Aus Dipl.-Ing. abgeletete Fächer

  • Naja, wenn ich mich auf ein Fach beziehe, ist es tatsächlich so. Im Lehramt studiert man zwei Fächer und Bildungswissenschaften. Deine 180 Credits im Bachelor und 120 Credits im Master verteilen sich also auf diese drei Wissenschaften. Natürlich hat da ein Elektrotechniker, der annähernd 300 Credits in das eine Fach investiert hat, ein breiter aufgestelltes Wissen in diesem Fach(Achtung: Das heißt natürlich nicht, dass er damit automatisch qualifizierter ist). Im Bachelor belegt (an der Uni Duisburg-Essen) ein Lehramtstudent im ersten Fach 68 Credits (inkl. Fachdidaktik). Dafür erwerben Lehramtstudenten mehr fachwissenschaftliche Inhalte im zweiten Studienfach.



    Genauso wie viele Inhalte des Fachstudiums "im Lehramtsstudium [...] nicht abgebildet werden", ist es umgekehrt genauso der Fall.

    Ja, insbesondere die Fachdidaktik und die Bildungswissenschaften. Meine Meinung dazu steht ja weiter oben.


    Trotzdem sollte man mich nicht falsch verstehen. Das Lehramtstudium qualifiziert auf Grund der zwei studierten Fächer denke ich hervorragend für den späteren Beruf. Was ich in meinem Elektrotechnikstudium über ET gelernt habe, war zwar um Welten mehr als ein Lehramtstudent. Aber das Wissen habe ich nicht mal in meinem ursprünglichen Ingenieursberuf benötigt. Selbst dort haben die Basics und die Fähigkeit, weiteres Wissen selbstständig zu erarbeiten, vollkommen ausgereicht. So ist es auch in der Schule. Der elektrotechnische Teil dort ist im Vergleich zu den Studieninhalten lachhaft. (vlg dazu übrigens meine Äußerung zum Mathestudium weiter oben). Sprich: Wenn ich Lehrer sein will, brauche ich nicht die 12345 vertiefenden Inhalte eines Ingenieurs. Umgekehrt ist sicher auch ein Lehramtstudent in Elektrotechnik durchaus qualifiziert, einen großen Teil der Ingenieursarbeit zu erledigen.

  • Dafür erwerben Lehramtstudenten mehr fachwissenschaftliche Inhalte im zweiten Studienfach.

    Würde das dann nicht heißen, dass der Seiteneinsteiger rein fachlich (- von didaktischen und pädagogischen Inhalten rede ich hier gar nicht) zwar in einem Fach deutlich besser qualifiziert wäre als der Lehrämtler, dafür aber im zweiten Fach möglicherweise eben nicht die notwendige Quali aufweist?

  • Würde das dann nicht heißen, dass der Seiteneinsteiger rein fachlich (- von didaktischen und pädagogischen Inhalten rede ich hier gar nicht) zwar in einem Fach deutlich besser qualifiziert wäre als der Lehrämtler, dafür aber im zweiten Fach möglicherweise eben nicht die notwendige Quali aufweist?

    Das kommt ganz auf die Ausbildung drauf an und dem wird bei der Anerkennung eines zweiten Fachs ja auch Rechnung getragen. Man hat mir z. B. hier in der Schweiz Physik nur deshalb vollständig als zweites Fach anerkannt, weil ich in der physikalischen Chemie promoviert habe und dementsprechend einiges mehr an Physik-Kenntnissen vorzuweisen habe, als jemand der das Fachstudium Chemie "nur" mit einem Diplom bzw. Master of Sciences abgeschlossen hat. Eine ehemalige Kollegin aus Promotionszeiten unterrichtet an einem deutschen Gymnasium Physik und Mathe und musste sich selbst als promovierte Physikerin für Mathe in der Oberstufe nachqualifizieren.

  • Tja ... das hängt wiederum vom Bedarf ab. Ich hatte auch mal in Karlsruhe nachgefragt, wie das denn sei mit dem Referendariat für Seiteneinsteiger und dort hat man mir das frei von der Leber weg genau so gesagt.

  • Würde das dann nicht heißen, dass der Seiteneinsteiger rein fachlich (- von didaktischen und pädagogischen Inhalten rede ich hier gar nicht) zwar in einem Fach deutlich besser qualifiziert wäre als der Lehrämtler, dafür aber im zweiten Fach möglicherweise eben nicht die notwendige Quali aufweist?

    Ja, das ist richtig. Deswegen ist das zweite Fach ja meistens eine logische Schlussfolgerung aus dem ersten Fach. Ich behaupte, dass ich mit meinen Kenntnissen in Mathematik aus meinem Studium problemlos in der Lage bin, SEK II zu unterrichten. Die Anwendungen von Mathe in der Elektrotechnik sind sehr umfangreich, wenn man mal von komplexen Beweisen absieht. Es umfasst (mit Ausnahme von Teilen der Stochastik) tatsächlich alles, was ich son in der SEK II unterrichte. Was ich mir allerdings nicht (ohne sehr viel Arbeit) zutraue ist Unterricht im Fach Physik. Dazu fehlen mir einfach die breiten wissenschaftlichen Kenntnisse aus dem Studium. Auch Maschinenbau oder so etwas könnte ich nicht.


    Die Seiteneinsteiger, die ich so kenne, haben eigentlich alle ein logisches zweites Fach, z.B. Physik/Mathe, BWL/Rechnungswesen, Maschinenbau/Mathe.

  • Vor dem Hintergrund meiner Aussagen im anderen Thread, dass nämlich das Fachstudium für das Lehramt notwendig ist, um das zu unterrichtende Fach umfassend durchdrungen zu haben, finde ich das ein spannendes Thema. Es geht mir dabei ausdrücklich nicht darum, in irgendeiner Weise über die Eignung von Seiteneinsteigern zu diskutieren oder die Sinnhaftigkeit dieses Programms in Frage zu stellen. Also bitte hier diesen theoretischen Austauch und meine Fragen nicht falsch verstehen.
    Also, ich versuche, meine Gedanken deutlich zu machen:
    Ich behaupte also, dass das Lehreramtsstudium, egal für welche Schulart, nicht darauf ausgerichtet ist, die fachlichen Inhalte des Lehrplans zu vermitteln. Vielmehr geht es um eine vertiefte, wissenschaftle Auseinandersetzung mit dem Fach, um die Hintergründe, Fragestellungen, Problemstellungen etc. zu verstehen. Im anderen Thread habe ich das "verstehen, wie das Fach funktioniert" genannt. Dies braucht man dann, um bei der Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht selbst einen Überblick über Zusammenhänge und mögliche Fallstricke zu haben, die entsprechend berücksichtigt werden müssen. Die rein inhaltliche Erarbeitung muss dann häufig darüber hinaus geschehen, weil eben die Lehrplaninhalte nicht Bestandteil des Studiums waren. In meinen Fächern wären hier verschiedene Aufsatzarten ein Beispiel, oder konkrete Lektüren etc. Das ist aber kein Problem, weil ich mir durch mein vertieftes Verständnis vom Fach und durch meine professionelle Sichtweise diese Inhalte sehr schnell und unkompliziert erarbeiten kann.



    Die Anwendungen von Mathe in der Elektrotechnik sind sehr umfangreich, wenn man mal von komplexen Beweisen absieht. Es umfasst (mit Ausnahme von Teilen der Stochastik) tatsächlich alles, was ich son in der SEK II unterrichte. Was ich mir allerdings nicht (ohne sehr viel Arbeit) zutraue ist Unterricht im Fach Physik. Dazu fehlen mir einfach die breiten wissenschaftlichen Kenntnisse aus dem Studium.

    Deine Aussage klingt nun so, als hätte diese fachtheoretische Auseinandersetzung in beiden Fächern nicht stattgefunden, weil du ja konkret von "Anwendungen von Mathe in der Elektrotechnik" sprichst. Oder habe ich dich da falsch verstanden?



    Vielleicht nur kurz als Hintergrund, warum ich hier so nachbohre: Ich stehe dem Thema "Seiteneinsteiger" sehr leidenschaftslos gegenüber. Seiteneinstieg wird in Fächern benötigt, für die man keine Lehrer findet - also Mangelfächer. Da ist - egal ob ich mit meiner Frage oben richtig liege - jemand, der im Studium und im Beruf mit Mathe und Physik zu tun hatte, in jedem Fall besser geeignet als jemand, der damit gar keine Berühungspunkte hatte. Ich interessiere mich dafür, da die Diskussion über den Sinn des Fachstudiums immer wieder auch unter "reinen" Lehrämtlern aufkommt und ich hier tatsächlich überhaupt nicht leidenschaftslos bin. Außerdem verstehe ich Kollegen, die sich darüber aufregen, dass in der Gesellschaft oft das Bild vorherrscht, Lehrer könne jeder machen. Ich kann dann auch ein Stück weit die Angst nachvollziehen, dass die Existenz von Seiteneinsteigern dieses Gerücht verhärtet, wenn SEs ja nun eben gerade NICHT "jeder" sind.

  • Bedenke dabei nur immer folgendes: In den NaWi-Fächern ist die Fachausbildung im deutschen Lehramtsstudium gegenüber dem Master of Science deutlich verkürzt. Je nach dem ist ein Seiteneinsteiger also im Zweitfach auch nicht schlechter ausgebildet als ein Lehrämtler.

  • Ich hab mich mal sehr für den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten interessiert. Ist eine 5-jährige (berufsbegl.) Weiterbildung. Im PsychThG ist festgelegt, dass Pädagogen, Sozialpädagogen und Psychologen (mit klinischer Psychologie) zugelassen werden.


    In einzelnen Bundesländern werden Sonderschullehrer zugelassen. In manchen zwar Sonderpädagogen aber nicht: Sonderschullehrer. Was hab ich telefoniert und verglichen, schriftlich nachgefragt...


    Was hab ich vor allem gekotzt! Ein Sozialpädagogikmädel mit ihren SGB VIII-Kenntnissen frisch von der Uni darf Therapeutin werden? und eine Lehrerin mit jahrelanger Erfahrung in Umgang UND Unterricht von Gruppen psychisch kranker Kinder, die als untherapierbar aus der Klinik entlassen wurden etwa nicht?!


    Jou, alles Motzen nutzte nichts. Irgendwo muss der Gesetzgeber eine Grenze ziehen.


    Worauf ich allerdings nie gekommen bin: mich in einem Psychologen- oder Sozialarbeiterforum anzumelden und die dort Anwesenden vollzunölen, dass ich mich ja herablassen würde, in einer Klinik zu arbeiten, obwohl ich da weniger Urlaub hätte, als an der Schule :sterne:


    Informier dich bei denen, die zuständig sind. Geh ggf. Kompromisse ein oder bleib in deinem Job. Aber (Achtung, Lehrertip) ärger dich nicht krank :aufgepasst:

  • Also bitte hier diesen theoretischen Austauch und meine Fragen nicht falsch verstehen.

    Keine Sorge :)

    Ich behaupte also, dass das Lehreramtsstudium, egal für welche Schulart, nicht darauf ausgerichtet ist, die fachlichen Inhalte des Lehrplans zu vermitteln. Vielmehr geht es um eine vertiefte, wissenschaftle Auseinandersetzung mit dem Fach, um die Hintergründe, Fragestellungen, Problemstellungen etc. zu verstehen. Im anderen Thread habe ich das "verstehen, wie das Fach funktioniert" genannt. Dies braucht man dann, um bei der Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht selbst einen Überblick über Zusammenhänge und mögliche Fallstricke zu haben, die entsprechend berücksichtigt werden müssen.

    Da sind wir uns gar nicht so uneinig. Wissen über dem Niveau von dem, was ich unterrichten muss, ist absolut sinnvoll und notwendig. Die Frage ist nur, wie weit dieses Wissen gehen muss. Ich kann das für Mathe einfach nicht wirklich beurteilen, da es bei mir als Zweitfach aus dem Elektrotechnikstudium anerkannt wurde und ich nie eine theoretische Mathevorlesung besucht habe. Es gibt vermutlich/eventuell gute Gründe, warum das Mathestudium sehr beweislastig und theoretisch ist. Was ich allerdings behaupte aus meinem Studium zu haben: Die Fähigkeit, Mathematik in vielen Anwendungsformen zu benutzen und soweit sie für die Anwendungsfälle relevant sind auch herzuleiten. Das "verstehen, wie das Fach funktioniert" ist also aus unserer beider Sicht eine notwendige Voraussetzung. Die Frage ist halt, an welcher Stelle es zu viel für den Anwendungsbereich "Schule" wird.

    Das ist aber kein Problem, weil ich mir durch mein vertieftes Verständnis vom Fach und durch meine professionelle Sichtweise diese Inhalte sehr schnell und unkompliziert erarbeiten kann.

    Auch hier habe ich keinen Vergleich zum grundständigen Lehramt, teile aber exakt deine Einschätzung. Die Inhalte, die ich bis jetzt für den Unterricht vorbereiten musste, konnte ich alle schnell und problemlos selbst erarbeiten. Das beschränkt sich aber, wie du schon richtig sagst, natürlich auf meine Fachrichtung. Ich hätte sicherlich keine Chance, verschiedene Aufsatz- oder Texttypen zu erarbeiten. Es scheitert sicherlich schon an reinen physikalischen Herleitungen außerhalb der Elektrotechnik.


    Deine Aussage klingt nun so, als hätte diese fachtheoretische Auseinandersetzung in beiden Fächern nicht stattgefunden, weil du ja konkret von "Anwendungen von Mathe in der Elektrotechnik" sprichst. Oder habe ich dich da falsch verstanden

    Naja, in Elektrotechnik ist das durch die schiere Masse an Vertiefungsfächern natürlich schon gegeben. An der Stelle stimme ich mit Wollsocken überein. Wenn man jetzt als fachtheoretische Auseinandersetzung für mein Zweitfach Mathe meint, dass dort umfangreiche Beweisführungen und ähnliches gemacht wurden, dann habe ich das nicht erhalten. Ich bin mir nur tatsächlich unsicher, welche fachtheoretische Tiefe für die SEK II notwendig ist. Hier fehlen mir die Vergleiche. Ich komme wie gesagt fachlich in Mathe problemlos zurecht (und ich bin nicht die hellste Kerze auf der Torte).



    Außerdem verstehe ich Kollegen, die sich darüber aufregen, dass in der Gesellschaft oft das Bild vorherrscht, Lehrer könne jeder machen.

    Die verstehe ich auch. Ich hatte früher nicht diesen Eindruck. Heute habe ich ihn immer noch nicht. Das Ref. ist harte und undankbare Arbeit. Es ist aber so ein bißchen wie Bundestrainer - da denkt auch jeder, weil er mal Fußball gespielt hat, dass er das besser könnte - oder mindestens genauso gut. Alternativ gilt das auch für Richter, Politiker oder andere Berufsgruppen. Es liegt vielleicht daran, dass jeder mal in der Schule war und dort Erfahrungen gesammelt hat, was schlecht läuft.

  • Worauf ich allerdings nie gekommen bin: mich in einem Psychologen- oder Sozialarbeiterforum anzumelden und die dort Anwesenden vollzunölen, dass ich mich ja herablassen würde, in einer Klinik zu arbeiten, obwohl ich da weniger Urlaub hätte, als an der Schule

    Satz des Tages :) :) :)

  • Wissen über dem Niveau von dem, was ich unterrichten muss, ist absolut sinnvoll und notwendig. Die Frage ist nur, wie weit dieses Wissen gehen muss.

    Das ist eine Frage, die ich mir auch zunehmend häufiger stelle und die ich äusserst interessant finde. Ich fürchte, man muss hier grundsätzlich mal zwischen GeWi und NaWi unterscheiden und darüberhinaus nehme ich an, dass es deutlich mehr Seiteneinsteiger mit NaWi- als mit GeWi-Fächern gibt (korrigiert mich, wenn ich irre). Nun ist es bei uns NaWi-Schlümpfen ja so, dass Mathe z. B. in jedem Studienfach als "Hilfswissenschaft" (liebe Mathematiker, verzeiht mir diesen hässlichen Ausdruck) belegt werden muss und man wahrscheinlich allein mit dem, was man im Nebenfach macht, schon meilenweit über dem Niveau eines Unter- und Mittelstufenschülers ist. Für einen LK in der Oberstufe wird es zumindest für einen Chemiker oder Biologen wohl eher knapp werden, sofern er sich in seiner Ausbildung nicht noch irgendwie über das Nebenfach Mathe hinaus weitergebildet hat. Wir Chemiker müssen im Grundstudium Physik als Nebenfach belegen und haben zudem noch die Physikalische Chemie als obligatorischen Fachbereich im Grund- und Hauptstudium. Wer sich dann noch mit einer Masterarbeit und/oder Dissertation in der Physikalischen Chemie weiterqualifiziert, kann relativ problemlos Schulphysik unterrichten. Ohne im Detail Bescheid zu wissen behaupte ich mal, dass jemand, der z. B. Germanistik studiert *ohne* damit ins Lehramt zu wollen wohl kaum irgendwas aus irgendwelchen Nebenfächern vorzuweisen hat, aus dem sich unmittelbar ein Unterrichtsfach ableiten lässt, oder?


    Ich hätte nun z. B. die Lehrbefähigung für Chemie und Physik, unterrichte bisher aber kein Physik, weil a) an meiner Schule genügend Stunden in Chemie zu vergeben sind und b) weil ich mich irgendwie schlecht damit fühle, weil ich in Physik nun mal nicht so grundlegend Bescheid weiss, wie in Chemie und meine Fachsozialisation natürlich auch eindeutig Chemikerin ist. Natürlich übersteigt mein Physik-Wissen aber trotzdem das unserer Schüler. Wäre ich jetzt ein schlechterer Physik-Lehrer als meine Kollegen, die von Grund auf Physik studiert haben? Ich weiss es nicht. Ich habe aber zunehmend mehr Lust, es einfach rauszufinden und habe das bei meiner Chefin auch mal so platziert.


    Wir haben bei uns in der Fachschaft Chemie einen promovierten Molekularbiologen, der zur Zeit mehr Chemie als Biologie unterrichtet. Er kam zu uns mit ganz grossspurigen Ansagen, von wegen er könne Chemie sicher besser unterrichten, weil er nicht so vertieftes Fachwissen hat und seine Erklärungen für die SuS daher einfacher sind. Nun ... er irrt sich und er ist mittlerweile auch überhaupt nicht mehr grossspurig. Das gibt mir zu denken. Vielleicht hilft es aber einfach schon, an dieser Stelle etwas demütiger zu sein und mit dem vollen Bewusstsein an die Sache ranzugehen, dass man sich in bestimmte Zusammenhänge eben erst mal im Detail einlesen muss, die bei einem Kollegen, der das Fach studiert hat, einfach "so da" sind. Ich schrieb ja weiter oben schon mal, dass jeder Kollege, der in Deutschland Chemie auf Lehramt studiert hat, naturgemäss weniger übers Fach weiss als ich und trotzdem scheint es irgendwie zu funktionieren. Das gibt mir eben auch zu denken.


    In jedem Fall ist es bei uns so, dass die Voraussetzungen, damit ein Fach als Unterrichtsfach anerkannt wird, relativ klar definiert sind. Unser Molekularbiologe musste extra für die Lehrbefähigung noch mal an die Uni und Laborpraktika in Chemie nachholen. Ich kenne auch einen Lebensmittelchemiker und eine Biochemikerin, die für die Lehrbefähigung in Chemie nachstudieren mussten. Das finde ich dann schon einigermassen grotesk, denn das Fachwissen eines Lebenmittelchemikers reicht echt 100 x um am Gymnasium unterrichten zu können.

  • Ohne im Detail Bescheid zu wissen behaupte ich mal, dass jemand, der z. B. Germanistik studiert *ohne* damit ins Lehramt zu wollen wohl kaum irgendwas aus irgendwelchen Nebenfächern vorzuweisen hat, aus dem sich unmittelbar ein Unterrichtsfach ableiten lässt, oder?

    Mir wird klar, dass ich eine andere Vorstellung von dem habe, was ihr mit "Wissen über dem Niveau der Schüler" meint. Zumindest habe ich den Eindruck, dass ihr immer von Inhalten sprecht, während es mir eher um fachliche Konpetenzen und Denkweisen geht. Vielleicht liegt das auch wirklich am Unterschied Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften. Das ist gut möglich.
    So wie du das darstellst, dass das Fachwissen im "Zweitfach" eben auch abhängig davon ist, wie viel z.B. der Chemiker sich in seiner Masterarbeit oder Diss bzw. als Wahl im Hauptstudium beschäftigt, könnte man durchaus auch einen parallelen Fall für den Germanistik-MA konstruieren, der sich vielleicht vor allem mit literaturhistorischen Bezügen beschäftigt hat und dessen MA-Arbeit vielleicht besonders historisch ausgelegt war. Aber irgendwie kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, dass dieser fiktive Germanist auf angemessenem Niveau auch Geschichte unterrichten könnte - auch schon in der Mittelstufe. Eben weil ihm eben die fachwissenschaftliche Grundlage trotzdem fehlen würde. Das würde dann wohl trotzdem eher darauf rauslaufen, Jahreszahlen runterzubeten und Quellen so zu analysieren, wie man eben in Deutsch Analysen durchführen. Aber ob das reicht?

  • Mir wird klar, dass ich eine andere Vorstellung von dem habe, was ihr mit "Wissen über dem Niveau der Schüler" meint.

    Nein, ich glaube Du verstehst mich falsch. Im Grunde genommen haben wir bezüglich unseres Fach wahrscheinlich sogar sehr ähnliche Vorstellung von "Wissen". Darum nannte ich in Beitrag Nr. 32 ja Grund b) weshalb ich nicht Physik unterrichte obwohl ich die Lehrbefähigung für dieses Fach habe. Ich habe die Fachdidaktik und den praktischen Teil der Ausbildung im Fach Physik sogar mit 5.0 abgeschlossen, also irgendjemand hat mal befunden, ich mache das nicht allzu schlecht. Chemie war nebenbei bemerkt "nur" eine 5.5. Ich müsste in Physik aber einige der grossen und wichtigen Themen nach Lehrbuch unterrichten, weil ich diese Themen im Studium nie wirklich "gelebt" habe. In Chemie unterrichte ich gar nichts nach Lehrbuch, weil vor allem die Schulbücher überhaupt nicht meiner Logik im Fach entsprechen. Natürlich habe ich noch meine alten Uni-Bücher hier rumstehen, die ich gerne zum Basteln von Aufgaben gebrauche, aber meinen roten Faden habe ich mir komplett selbst zurecht gewurstet. Es gibt in Chemie kaum eine Schülerfrage, auf die ich nicht eine Antwort habe oder irgendeine Anekdote erzählen kann. Das sähe in Physik ganz anders aus. Es ist mir wichtig, meinen Schülern Chemie auch im historischen Kontext näher zu bringen und bei Gelegenheit auch über Verantwortung von Chemikern in Forschung und Industrie zu sprechen. Das kann ich ja alles nur, weil ich selbst entsprechende Erfahrungen gemacht habe, die mir für Physik ganz klar fehlen.


    Jetzt bleibt aber immer noch die Tatsache, dass in Deutschland irgendjemand mal beschlossen hat, dass für NaWi-Lehrer eine verkürzte Fachausbildung reicht, für GeWi-Lehrer offenbar nicht. Wenn ich mich an meinen eigenen Chemieunterricht erinnere, hat der herzlich wenig mit dem zu tun, wie ich heute selbst Chemie unterrichte. Funktioniert hat es aber trotzdem, so streng nach Schulbuch halt. Das ist eben die Frage, die ich mir stelle: Ist das Ausmass an fachlicher Kompetenz, dass Du in Deinen Fächern vorweisen kannst und ich in der Chemie vorweisen kann wirklich nötig für guten Unterricht, oder sind wir zwei da nicht einfach ein bisschen eitel? Ich habe nun für mich beschlossen, dass ich der Sache auf den Grund gehen will und da hilft in meinem Fall nur einfach mal Physik unterrichten und schauen, ob es geht ;)



    Aber irgendwie kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, dass dieser fiktive Germanist auf angemessenem Niveau auch Geschichte unterrichten könnte - auch schon in der Mittelstufe.

    Du kannst es Dir nicht vorstellen, genauso wie es mir eben nicht behagt Physik zu unterrichten. Vielleicht geht es aber doch ... :) Bzw. eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass es geht, weil es ja tausende von Kollegen jeden Tag beweisen. Meine SuS finden Chemie bei mir vor allem deshalb gut, weil es im Unterricht meistens irgendwie lustig ist und so ein für viele SuS eher unattraktives Fach irgendwie aushaltbar wird. Ich fürchte dass mein ganzes schönes Fachwissen und meine ganze schöne Chemie-Sozialisation den meisten meiner SuS ziemlich am Allerwertesten vorbei geht.

  • Das ist eben die Frage, die ich mir stelle: Ist das Ausmass an fachlicher Kompetenz, dass Du in Deinen Fächern vorweisen kannst und ich in der Chemie vorweisen kann wirklich nötig für guten Unterricht, oder sind wir zwei da nicht einfach ein bisschen eitel?

    Das kann durchaus sein. Möglicherweise hängt es auch mit dem eigenen Stil zusammen. Ich habe - wie viele Kollegen - sehr großes Interesse an meinen Fächern und beschäftige mich auch privat sehr viel mit ihnen.
    In der Schule wird mein Unterricht zur Oberstufe immer lehrerzentrierter (von Phasen mit verschiedenen Sozialformen abgewechselt). Das heißt, wir diskutieren viel, oder ich erkläre schon mal auch etwas. Dabei greife ich natürlich auf mein Fachwissen zurück, sowohl im Sinne des Inhaltswissens als auch in Bezug auf Methodik etc. Diese Phasen des Unterrichts machen mir sehr viel Spaß, weil mir eben die Beschäftigung mit Literatur oder mit fremden (hier: englischsprachigen) Kulturen generell viel Spaß macht. Ich würde annehmen, das merkt man mir auch an, und oft lassen sich die Schüler davon anstecken.
    Das würde nun nicht funktionoieren, wenn ich auf Basis meiner literaturgeschichtlichen Kenntnisse und häuslicher Vorbereitung plötzlich Geschichte unterrichten müsste. Aber, klar, vielleicht würde es mit offeneren Unterrichtsformen trotzdem funktionieren und entspricht nur nicht meinem Stil.

  • den reinen Fachinhalten des Studiums. Die absolviert man, weil sie dazugehören und im Idealfall aus fachlichem Interesse, sie bringen einem aber in der Schule recht wenig bis gar nichts


    Das ist so nicht korrekt. Gerade für die didaktische Reduktion ist ein großer fachwissenschaftlicher Überblick über das Thema extrem wichtig.

  • Das ist so nicht korrekt. Gerade für die didaktische Reduktion ist ein großer fachwissenschaftlicher Überblick über das Thema extrem wichtig.

    unbedingt! Geflickschustertes Halbwissen ist fast schon kontraproduktiv, wie ich in ständigem fachfremdem flickschustern immer wieder feststelle.

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