Da ich mich hier ja einfach mal so angemeldet und erst einen Beitrag gepostet habe, will ich euch doch einfach mal meine Geschichte erzählen. Um euch die Lesbarkeit zu erreichen, hebe ich wichtige Teile fett hervor. Viel Spaß beim Lesen, ich finde die Story spannend. Leider ist sie zu komplex, um sie kürzer zu fassen.
Also: Ich habe mir überlegt, dass Lehrer genau mein Ding ist. (kenne mich mit meinen Fächern gut aus, erkläre gerne, gebe Mathenachhilfe seit der eigenen Schulzeit, kann sicher auftreten, bin schwer zu verunsichern und habe vor allem Spaß am Umgang mit anderen Menschen.) Folglich studiere ich Lehramt und mache ein Praxissemester. Dort lief es vom ersten Tag an saugeil. Hab ab der ersten Woche unterrichtet, gleich mal ne Klasse für 2 Wochen am Stück behalten und es hat geklappt. Die Rückmeldungen waren im Großen und Ganzen "Wir unterhalten uns hier schon auf dem Niveau vom mindestens 2. Halbjahr Ref" und "Ich habe noch nie einen Anfänger so sicher vor einer Klasse stehen sehen!" (klar gabs auch mal Kritik und Änderungsvorschläge, aber im Großen und Ganzen hat mein Unterricht geklappt.) Folgerung: Ich liege richtig mit meiner Berufswahl. (stand auch so in der Praktikumsbewertung.) Sehnsüchtig erwarte ich mein Ref, damit ich endlich wieder unterrichten kann.
2 Jahre später komme ich ins Ref an ein anderes Gymnasium, werde mäßig freundlich empfangen, und kurz gefasst: auf einmal klappt gar nichts mehr! Hätte man mich nach drei Tagen gefragt, wie ich es an der Schule finde, hätte ich gesagt: Die Disziplin ist unter aller Sau! Nach zwei Wochen hätte ich geantwortet: Wenn man diese Schüler diszipliniert hat (was mir irgendwie gelang), dann merkt man erst mal, wie schlecht die eigentlich genau sind!
Beispiel gefällig? 6. Klasse, über Kreuz kürzen. Ich schreibe an die Tafel zwei Brüche mit nem Mal dazwischen, sage: "Wir könnten es normal ausrechnen, aber dann haben wir zu große Zahlen. Aber schaut euch die Zahlen mal genau an, welche könnte man denn mit welcher kürzen?" - Verständnislose Blicke. Ich warte eine Minute, dann: "Schaut mal, wir könnten doch alles auf einen Bruchstrich schreiben." (mache es.) - "Das verstehen wir nicht." - "Was versteht ihr denn daran nicht? Das ist ganz normale Bruchmultiplikation, Zähler mal Zähler und Nenner mal Nenner." - Verständnislose Blicke. Ich: "Dann kann man doch das hier mit dem kürzen..." (mache es.) Schüler: "Aber das verstehen wir nicht!" Ich: "Ihr müsst mir schon sagen, was ihr daran nicht versteht... (verständnisvoller Blick meinerseits) ... sonst weiß ich nicht, was ich erklären soll." Eine Minute Schweigen, dann ich: "Ich habe eine Idee, wir könnten hier ja noch nen Zwischenschritt machen und es wieder auf zwei Bruchstriche schreiben, mit vertauschten Zählern..." Spontaner Zwischenruf aus der Klasse (in vollem Ernst): "Aber schauen Sie mal, wenn Sie noch mehr Mathe an die Tafel schreiben, dann verstehen wir ja noch weniger!" (zum Vergleich: ganz unten: Über Kreuz kürzen die zweite.)
Das war kein Einzelbeispiel, sondern es gelang mir an diesem "Gymnasium" nicht einmal, eine funktionierende Mathestunde zu halten. Die Schüler verstanden nichts, machten alles falsch und hatten in der nächsten Stunde alles von der vorigen wieder vergessen. Ich probierte wie bescheuert rum, wie man daran was ändern kann (Frontal klappt nicht, s.o. Selbst erarbeiten lassen? Klappte auch kaum. Partnerarbeit? Bringt wenig, wenn beide nichts können. Ich habe es nie geschafft, diese Schüler zu unterrichten.) Aber: Ich habe es nicht geschafft, gegen die Verständnisschwierigkeiten dieser Schüler anzukommen. Obwohl ich mir Tag und Nacht den Kopf darüber zerbrach, was ich machen könne.
Und Mentor fragen, was ich machen kann... brachte nur folgede Antwort: "Hören Sie mal, wir bewerten die Schüler! Und die Schüler sind gut! Und wenn Sienicht sehen, dass die Schüler gut sind, sind Sie aber ungeeignet für den Lehrberuf!" Und konstruktives Feedback, das mich weiterbrachte, gab es etwa nie; auch auf Nachfrage kamen nur Floskeln. Andere Lehrer reagierten ähnlich und schrien mich an, wenn ich auch nur andeutete, die Schüler würden etwas viellecht nicht verstehen. Meine Lehre daraus: Klappe halten, selbst drauf kommen, was ich machen kann.
Dann kommt der Fachleiter (der nebenbei Duzfreund des Mentors ist; die beiden haben vorher paarmal über mich telefoniert) und sieht mal wieder eine Stunde, in der die Schüler kein Vorwissen zeigten, nichts lernten und kein Verständnis zeigten. Seine Reaktion: "Schieben Sie es nicht auf die Klasse, ich habe noch nie so eine ruhige siebte Klasse gesehen!" Seine Diagnose: "Mensch, die Schüler können das, die haben nur Ihre Fragen nicht verstanden!" sowie "Falsch, die Schüler können das! Das war nur, weil die Schüler sich nach Ihrem langweiligen Einstieg nicht mehr konzentrieren konnten." Fazit: "Primär wird nach Ertrag bewertet, und mit der Stunde wären Sie durchgefallen."
Ich hänge mich danach noch mal voll rein, bereite auch in den dann folgenden Osterferien jeden Tag 8 Stunden vor, aber nach den Ferien klappt trotzdem nicht eine Mathestunde, wieder weil die Schüler einfach nichts verstehen! Und gerade als ich keine Ahnung mehr habe, was ich noch versuchen soll, führt mein Mentor ein Gespräch mit mir: "Wir können Ihnen keinen selbständigen Unterricht geben. Ich sehe bei Ihnen nicht den nötigen Einsatz, um Lehrer zu werden. Und Sie merken doch selber, dass es nicht klappt." Ich: "Ja, merke ich! Aber ich komme nicht drauf, was ich machen kann, damit es besser wird. Können Sie mir das nicht einfach sagen?" Er (schreit mich an): "Nein, ich weigere mich! Das hat doch alles keinen Zweck!" Ich: "Aber im Praxissemester hat doch alles geklappt, und da haben alle gemeint, ich kann das super." Er: "Hören Sie mal, wir sind es, die über Sie zu entscheiden haben, und wir sind uns alle über Sie einig! Und was wollen Sie eigentlich, der Fachleiter beurteilt Sie doch genauso." Fazit: Null Konstruktives, einfach nur "Sie können das nicht, geben Sie auf!"
Ich beschwere mich noch beim Seminardirektor über meinen Mentor, der mir einfach nur antwortet: "Seitens der Schule liegt kein Fehlverhalten vor, da eine professionelle reflektierte Bewertung auch einmal negativ ausfallen kann." Und ich grübele wie bescheuert über die Story...
... und komme zu einer irren Erkenntnis: Die Schülerfähigkeiten an der Schule sind in Mathe wirklich nicht vorhanden. Und die Lehrer machen mich fertig, weil ich das bemerkt habe! Gleichzeitig dachte ich mir aber: "Mist, klingt das paranoid. Werde ich verrückt...?"
... und denke mir im nächsten Moment: Das glaubt mir kein Schwein. Vor allem, da die Schule in der Außendarstellung bescheuert gut dasteht (die Lehrer da haben alle an bedeutenden Mathebüchern mitgeschrieben, letztes Jahr hat der Laden eine Bundestagung einer renommierten Mathedidaktikzeitung ausgerichtet, die Schüler gewinnen irgendwie ständig Preise wie den Lesewettbewerb etc. und die Lokalpresse tut so, als ob das die beste Schule der Stadt wäre.) Und außerdem, weil keiner einen durchfallenden Referendar ernst nimmt, der die Schuld nur bei seiner Schule sehen will und nicht bei sich.