Verbalbeurteilung

  • Hi, ich habe einen Vortrag zum Thema Verbalbeurteilung vorbereitet.
    Hierzu musste ich eine Lehrer Befragung durchführen.
    Jedoch haben die Lehrer, die ich privat kenne, sich nicht mehr bei mir gemeldet.


    Ich brauche bitte eure Meinung. Nur kurze Antworten!


    1.Welche Erfahrungen haben Sie mit Verbalbeurteilung? und oder Lernberichten?


    2.Für welche Schulform und Klassenstufe ist diese Form der Leistungsbeurteilung empfehlenswert?
    3.Wurden Sie im Referendarium oder im Studium vorbreitet Verbalbeurteilungen zu formulieren?


    4.Was befürworten Sie – Zensuren oder Verbalbeurteilungen?



    Danke schonmal im Voraus :)

  • Hallo, da will ich dir mal helfen...


    1. Sehr zeitaufwändig, aber wenn man seine Kinder lange kennt und viele Fächer in der Klasse unterrichtet, kann man sie gut beschreiben. Die Verbalbeurteilung ist sicher sehr viel aussagekräftiger als nur Noten.
    Viele Eltern wollen aber Noten; sie können schlecht zwischen den Zeilen lesen und verstehen im Endeffekt dann doch nicht, was ihr Kind im Vergleich zu den anderen Kinder kann. Nicht-Deutsche Eltern, die der Sprache nicht mächtig sind, tun sich schwer und man muss es ihnen dann nochmal erklären....
    Vorgefertigte Sätze des Zeugnisprogramms treffen "meine" Kinder (sehr spezielle Kandidaten) nur unzureichend, d.h. viel freies Formulieren gefragt!


    2. Kann nur für Grundschule sprechen. Ich schätze aber mal, dass man in höheren Klassen, wo nicht mehr das Klasenlehrerprinzip herrscht und man nur 1-2 Wochenstunden in der Klasse hat, seine Schüler nicht so gut kennt, als dass man sie so treffend beschreiben könnte wie es ein GS-Klassenlehrer kann.


    3. Nein


    4. Eine Mischung aus beidem, also Verbalbericht plus Noten.


    Viel Glück beim Vortrag, vielleicht melden sich noch mehr Kollegen (-;

    • Offizieller Beitrag

    1.


    a) Verbaler Fließtext:
    - extrem langwierig, viel Freizeiteinsatz und viele Wochenenden in der schönsten Zeit des Jahres nötig, funktioniert - wie so vieles in unserem Beruf - nur unter der Annahme, dass Lehrer gerne und viel ehrenamtlich arbeiten,
    - hohe Arbeitsbelastung auch für Schulleitung (Lesezeit bei 300 oder 500 Schülern?),
    - fehleranfällig, eine Reihe von Zeugnissen muss dadurch verbessert und neu gedruckt werden (Ressourcenverbrauch + Müllanfall)
    - verbindliche Kriterien nötig, sonst total unterschiedliche Zeugnisse in Parallelklassen -> Viel Zeit für die Absprache vorab und die jährliche Nachsteuerung nötig,
    - z.T. sehr schwer für Fachlehrer umsetzbar,
    - Kinder können genauer beschrieben werden,
    - in Berlin musste man sich früher im Umfang sehr beschränken, dadurch konnte man nie alle Kompetenzen des Lehrplans einschätzen (Vorteil: man muss weniger pi mal Daumen arbeiten, Nachteil: weniger genau)
    - Schwächen können bzw. müssen (je nach Bundesland) positiv formuliert werden --> für übernehmende Lehrer verständlich, für Eltern aber oft nicht, d.h. man bekommt z.B. leistungsschwache Schüler mit wohlklingendem Zeugnis aus anderem Bundesland, wenn diese dann im Notenbereich 3 bis 4 landen, sind die Eltern erbost- oder auch, wenn die Kinder dann das 3. Jahr in der Schulanfangsphase nutzen sollen, das ist oft nicht nachvollziehbar,
    - Übergang an weiterführende Schule wäre erschwert, wenn in höheren Jahrgängen,
    - je höher der Jahrgang, desto komplizierter stelle ich mir das vor.


    b) indikatorenorientiertes Zeugnis (enthält vorgegeben alle Kompetenzen, die laut Lehrplan erarbeitet werden müssen):
    - etwas weniger langwierig, aber nicht wirklich viel, auch hier viel Freizeiteinsatz nötig,
    - enthält so viele Kriterien, dass man die letzten 3 Monate vor den Zeugnissen fast nur noch testen muss, um eine halbwegs aussagekräftige Bewertung zu erhalten, aber manchmal ist es auch Pi mal Daumen,
    - Berlin: Die Option "Kompetenz wird gar nicht beherrscht." gibt es quasi nicht, man kann zwischen Vollkreis, Dreiviertelkreis, Halbkreis und Viertelkreis entscheiden, d.h. Eltern denken teilweise, dass ihr Kind ja schon gute Ansätze hat, wenn Kreuz im Vierteilkreisbereich ist,
    - hohe Arbeitsbelastung für Schulleitung,
    - sehr viele Kopien, die kunstvolle Druckeinstellungen verlangen, dadurch auch Zeit- und Materialaufwand, bis es klappt,
    - allgemein für die meisten Eltern besser verständlich als a), es ist etwas leichter für ein Verweilen oder Aufrücken zu argumentieren.


    2. Ich finde die Klassenstufe nicht so wichtig, sondern das Umdenken im Schulsystem, denn das ist eine völlig andere Form der Bewertung, die ganz andere Ressourcen und Herangehensweisen sowie Leseweisen erfordert. Es wäre ein kompletter gesellschaftlicher Wechsel nötig. Allein die Übergangsgutachten... MSA... Bachelor- und Masterprüfungen... IHK-Prüfungen...


    3. Nein.


    4. Ich befürworte inzwischen Zensuren, eventuell sogar ab Klasse 2 in bestimmten Teilbereichen, die für Verweilen / Aufrücken relevant sind. Dazu eine kurze Verbaleinschätzung, wenn diese in der Arbeitszeit berücksichtigt wird und die Pflichtstundenzahl entsprechend gesenkt wird. Für Kinder mit LRS, Deutsch als Fremdsprache oder Rechenschwäche ist das übrigens in meinem Bundesland für die betroffenen Fächer jetzt schon ganz genau so.
    Eltern wünschen sich Noten und sind bei uns im Einzugsgebiet genervt von Verbalbeurteilungen.
    Ergänzung: Benachteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund und mit eher einfacher Bildung ist durch Verbalgutachten gegeben, die sinnverstehenden Lesefähigkeiten reichen oft nicht aus, während sie Noten verstehen.


    Viel Erfolg!

  • Schließe mich der Vorrednerin (der Vorvorrednerin, Conni hat ich noch dazwischengequetscht, schreibt aber auch viel Schlaues..)und ergänze nur:
    1.Ich schreibe an meiner jetzigen Schule Verbalbeurteilungen in Form von Texten (für Klasse 1u.2), hatte an einer anderen Schule aber auch schon das Vergnügen mit Lernberichten zum Ankreuzen.
    Freie Texte schreiben macht zwar erstmal mehr Arbeit, ich fühle mich dabei aber deutlich wohler, denn:
    -In Ankreuzzeugnissen werden mir zig Kompetenzen aufgelistet, die ich alle beurteilen soll, davon sind einige recht diffus (und werden auch gerne von unterschiedlichen Kollegen unterschiedlich interpretiert) oder nur schwer überprüfbar/beobachtbar. Durch das Setzen von Kreuzen wird gleichzeitig (wie bei Noten) Objektivität und Verggleichbarkeit suggeriert. Um diese bei allen Kompetenzen wirklich zu gewährleisten, müsste ich am laufenden Band Lernzielkontrollen veranstalten, was in Klasse 1/2 gar nicht zu leisten ist und auch pädagogischer Unfug. Ich müsste jeden Pups den die Kinder machen dokumentieren, was für mich nicht zu leisten ist.
    Also setzt man viele Kreuze eher "pima Daumen" (= nach bestem Wissen und Gewissen und nach einigem Kopfzerbrechen aufgrund
    der Beobachtungen, die man halt so macht). Hatte ich nie ein wirklich gutes Gefühl bei.
    -Sie ermöglichen mir nicht Entwicklungen und individuelle Fortschritte darzustellen.
    - Sie sind sprachlich zum Teil so abgehoben, dass die Kinder selbst gar nicht verstehen, worum es geht und auch die Eltern vieles nicht wirklich verstehen, insbesondere dann, wenn Deutsch nicht Muttersprache ist.


    Bei Texten kann ich die Dinge bescheiben die ich tatsächlich überprüft/beobachtet habe, kann Zusammenhänge darstellen und Entwicklungen einfließen lassen. Ich werde damit den Kindern deutlich gerechter.


    2. Sehe ich genauso wie fraumitklasse.


    3. nö (an dieser Stelle der Hinweis: "Referendarium" ist zwar eine goldige Wortneuschöpfung , aber für denVortrag vielleicht doch besser deas Wort Referendariat verwenden!)


    4. rein pädagogisch: Verbalbeurteilungen

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Conni und icke, eure Beiträge unterschreibe ich blind - sehe ich alles genauso. Wollte nur nicht so viel schreiben, da "happy" ausdrücklich "nur kurze Antworten" haben wollte (-;


    Die Idee, in Klasse 2 Zensuren für Teilbereiche zu geben, die für das Aufrücken relevant sind, gefällt mir. Eine Note in Anstrengungsbereitschaft, Konzentration, Zuverlässigkeit, Fleiß etc. wäre cool. Dann würden nicht Kinder versetzt, die in Deutsch ne 5 und in Mathe ne 4 haben. Die haben in der 3. Klasse sowieso keine Chance mehr - ich muss sie aber mitschleifen...


    Kompetenzraster finde ich aus den von icke aufgeführten Gründen auch Horror.

  • Ich hab als Kind ausführliche Verbalbeurteilungen bekommen, die lese ich heute gern immer mal wieder. Daran erkenne ich ziemlich genau wie ich war und was ich konnte. In alle Ziffernzeugnisse habe ich nie wieder geguckt, meinen Abischnitt weiß ich nicht mal mehr genau...

  • Conni und icke, eure Beiträge unterschreibe ich blind - sehe ich alles genauso. Wollte nur nicht so viel schreiben, da "happy" ausdrücklich "nur kurze Antworten" haben wollte (-;


    Die Idee, in Klasse 2 Zensuren für Teilbereiche zu geben, die für das Aufrücken relevant sind, gefällt mir. Eine Note in Anstrengungsbereitschaft, Konzentration, Zuverlässigkeit, Fleiß etc. wäre cool. Dann würden nicht Kinder versetzt, die in Deutsch ne 5 und in Mathe ne 4 haben. Die haben in der 3. Klasse sowieso keine Chance mehr - ich muss sie aber mitschleifen...


    Kompetenzraster finde ich aus den von icke aufgeführten Gründen auch Horror.

    Hh hat gar kein Sitzenbleiben mehr...

Werbung