Erste Kürzung der Stundentafel für Schüler wegen Lehrermangels

  • Wenn man nicht mal mehr genügend Seiteneinsteiger für den Lehrerberuf findet (die ja leider auch nicht von allen Kollegen unterstützt und gewertschätzt werden), dann bleibt wohl nur noch, was anderswo vor Kurzem jemand als Idee äußerte: die Kürzung der Stundentafel für die Schüler - zumindest vorübergehend. Die Alternative wäre ja, dass wir überlastete Lehrer noch mehr belastet werden mit größeren Klassen, höherem Stundensoll, bezahlter und unbezahlter Mehrarbeit, Abbau / Streichung von Anrechnungsstunden, was alles schon in der Diskussion ist.


    Gerade lese ich aus Sachsen, dass dort die Stundentafel der Schüler zum neuen Schuljahr gekürzt wird.


    In der Grundschule sinkt die Stundenzahl in den Klassen 3 und 4 um insgesamt drei Stunden, in der Oberschule sind es zusammen sieben Wochenstunden, im Gymnasium sechs. Reduzierungen gibt es nicht nur in Sport und Musik, sondern auch in Fächern wie Mathematik, Deutsch oder Biologie. Damit werden nach Ministeriumsangaben etwa 770 Lehrer in Vollzeit frei für andere Aufgaben.


    https://www.news4teachers.de/2…chueler-bekaempft-werden/


    Ich finde das (als Notlösung) richtig und sinnvoll, bis es wieder genügend ausgebildete Lehrer gibt! Ihr auch?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Tja, wenn man die Wahl zwischen Unterrichtsausfall und Verheizung der (noch vorhandenen) Lehrkräft hat, ziehe ich ersteres vor - aus persönlichen Gründen und weil letzteres das Problem schlussendlich eher verstärken als lösen wird und daher auch rational Blödsinn ist.


    Ich hätte aber noch einen anderen Vorschlag: Mehr Verwaltungspersonal anstellen, das Verwaltungsaufgaben übernimmt, sodass Lehrer verstärkt ihrem eigentlichen Kerngeschäft nachgehen können. Warum sollte nicht eine Bürokraft Krankmeldungen entgegennehmen, den Vertretungsplan organisieren, den Stundenplan erstellen, den Informationsabend mit Vorstellung verschiedener Berufsprofile organisieren, die Computer warten, die Fehlstunden der Schüler zusammenzählen, die Notenlisten abtippen und ins Zeugnisprogramm eingeben, die Zeugnisse unterschreiben, die Chemiesammlung verwalten, die Bücherausgabe organisieren, ...? Warum soll nicht ein Sozialpädagoge (die es oft wirklich schwer haben einen unbefristeten Job zu finden!) als Beratungs"lehrer" fungieren und Klassenfahrten (mit-) betreuen, das Paten-/Buddy-Wasnochalles-Programm gestaltet, die Streitschlichter und Schulsanitäter betreuen, die Nachmittagsbetreuung und Mittagsaufsicht übernhemen, ...?


    Das sind Berufsfelder, in denen meines Wissens nach kein akuter Mangel herrscht und über deren Einbindung im System man Schulen zusätzlich professionalisieren könnte. Für einige dieser Aufgaben gibt es Entlastungsstunden, die dann wieder im "Unterrichts-Pool" zur Verfügung stünden. Meiner Meinung nach Win-Win. Nur die Kurzsichtigkeit von Politikern, die erstmal sehen, dass mehr Personal an Schulen angestellt würde, wenn Lehrer solche Aufgaben nicht mehr selbst übernehmen, führt dazu, dass diese immer stärker belastet und der Beruf immer unattraktiver wird.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Ich lach mich schlapp. Komm doch nicht mit solch alten Kamellen. In meinem 8 Jahren am Berufskolleg habe ich kein Jahr erlebt, dass die Stundentafel voll erfüllt wird. Entweder es fehlt an Maschinenbau. Oder an deutsch. Oder an Englisch. Und fast immer an Wirtschaftslehre. Oder an Sport.Oder oder oder.


    Und wir sind lange nicht das einzige BK, das die Tafel nicht füllen kann.

  • @Midnatsol,


    das meine ich auch. An jede Schule gehören am besten 2 Vollzeitsekretärinnen (damit auch im Krankheitsfalle möglichst eine da ist), die die von dir beschriebenen und andere Verwaltungsaufgaben übernehmen. Das alleine wäre schon eine große Entlastung.


    @Sissymaus,


    den "Lacher" verstehe ich nicht ganz. Wenn das Stundensoll der Schüler sinkt, reicht die Anzahl der vorhandenen Lehrer vielleicht wieder, um dieses wieder voll abzudecken. Viele Schulen starten ja bereits bei Schuljahresbeginn mit einem "Minus" beim Personal. Das bedeutet etliche Vertretungen oder gar Ausfall von vornherein.


    Unabhängig davon können natürlich trotzdem Lehrer ausfallen durch Krankheit, Schwangerschaft und Sonstiges. Oder um es noch einfacher auszudrücken: Es ist doch ein Unterschied, ob 5 Lehrer 30 Wochenstunden abdecken müssen oder nur 25 Wochenstunden, auch wenn von diesen 5 jemand ausfällt.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Da müssten die sächsischen Lehrer (z.B. @Krabappel) mehr dazu sagen, aber ich finde es schon sehr gewöhnungsbedürftig, dass es "plötzlich" heißt, dass ein derart hoher Lehrermangel an sächsischen Schulen herrscht und man nach jedem einzelnen Strohhalm greift, weil diese Entwicklung ja überhaupt nicht absehbar war. Ganz ehrlich: Das muss man über die Jahre gemerkt haben und wenn man einfach zuschaut und sieht, dass die Entwicklung immer extremere Züge annimmt, muss es irgendwann zum großen Knall geben. Obwohl Sachsen in Schulleistungsstudien immer sehr gut abschneidet, muss die Landespolitik entweder lange Zeit gepennt haben oder ließ sich durch besagten Erfolg blenden, sonst hätten sie schon längst Maßnahmen unternommen, 1. mehr Werbung für den Lehrerberuf (insbesondere Mangelbereiche!) zu machen, 2. den Beruf attraktiver zu machen (auch gehaltstechnisch...) und 3. die Studienplatzanzahl in Mangelbereichen zu erhöhen. Jetzt auf dem Gipfel des Lehrermangels damit anzufangen, ist halt "ein bisschen" spät und unter den ganzen Notprogrammen leiden am Ende nur die Schüler...

  • Warum sollte nicht eine Bürokraft Krankmeldungen entgegennehmen, den Vertretungsplan organisieren, den Stundenplan erstellen, den Informationsabend mit Vorstellung verschiedener Berufsprofile organisieren, die Computer warten, die Fehlstunden der Schüler zusammenzählen, die Notenlisten abtippen und ins Zeugnisprogramm eingeben, die Zeugnisse unterschreiben, die Chemiesammlung verwalten, die Bücherausgabe organisieren, ...?

    Das Problem: Viele von diesen Tätigkeiten füllen an einer Schule keine volle Stelle aus bzw. du brauchst einen "Fachmann". Du kannst nicht jeden beliebigen Arbeitslosen hinstellen, der dir mal eben die "Chemiesammlung" verwaltet oder "die Computer wartet". Das sind z.B. schon zwei getrennte Anforderungsprofile, für die es eine spezialisierte Ausbildung braucht, damit am Ende nicht mehr Chaos herrscht als vorher. Und wenn jeweils eine Person für mehrere Schulen zuständig ist, hast du wieder das Problem der Verfügbarkeit. Wenn der Computer JETZT gebraucht wird, wartet man nicht gerne eine Woche, bis der Fachmann wieder da ist.


    Zudem sollten sensible Bereiche wie Stunden- und Vertretunsplan von Personen organisiert werden, die die reale Belastung von Lehrkräften kennen und nicht von irgendwelchen Verwaltungspersonen, die das nur theoretisch vom Hörensagen kennen...


    Zitat

    Warum soll nicht ein Sozialpädagoge (die es oft wirklich schwer haben einen unbefristeten Job zu finden!) als Beratungs"lehrer" fungieren und Klassenfahrten (mit-) betreuen, das Paten-/Buddy-Wasnochalles-Programm gestaltet, die Streitschlichter und Schulsanitäter betreuen, die Nachmittagsbetreuung und Mittagsaufsicht übernhemen, ...?

    Das könnte eher funktionieren, aber nur mit klaren arbeitsvertraglichen Vorgaben, was dann auch von einem fähigen SL durchgesetzt werden muss. Sonst hast du nur eine Person, die sich in ihrem Büro einigelt und dort mehr oder weniger unkontrolliert vorgibt, "Beratung" zu machen...


    Gruß !

  • "Damit werden nach Ministeriumsangaben etwa 770 Lehrer in Vollzeit frei für andere Aufgaben."


    Was machen diese Lehrer dann? Für mich liest sich das nicht nach Lehrermangel, sondern danach, dass andere Aufgaben als wichtgier eingestuft werden als Unterricht.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Das Problem: Viele von diesen Tätigkeiten füllen an einer Schule keine volle Stelle aus bzw. du brauchst einen "Fachmann". Du kannst nicht jeden beliebigen Arbeitslosen hinstellen, der dir mal eben die "Chemiesammlung" verwaltet oder "die Computer wartet". Das sind z.B. schon zwei getrennte Anforderungsprofile, für die es eine spezialisierte Ausbildung braucht, damit am Ende nicht mehr Chaos herrscht als vorher. Und wenn jeweils eine Person für mehrere Schulen zuständig ist, hast du wieder das Problem der Verfügbarkeit. Wenn der Computer JETZT gebraucht wird, wartet man nicht gerne eine Woche, bis der Fachmann wieder da ist.
    Zudem sollten sensible Bereiche wie Stunden- und Vertretunsplan von Personen organisiert werden, die die reale Belastung von Lehrkräften kennen und nicht von irgendwelchen Verwaltungspersonen, die das nur theoretisch vom Hörensagen kennen...


    Gruß !

    Da stimme ich absolut zu. Besonders zum Thema "Sammlung verwalten". Das kann eigentlich nur sinnvoll ein Kollege erledigen, der tatsächlich mit dieser Sammlung arbeitet. Für solche Aufgaben sollte eine realistische Entlastung geschaffen werden, statt dass neue externe Kräfte eingestellt werden.


    Natürlich müssten dafür auch mehr Lehrerstellen geschaffen werden. Und irgendjemand müsste die dann auch in den Naturwissenschaften besetzen...

  • Zudem sollten sensible Bereiche wie Stunden- und Vertretunsplan von Personen organisiert werden, die die reale Belastung von Lehrkräften kennen und nicht von irgendwelchen Verwaltungspersonen, die das nur theoretisch vom Hörensagen kennen...

    vor allem das, danke dafür. Was bei der "Verwaltung" von Personal rauskommt, die durch schlecht bezahlte Fachangestellte vorgenommen wird sieht man ja jedes Schuljahr neu.

  • Die Reduzierung der Stundentafel ist für mich eine Notlösung. Man könnte auch sagen das kleinere Übel. Meiner Meinung nach können aber einige Fächer dafür gekürzt werden. Ich bin zwar sehr für die sogenannten Nebenfächer Musik, Kunst, Sport o.a., aber in Zeiten des Lehrermangels muss man Prioritäten setzen. Da gibt es so einiges, was die Kinder auch im Hort oder zu Hause machen können, z.B. Pyramiden bauen im Geschichtsunterricht; zu einer Musik ein Bild malen im Musikunterricht; Stadt-Land-Fluss spielen in der Förderstunde.


    Wenn wir uns das zeitlich leisten können, ok, aber wenn anderes ausfallen muss, dann muss man auf sowas m.E. wenigstens vorübergehend verzichten.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Dir ist aber schon klar, dass Geschichtsunterricht mehr als "Pyramiden bauen" ist, oder? Die studierten Geschichtslehrer hier im Forum dürften nicht sehr erfreut darüber sein, wie du über die Bedeutung ihres Faches denkst. Ansonsten, wie vorher schon angesprochen: Ich bin mir sicher, dass der sächsische Lehrermangel eine schrittweise Entwicklung über lange Zeit war und die Bildungspolitiker ihn schlichtweg nicht wahrhaben wollten bis sie das Problem irgendwann nicht mehr ignorieren konnten. Das war also keine Überraschung, weswegen eine Kürzung der Fächer nur den falschen Personen (Einsparungen im Bildungsbereich durch Politiker) nutzen würde - während die Schüler am Ende die Leitragenden wären.

    • Offizieller Beitrag

    Und auf die Idee, dass Förderunterricht "Stadt-Land-Fluss" - Spielen ist könnte man eigentlich nur kommen, wenn man die Schule nur vom Hörensagen kennt.


    Wer selber unterrichtet sollte es besser wissen und so eine Aussage nicht in die Öffentlichkeit bringen.


    Kl.gr.Frosch

  • Gibt es hier eigentlich jemanden, an dessen Schule eine Schulverwaltungsassistenz beschäftigt ist? Hab mir heute mal die Verordnung für NRW durchgelesen und fände das eine tolle Sache. Weiß dazu jemand näheres?

    • Offizieller Beitrag

    Gibt es hier eigentlich jemanden, an dessen Schule eine Schulverwaltungsassistenz beschäftigt ist? Hab mir heute mal die Verordnung für NRW durchgelesen und fände das eine tolle Sache. Weiß dazu jemand näheres?

    Wir haben einen, seit mittlerweile 7 Jahren glaube ich. Ich kenne das Leben davor und jetzt. Ein Goldstück. Liegt sicher an der Person selbst, aber es ist wirklich eine sehr große Entlastung des Systems.

  • Ich glaube, ich werde das bei uns mal anregen.


    Was macht die Assistenz bei euch alles? Und wie wird das mit Lehrerstellen verrechnet?

  • Ich finde das (als Notlösung) richtig und sinnvoll, bis es wieder genügend ausgebildete Lehrer gibt! Ihr auch?

    Ist das neu?


    Bereits als ich Schüler war in den 1990ern wurden die Stundentafeln zusammengestrichen, weil es nicht genug Lehrer gab. Leistungskurse nur noch 5- statt 6-stündig und so.


    Bei meinem Einsatzplan sieht es so aus, daß der überwiegende Teil meines Unterrichts auf 50% zusammengestrichen wurde. Aus einer Doppelstunde/Woche wurde eine Doppelstunde alle zwei Wochen. Den Lehrplan da noch erfüllen bei so massiven Streichungen, ist schon "ambitioniert". Wobei ich da auch keine Themen weglassen kann. Das Zeug brauchen die Lehrlinge alle für ihre IHK-Abschlußprüfung.


    Ich habe jedenfalls direkt nach dem Ref. auch aufgrund der Stundenplan-Situation das Methodenfeuerwerk gleich mal drastisch zusammengestrichen. Die Inhalte sind wesentlich wichtiger.


    Auch wundere ich mich immer, warum die Politiker und Eltern über die spontanen Stundenausfälle durhc Krankheit maulen. Das ist doch der wesentlich kleinere Teil im Vgl. zu den strukturellen Ausfällen. Nur fallen Letztere kaum auf. Wer vergleicht schon die Stundenpläne von heute mit denen vor 30 Jahren, um festzustellen, daß die Azubis damals 1,5 Berufsschultage haben und heute bloß noch einen mit dann auch nur 6 Stunden?

  • Auch wundere ich mich immer, warum die Politiker und Eltern über die spontanen Stundenausfälle durhc Krankheit maulen.

    Ist doch klar, fällt ein Lehrer auch nur für einen Tag aus, merken das im Durchschnitt sofort 80-120 Schüler und doppelt soviele Elternteile. Fällt irgendwo ein Hansel in seinem Büro-Sesselpuper-Job aus, merken das höchstens die unmittelbaren Kollegen in der Abteilung und die Arbeit bleibt einfach liegen.


    Daher der pychologische Effekt, dass man meint, Lehrer seien "immer krank".


    Gruß !

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