Lehramtsstudium mit Mitte 40

  • Liebes Forum,


    ich spiele zurzeit mit dem verrückten Gedanken, mit knapp Mitte 40 noch ein Lehramtsstudium anzufangen. Ich habe bereits ein abgeschlossenes Universitätsstudium (mit Geschichte im Nebenfach) und einen Masterabschluss in BWL (Fachhochschule, selbst finanziert). Aus beruflichen (lange Geschichte) und privaten Gründen, möchte ich nun doch noch aufs Lehramt umschwenken. Ich habe es natürlich erst per Seiteneinstieg versucht (Fächer: Geschichte, Sozialwissenschaften). Aber ihr wisst ja selbst, wie aussichtsreich eine solche Kombination ist (und dann auch noch in Verbindung mit "Seiteneinstieg möglich")...


    Nun überlege ich, Deutsch und Sozialwissenschaften auf Bachelor Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschule zu studieren (inkl. Schein Deutsch als Fremdsprache). Im Fach Sozialwissenschaften könnte dabei einiges aus dem betriebswirtschaftlichen Masterstudium angerechnet werden (inkl. Masterarbeit). Die Finanzierung wäre gesichert (halbe Stelle parallel); die Zulassung würde im Zweitstudium ebenfalls funktionieren (relativ problemlos bei Haupt-, Real, Sekundar- und Gesamtschule).


    Ich wäre bei Studienende dann knapp 50; bei Abschluss des Referendariates 52. Ich weiß, das hört sich für viele vielleicht albern an, aber der Wunsch mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Und bevor ich nun noch jahrelang in einem Job feststecke (wenn überhaupt, das wären dann die beruflichen Gründe), zu dem ich mich hinquälen muss, stecke ich meine Zeit und Energie lieber noch einmal in ein Studium. Ich hätte dann immerhin noch 15 Jahre vor mir, vermutlich eher 17-18 Jahre (bei dann Rente mit 69 o. 70). Eine Verbeamtung steht natürlich außer Frage, das stört mich aber nicht im Geringsten.


    Wie realistisch ist es aber, mit 50 noch einen Referendariatsplatz zu erhalten? Und wie realistisch ist der Berufseinstieg mit 52? Nach den neuesten Bedarfsprognosen für NRW wird der Bedarf an ausgebildeten Lehrern im Bereich Haupt-, Real-, Gesamtschule auch in Zukunft dauerhaft sehr hoch ein (die Broschüre mit Stand April spricht von "dauerhaft hervorragenden bis sehr guten Einstiegschancen - auch in den Fächern Deutsch und Sowi -> https://www.schulministerium.n…rbeitsmarkt/Prognosen.pdf).


    Vielen Dank & viele Grüße


    Peter

  • Intuitiv würde ich sagen: Mach‘ es! Die größte Hürde sehe ich in der Finanzierung des Studium, aber wenn deine halbe Stelle auf Dauer sicher ist und du evtl. Rücklagen hast, ist das wohl machbar.


    Hast du denn irgendwelche Erfahrungen im Unterrichten und/oder mit Gruppen von Jugendlichen? Warst du mal Übungsleiter, hast du Nachhilfe gegeben, warst du mal ein Wochenende lang mit Teenagern in der Jugendherberge? Fachlich musst du dir ja nichts mehr beweisen und es wäre schade, wenn der Plan im Referendariat oder noch später an anderen Dingen scheitert.

  • ich kenne auch Leute, die mit Mitte - Anfang 50 noch ihr Ref angefangen haben. Leider ost keiner davon durchgekommen. Teils Abbruch, Teils nicht zur Prüfung zugelassen, teils durchgefallen. Das soll dich jetzt aber nicht demotivieren. Du solltest dir nur im Klaren sein, dass das Ref für viele "Ältere" häufig schwierig ist. Man hat Prüfer/Ausbilder die einem die Welt erklären und grundsätzlich Recht haben, die altersmäßig die eigenen Kinder sein könnten. Muss kein Problem sein, kann aber. Das Lehrerbild, das man als "Älterer" im Kopf hat, unterscheidet sich massiv von dem, was im ref verlangt wird. Da können, müssen aber nicht, Anpassungsschwierigkeiten auftreten. Ich bin niemand, der das ref verteufelt. Es ist eine sehr lehrreiche Zeit und vieles weiß man erst hinterher zu schätzen. Aber gerade der Aspekt "Unterordnung und Anpassung", insbesondere bei Dingen, die einem total albern und unsinnig erscheinen, zermürbt viele ältere Referendare. (Nicht nur die) Wenn du denkst, dass das für dich kein Problem ist, dann machs! Lehrer werden gebraucht und gesucht und der Beruf kann wirklich der beste der Welt sein, wenn er zu einem passt.

  • ich kenne auch Leute, die mit Mitte - Anfang 50 noch ihr Ref angefangen haben. Leider ost keiner davon durchgekommen. Teils Abbruch, Teils nicht zur Prüfung zugelassen, teils durchgefallen. Das soll dich jetzt aber nicht demotivieren. Du solltest dir nur im Klaren sein, dass das Ref für viele "Ältere" häufig schwierig ist. Man hat Prüfer/Ausbilder die einem die Welt erklären und grundsätzlich Recht haben, die altersmäßig die eigenen Kinder sein könnten. Muss kein Problem sein, kann aber. Das Lehrerbild, das man als "Älterer" im Kopf hat, unterscheidet sich massiv von dem, was im ref verlangt wird. Da können, müssen aber nicht, Anpassungsschwierigkeiten auftreten. Ich bin niemand, der das ref verteufelt. Es ist eine sehr lehrreiche Zeit und vieles weiß man erst hinterher zu schätzen. Aber gerade der Aspekt "Unterordnung und Anpassung", insbesondere bei Dingen, die einem total albern und unsinnig erscheinen, zermürbt viele ältere Referendare. (Nicht nur die) Wenn du denkst, dass das für dich kein Problem ist, dann machs! Lehrer werden gebraucht und gesucht und der Beruf kann wirklich der beste der Welt sein, wenn er zu einem passt.

    Das ist fast exakt, was mir auch durch den Kopf ging. Bei uns sind auch etliche der älteren abgesprungen. Sich von großteils inkompetenten Allgemein-Seminaristen völligen Unsinn erzählen lassen zu müssen, und dann das auch noch zwangs-toll finden zu müssen war für mich als "jungen" (aber mit Erfahrung in nem "echten" Beruf) schon schwer genug. Die Ingenieure sind reihenweise geflüchtet. Ich kann's ihnen nicht verdenken.


    Gruß,
    DpB


    PS: der übliche Disclaimer: Ich weiß (nicht zuletzt dank des Forums), dass es wohl irgendwo in Deutschland auch taugliche Seminare gibt, deshalb basiert das hier natürlich nur auf einer Einzelerfahrung. Weiterhin meine ich ausschließlich das Allgemeinseminar, meine Fachleiter waren beide - zumindest fachlich und didaktisch - super.

  • PS: der übliche Disclaimer: Ich weiß (nicht zuletzt dank des Forums), dass es wohl irgendwo in Deutschland auch taugliche Seminare gibt, deshalb basiert das hier natürlich nur auf einer Einzelerfahrung. Weiterhin meine ich ausschließlich das Allgemeinseminar, meine Fachleiter waren beide - zumindest fachlich und didaktisch - super.

    Richtig - das Fachseminar ist häufig ganz gut. Bei mir war eins wirklich gut, das andere weniger. Aber das Kernseminar war nicht auszuhalten. Von "wir basteln Verkleidung für eine Vorstellungsrunde" über Klangschalenmeditation bis erzwungenes Gruppenkuscheln war echt alles dabei. Und da kann ich gut nachvollziehen, wenn jemand mit einer abgeschlossenen anderen Ausbildung "und tschüss" ruft. Hätte ich gemacht, wenn ich ü40 gewesen wäre. Aber wenn man noch am Anfang der Berufslaufbahn steht, bleibt natürlich keine echte Alternative, außer Zähne zusammenbeißen.

  • Richtig - das Fachseminar ist häufig ganz gut. Bei mir war eins wirklich gut, das andere weniger. Aber das Kernseminar war nicht auszuhalten. Von "wir basteln Verkleidung für eine Vorstellungsrunde" über Klangschalenmeditation bis erzwungenes Gruppenkuscheln war echt alles dabei. Und da kann ich gut nachvollziehen, wenn jemand mit einer abgeschlossenen anderen Ausbildung "und tschüss" ruft. Hätte ich gemacht, wenn ich ü40 gewesen wäre. Aber wenn man noch am Anfang der Berufslaufbahn steht, bleibt natürlich keine echte Alternative, außer Zähne zusammenbeißen.

    Oh nein, da kommen auch bei mir Erinnerungen hoch. Klangschale, Lichtertanz im abgedunkelten Raum. Ich sehe den Rentner, der draußen mit seinem Hund spazieren ging heute noch. Dieser Blick.Dachte bestimmt, das ist eine Sekte.....

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Bei uns ist mal eine in einem Erziehungswissenschaften Seminar schlafend vom Stuhl gefallen. Ohne Worte. Meine Devise war einfach: Arschbacken kneifen, lächeln und durch. Ein gewisses Mass an Lebenserfahrung kann auch beim Aushalten helfen. Wobei sich wahrscheinlich die schwerer tun, die schon mal in der Industrie gearbeitet haben, als Leute, die wie ich die Promotion und Arbeit an der Uni hinter sich haben. Letzteres kann ebenso zermürbend sein, wie die Lehrerausbildung ;)

  • Nächste Einzelerfahrung: Das Kernseminar war das Beste an meiner ganzen Ausbildung! Dann kamen die Schulgruppensitzungen, dann lange nichts und dann die beiden Fachseminare.

  • Wie realistisch ist es aber, mit 50 noch einen Referendariatsplatz zu erhalten? Und wie realistisch ist der Berufseinstieg mit 52? Nach den neuesten Bedarfsprognosen für NRW wird der Bedarf an ausgebildeten Lehrern im Bereich Haupt-, Real-, Gesamtschule auch in Zukunft dauerhaft sehr hoch ein (die Broschüre mit Stand April spricht von "dauerhaft hervorragenden bis sehr guten Einstiegschancen - auch in den Fächern Deutsch und Sowi -> https://www.schulministerium.n…rbeitsmarkt/Prognosen.pdf).
    Vielen Dank & viele Grüße


    Peter

    Hallo Peter,


    realistisch ist das schon würde ich sagen, aber einfacher wird es nicht, wenn man älter ist als der frisch aus dem Elternhaus entschlüpfte Rest vom Schützenfest.


    Und was bisher geschrieben wurde übers Ref, das ist leider tatsächlich so. Man wird - wahrscheinlich ist das im Grundschul- u. SekI-Bereich noch "exklusiver" - teilweise richtig für dumm verkauft. Du musst dich vorher also ernsthaft fragen, ob du 18 Monate lang gute Miene zum teilweise (natürlich längst nicht immer!) kuriosen Spiel machen kannst, oder ob dir der Kragen und damit die Chance auf einen Abschluss platzt.


    Aber selbst wenn du soweit klar kommst, werden viele Holzköpfe mit dir allein deshalb nicht auskommen, weil du nicht "Standard" bist. Es gibt genügend Lehrbeauftragte mit dem "Kleinen-Mann-Syndrom", die es gar nicht leiden können, wenn jemand mehr auf den Kasten hat als sie oder einfach nur mehr Lebenserfahrung mitbringt.


    Letztlich kann man das alles kompensieren, wenn man eine starke und über den Dingen stehende Persönlichkeit mit guten Umgangsformen darstellt. Das kannst du nur selbst wissen. Viel Glück jedenfalls von meiner Seite, bei uns gibt es leider kaum (oder gar keine?) deutlich älteren Reffis. Die meisten sind "Standard" 25 plus minus 2 Jahre. ;)


    der Buntflieger

  • Hallo,


    ich finde jedenfalls den Wunsch, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, einen sehr guten Grund, das zu versuchen.


    Meine Erfahrung mit Leuten, die es versucht haben: Wer schon in der "freien Wirtschaft" oder an der Uni nicht klarkam und deshalb auf Lehramt gewechselt hat (weil das ja so einfach ist), hat es an der Schule auch nicht geschafft.


    Wer hingegen ähnliche Gründe wie Du hatte, hat da gute Karten. Ein Kollege von mir ist jedenfallsl mit deutlich ü30 diesen Weg gegangen (erfolgreich).


    Zu den Berufsaussichten usw. in NRW mit diesen Fächern kann ich nichts sinnvolles beitragen.

  • Erst mal vielen Dank an alle für die ganzen Rückmeldungen!


    Mittlerweile konnte ich auch eine entfernte Bekannte kontaktieren, die als Lehrerin im Sek 1-Bereich tätig ist (im ländlichen Bereich). Die hat mir berichtet, dass an ihrer Schule Lehrer verzweifeltst gesucht werden. Im Vertretungsbereich hatten sich auf eine Stelle nur zwei Kandidaten (beide jenseits der 60 und beide kein Lehramtsstudium) beworben. Einer von beiden wurde dann tatsächlich eingestellt. Eine neue Referendarin an ihrer Schule ist Ende 40. Das macht zumindest etwas Mut.


    Zur Frage mit den Rentenansprüchen: Ich habe mir das natürlich auch finanziell ausgerechnet. Und obwohl ich nicht allzu schlecht verdient habe bzw. verdiene, lohnt es sich für mich auch finanziell - insbesondere, wenn man eine jährliche Anpassung von etwa 2 % zugrunde legt (auf die aktuelle TV-L-Tabelle; automatische Steigerungen gibt es bei mir nämlich nicht). Aber natürlich setzt das voraus, dass ich nahtlos an das Referendariat eine Stelle finde (oder zumindest nicht jahrelang suche) und bis Rentenbeginn arbeite. Wie realistisch das ist, weiß ich noch nicht. Ich vermute, die meisten Lehrer gehen wohl etwas eher in den Ruhestand. Aber das ist dann eben der Preis den ich zahlen muss und den ich - zumindest aus jetziger Sicht - gerne zahle. Lieber bis Rentenbeginn in einem Job arbeiten, der mir was bedeutet, als mich noch 15 Jahre durchquälen, um dann mit Anfang 60 das Handtuch zu schmeißen.


    Zum Referendariat: Ja, da mache ich mir keine Illusionen. Bezeichnenderweise (und wohl paradoxerweise) hat meine Frau auf Lehramt studiert und dann kurz vor der Verbeamtung geschmissen. Ich weiß noch, wie gestresst die während des Referendariates war. Das wird sicher hart. Etwas Leiden bin ich gewohnt - das Masterstudium neben dem Vollzeitjob mit 120 ECTS-Punkten war schon recht heftig.

  • Aber wenn man das Ref. überlebt hat, ist es doch toll, oder? Wenn du das gerne möchtest, dann probiers doch. Du hast den Jungen in vielen Dingen sicher einiges voraus und anderes wird dir vllt. schwerer fallen. Das weißt du sicher selbst.

  • Bedenke bitte auch, dass du im Referendariat nur ca. 1100 Euro im Monat verdienst. Wenn deine Frau entsprechend verdient, sollte das natürlich kein Problem sein.

  • Er hat auch noch seinen Job, den er als halbe Stelle vermutlich so lange ausüben möchte bis er eine feste Stelle als Lehrer hat (also in circa 7 Jahren).

  • Er hat auch noch seinen Job, den er als halbe Stelle vermutlich so lange ausüben möchte bis er eine feste Stelle als Lehrer hat (also in circa 7 Jahren).

    Das mag im Studium gehen, aber definitiv nicht im Referendariat, weder belastungsmäßig noch organisatorisch (zumindest keine halbe Stelle). Insofern spielt Geld durchaus eine Rolle, insbesondere wenn man schon viele Jahre regulär verdient hat und eben nicht direkt aus dem Studium kommt.

  • Ja nun, er wird halt im Studium arbeiten und 1000 oder 1200 oder 1400 € verdienen und während des Referendariats bekommt er dann 18 Monate lang das entsprechende Gehalt. Das macht ja keinen sooo großen Unterschied. Überhaupt denke ich, dass jemand wie Senior1973 im finanziellen Bereich am allerwenigsten Ratschläge aus einem Lehrerforum braucht.

  • Es ist zwar keine halbe Stelle, aber ich habe z.B. schon vor, im Referendariat meine Nebentätigkeit weiterhin auszuüben - gerade weil man dann noch nicht viel verdient. Vlt. kann der Threadersteller neben dem Studium so viel arbeiten, dass er im Referendariat auf eine Viertelstelle reduzieren kann, aber ganz auf Null zu gehen? Mit 50 sind zwar die gröbsten Kosten beglichen, aber man hat ja immer noch die laufenden Kosten...

  • Mach vielleicht erst mal das Ref und entscheide dann ob und wenn ja wie viel du dann arbeiten kannst. Und jeder andere entscheidet dann für sich selbst.
    Ich hätte dazu gerade in Hochphasen keine Zeit/ Elan gehabt und ich hatte noch 24 Monate.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

Werbung