Werden die Kids faul durch Arbeitshefte?

  • Zugegeben, manchmal sind schöne Arbeitshefte wirklich praktisch. Aber je länger ich unterrichte, desto hohler kommt's mir vor, dass die Kinder nur noch einzelne Wörter abschreiben sollen.


    Und wenn ich mal (in anderen Klassen) einen 3-Satztext an die Tafel schreibe wird gleich geschrien, was ich Folterknecht von ihnen will, dass ihre Hände gleich bluten und überhaupt sei Schreiben nur für Strafarbeiten.


    Ist das an anderen Schularten auch so? oder macht ihr noch klassische Hefteinträge mit Datum umd Überschrift wo man sich mal selbst eine Bevölkerungspyramide zeichnen muss oder Tabelle erst mit Bleistift und Lineal programmiert, bevor man was hineinschreibt?


    Unsere Schülerschaft hat eh so große Probleme mit der Schriftsprache aber ich hab den Eindruck, die werden nicht besser, wenn man das Schreiben auf Lückenausfüllen beschränkt.


    Also ist natürlich jedem überlassen, wie er unterrichtet aber ich wundere mich gerade doch auch über die Verlage, die 8,95 für 40 Seiten Lücke verlangen.

  • Spannende Frage, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Hier mal ein paar ungeordnete Gedanken dazu:


    1.Eine Rolle spielt sicherlich der Jahrgang . Die ganz Kleinen können ja schlicht noch nicht wirklich viel abschreiben. Vieles läuft ja auch über Bilder (Kreise ein, welche Bilder mit M beginnen, verbinde Bilder mit gleichen Anlauten etc.). Auch für Nachspurübungen braucht es Vorlagen. Soweit ich das sehe, finden sich Arbeitshefte ja auch vornehmlich in den jüngeren Klassen.


    2. Sie gewöhnen sich das dann aber auch an, bzw. ihnen fehlt dann auch einfach die Übung. Rein motorisch. Es kommt einfach oft nicht mehr zu dem Punkt wo das Schreiben so weit automatisiert ist, dass es nicht mehr so anstrengend ist. Und wenn es anstrengend ist, lehnen die Schüler es ab (Anstrengungsbereitschaft nimmt ja auch grundsätzlich immer mehr ab). Ich selbst versuche auch von Durchgang zu Durchgang mehr in die Hefte schreiben zu lassen, habe aber auch immer den Eindruck, dass das nicht reicht (und komme mit den Arbeitsheften nicht hinterher, was mir allein wegen des ganzen Papierabfalls der da entsteht auch widerstrebt).


    2.Es soll (durchaus zurecht) immer individueller und differenzierter unterrichtet werden. Die Kinder sollen zunehmend selbständig arbeiten. Das lässt sich mit Arbeitsheften schlicht leichter bewerkstelligen (obwohl auch Karteien da ein Option wären, bzw. ja auch in Schulbüchern differenzierte Aufgabe zugewiesen werden können).


    3. Der Zeitfaktor: Kindern einen ordentlichen Hefteintrag beizubringen kostet Zeit, genauso wie das in dem Zusammenhang ja auch wichtige Tainieren einer vernünftigen Handschrift (letzteres wird ja auch immer mühseliger, weil schon die feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder zum Schulstart immer weiter zurückgehen). In Zeiten wo man immer mehr Kompetenzen zuzüglich zu den üblichen Inhalten vermitteln soll fehlt diese Zeit oft einfach.


    Wie gesagt: spannendes Thema. Bin da auch sehr zwiegespalten.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich habe das Gefühl, dass Arbeitshefte zu viel eingesetzt werden.


    Ich lasse ganz klassisch viel ins Heft schreiben, da kommt schon mal Gemotze (das ich ignoriere).
    Die Schüler müssen später auch mal über 20 Seiten im Abi schreiben, das muss man jahrelang üben.


    Das ist bei Deiner Klientel jetzt natürlich kein Argument, aber Du hast ja auch nach anderen Schulformen gefragt. Ich würde mir wünschen, dass auch in den Grundschulen mehr "normal" ins Heft geschrieben wird.

  • Ich meine ja.


    Tendenziell werden die Kinder durch Arbeitshefte und Arbeitsbögen schreibfaul bzw. noch schreibfauler. Außerdem finde ich sie oft recht ineffektiv. Große Blätter mit wenig Inhalt (Übung). Klar sind nicht alle so.


    Ich erinnere mich, dass ich selbst als Schüler toll fand, wenn man mal nicht die ganzen Sätze schreiben musste, sondern nur Lücken ausfüllen musste, aber heute glaube ich schon, dass das ein Beitrag zur schlechter gewordenen Rechtschreibung ist, weil viele Kinder in den Schulen nur noch Lücken ausfüllen und sich so die "Wortbilder" nicht mehr so gut einprägen, wie wenn sie die ganzen Wörter und Sätze schreiben würden.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Übrigens finde ich, dass Arbeitshefte / Arbeitsbögen vielleicht auch Lehrer faul machen (können). ;)


    Man muss ja dann nichts mehr an die Tafel schreiben.
    Man kann schneller korrigieren.


    usw.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Bei mir müssen die Schüler nach vorgegebenen Kriterien Hefte führen. Diese Kriterien bespreche ich mit den Klassen zu Beginn des Schuljahres. Ich sammele die Hefte regelmäßig ein und beurteile sie.
    Hefteinträge sind dann schon klassisch: Überschrift in einer anderen Farbe und unterstrichen, Datum, zusammenfassenden Merksatz umkastelt, vollständige Sätze, Tabellen und Zeichnungen mit Bleistift und Lineal (Geodreieck, Zirkel,...), Bilder oder kleinere Kopien ordentlich eingeklebt, ...
    So sehen dann auch bei mir die Tafelanschriebe aus, d.h. auch ich benutze Geodreieck und Zirkel,... Die Länge der Tafeltexte variiert natürlich je nach Thema, kann aber durchaus schon mal etwas länger sein. Ich finde schon, dass sich die Schüler an eine ausdauernde Arbeit gewöhnen sollen, dass sie Inhalte auch in vollständigen Sätzen und einigermaßen korrekten Rechtschreibung und Grammatik wiedergeben können, Fachsprache anwenden können, ... Merksätze sind auswendig zu lernen. In Tests müssen die Schüler auch in vollständigen und sinnvollen Sätzen antworten.


    Von (vorgefertigten) Arbeitsblättern der Verlage und Lückentexte halte ich nicht viel. Die Schüler drücken sich so schon viel zu knapp und ungenau aus ("Ich Klo"- nicht unbedingt nur die Ausländer) und Arbeitsblätter stimme ich lieber auf die Klasse ab.

  • Trotz Arbeitsheften lasse ich meine Erstklässler bewusst von Anfang an auch ins Heft schreiben. Von der Tafel ab. In Deutsch und Mathe, mit Datum, weil ich es wichtig finde.
    Nach einer Weile dann auch eigenverantwortlich. Am Anfang geht es schlecht, aber man kann praktisch von Seite zu Seite Verbesserung sehen im Schriftbild und auch was die Fehlerzahl betrifft.

  • So sehen dann auch bei mir die Tafelanschriebe aus, d.h. auch ich benutze Geodreieck und Zirkel,... Die Länge der Tafeltexte variiert natürlich je nach Thema, kann aber durchaus schon mal etwas länger sein. Ich finde schon, dass sich die Schüler an eine ausdauernde Arbeit gewöhnen sollen, dass sie Inhalte auch in vollständigen Sätzen und einigermaßen korrekten Rechtschreibung und Grammatik wiedergeben können, Fachsprache anwenden können, ... Merksätze sind auswendig zu lernen. In Tests müssen die Schüler auch in vollständigen und sinnvollen Sätzen antworten.


    Von (vorgefertigten) Arbeitsblättern der Verlage und Lückentexte halte ich nicht viel. Die Schüler drücken sich so schon viel zu knapp und ungenau aus ("Ich Klo"- nicht unbedingt nur die Ausländer) und Arbeitsblätter stimme ich lieber auf die Klasse ab.

    Bin zwar aus einem anderen Lehramt, aber ich möchte Dir großes Lob aussprechen! Es wäre so schön, wenn es noch mehr Grundschullehrkräfte wie Dich geben würde. Leider nimmt dieser Anspruch anscheinend immer mehr ab.

  • Ist das an anderen Schularten auch so?

    Ja, ist auch so.


    Bei mir wollen die Schüler alle die Fachhochschulreife haben und studieren. :ohh:
    Da mache ich mir manchmal den Spaß, wenn es einige Spezis mal wieder zu bunt treiben, und simuliere Vorlesungsbetrieb. Also Beamer aus, Tafelbild gibt es auch keins sondern wirklich mal 15 Minuten Lehrervortrag. Arbeitsauftrag an die Schüler: Selber erkennen was wichtig ist und das mitschreiben und zwar so, daß sie es in der nächsten Stunde noch wiedergeben können, also bitte in ganzen sinnstiftenden Sätzen, ggf. plus Skizze.


    Nach 15 Minuten sind die total alle ... und niemand kommet mehr auf so blöde Ideen wie dem Plattyplus dauernd mit seinem Handy samt Infrarot-Fernbedienung den Beamer abzustellen oder so. 8)

  • Frechdachs ist gar keine Grundschullehrkraft....

    Weil da so viele Fächer standen, ging ich davon aus, mein Fehler. Dann sollte ich es so formulieren, die Grundschullehrkräfte sollten sich bei Frechdachs mal was abschauen. Das würde uns Gymnasiallehrern sehr viel Arbeit in der 5. Klasse ersparen. Habe den Eindruck, dass das viele eben genau so wie eingangs moniert mit den Schülern verfahren. Die Jaulen wirklich sehr schnell, wenn sie mal etwas aufschreiben sollen. Das sind die gar nicht gewöhnt.

  • Ein klares Jein. Ich denke, es kommt darauf an, was die Schüler/innen üben sollen, ob ein Arbeitsheft sinnvoll ist oder nicht. Wenn ich z.B. in Englisch üben will, ob ein Adjektiv oder ein Adverb eingesetzt werden soll oder wenn ich in Mathe reine Kopfrechenaufgaben üben will, dann finde ich Arbeitshefte geeignet. In dem Fall machen sie nicht faul, denn es kann genau das geübt werden, was gelernt werden soll. Für viele Fächer finde ich sie allerdings überflüssig, wenn die Aufgaben genauso im Heft gelöst werden können, statt die Lösung in ein paar leere Zeilen in das Arbeitsheft zu schreiben. Oft werden meiner Ansicht nach auch viel zu viele Arbeitshefte angeschafft, die sowieso nicht ausgefüllt werden!

  • Ja, ist auch so.
    Bei mir wollen die Schüler alle die Fachhochschulreife haben und studieren. :ohh:
    Da mache ich mir manchmal den Spaß, wenn es einige Spezis mal wieder zu bunt treiben, und simuliere Vorlesungsbetrieb. Also Beamer aus, Tafelbild gibt es auch keins sondern wirklich mal 15 Minuten Lehrervortrag. Arbeitsauftrag an die Schüler: Selber erkennen was wichtig ist und das mitschreiben und zwar so, daß sie es in der nächsten Stunde noch wiedergeben können, also bitte in ganzen sinnstiftenden Sätzen, ggf. plus Skizze.


    Nach 15 Minuten sind die total alle ... und niemand kommet mehr auf so blöde Ideen wie dem Plattyplus dauernd mit seinem Handy samt Infrarot-Fernbedienung den Beamer abzustellen oder so. 8)

    Von diesem angeblichen Vorlesungsbetrieb wurde mir in der Schulzeit auch immer erzählt. Aber tatsächlich habe ich nie eine Vorlesung gesehen, in der nichts an die Tafel geschrieben wurde, oder es zumindest Folien gab.


    Wo gibt es so tatsächlich "vorgelesene Vorlesungen"?

  • Weil da so viele Fächer standen, ging ich davon aus, mein Fehler. Dann sollte ich es so formulieren, die Grundschullehrkräfte sollten sich bei Frechdachs mal was abschauen. Das würde uns Gymnasiallehrern sehr viel Arbeit in der 5. Klasse ersparen. Habe den Eindruck, dass das viele eben genau so wie eingangs moniert mit den Schülern verfahren. Die Jaulen wirklich sehr schnell, wenn sie mal etwas aufschreiben sollen. Das sind die gar nicht gewöhnt.

    Ich habe 4 Fächer studiert. Erst zwei und während der Babypause nochmal zwei.

  • Ja, werden sie. Jedes Mal, wenn ich Aufgaben habe, bei denen man ganze Sätze (ab-) schreiben muss, wird gejault. Inzwischen kündige ich solche Aufgaben schon an mit "für diese Aufgabe müsst ihr 10 Sätze schreiben" bevor sie sie sehen, weil das dann im Kopf der Schüler schon einen "Countdown" anwirft, der besser ist als der Gedanke "ich muss das ALLES abschreiben? Kann ich nicht nur die Verbform aufschreiben?".


    In der Oberstufe ist es ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm. Kreatives Schreiben oder das Schreiben einer Analyse geht da ohne Murren, aber wenn wirklich Fragen beantwortet werden sollen ("Beschreibe, wie Person X These Y herleitet und begründet" oder so; oder [mal nicht operationalisiert:] "Wie wirkt sich Globalisierung auf dein Leben aus?") kommt die Frage nach Stichpunkten und das Gemaule wenn ich einen Fließtext fordere.


    Allerdings sind das sicherlich nicht nur die Arbeitshefte Schuld, sondern auch die Tatsache, dass die Schüler heute kaum noch etwas von Hand schreiben in ihrer Freizeit und sich ohnehin wenig mit längeren Texten befassen - diese zu verfassen ist da auch deshalb anstrengend, weil man sich ja über sowas wie Konnektoren und Ausdruck Gedanken machen muss.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

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  • Wo gibt es so tatsächlich "vorgelesene Vorlesungen"?

    Die gabs bei mir in der allgemeinen Erziehungswissenschaft. Zwei oder drei waren sogar so extrem, daß sie wirklich ihr selber verfasstes Buch vorgelesen haben. Man konnte da, wenn man das Buch hatte, mitblättern. Einfach wegbleiben ging nicht, gab ja einen Sitzschein in den Veranstaltungen, also Anwesenheitspflicht.


    Wobei ich mich da schon öfters gefragt habe, ob ich im falschen Film bin, weil die Themen dann doch eher auf Kindergarten oder maximal noch Grundschule zugeschnitten waren und ich mich gefragt habe, wie bzw. was ich davon in der Erwachsenenbildung anwenden kann. :sterne:

  • Die gabs bei mir in der allgemeinen Erziehungswissenschaft. Zwei oder drei waren sogar so extrem, daß sie wirklich ihr selber verfasstes Buch vorgelesen haben. Man konnte da, wenn man das Buch hatte, mitblättern. Einfach wegbleiben ging nicht, gab ja einen Sitzschein in den Veranstaltungen, also Anwesenheitspflicht.
    Wobei ich mich da schon öfters gefragt habe, ob ich im falschen Film bin, weil die Themen dann doch eher auf Kindergarten oder maximal noch Grundschule zugeschnitten waren und ich mich gefragt habe, wie bzw. was ich davon in der Erwachsenenbildung anwenden kann. :sterne:

    Ja OK, aus den "Erziehungswissenschaften" kenne ich das auch am ehesten. Das kam mir aber eher wie eine Erzählstunde vor, meist gab es eine Präsentation, und dann wurde gefühlt aus dem Nähkästchen geplaudert. Da hab ich aber nie viel oder schnell mitgeschrieben, so wichtig kam es mir nicht vor
    Mathe Vorlesungen fand ich da als Student brutaler, irres Tempo, eine Tafel nach der anderen voll, so dass man kaum mit dem Schreiben nachkommt, geschweige denn denken.

  • Mathe Vorlesungen fand ich da als Student brutaler, irres Tempo, eine Tafel nach der anderen voll, so dass man kaum mit dem Schreiben nachkommt, geschweige denn denken.

    Also so gesehen am Extemsten empfand ich die Vorlesung Experimentalphysik für E-Techniker und Informatiker. Der Prof hat zwar auch Versuche vorgeführt, aber den kompletten Aufschrieb hatte er vorgefertigt auf einer Folienrolle, die er dann am OHP nur noch durchgekurbelt hat.


    Ihr kennt doch wahrscheinlich die Overhead-Projektoren extra mit Halterung für Folien-Rollen?
    --> https://i2.wp.com/annehodgson.…/uploads/2008/10/ohp2.jpg

  • Wow, ne den kenne ich nicht, ich habe aber auch von 2010-2015 studiert, sieht mir mehr wie ein Relikt vergangener Tage aus?


    Aber das Schreibtempo 90 Minuten an der Tafel, war schon extrem. Die 6 Tafeln wurden mehrmals voll.

  • Ich habe ab 1996 studiert und da gab es in meinen Fächern praktisch nur Vorlesungen, bei denen man komplett selbst mitschreiben musste. Heute gibt es für fast alle Veranstaltungen ein vorbereitetes Skript, in das nur noch weitere Notizen gemacht werden müssen. Ist übrigens dieselbe Uni mit z. T. noch denselben Professoren/Mitarbeitern - hier müssen also auch die Studenten weniger tun als früher.

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