen nur zugehört hat. Das hat sich eben in den letzten 45 Jahren geändert. Wer in der Nationalmannschaft spielt, singt auch die Hymne mit. Das ist eben heutzutage so, egal in welchem Land.

  • Das ist schon ein besonderes Phänomen, dass z.B. eine Regierungschefin in der Umkleidekabine einer Fußballmannschaft bringt.
    Die Verbindung eines Sports (!) mit Nationalismus ist jedem so geläufig, dass sie gar nicht mehr erklärt werden muss.
    Am Ende steht ein "Wir"-Gefühl: die ganze Nation als eine Einheit, in der sich mit dem gemeinsamen Ziel des Sieges alle vorhandenen Gegensätze der Gesellschaft aufheben.

  • Die spanische Hymne hat gar keinen Text. Vielleicht sollte Mesut Spanier werden. :)

    Es gab immer wieder verschiedene Texte für die spanische Hymne. Der letzte Versuch, einen Text zu etablieren, scheiterte vor zehn Jahren mit Placido Domingo
    Unter Franco wurde gesungen, also bis '75.


    By the way: der Faschismus in Spanien war für die demokratische BRD kein Problem.
    Bundeskanzler Kiesinger soll ja ein richtiger Fan von Franco gewesen sein. (Von wegen "Autokrat"...)

  • Meine hinsichtlich des Ergebnisses völlig offene Frage ist nun, wie unsere Gesellschaft mit dem Phänomen, dass Menschen wie Özil offenbar zwischen den Kulturen gefangen sind dies ganz offensichtlich früher oder später zu erheblichen interkulturellen Konflikten führt, künftig umgehen soll. Letzlich haben wir alle damit ja jeden Tag mehr oder weniger zu tun.

    In den USA bist du dann US- Bürger, wenn du dort geboren bist. Es gibt dort ab 18 keine doppelte Staatsbürgeschaft - da musst du dich entscheiden. Da leben zwar Chinesen, Mexikaner usw. ihre Kultur ein Stück weit, aber begreifen sich alle als Amerikaner.
    So lange es eine doppelte Staatsbürgeschaft gibt, man hier keine Einwanderungspolitik betreibt und man das Wahlrecht hat für einen Staat, in dem man gar nicht lebt (und dadurch auch nicht in den Genuss des Ergebnisses kommt - was will ich mit Leuten, die eine Politik betreiben, die mich gar nicht betrifft), wird man sich mit einer Integration immer schwer tun.

  • Die Türkei wurde 1952 in die NATO aufgenommen, nur weil da jetzt (hoffentlich) kurzzeitig ein Autokrat an der Macht ist, kann man die nicht einfach rauskegeln.

    Ja, denn dazu gäbe es auch gar keinen Grund. Welche Form die Herrschaft dort hat - Diktatur, Demokratie, Monarchie - spielt für derlei Bündnisse schlicht keine Rolle.

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