Darf eigentlich jeder unterrichten?

  • Die Unterrichtsgarantie Plus war (ist noch?) ein Konstrukt gegen Unterrichtsausfall. Die Schule hat deine Nummer und kann dich anrufen, wenn sie dich braucht (oft sind es feste Tage).
    Die Bezahlung hängt von dem höchsten Abschluss bzw. Status. 1. Staatsexamen, Student, Abi... ab.
    _Eigentlich_ ist das nicht für ‚dauerhaft‘ gedacht, aber: manchmal ist der Lehrer halt für 2 Wochen krank, man kriegt die Klasse im Stundenplan und es werden vielleicht 3 Wochen...

    Wow! Davon höre ich zum ersten Mal!
    Gibt es Zahlen über den Umfang dieser Maßnahme?


    Randnotiz: solche Aufsichten ("kein Feuer ausgebrochen") sind bestimmt ein sehr gutes Mittel gegen Unterrichtsausfall - auf dem Papier.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von chemicus

    Hier reicht im Einzelfall das Abitur.

    Hallo chemicus,


    liegt das an deiner Schulstufe oder deiner BezReg?
    Hier bei uns (Grundschule) braucht man schon mehr als das Abitur, um in eine befristete Stelle zu gelangen. Ein abgeschlossenes Studium in einem für die Schule passenden Bereich muss es schon sein.


    kl. gr. frosch

  • "‘Wobei ich das nicht als Notlösung ansehe, sondern da gibt es ganz tolle Persönlichkeiten dabei, die auch wunderbar mit unseren Kindern arbeiten und eine Bereicherung für Schulen darstellen‘,
    meint Thomas Drescher, Staatssekretär im Bildungsministerium.“


    Mir macht das Angst. Oder macht es mich wütend? Ich weiß nicht :uebel:
    Während z.B. Polen sein Schulsystem auf den Kopf gestellt hat, um mithalten zu können, baut Deutschland gezielt zurück und begibt sich auf das nachbarstaatliche Niveau von vor 20Jahren. Und in dem Artikel ist dabei nach wie vor von studierten Quereinsteigern die Rede und nicht mal von denen, die ich hier erlebe oder Chili und Chemikus beschrieben haben.


    Was ist denn, wenn’s buchstäblich brennt? Ich fände es sinnvoll, vorher zu agieren. Eltern haben ja eine recht große Lobby beim Schulamt, zumindest größer, als Lehrer. Nur fehlt mir nach wie vor eine rechtliche Grundlage dessen, was noch rechtskonform ist.


    Ist Schulpflicht abgegolten, wenn die Schultür 6 Stunden lang geöffnet wurde?

  • Grüner Frosch,
    Schau doch einfach Mal auf die Seite https://www.schulministerium.nrw.de/BiPo/Verena/online. Dort findest Du die Kriterien des Schulministerium. Wenn das an Deiner Schule anders ist, liegt es am Schulleiter der das als Mindestkriterium für seine Schule so sieht. Viele andere SchulleiterInnen sehen das in ihrer Not anders.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Das ist echt Wahnsinn.


    "Sie sind grundsätzlich geeignet, wenn Sie über eine entsprechende Qualifikation für das ausgeschriebene Fach/die ausgeschriebenen Fächer verfügen. Darüber entscheiden die Schulleitungen und Schulaufsichtsbehörden."


    Ob es Schulleitungen gibt, die Unterricht ausfallen lassen, anstatt ungeeignete Bewerber einzustellen?

  • Morse
    Das ist sicherlich auch so und wenn das ganze über Programme wie Obas oder pädagogische Einführung läuft, bin ich durchaus ein Verfechter dieser Wege. Nicht zuletzt deshalb, da ich auch selber diesen Weg genommen habe. Ich kann mich aber auch noch an das halbe Jahr erinnern bevor die offizielle Massnahme bei mir anfing. Hier ist das Chemiebuch und hier die Unterrichtsverteilung auf 14 Kurse zu 20 bis 30 Schülern. Viel Spaß ach übrigens in vier Wochen ist Elternsprechtag. Hab's überlebt hätte jedoch mir und den SuS einen etwas komfortableren Einstieg gewünscht.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Manchmal frage ich mich, ob diese nicht nur Personal-, sondern auch Bildungspolitik, nicht (nur) das Ergebnis einer früheren, auf Sand gebauten Sparpolitik ist, sondern ob sich die Produktionsbedingungen tatsächlich so verändert haben, dass diese Schule bzw. wohin sie sich zur Zeit entwickelt, einfach die zu ihnen passende ist.

  • Ich halte von dem Ganzen auch nicht viel. Erstens hab ich das Gefühl, dass mein volles Studium und Ref dadurch wertloser wird ("kann ja jeder machen" und vielleicht hat der Student oder Physiker etc. dann noch "von Natur aus" ein besseres Händchen für Kinder... ) und zweitens sehe ich in der Praxis überhaupt nix von Lehrermangel, wenn ich über 100 Bewerbungen schreibe, jeder Student und Quereinsteiger kriegt was und ich immer noch nicht... obwohl es auch für mich ja theoretisch die Möglichkeit gibt, mich im gesuchten Fach X nachzuqualifizieren. Die wird aber so wie ich das mitkriege fast nie genutzt, weil drittens, ich als "nur Vetretung" und auch der Seiteneinsteiger "ohne formale Lehramtsausbildung" oder "der Student" einfach billiger ist...

  • Ich fände es sinnvoll, vorher zu agieren. Eltern haben ja eine recht große Lobby beim Schulamt, zumindest größer, als Lehrer.

    Da hast du grundsätzlich recht. Das Problem ist nur: was nutzt den Eltern ihr Einfluss wenn schlicht und ergreifend keine Lehrer auf dem Markt sind, die man einstellen könnte?


    Zu deiner Frage, ob Eltern das Recht haben zu erfahren, wie die Personen qualifiziert sind, die ihre Kinder unterrichten, kann ich dir leider auch nichts sagen. Ich bin in dem Punkt aber auch echt zwiegespalten:
    Einerseits würde ich das als Mutter auch gerne wissen und ich finde es wichtig, dass Eltern einen realistischen Eindruck von der Situation bekommen, damit sie (zumindest für die Zukunft....) entsprechend Druck machen können (oder auch verstehen, wenn die Lehrer mal auf die Straße gehen...).


    Andererseits sehe ich aber auch die Situation der Kollegen, die da oft mit großem Einsatz "Feuerwehr" spielen. Die haben oft eh schon keinen leichten Stand, wenn z.B. plötzlich die geliebte Klassenlehrerin wegfällt und sie einspringen. Gerade bei sehr anspruchsvoller Elternschaft, die sowieso alles kritisch hinterfragt, hätten die es dann noch schwerer. Wenn den Eltern dann etwas nicht passt (z.B. weil Frau ABC das aber immer so und so gemacht hat) heißt es nämlich ganz schnell: Na, die ist ja auch keine richtige Lehrerin (und wehe du gibst dann noch Noten, die den Eltern nicht passen...).
    Insofern finde ich es auch richtig und verständlich, wenn die Schulleitung das nicht von sich aus mitteilt, einfach um die Kollegen zu schützen. Ich weiß aber tatsächlich nicht, inwiefern sie verpflichtet ist, konkrete Anfragen zu beantworten.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Vollkommen richtig, @icke. Um die Problematik abschätzen zu können, könnte man ja auch mal den Vergleich mit anderen Berufsgruppen, in denen Mangel besteht, und überlegen, was man dort bereit wäre, zu akzeptieren. Der Arzt, der vlt. "nur" Biologie studierte? Der Pfleger, der eigentlich studierter Pädagoge ist? Der Informatiker, der sich zuhause ein bisschen das Programmieren beibrachte? Je nach Beruf gehen die Meinungen auseinander - von "Nein, diese und jene Berufsqualifikation muss vorher erbracht worden sein." bishin zu "Naja, hauptsache der Mangel ist irgendwie gedeckt - bestimmt hat der Bewerber auch eine nette Persönlichkeit.".

  • Das ist kein Gefühl, sondern es ist de facto so, wenn billigere Aushilfskräfte eine ansonsten teurer bezahlte Tätigkeit ausüben.

    Na aber sie werden ja auch schlecht bezahlt dafür. Übler wäre es, wenn man die plötzlich verbeamten würde. DANN wäre das Studium etc. in der Tat "sinnlos".

  • Na aber sie werden ja auch schlecht bezahlt dafür. Übler wäre es, wenn man die plötzlich verbeamten würde. DANN wäre das Studium etc. in der Tat "sinnlos".

    Ob das übler wäre, kommt natürlich darauf an zu welchem Lager man gehört! Hier im Forum gibt es ja auch einige, die sich über die Liberalisierung des Lehrerberufs (so nenne ich das mal) freuen bzw. davon profitiert haben.


    Wenn Du selbst keinen Job bekommst, weil jemand anders seine Arbeitskraft billiger verkauft, ist dessen geringerer Lohn sicher kein starker Trost.

  • Um die Problematik abschätzen zu können, könnte man ja auch mal den Vergleich mit anderen Berufsgruppen, in denen Mangel besteht, und überlegen, was man dort bereit wäre, zu akzeptieren. Der Arzt, der vlt. "nur" Biologie studierte?

    Ich möchte an der Stelle noch mal darauf hinweisen, dass der Vergleich Arzt - Lehrer schlicht unzulässig ist. Wenn ein ahnungsloser Biologe versucht eine Knie-OP durchzuführen, ist im schlimmsten Fall halt das Bein ab. Ein fachfremd ausgebildeter Lehrer, der in der Grundschule Mathe unterrichtet ist in der Tat nicht gut und möglicherweise hat es auch miese Konsequenzen für die Kinder, wenn sie nicht vernünftig rechnen lernen. Sie verlieren aber kein Bein und sie sterben auch nicht dran. Vielleicht lässt es sich zu einem späteren Zeitpunkt sogar noch wieder grade biegen.


    Ja, ich finde gerade in der Grundschule ist es ziemlich skandalös, was in Deutschland da gerade offenbar betrieben wird. Weil eben in der Regel ein Lehrer für viele Fächer zuständig ist und dann geht halt alles schief. Später im Fachunterricht ist es bei weitem nicht mehr so schlimm, wenn mal eine Pfeife dabei ist. Das sage ich hin und wieder auch meinen SuS, wenn mal Klagen über Kollegen kommen - ist doch egal, sie haben ja noch 10 andere Lehrer die OK sind.


    Der Punkt wird schlussendlich aber sein, dass genau weil von schlechtem Unterricht keine Gefahr für Leib und Leben ausgeht, es keine rechtliche Handhabe gegen diese Zustände gibt. So sehr ich das elterliche Bedürfnis, man müsste doch mal was tun, auch ehrlich nachvollziehen kann. Das ist natürlich nur eine Vermutung meinerseits, die wollte ich aber mal so in die Runde werfen. Ich denke, man wird wohl nur was tun können, wenn es um Aufsichtspflichtverletzung und sowas geht.

  • ... wenn ich über 100 Bewerbungen schreibe, jeder Student und Quereinsteiger kriegt was und ich immer noch nicht...

    :ohh: Ohje, wieso das denn?



    ... Gerade bei sehr anspruchsvoller Elternschaft, die sowieso alles kritisch hinterfragt, hätten die es dann noch schwerer. Wenn den Eltern dann etwas nicht passt (z.B. weil Frau ABC das aber immer so und so gemacht hat) heißt es nämlich ganz schnell: Na, die ist ja auch keine richtige Lehrerin (und wehe du gibst dann noch Noten, die den Eltern nicht passen...).
    ...

    ach du Schande, nee, solche Eltern sind das nicht. Und es geht auch wirklich nicht darum, ob Frau X aber immer... sondern darum, dass es in manchen Klassen keine Frau X gibt, der man hinterhertrauern könnte. Seit Jahren vertretene Grundschulklassen usw. da soll natürlich auch nicht Vertretung Frau Y Ärger bekommen, sondern die Behörde zusammen mit der SL einen Plan schmieden, mit dem Mangel umzugehen und es braucht Öffentlichkeit, keine Vertuschung.

  • Vollkommen richtig, @icke. Um die Problematik abschätzen zu können, könnte man ja auch mal den Vergleich mit anderen Berufsgruppen, in denen Mangel besteht, und überlegen, was man dort bereit wäre, zu akzeptieren. Der Arzt, der vlt. "nur" Biologie studierte?

    Naja, auch Ärzte sind eben Mangelware und können nicht durch die gesamte Republik gekarrt werden oder hunderte von Überstunden machen. Es gibt da auch schon Modelle in gewissen dünn besiedelten Regionen, wo Krankenschwestern/-pfleger zu den Leuten fahren, einfache Untersuchungen durchführen, Einschätzungen abgeben und ggf. den Gang zum Arzt empfehlen. Das ist Vorsortieren von Fällen, um die Ärzte zu entlasten.

  • Das reicht schon, um nur "schlechter bezahlte" Vertretungsstellen zu bekommen...

    Was übrigens das gleiche Gehalt ist, welches promovierte(!!!) Wissenschaftler an einer Universität verdienen. Bei keiner Aussicht auf Verbeamtung.


    Ich finds im übrigen nicht in Ordnung, wie hier pauschal über Seiteneinsteiger geurteilt wird. Bin selbst einer und glaube nicht, dass mir in irgendeiner Form etwas fehlt. Ich durchlaufe die selbe Ausbildung wie Referendare, habe am Ende die gleiche Staatsprüfung. Und das alles unter ganz anderen Rahmenbedingungen.
    Über die Qualität meines pädagogisch/didaktischen Ausbildung sage ich hier besser nichts...


    Das man grundsätzlich darüber diskutieren sollte: Auf jeden Fall! Aber bitte nicht den Papa von Fritzchen, der auf N24 eine Doku über schwarze Löcher gesehen hat und ab nächster Woche Physik unterrichtet mit einem promovierten Wissenschaftler mit abgeschlossenem Hochschulstudium gleichsetzen. Und nicht jeder Seiteneinsteiger ist ein Fachidiot und kann nicht mit den Kindern/Jugendlichen umgehen. Ich bin der Meinung, dass diejenigen, die dazu in der Lage sind genau so gute Lehrer werden können wie die grundständigen Kollegen!

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