Hallo miteinander,
zunächst einmal schön, dass mit diesem Forum eine zielgruppengerechte Kommnunikationsplattform existiert.
Persönliche Infos:
- 32 Jahre, verheiratet, 1 Kind (6 Monate), Dipl.-Ing.
- aktuell als wiss. Mitarbeiter (E13) tätig
- Frau arbeit ab 2019 wieder Vollzeit in der Beratung (ihr Einkommen reicht für die Studienzeit)
- berlinzentriert allerdings im Randgebiet, Arbeit im grenznahen Brandenburg (Verbeamtung...) möglich
Aktueller Bewerbugsstatus und erste Kurse:
Bewerbung zum Lehramt Informatik/Mathematik bei der FU Berlin eingereicht. Rückmeldung soll es Ende August geben.
Der erste (voll anrechenbare) Informatikkurs beginnt bereits übernächste Woche, ein zweiter schließt sich unmittelbar an.
Kurz zusammengefasst meine Fragen:
- seht ihr Luftschlösser in meinem Text oder haltet ihr insbesondere meine Beweggründe fürs Lehramt für realistisch bzw. realisierbar an?
- konntet ihr einiges von euren Idealen im Alltag umsetzen?
- Erfahrungen zum Thema Arbeiten als Lehrer mit Bachelor of Education während noch Master of Education studiert wird (Gehalt, Vereinbarkeit).
- Strategie bei der Reihenfolge der absolvierenden Fächer? Sequentiell (mit welchem starten?) oder parallel (wie im Verlaufsplan empfohlen)? Die Frage zielt auf den frühestmöglichen Einstieg als Lehrer (ggf. auch erstmal als Quereinsteiger) ab.
- womit sollte ich mich noch im Vorfeld beschäftigen?
Weshalb Lehramt:
- war bereits vor 12 Jahren mein Wunsch; aufgrund der vermeintlich besseren monetären Perspektive habe ich mich (auch durch verschiedene "Influencer") dann für das Studium des Wirtschaftsingeniurwesens entschieden
- im Zuge der Geburt unseres Kindes und einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit den Einsatzgebieten eines Wirtschatfsingenieurs wurde es Zeit für ein Umdenken
(Zum einen sind zwei Berater in der Familie zwar gut fürs Portmonaie, aber mit einem erfüllten Familienleben (unserer Meinung) nicht kompatibel. Zum anderen spricht mich das sehr projektgetriebene Geschäft aufgrund der Unkalkulierbarkeit etwaiger Projekte (inhaltlich, zeitlich, örtlich) immer weniger an.)
- kaum noch Motivation für den aktuellen Job
- als Ergebnis erarbeitete ich mit meiner Frau ein Anforderungsprofil an einen Job, der mir wieder Freude bringen kann
- hierbei haben wir folgende Punkte herausgearbeitet:
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Leitplanken:
Nach einer intensiven Selbstreflexion meines Wesens steht fest, dass ich beruflich gewisse Leitplanken benötige, die eine zu starke Fokussierung (Details...) verhindern.
Eine solche Leitplanke ist mit dem Rahmenlehrplan gegeben, sodass für mich bereits (heute) feststeht, was ich die nächsten Jahre als Lehrer zu tun habe. Natürlich gibt es noch Anpassungen der Pläne (v. a. Informatik), Mathe wohl nur marginal, aber insgesamt sehe ich hier keine große Dynamik. Somit kann ich meine ganze Aufmerksamkeit bestmögliche Art und Weise verwenden die zu vermittelnden Inhalte zu lehren. -
Arbeit mit (jungen) Menschen:
Der Gedanke Menschen in einem wichtigen Lebensabschnitt mit wichtigem Handwerkszeug auszustatten und sie somit ein Stück weit auf das spätere Leben vorzubereiten erfüllt mich ehrlich gesagt mit Stolz und Zufriedenheit. Sicherlich werde ich nicht nur mit hochmotivierten, bilingual ausgebildeten Musterschülern zu tun haben, aber genau darin liegt für mich die Challenge (die ich auch ein Stück weit suche). Ich selbst beobachte in der Uni oft den Zusammenhang zwischen fehlender Motivation auf Seiten der Lernenden und ausgebliebener Motivation (das braucht man hierfür oder das könnte nützlich sein für...) auf Seiten der Lehrenden. Meine Schulzeit vor allem in Mathe war geprägt von Motivationen der Lehrer in der Form, dass auf die Wichtigkeit bestimmter Themen zwar hingewiesen wurde, aber die Begründung ausblieb. Selbst ohne pädagogische Ausbildung behaupte ich, dass sich mit zielgruppengerechten Beispielen nach den Interessen der Schüler (z. B. "Spiele programmieren ist toll --> Android --> Betriebssysteme/Netzwerke --> Programmiersprachen --> Rechneraufbau) eine hohe Motivation erzielen lässt. Mit Aufzeigen warum genau dieses Thema relevant für den einzelnen Schüler ist oder sein kann (Berufswunsch) rechne ich mit einer zumindest erhöhten Motivation. Das mögen einige vielleicht als naiv empfinden, ich glaube dran. -
Chance zum Durchbrechen vorhandener Vorgehensweisen und eigenständige Arbeit:
Ebenfalls konnte sich bei mir an der Uni kaum einer vorstellen wie man mehr als 10 wissenschaftliche Arbeiten pro Semester betreuen kann. Das geht durch einen starken Willen und Effizienz.
in großer Gruppe treffen, Big Picture zeigen, Schwerpunkte für Studis aufzeigen, Schnittstellen zu anderen aufzeigen, Austauschplattform programmieren und bereitstellen, gemeinsame Literaturverwaltung, Organisation verankern, Hilfe zur Selbsthilfe anbieten etc. Das hat bisher keiner an der Uni so gemacht und die Studis sind sehr zufrieden, Promotion geht voran und Prof. bekommt seine Lehrpunkte
Will damit nur andeuten, dass ich im Rahmen der mir zugestandenen Möglichkeiten auch bisher unbekannte Wege beschreiten möchte und definitiv meinen Stil hinsichtlich Lehre/Umgang mit Schülern bzw. Eltern finden werde. Siehe auch Telkos mit Eltern.
Flache Hierarchien finde ich super. Wenn ich mich nicht täusche, ist der Überbau (Schulleitung, Fachbereichsleiter, noch mehr?) recht überschaubar. Gut, dass macht zwar den Aufstieg schwieriger, allerdings sollte sich mein Erststudium auch in einer Funktion mit Schulbezug außerhalb der Schule als Türöffner erweisen.
Evaluationen. Wenn nicht Pflicht, möchte ich mich von meinen Schülern freiwillig (anonym) evaluieren lassen.
Vorträge von Experten. Warum nicht gegen Ende der Schulzeit oder zur Vorbereitung auf ein Praktikum einen Ausflug mit dem Leistungskurs Informatik zu google, Facebook etc. unternehmen? -
Vereinbarkeit von Familie und Beruf:
Stelle ich mir tatsächlich so vor, dass ich nach meinen 26 Präsenzstunden (irgendwann zwischen 8 und 14 Uhr) nachmittags Zeit für die Kinder habe und abends (auch gerne am Wochenende) den Unterricht (vor-/bzw nachbereite). Abends arbeiten auch am Wochenende stört uns beide überhaupt nicht. Auch das Arbeiten auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeit mache ich gerne und schaufel mir damit wieder eine Stunde abends frei. Sofern ich alle Infos zu einem Schüler parat habe, spricht doch nichts dagegen Elterntelefonate auf dem Weg nach Hause (in ruhiger Umgebung) oder Abends auf dem Weg ins Fitnessstudio zu führen. So verfahre ich mit meinen Masteranden von Anfang an und sie waren von der Flexibilität (klar warum nicht auch um 21 Uhr telefonieren, wenn es für beide passt) sehr überrascht, aber umso dankbarer. -
Schnittmenge mit aktuellem Job:
Am meisten Spaß macht mir der Umgang mit den Studis.
Projektthemen ausarbeiten und intensiv betreuen, wissenschaftliche Themenstellungen konzipieren und bearbeiten lassen, Prüfungen erstellen und korrigieren, Vorlesungen halten.
In unseren internen Evaluationen schneide ich stets als bester ab und wurde auch vom Prof. als Flaggschiff Lehre bezeichnet. In anderen Dingen sind die anderen Kollegen wiederum besser (nur um Arroganzvorwürfen gleich die Luft aus den Segeln zu nehmen). Wie gesagt, es ist eine andere Zielgruppe, aber dennoch habe ich eine Affinität zur Lehre festgestellt und wurde daraufhin auch von Kollegen und Freunden in meinem Wunsch bestärkt. Bestimmte Themen sind bestimmt vergleichbar. Z. B. Konfliktgespräche über eine als zu schlecht empfundene Bewertung. Macht natürlich keinen Spaß, aber da habe ich mich auch nicht versteckt. Ob Schüler schon so argumentieren können wir Studis kurz vorm Master weiß ich nicht, aber auf die Gespräche mit den Eltern bereiten sie auf jeden Fall vor. -
Gerechtigkeitssinn:
Häufig Fluch, aber in der Schule aus Sicht der Schüler sicherlich ein Segen. -
Feedback durch Dritte:
Aus meinem Unialltag weiß ich, dass nicht viele die Evaluationen mögen. Ich finde sie dagegen echt super. Sie geben mir die Möglichkeit meine Eigenwahrnehmung durch Selbstreflexion mit Fremdwahrnehmung zu vergleichen und an mir zu arbeiten. Kritik halte ich auch aus -
Tauglichkeit für Plan B:
Selbst, wenn ich nach einigen Jahren feststellen sollte, dass Lehrer doch nicht das gelbe vom Ei ist, falle ich verhältnismäßig weich.
Durch mein erstes Studium werde ich im wirtschaftlichen Bereich auch mit Mitte/Ende 40 noch einen Job finden. Und mit dem zusätzlichen Master of Education ist man zum Beispiel auch sehr begehrt in Personalabteilungen größerer Unternehmen.
Mit den Informatik und Mathekenntnissen, die zum Beispiel in Informatik (Kernfach) inhaltlich nahezu den Bachelor Informatik abdecken, erschließen sich weitere Berufsfelder. -
Anerkennung:
Für mich ist (so empfinde ich gerade) es einfach etwas anderes, wenn mein Prof. sagt "guter Artikel" oder "klasse wie Sie das Projekt umgesetzt haben" als wenn die Eltern oder sogar die Schüler sich für den guten Unterricht bedanken und im Idealfall nach ihrer Schulkarriere den Weg zurück an die Schule finden, um sich auszutauschen. Habe ich z. B. bei meiner Sportlehrerin in der Grundschule gemacht.
Somit hat das Lehramt dieses Profil ziemlich gut erfüllt.
im ersten Kommentar steht der Rest. Die Zeichenbegrenzung hat hier eiskalt zugeschlagen.
Gruß aus Berlin und Danke für euer Meinungen,
Matthias