Inklusion ein (politisches) Missverständnis?

  • Hallo in die Runde,


    ich habe mir schon einige Gedanken zum Thema "Inklusion" gemacht und muss sagen, dass ich bisher nicht kapiere, was das nun eigentlich soll.
    Es heißt immer, dass das wegen der UN-Behindertenrechtskonvention (genauer: Artikel 24) alternativlos sei, denn hier werde die Inklusion (d.h. die Beschulung "behinderter" Kinder zusammen mit "nicht behinderten" Kindern in einer Klasse) quasi als Voraussetzung verordnet.


    Das stimmt aber nicht. In Artikel 24 steht nur etwas von der Verpflichtung der Vertragsstaaten, ein "integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen" sicherzustellen. Also ganz klipp und klar Integration und nicht Inklusion.


    Und wer die Sonderschulen kennt, der weiß, dass dort bei uns schon lange eine umfassende Förderung "auf allen Ebenen" und damit "lebenslanges Lernen" für Menschen mit ganz verschiedenen Beeinträchtigungen angeboten wird. Auch stimmt es nicht, dass Sonderschulen nicht Teil des allgemeinen Bildungssystems sind. Das wird ebenso ständig behauptet und entbehrt jeglicher Grundlage.


    So wie ich das sehe, ist "Inklusion" überhaupt nicht klar definierbar und total schwammig. Es hat jedenfalls nichts mit Gleichberechtigung zu tun (dann müsste ein Schüler einer z.B. Hauptschule auch jederzeit das Recht haben, auf ein Gymnasium überzuwechseln) und ob es dazu führt, dass für behinderte Menschen hier "lebenslanges Lernen" bestmöglich sichergestellt ist, daran würde ich mal stark zweifeln. Jedenfalls so lange die Beschulung in einem Klassenverband "inklusiv" erfolgt, der gar nicht auf die besonderen Bedürfnisse richtig eingehen kann.


    Oder habe ich hier evtl. grundlegende Dinge nicht kapiert? Ich stehe jedenfalls im Wald bei dem Thema. Natürlich darf man den Mund öffentlich nicht aufmachen, weil man sonst sofort als Unmensch an den Pranger gestellt wird. ;)


    der Buntflieger

  • Sehe ich ähnlich. Ich bin ein absoluter Befürworter von Förderschulen, sofern die insbes. Personelle Ausstattung stimmt. Und ich kenne etlich Eltern, deren Kinder von Regelschulen auf Förderschulen gewechselt sind. Diese sind allesamt mehr als zufrieden, Eltern wie Schüler. Mir ist eine gut funktionierende Förderschule lieber, als 100 schlecht umgesetzte Inklusionskonzepte. Was ich auch nicht verstehen: Warum einen sonderpädagogen in das GL abordnen, der dann dort die bestbezahlte Nachhilfekraft überhaupt ist, wenn dieser Sonderpädagogen an einer Förderschule eine ganze Gruppe zielführend unterrichten kann. Für mich sieht das nicht nach kostenersparnis aus. Natürlich sollen auch die Regelschulen offen dafür sein, Kinder mit Förderbedarf aufzunehmen. Das kann in vielen Fällen gut funktionieren. Aber gerade im Bereich der ESE Schüler bin ich da sehr skeptisch. Da braucht es häufig die kleine Gruppe und die Konstanz, die derzeit nur eine Förderschule bieten kann. Bei Klassenstärken von fast 30 Kindern ist Inklusion keinem ESE Kind, den anderen Kindern oder der Regelschullehrkraft zuzumuten. Und warum man L und GE an Gymnasien unterbringt, erschließt sich mir auch nicht. Für mich ist das kein gleichberechtigtes gemeinsames Lernen, wenn es außer Frage steht, dass die förderkinder dort einen vernünftigen Abschluss machen können und unter ständiger Kontrolle einer IKraft stehen.

  • ich habe mir schon einige Gedanken zum Thema "Inklusion" gemacht und muss sagen, dass ich bisher nicht kapiere, was das nun eigentlich soll.

    Das Ziel ist offensichtlich die Abschaffung des öffentlichen(!) gegliederten Schulwesens. Jeder soll auf jede Schule gehen können, unabhängig von den tatsächlichen individuellen Voraussetzungen.


    Es ist gewissen Kreisen ein Dorn im Auge, dass es in Deutschland eine Schulform gibt, nämlich das Gymnasium, die regelmäßig absolute Spitzenpläte in internationalen Schulleistungsstudien (u.a. PISA) belegt UND völlig kostenfrei besucht werden kann. In anderen Ländern muss man für so eine Schulform richtig Geld auf den Tisch legen (z.B. Großbritannien) oder in einer Gegend mit absurd hohen Immobilienpreisen oder Mieten leben (z.B. USA, wo die Qualität einer Schule fast auschließlich von der sie finanzierenden Kommune abhängt).


    Das Ziel ist die Privatisierung des öffentlichen deutschen Schulwesen durch Hintertür der "Inklusion" (private Schulen "inkludieren" nur ausgewählte Schüler...). Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, das ausgerechnet die "Linken" und ihre GEWwerkschaften das nicht kapieren können.


    Gruß !

  • Die Absicht ist ganz klar eine der (direkten, kurzfristigen und nicht durchdachten) Kostensenkung.
    Irgendein besonders theoriebewanderter Vollpfosten hat wohl "entdeckt", wie "teuer" Förderschulen sind.
    Und hat wohl dann "empfohlen", diese abzuschaffen - wie auch immer.
    Die Folge (weit höhere Kosten, um den dadurch entstehenden Schaden wiederaufzufangen) hatte dieser "Experte" mangels Praxisnähe natürlich nicht auf dem Schirm.


    Es wäre also dringend an der Zeit, diesen Irrsinn zu canceln, und vielmehr endlich ... irgendwas für die Unbeschulbaren einzuführen, die selbst eine Förderschule überstrapazieren würden. Und dann eben auch härter auszusieben. Damit jede Schulform endlich auch die Schüler bedient, für die sie vorgesehen ist.
    Dann klappt das auch mal mit den "passenden" Abschlüssen.
    Klingt komisch?
    Ist aber so.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    Einmal editiert, zuletzt von Miss Jones ()

  • "Sparen" als Hauptziel ist mir zu einfach. Meiner Ansicht nach wissen die politisch Verantwortlichen genau, was sie tun und warum sie es tun. Es gibt zwar Politiker, die eine Million nicht von einer Milliarde unterscheiden können, aber diese dienen nur zur Belustigung in Talkshows und werden von den eigentlich Verantwortlichen geduldet um von der echten Agenda abzulenken.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • ach, meinst du solche, die Brüssel für ein Land halten und eine Mauer bauen wollen?

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    • Offizieller Beitrag

    Ja, buntflieger, ist so. Es wurde in Deutschland absichtlich oder versehentlich falsch ausgelegt. Deutschland erfüllte perfekt die Forderungen und wurde für sein inklusives Schulsystem auch gelobt. Aber das hat man hier halt ignoriert. Getreu dem Motto "Warum soll man gutes nicht schlechter machen." :)


    Kl.gr.Frosch

  • Ja, buntflieger, ist so. Es wurde in Deutschland absichtlich oder versehentlich falsch ausgelegt. Deutschland erfüllte perfekt die Forderungen und wurde für sein inklusives Schulsystem auch gelobt. Aber das hat man hier halt ignoriert. Getreu dem Motto "Warum soll man gutes nicht schlechter machen." :)


    Kl.gr.Frosch


    Hallo kleiner gruener frosch,


    so wie ich das sehe, ist "Inklusion" (übersetzt bedeutet das ja einfach "Einschließung") abhängig von dem jeweiligen Verständnis davon, was man nun genau worin einschließen will bzw. sollte. Klar versteht der naive Beobachter darunter, dass man "Behinderte" aktiv (aber nicht doch gewaltsam?) in die "Gesellschaft" einschließt und zwar mit Haut und Haar, d.h. ohne irgendwelche kennzeichnenden Unterschiede übrig zu lassen.


    ABER: Wer sollen diese "Behinderten" sein? Und was ist die "Gesellschaft", die dieser Gruppe angeblich separierend gegenüber steht? Steht eine Schulklasse symbolisch für "die Gesellschaft". Ist eine "Regelklasse" stellvertretend für "die Gesellschaft". Ist ein "Regelschüler" einer, der nun verpflichtet ist, aktiv zu "inkludieren", was auch immer man ihm als ehemals "Exkludiertes" vor die Nase setzt? Ist er schuldig und muss tätig werden, weil er regulärer Teil der "Gesellschaft" ist?


    Zählen bei diesem Spiel mit Etiketten überhaupt einzelne Menschen? Oder müssen diese sich automatisch den höheren Absichten und Einsichten unterordnen - ganz nach dem Motto: Das Gemeinwohl geht vor? Ja vor was oder wen denn eigentlich?


    Ich kämpfe jetzt mal besser weiter darum, als Teil der regelhaften Gesellschaft (und damit ohne Sonderrechte, gelte ja nicht als "behindert" und damit inklusionswürdig) nicht aus dem Ausbildungssystem, indem ich mich derzeit aufhalte, mal eben exkludiert zu werden. ;)


    der Buntflieger

  • Das Ziel ist offensichtlich die Abschaffung des öffentlichen(!) gegliederten Schulwesens. Jeder soll auf jede Schule gehen können, unabhängig von den tatsächlichen individuellen Voraussetzungen.


    Hallo Mikael,


    Fakt ist doch schon: Wir unterrichten (wir Sek I-Lehrer jedenfalls) inzwischen enorm heterogene Schülerschaften, die als Lerngruppen kaum noch vom Fleck kommen.


    Ich brauch nur in etwas ältere Schulbücher schauen, die wären (bzw. auch die aktuellen sind es z.T.) deutlich zu schwer für unsere SuS. Wenn also bald "jeder auf jede Schule" gehen kann, dann ist jede Schule wie jede Schule und jeder wie jeder: Es gibt keine Unterschiede mehr und damit auch keinerlei individuelle Passung.


    Das ist doch ein großer Widerspruch in sich. Anstatt "Individualisierung" anzustreben, löst man sie faktisch auf und platziert an deren Stelle einen kuriosen Einheitsbrei aus Ganztagesbetreuungsanstalten.


    Man darf nicht zu viel drüber nachdenken, sonst schmerzt der Kopf.


    der Buntflieger

  • guck mal z.B. hier, da wurde das ganze Thema kopfschmerzfrei einfach zusammengefasst:


    https://blog.zeit.de/stufenlos…on-deutschland-magelhaft/


    Es ging und geht um internationale Vergleiche, auch in anderen Lebensbereichen, nicht nur der Schule. In einer Welt, in der sich alle miteinander vergleichen und kontrollieren lassen müssen kann sich eine Industrienation nicht rausnehmen, in dem sie möglichst viel Geld in separative Konzepte investiert.


    Dazu kommt, dass viele Lehrer zu glauben scheinen, dass Behinderung ein klar definiertes Konzept ist. Ist sie aber nicht. Die Überschneidung von Kindern mit sog. Lernbehinderung an Hauptschulen sowie umgekehrt verhaltensauffälliger am unteren Rand des Durchschnitts Normalbegabter an Lernförderschulen ist recht groß.


    Ich sag's ganz klar: ich will meinen Arbeitsplatz an einer Förderschule nicht aufgeben. Aber wenn ich ehrlich bin: im Grunde kostet jeder Schulplatz bei uns an der Förderschule so unverschämt viel dafür, dass am Ende sowieso alle ins BVJ wandern. Das sind verschwendete Ressourcen. Das Geld sollte man wirklich lieber in kleinere Regelschulklassen investieren, die sowieso heterogen sind, mit und ohne Förderschulen.

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • Regelschulklassen sind zwar heterogen, aber nicht in dem Ausmaß, dass Förderschul- und Gymnasialniveau gleichzeitig mal eben zu wuppen sind - da wird es schon stellenweise in der Grundschule und die Schere geht ja mit der Zeit eher auseinander als dass sie sich schließt. Ich meine, dass du mal schriebst, dass auch bei euch der Niveauverlust zu beobachten ist und Lernhilfeschüler teilweise eher nach dem Curriculum der Geistigbehindertenschule unterrichtet werden müssten. Wie sollst du also mit manchen Kindern Algebra betreiben und mit anderen die Uhrzeit pauken? Irgendjemand bleibt da quasi automatisch auf der Strecke und pädagogisch gedacht würden die behinderten Kinder darunter leiden und wirtschaftlich (denn bei Outcome-Orientierung, PISA und co geht es letztendlich um Wirtschaftlichkeit) die leistungsstarken Kinder. Im Gymnasium hast du Fachlehrerunterricht, Transferleistungen, 30 Schüler pro Klasse. Bei euch sieht es "ein bisschen" anders aus.


  • Hallo Krabappel,


    der Artikel ist aus 2015 - also eher nicht ganz aktuell. Dieser hier ist hingegen brandaktuell und bildet auch die Pro-Contra-Argumente ab: http://www.faz.net/aktuell/feu…erderschule-15638151.html


    Für mich ist das Argument, dass es eben keine "Behinderung" als Etikette gibt, sehr entscheidend. Denn wenn man dies einsieht, macht es auch keinen Sinn mehr, von "Inklusion" zu sprechen, diese ist nämlich darauf angewiesen, dass hier eine fest definierbare randständige Gruppe in die Main-Group ("Gesellschaft") eingeschlossen wird.


    Eine individuelle Herangehensweise würde anders vorgehen, nämlich die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen (egal ob nun gar nicht oder sehr schwer beeinträchtigt) berücksichtigen und möglichst adäquate Lösungen für akute Probleme oder zur Verhinderung von Problemen zur Verfügung stellen. Eine gemeinsame Beschulung von kognitiv völlig verschieden ausgestatteten Menschen ist hier vielleicht eine mögliche Option, aber wieso sollte diese als Patentrezept taugen? Offensichtlich sind damit auch viele Nachteile verbunden, die man wiederum nur sehen kann, wenn man vom Einzelnen ausgehend denkt.


    Und ich kann da jetzt nicht wirklich mitreden, aber soweit ich weiß, werden auf Förderschulen die Schüler gezielt auf u.a. das BVJ vorbereitet, weil sie das sonst gar nicht schaffen könnten bzw. völlig überfordert wären. Diesen Prozess der schrittweisen Hinführung können Regelschulen einfach nicht leisten. Es ist ja ein großer Schutz, in einer kleinen Gruppe sich ähnlicher (soweit man davon sprechen kann, denn letztlich sind alle Menschen sehr verschieden) Menschen einen sicheren Rahmen für die eigene Entwicklung zur Verfügung zu haben.


    Hier einfach von "verschwendeten Ressourcen" zu sprechen, halte ich für etwas zu flach gedacht.


    der Buntflieger

  • Nachtrag:


    Der letzte Absatz des FAZ-Artikels spricht eigentlich für sich:


    "Die UN-Behindertenrechtskonvention verbietet weder die Beschulung in Spezialeinrichtungen, wenn sie der Förderung des betroffenen Kindes am besten dienen, noch lässt sich auf ihrer Grundlage das Ende einer eigenständigen sonderpädagogischen Ausbildung fordern, wie das Brigitte Schumann und mit ihr manche andere tun. Je größer die Ernüchterung über die Inklusion, desto unversöhnlicher stehen sich Befürworter und gemäßigte Inklusionskritiker gegenüber. Erschreckend ist nicht nur der moralische Nimbus, mit dem debattiert wird, sondern auch die wachsende Irrationalität, unter der die Kinder mit Beeinträchtigungen am allermeisten zu leiden haben."


    http://www.faz.net/aktuell/feu…erschule-15638151-p2.html

  • Die Inklusion hat so viele Probleme, Fehlannahmen und Widersprüche, das kann man gar nicht alles auflisten. Mal ein paar Sachen meinerseits:


    1. Man freundet sich nicht mit jedem an.
    Das meint nicht einmal die I-Schüler, sondern alle. Da muss jeder nur einmal in den eigenen Freundeskreis schauen. Meiner besteht überwiegend aus Akademikern und das liegt nicht daran, dass ich es nicht drunter mache, sondern dass ich mir meine Freunde schlicht und ergreifend nach Interessen und Kompatibilität aussuche. Wer z.B. in einem Verein engagiert ist, hat natürlich mit allen möglichen Leuten etwas zu tun, aber freundet sich häufig auch nicht mit jedem eng an. In der Schule ist das natürlich nicht anders. In der Grundschule sind die Interessen noch recht gleich (deshalb klappt das dort häufig besser), aber ab der Jugend entwickelt sich das alles doch sehr stark auseinander. Da liegen dann auch die häufigen sozialen Problemherde der Inklusion. Höfliches Ignorieren ist da wohl noch eine der besseren Erfahrungen, wenn es in der Lerngruppe einfach nicht passt.


    2. Zielgleiche Inklusion funktioniert deutlich besser als zieldifferente.
    Das betrifft nicht den großen Batzen an Förderschülern, da die meisten LE-Schüler sind. Das meint die FS Sehen, Hören, Körperbehinderung und Sprache. Die Schüler sind intellektuell etwa auf einer Ebene und das begünstigt das soziale Einfügen ungemein. Emsoz ist zwar zielgleich, aber noch mal ein ganz anderes Kalliber.


    3. Schüler bei denen es klappt, sind nicht zwingend positive Beispiele.
    Gemeinsames Lernen gab es auch schon vor der Inklusion. Die Bedingungen im Gemeinsamen Unterricht waren besser als in der Inklusion und auch nicht jeder hat so etwas für sich in Erwägung gezogen. Bei vielen hat das funktioniert, aber es standen meistens besonders engagierte Lehrkräfte dahinter, die Ressourcen waren besser und auch die Eltern haben sich häufig intensiv gekümmert. Wieder ganz wichtig ist das Kind selbst. Vielen macht es nicht so viel aus, diese Sonderstellung in der Klasse inne zu haben. Die gehen ganz taff mit ihren Hilfsmitteln und Bedürfnissen hinsichtlich der Behinderung um. Vielen anderen ist das nicht gegeben, deswegen scheitern sie an der Regelschule und gehen irgendwann zur Förderschule. Das, was bei den einen Schülern zum Erfolg führte, kann man nicht mal so eben auf den Rest übertragen. Diese "positiven Beispiele" bilden kein Patentrezept ab, das man nur x-fach kopieren muss.


    4. Separation lässt sich nicht verhindern.
    Mir ist kein Land der Welt bekannt, wo nicht auch getrennt würde, zumindest zeitweise. Das ist immer Ausdruck der Tatsache, dass man die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gruppen anerkennt. Ein besonderes Angebot ist nicht als Diskriminierung zu werten, vor allem nicht, weil dies meist viel mehr Geld kostet. Separiert man nicht, sinkt das Niveau an tatsächlicher Förderung. In den USA gibt es auch einen Unterschied zwischen der Inclusion, wo auch Separation innerhalb der Schule verbreitet war, und der darauf folgenden Full Inclusion. Prinzipienreiterei bringt einen selten im Leben weiter.


    5. Nicht an jeder Schule können alle notwendigen Ressourcen vorgehalten werden.
    Die meisten Förderschüler haben den LE-Status und auf sie konzentriert sich die Inklusion größtenteils. Dazu kommen die Emsoz-Kinder, die ganz offensichtliche Probleme bereiten und einen starken Leidensdruck erzeugen. Die anderen Förderschwerpunkte haben deutlich kleiner Prozentanteile und fallen eigentlich unter den Tisch. Die sind ja immerhin ruhig oder ziehen sich in sich zurück. Da kann man schnell drüber hinwegsehen. Durch die großen Einzugsgebiete der anderen Förderschwerpunkte und die Vereinzelung dieser Schüler lässt sich meist auch kein effektives Fördersystem vor Ort für sie aufbauen. Man bräuchte schon mehrere, um ein gezieltes regelmäßiges Angebot machen zu können. Wenn die Kollegen aus dem Bereich LE sich auch den restlichen Kindern widmen, weil sie deren Not sehen, ist das ja grundsätzlich begrüßenswert, aber es braucht auch einfach mal eine Person vom Fach. Auch wenn unsere Schule mal einen Workshop für die LE-Kollegen der allgemeinen Beratungszentren anbietet, ersetzt es grundständige Ausbildung und jahrelange Berufserfahrung in dem Bereich nicht einmal ansatzweise.


    6. Ohne das alte System wäre die derzeitige Inklusion überhaupt nicht lebensfähig.
    Ich beobachte das des Öfteren: gerade das Referendariat bestanden, treten Leute Stellen in der Inklusion an. Ich finde es zum Teil aberwitzig, dass Berufsanfänger im Bereich Sonderpädagogik (Regelschul-)Kollegen mit deutlich mehr Berufserfahrung beraten sollen. Immerhin haben diese meistens noch ihr Ref an der Förderschule absolviert und so eine gute Grundlage (bedeutet Fallzahl) für späteres Wirken. Wer nur in der Inklusion unterwegs war, hat meiner Meinung nach nicht den nötigen fachlichen Hintergrund. Für LE mag das noch gehen, aber alle anderen Förderschwerpunkte werden dadurch de facto schlechter ausgbildet (s. 5).

  • ... Ich meine, dass du mal schriebst, dass auch bei euch der Niveauverlust zu beobachten ist und Lernhilfeschüler teilweise eher nach dem Curriculum der Geistigbehindertenschule unterrichtet werden müssten. ...

    Das meinst du falsch. Ich schrieb, dass die Spanne zwischen "Geistigbehinderte" bis "Hauptschulabschluss in Aussicht" da ist. Heterogenität genauso gegeben, wie überall.



    ...



    Und ich kann da jetzt nicht wirklich mitreden, ...

    ...tue es aber trotzdem ;)

  • Meine Frau ist schwerbehindert, braucht eine Begleitperson.


    Ihre Schullaufbahn: Sonderschulempfehlung, mit viel Kampf auf eine normale Grundschule gekommen,
    danach Hauptschulempfehlung aufgrund der Behinderung


    Im Endeffekt: nach viel Kampf ihrer Mutter und häufigen Schulwechseln hat sie einen besseren Studienabschluss als ich (1,0)


    Es ist im Nachhinein unglaublich, wie sie immer in die "Behindertenschiene" eingeordnet wurde und bei anderen familiären Rahmenbedingungen vielleicht heute bei der Lebenshilfe arbeiten würde. Daher ist Inklusion wichtig!!!

  • Wichtig - sicher. Unbestritten.


    Aber bitte sinnvoll.
    Heißt: Körperlich behinderte SuS lassen sich (meistens) mit eher wenig Aufwand einbinden, brauchen eher Hilfsmittel (von Rollstuhl bis Hörgerät) und im Zweifel Personal, das sich damit auskennt.
    Geistig behinderte SuS können - mit passender Betreuung - in eigenständigen Schulen beschult werden. Wirklich "inklusive" Beschulung in einem normalen geregelten Schulbetrieb halte ich da in den meisten Fällen für unmöglich.
    Und dann haben wir noch die sozial unfähigen...
    für die bräuchte es mMn eigenständige Einrichtungen, möglicherweise geschlossene Anstalten, denn solange die noch die HS oder wie auch immer deren Nachfolger heißen sollen "zumüllen", können die ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen, wodurch Hauptschüler an die Realschulen rennen, Realschüler ans Gymnasium und die eigentlichen Gymnasiasten sich veräppelt vorkommen...


    Deren Existenz ist endlich mal zu akzeptieren, auch "ganz oben". Es gibt unbeschulbare SuS, an deren Existenz vor allem deren unfähige Erzeuger schuld sind, und diese sollte man dann auch für deren Unterbringung zur Kasse bitten.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    Einmal editiert, zuletzt von Miss Jones ()

  • Miss Jones' Beitrag mag beim ersten Lesen gar sozialdarwinistisch anmuten, jedoch spiegelt er letztlich auch das wider, was ich selbst in den letzten 13 Jahren im aktiven Schuldienst mit voller Stelle erlebt habe.

    volle Zustimmung meinerseits. Ich arbeite von Herzen gerne mit Emsoz SuS. Ich kann aber jeden absolut verstehen, der darauf verzichten kann. Und ich arbeite auch nur so lange gerne mit Emsoz SuS, solange der Rahmen stimmt. Das heißt für mich: Alle Beteiligten wissen, woran sie sind. Sprich: Eben nicht solches Vorgehen ala "wir werfen mal vier Emsoz sus in eine Hauptschulklasse und schauen, was passiert. Die werden schon irgendwie einander bereichern und voneinander lernen". Da hab ich hundermal lieber eine reine Emsoz Gruppe, die alle wissen, dass der andere möglicherweise nicht verhaltenskonform agiert, als eine "gemischte" Gruppe, die sich aneinander stört. Und ich kenne so viele Emsoz Fälle, die drastisch traumatisiert sind von ihren "Ausflügen" in die Regelschulen. Dort waren diese nämlich häufig entweder der Außenseiter, weil komisches Verhalten. Oder sie waren Mobbingopfer, weil sie so herrlich überreagieren und da ärgern besonders viel Spaß macht. Oder sie waren der "Schwarze Peter", weil sie eh für jedes Übel verantwortlich gemacht wurden. :( Und das tut mir in der Seele weh, dass solche sus, die eh schon massive Probleme haben, durch falsche Rahmenbedingungen zusätzlich belastet werden und andere belasten. Das mag ich mir nicht ausmalen, wie man sich da fühlt. Für die Klassenkameraden der Irre, für die Lehrer der Störenfried...

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