Wie gut müssen Kinder Ende 1. Klasse lesen und schreiben können?

  • Hallo zusammen,


    Ich bin seit diesem Jahr Lehrerin und habe direkt eine erste Klasse als Klassenlehrerin bekommen. Im Ref hatte ich auch keine erste Klasse, ich habe also keine Erfahrungswerte oder Vergleichswerte.
    Das Schuljahr dauert nun 7 Wochen und ich bin total verunsichert, ob meine Kinder gut genug lesen und schreiben können.
    Zum einen sind die Unterschiede extrem. Ich habe 5 Kinder, die als Flüchtlinge oder aus sonstigen Gründen nach Deutschland gekommen sind und Deutsch nicht als Muttersprache haben. Von denen kann gerade mal einer ansatzweise lesen und schreiben. Die anderen können fast noch nichts sprechen aber auch noch nicht gut Deutsch. Da denke ich mir noch: ok, es liegt an der Sprache und die sind einfach langsam, aber so langsam??? Die sind immerhin auch seit Beginn des Schuljahres dabei und 3 von Ihnen können noch nicht mal 2 Buchstaben zusammenziehen. Ich bin sogar schon mal länger dageblieben um mal eine Stundee lang beizubringen wie das Zusammenziehen geht. Der eine hat es dann ansatzweise kapiert, aber das andere Mädchen hat Michael nur mit großen Augen angeschaut und nichtmal da verstanden, wie es geht. Was kann ich da denn noch machen?


    Aber nun zu den anderen. Wie gut müssen Erstklässler am Ende der ersten Klasse denn lesen und schreiben können? Dürfen die noch so lesen, dass jeder laut sehr lange gehalten wird? Also sehr langsam? Bzw. sogar noch die einzelnen Buchstaben eines Wortes sagen und Nacht vielleleicht zwei Minuten dann rausgefunden haben, was das für ein Wort ist? Bei einigen ist das nämlich so. Wie schnell/gut müssen Sie also lesen können zu dieser Zeit?


    Und eine ähnliche Frage zum schreiben: wie sollten sie schreiben können? Ich hab natürlich ein paar Kinder die schon richtige Texte und Briefe schreiben, aber der Durchschnitt schafft es vielleicht mal einen Satz zu schreiben und mehr ist dann schon zu viel. Vor kurzem sollten sie einen Brief an einen kranken Klassenkamarad schreiben und was dabei bei manchen rauskam fand ich echt beunruhigend. Da wurden keine Worttrennungen eingehalten, keine Punkte gemacht und sehr oft nichtmal die richtigen Laute aufgeschrieben. Bei einigen Briefen wusste ich selbst nach mehrmaligem lauten Lesen nicht, was da gemeint ist. Und die Briefe waren auch oft nur einen Satz lang. Wir machen zwar lesen durch schreiben aber Sie können nunmal nicht mehr als einen Satz am Stück schreiben (die meisten) bzw. im Fall der DAZ-Kinder noch gar nix schreiben. Und dabei opfere ich schon die ein oder andere SU- oder Msuikstunde um Deutsch zu machen.


    Ich hab mich ein bisschen durch Google gewühlt und da gibt es Eltern und auch Lehrer, die sagen ihre Kinder Lesen Ende der ersten Klasse schon richtige Böcher durch und schreiben Geschichten über eine Seite. Davon sind meine meilenweit entfernt.


    Ich hab richtig Angst, dass ich irgendwas falsch gemacht hab bzw. frag mich warum meine das noch nicht können und Zweifel extrem an mir selbst und ob ich überhaupt eine gute Lehrerin bin. Kann mir jemand Tipps geben wie ich die Kinder dazu bekomme, dass Sie das schneller lernen? Ich bin unendlich dankbar über alle Ratschläge!


    Liebe Grüße,


    Nadja

  • Huhu, vor allem eins: nicht du bist an irgendetwas Schuld! Heterogen sind Klassen immer, du hast vielleicht auch viel Lerner unter dem Durchschnitt. Ein bisschen Zeit braucht man aber auch, bis man flüssig lesen kann.


    Was sagt denn dein Lehrplan? Wenns beruhigt: Bei uns darf der Lese- Schreiblernprozess 2 Jahre dauern. Im 2. Schuljahr wird landesweit nach LRS gefahndet, mit HSP. Wer dann in mehreren Fächern auffällt, wandert an die L-Schule. Also noch keine Panik vonnöten ;)


    Ich würde versuchen, möglichst kontinuierlich weiterzumachen. Jeden Tag ein bisschen gleichförmiges Schreiben, Lernwörterkartei oder simpel ins Heft, Datum ran, ganz altmodisch.
    Freies Schreiben ist zwar ne prima Sache aber da darf man auch nicht überrascht sein, wenn sie noch nicht richtig schreiben können. Es ist ja nur ein Teil des Deutschunterrichts, ein anderer, simples Üben. Und kurze Sätze mit einfachen Wörtern (die dann richtig üben) das reicht doch erst mal.


    So ein paar Gedanken, ich habe keine erste Klasse. Meine eigenen Kinder sind jedenfalls sehr unterschiedlich schnell gewesen was das anbelangt. Mancher braucht einfach etwas Geduld :)

  • Danke für die Antwort!
    Ja, bei uns darf der Lese- und Schreibprozess auch 2 Jahre dauern, aber ich denke immer, dass es doch irgendeinen Richtwert geben muss für die erste Klasse an dem ich mich orientieren kann.
    Die HSP habe ich Mitte Klasse 1 gemacht. Da war der gesmtschnitt etwas unter dem Durchschnitt. Jetzt muss ich sie nochmal machen nach den Ferien. Ich habe 19 Schüler, davon 5 mit DAZ die ich gar nicht getestet habe mit diesem Test und von den 14, die übrig bleiben waren 4 Kinder in dem Bereich, der unter diese kritische Linie fällt, ab der es nicht mehr normal ist. Das hab ich mir auch auf meine eigene Kappe genommen, weil ich dachte, es kann doch nicht sein, dass 4 von 19 LRS haben. Das ist fast ein Viertel. Und das sind die DAZ-Schüler noch nicht mal drin...


    Ja, das mit dem altmodischen Unterricht würde ich ach gerne mal so machen und einfach üben, aber meine Schule hat eine sehr offene Vorstellung von Unterricht und wird auch nach außen hin so vertreten. Altmodische Methoden, abschreiben, zu viel Üben wird da nicht gerne gesehen. Es wird sehr viel Wert auf offenen Unterricht, Freiarbeit, selbstständiges Lernen usw. gelegt....was ich ja auch gut finde, aber das mit Lesen und Schreibenlernen unter einen Hut zu bringen finde ich enorm schwierig.


    Ich habe mich mit meiner Parallellkollegin unterhalten, die auch neu ist und sie meinte, bei ihr ist es ähnlich. Allerdings ist das Gespräch jetzt auch schon 4 Monate her. Und über das bloße Erzählen erfährt man ja auch nicht richtig wie es in der anderen Klasse läuft.


    Ich Trau mich nicht andere Kollegen zu fragen, weil ich Angst hab, dass die schlecht über mich denken. Es ist eine ziemlich gute Schule wo ich bin, da will ich nicht der einzige inkompetente Lehrer sein... deswegen wollte ich erstmal anderswo Rat suchen.

  • Ich würde da auch erstmal die Parallelkollegen fragen, wie es denn bei denen ist bzw. was die Kinder an der Schule in der Regel wann können müssen. Wenn du GS-Lehrer bist, müsstest du doch eigentlich auch die Vorgaben dazu allgemein kennen bzw. wissen, über welche Stufen der Lernprozess abläuft.


    Kriegen die Flüchtlingskinder irgendeine Nachhilfe außer wenn du dich mit denen extra hinsetzt? An der GS wo ich war, hatten die ersten Klassen nicht 5 DAZ-Kinder, sondern eher so 95%. Auch die ganzen türkischen Kinder aus dritter Generation, die keinen Kiga besucht haben, sind im Grunde "Flüchtlingskinder", die haben oft vor dem Schulbesuch kaum ein Wort Deutsch gesprochen.
    Die phonetische Schulung dieser Kinder braucht schonmal Zeit, so dass sie natürlich langsamer lesen und schreiben lernen. Du kannst nicht eifach "A wie Apfel" sagen, wenn die das Wort Apfel noch nicht kennen.


    Wir haben fast alle Kinder irgendwie mit Förderunterricht versorgt und die 4-5 deutssprachigen im ganzen 1. Jahrgang vielleicht auch eher gefordert. Die Flüchtlinge bzw. die, die bei der Schuleingangsuntersuchung noch kein Wort kommunizieren konnten, haben wir sehr oft aus dem Unterricht rausgenommen und extra Gruppen gebildet, wo sie erstmal sprechen gelernt haben. Ein Schüler hat z.B. 6 Monate gebraucht, bis er überhaupt erstmal sprach. Da kann man ja auch anfangs nicht viel vermitteln, weil wenn ich dabei Deutsch spreche versteht mich das Kind anfangs überhaupt nicht und dann haben manche natürlich auch Angst, selber zu sprechen und hören erstmal nur zu, während andere auf ihrem Fluchtweg schon gelernt haben, in 4 Sprachen ohne Hemmungen zu kommunizieren. Das ist eine ganz individuelle Sache.


    Sachen wie LRS, Lernbehinderungen etc. kristallisieren sich natürlich auch jetzt erst raus, da könnte man z.B. bei einzelnen Kindern Förderanträge stellen oder sie untersuchen lassen. An Grundschulen gibt es alles, die Kinder müssen erst selektiert werden, also ist es auch normal, wenn einige so gar nicht weiterkommen. Wenns an eurer Schule keinen Förderunterricht gibt, gibt es außerschulische Angebote, aber sowas sollte dann von der Schule vermittelt werden bzw. der Bedarf muss von der Schule dann erstmal festgestellt werden.


    Die DAZ-Kinder (also so richtige, die erstmals Deutsch lernen) in einer Regelklasse ganz normal zu unterrichten, so dass sie normale Ziele erreichen, halte ich für unmöglich, entweder musst du das dann vom Classroommanagement her so gestalten, dass die extra gefördert werden oder sie selber andere Aufgaben erledigen oder die müssen in eine eigene Klasse oder Fördergruppe. Oder es ist halt normal, dass die länger für das Pensum brauchen als die anderen Kinder.

  • Ich Trau mich nicht andere Kollegen zu fragen, weil ich Angst hab, dass die schlecht über mich denken. Es ist eine ziemlich gute Schule wo ich bin, da will ich nicht der einzige inkompetente Lehrer sein... deswegen wollte ich erstmal anderswo Rat suchen.

    Bitte komme von diesem Denken weg. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und das wissen deine Kollegen auch. Außerdem ist es auch wichtig, dass du dich mit deinen Kollegen austauschst (erst recht als Klassenlehrer), damit du z.B. mitbekommst, wenn es bei einem Kind schlecht läuft usw.

  • Auch ich würde erstmal sagen: keine Panik! Es ist komplett normal, dass die Fähigkeiten gerade am Anfang (letztlich auch später noch) zum Teil meilenweit auseinanderklaffen. Gerade im Bereich Lesen finde ich es immer wieder extrem. Der Zeitpunkt zu dem es bei den Kindern "Klick" macht und sie verstehen wie Lesen funktioniert, ist sehr sehr unterschiedlich und man kann das zwar fördern aber nicht erzwingen. Das heißt die Kinder starten zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in den Leselernprozess und entwickeln sich dann in unterschiedlichem Tempo weiter. Insofern kann man die Frage, wie weit sie sein müssten gar nicht pauschal beantworten, schon gar nicht ohne deine Schüler zu kennen. Es hängt einfach von zu vielen Faktoren ab und auf viele davon hast du keinen Einfluss. Wie ist denn das Umfeld? Wenn ich meine jetzigen Schüler mit denen meiner vorherigen Schule (Brennpunkt) vergleichen, liegen da Welten dazwischen. Meine schwächsten Schüler jetzt wären an meiner vorherigen Schüler immer noch im Durchschnitt gewesen und die leistungsstärksten meiner vorherigen Schülerschaft würden sich an meiner jetzigen Schule bestenfalls im Mittlefeld bewegen. Ich habe in meiner Klasse sowohl Kinder die schon lesend ankamen und am Ende der 1.Klasse tatsächlich komplette Bücher gelesen haben als auch solche, die gut zwei Jahre gebraucht haben um auch nur einfache Text zu bewältigen. Gerade beim Lesen macht es auch einen riesigen Unterschied, wie sehr zu Hause geübt wird. Egal wie gut du das in der Schule einführst, wenn nur in der Schule gelesen wird und zu Hause nichts passiert reicht das einfach nicht. Auch beim Schreiben habe ich Kinder die schnell gut lesbare Geschichten geschreiben haben und sicher in Rechtschreibung sind, ich hatte aber diesmal auch ein auffällige Häufung von (durchaus intelligenten) Kindern die aber von Beginn an massive Schwierigkeiten im Bereich Feinmotorik /Visumotorik hatten und sich bis heute sehr schwer tun bis hin zu LRS.
    Natürlich ist es wichtig und richtig auch immer wieder zu überdenken, was man in seinem Unterricht macht und durchaus auch kritisch zu hinterfragen, aber genau das machst du ja. Schon allein deshalb denke ich, dass du mit Sicherheit keine schlechte Lehrerin bist. Klar macht man am Anfang noch "Fehler", aber es ist dann auch eine Qualität, das genau anzugucken und sich weiterzuentwickeln. Insofern finde ich es absolut kein Zeichen von Schwäche die Kollegen zu fragen! Im Gegenteil. Ich persönlich habe wirklich von Durchgang zu Durchgang wieder etwas dazu gelernt und habe nach wie vor nicht das Gefühl, da schon am Ende angekommen zu sein.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

    • Offizieller Beitrag

    Etwas ungeordnet zu später Stunde: Ich würde mir an deiner Stelle Gedanken machen, wie ich den Kindern weiterhelfen kann - aber bitte keine Vorwürfe. Die Kinder haben 2 Jahre Zeit für den Lese- und Schreiblehrgang.



    Das, was du schreibst, hört sich etwa so an wie mein Einzugsgebiet. Mit ähnlichen Leistungen, wobei ich die Flüchtlingswelle in der 1/2 nicht mehr mitbekommen habe.


    In meinem Einzugsgebiet hat der Spracherfahrungsansatz (bei uns mit Tinto) nicht funktioniert, weil nicht genug Spracherfahrung da war. Mal salopp gesagt. Freies Schreiben war quasi unmöglich, da von 27 Kinder 20 ständige Unterstützung benötigten.
    Freies Schreiben dauert unendlich lange, wenn man Sorgen hat, man gar nicht weiß, was man machen soll, sich nicht gut konzentrieren kann, auditive Wahrnehmungsschwächen hat (Laut-Buchstabe-Zuordnung), man die einzelnen Buchstaben in den Tiefen des Gehirns sucht oder wenn man sich jedes Mal neu auf der Anlauttabelle orientieren muss (schwaches Gedächtnis, visuelle Wahrnehmungsschwächen). Ebenso wird es sehr schwer, wenn das Arbeitsgedächtnis sehr klein ist. Dann besteht das Aufschreiben eines Wortes oder sogar eines Lautes aus zu vielen Teilschritten, die Kinder verlieren "den Faden". Auch wenn man Probleme hat, Sätze mündlich zu formulieren, weil man vielleicht zu Hause wenig oder eine andere Sprache spricht, ist das freie Schreiben extrem schwierig.


    Ich habe es in meinem eher schwachen Einzugsgebiet immer als "einigermaßen ok" angesehen, wenn sie am Ende des 1. Schuljahres leichte Sätze lesen konnten, vielleicht noch stockend und langsam, aber eben sinnverstehend. Alles darunter war "unter Beobachtung" und wurde in den Förderunterricht eingeladen.
    Ich habe gezielte Übungen zum Zusammenschleifen gemacht, immer wieder, eine Zeit lang täglich mit allen im Chor. Mag altmodisch sein, half aber mehr, als wenn jeder alleine rumwurstelte. Nach einem Erklären konnten das nur ganz wenige Schüler, die meisten brauchten viele Wiederholungen.
    Silben markieren vor dem Lesen kann helfen, wenn sie Silben lesen können.
    Nachdem ich mir über die Sprachvorbilder, die einige Kinder haben, klar geworden bin, habe ich angefangen, Sätze und später Texte gemeinsam zu erarbeiten, Wort für Wort an der Tafel, dann haben die Kinder abgeschrieben. (Satz formulieren, eventuell treffendere Wörter finden. Wie soll ich den Satzanfang schreiben? Wie soll ich das erste Wort schreiben? Da ist noch ein Laut versteckt, wer hört ihn? Der nächste Laut klingt beim Sprechen anders als beim Schreiben, den verrate ich euch. Nach dem ersten Wort lasse ich eine Lücke. etc.)


    Gerade beim freien Schreiben werden schon erarbeitete Rechtschreibstrategien aber erst einmal nicht angewendet, weil das Bilden von Sätzen und das Aufschreiben von Wörtern die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Es ist am Ende der 1. Klasse normal, wenn man das teilweise schlecht lesen kann. Ein Teil der Kinder konnte auch noch keine Wortgrenzen ziehen. Mit den Punkten haben in meiner 4. noch einige Probleme.


    Wie Krabappel schrieb: Der Lese- und Schreiblehrgang darf 2 Jahre dauern, die Kinder haben noch Zeit. Ich würde dir - ähnlich wie Krabapple gezielte Übungen vorschlagen, Übungeswörtertraining, Grundwortschatz erarbeiten (z.B. Kartei). Wörter, die man kann und nicht mehr konstruieren muss, erleichtern das freie Schreiben.


    Falls möglich: Leseübungen für zu Hause. Das hilft, wenn sinnvoll und regelmäßig umgesetzt und fehlt leider oft als Unterstützungmöglichkeit in Brennpunktgebieten. Eventuell gibt es jemanden (Oma, Mutter etc.), der einmal wöchentlich zum Lesenüben in die Schule kommen und mit einzelnen lesen könnte?



    Flüchtlinge: Hier musst du dir darüber im Klaren sein, dass die Bedingungen und Vorerfahrungen sehr unterschiedlich sind:
    - eventuell Bildung geringer angesehen als bei uns,
    - eventuell keine KiTa,
    - alles neu im neuen Land (neue Sitten, anderes Wetter, Heim, Umzug, anderes Essen, die Menschen sind so anders...),
    - eventuell Wechsel von arabischen Schriftzeichen auf lateinische (wer in D aufgewachsen ist, hat die Schrift bereits oft genug gesehen),
    - ggf. Traumatisierung (u.U. gravierende Einflüsse auf Konzentration, Fokussierungsleistung und Gedächtnis, mit einer Traumafolgestörung kann man i.d.R. schlechter lernen als ohne).


    Sprechen können sie übrigens als letztes. Kinder, die eher schüchtern sind oder alles richtig machen wollen, sprechen lieber gar nicht als etwas falsch zu machen. Meine "Nullsprachler" fingen nach 6 bis 12 Monaten an, von sich aus zu sprechen. Wenn sie aber nicht sprechen können, funktioniert auch das freie Schreiben nicht.


    Ich weiß nicht, wie eng das bei euch ist mit "Lesen durch Schreiben" und ob ein Ergänzen möglich wäre. Vielleicht hast du ja auch Kolleginnen und die erleben ähnliches, aber bis Ende der 2. "flutscht" das Schreiben und Lesen dann???

    • Offizieller Beitrag

    Ja, das mit dem altmodischen Unterricht würde ich ach gerne mal so machen und einfach üben, aber meine Schule hat eine sehr offene Vorstellung von Unterricht und wird auch nach außen hin so vertreten. Altmodische Methoden, abschreiben, zu viel Üben wird da nicht gerne gesehen. Es wird sehr viel Wert auf offenen Unterricht, Freiarbeit, selbstständiges Lernen usw. gelegt....was ich ja auch gut finde, aber das mit Lesen und Schreibenlernen unter einen Hut zu bringen finde ich enorm schwierig.
    Ich habe mich mit meiner Parallellkollegin unterhalten, die auch neu ist und sie meinte, bei ihr ist es ähnlich. Allerdings ist das Gespräch jetzt auch schon 4 Monate her. Und über das bloße Erzählen erfährt man ja auch nicht richtig wie es in der anderen Klasse läuft.

    Offener Unterricht beinhaltet doch immer auch "Arbeit im Plenum" oder "Bänkchenkreis" oder wie auch immer man das nennt? (Dort wird dann mal für alle oder eine größere Gruppe etwas erklärt.)
    Einige meiner Kollegen waren an einer Vorzeigeschule (mit deutschem Schulpreis) zu Besuch, die nur offen arbeitet. Aber diese Kreise haben sie. In diesen Arbeitsphasen gibt es einen "Satz des Tages". Der wird gelesen, die Rechtschreibung wird begründet, Regeln wiederholt. Am Beginn der individuellen Arbeitsphase schreibt jedes Kind den Satz auf.
    Wäre das im Sinne deiner Schule vielleicht möglich, sich da von einer offen arbeitenden Schule, die den Schulpreis gewonnen hat, eine Kleinigkeit abzugucken? :D
    Sprich doch öfter mal mit der Parallelkollegin. Vielleicht könnt ihr euch gegenseitig unterstützen, wenigstens das schlechte Gewissen etwas abmildern?

  • An Nadja:


    Da du fragst, was Kinder am Ende der 1. Klasse konkret können müssen: Das kann man so genau nicht sagen, da ja bekannterweise die Ausgangslage der Schüler sehr unterschiedlich ist, weswegen die Bildungsstandards in der Regel so ausgelegt sind, dass bestimmte Kompetenzen erst am Ende der 2. Klasse vorhanden sein müssen. Das birgt natürlich die Gefahr, dass man alles ins 2. Schuljahr schiebt, weil ja noch genug Zeit bestehe, und man dann die Krise bekommt, weil man nicht hinkommt mit dem Pensum, da ja auch noch Grammatik und Literaturunterricht abgedeckt werden müssen. In Hessen heißt es konkret:



    Richtig wurde bereits gesagt, dass Kooperation mit Parallelklassenlehrern immer sinnvoll ist. Ansonsten muss man ehrlicherweise auch sagen, dass unser Deutschunterricht so angelehnt ist, dass er sich an Muttersprachler bzw. an Schüler auf quasi-muttersprachlichem Niveau richtet. Bestes Beispiel ist "A wie Apfel", da geht man natürlich davon aus, dass ein Kind weiß, was ein Apfel ist. Anders kann ja auch das Lesen- und Schreibenlernen nicht funktionieren. Du kannst natürlich nix dafür, dass du das politische Versagen der letzten 2,5 Jahre ausbaden darfst, aber es ist nicht deine Aufgabe, das nachzuholen, was diesen Kindern in den letzten 6 Jahren nicht zuteil werden konnte (vor diesen 2,5 Jahren war es ja auch normal, dass ein Kind als "schulreif" kategorisiert werden musste, um eingeschult werden zu können). Ich bin mir sicher, dass du deinen Job gut machst und an den Stellen, wo du nicht weiter kommst, hat es nichts mit persönlichem Versagen zu tun. Dann solltest du die Eltern ins Boot holen und diese an Spezialisten für mehrsprachigkeitsbedingte Lese-Rechtschreib-Schwäche verweisen.

  • Es stimmt, dass es einfach eine riesige Spannbreite gibt. Und das ist angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen ja auch normal.
    Es gibt bei euch doch auch die flexible Schuleingangsphase, d.h. die Kinder, die es brauchen haben problemlos noch ein drittes Jahr zur Verfügung.
    Ich bin seit Jahren in der Schuleingangsphase, allerdings mit offensichtlich anderen Voraussetzungen, denn die Schule hat ein gutes Einzugsgebiet und dementsprechend viele fitte Erstklässler (wobei das sich auch gerade ändert und auch immer mehr Kinder mit Besonderheiten oder Förderbedarfen dazu kommen).
    Bei mir war lange der “durchschnittliche“ Stand Ende des 1. Schuljahres: Die Kinder schreiben lauttreu, manche Besonderheiten wie y, ie etc. können sie noch nicht, aber “e“, “er“ am Ende klappt, Satzanfänge groß (und keine Großbuchstaben im Wort, Nomen groß bespreche ich auch im Frühjahr meist und viele, nicht alle schreiben dann auch Nomen groß), Lücken zwischen den Wörtern, Punkt am Satzende. Die Kinder können in Lineatur schreiben.
    Wir schreiben viel frei (wobei es bei freien Schreibanlässen auch noch lange normal ist, dass die Kinder da nicht an alle Schreibregeln denken, die sie sonst schon könnten). Also normal ist es schon, dass sie mehrere lesbare Sätze schreiben können.
    Lesen können die meisten um die Weihnachtsferien herum. Also natürlich nicht flüssig vorlesen (das können nur wenige) sondern einzelne Wörter oder kurze Sätze ERlesen. Zum Schuljahresende können Kinder in der Regel schon Sätze lesen und verstehen.
    Wer das obige nicht kann, braucht voraussichtlich (natürlich nicht immer, manche kommen noch) ein drittes Jahr in der Schuleingangsphase. Das sind so grob meine Erfahrungen.
    Dieses Schuljahr hab ich zum ersten Mal recht viele Erstklässler, die nicht besonders fit sind (und gleichzeitig welche, die sehr fit sind, schon problemlos Schreibschrift schreiben und flüssig auch unbekannte Texte lesen etc). Meine nicht fitten (3 von 12), können sich mit Mühe einzelne Wörter erlesen, schreiben kaum selbst, wenn, dann eher einzelne Wörter und rechnen mit den Fingern. Bei denen bleiben mind zwei Kinder auf jeden Fall ein drittes Jahr und starten im Sommer nochmal neu mit den neuen Erstis.
    Für Kinder, die kaum Deutsch können, musst du Förderstunden bekommen und denen am besten auch Material anschaffen, das sie im normalen Unterricht nebenher bearbeiten können bei Themen, wo sie nicht gut mitmachen können. Es gibt von mehreren Verlagen brauchbare DAZ Hefte, meine Jandorf und Mildenberger hatte eine Kollegin für ein Flüchtlingskind angeschafft.

  • Vielen lieben Dank für eure Antworten! Das beruhigt mich ein bisschen.


    Also von meinen schreiben 10 auch schon lautgetreu. Aber sie brauchen halt echt lange dafür. Deswegen ist es mir völlig fern mehr als einen Satz von Ihnen zu verlangen. Die Zeit die Sie [die meisten) dafür brauchen macht mir Sorgen. Und dann habe ich eben 4 Muttersprachler, die die noch grobe Fehler beim lautgetreuen Schreiebn machen (p anstatt t, Laute ausgelassen (also z.B. Hnt oder Hot statt „Hund“) und wenn sie dann einen Satz schreiben sollen wie in der HSP z.B. Sieht das aus als wären lückenlos einfach ganz viele Buchstaben aneinander gereiht, die so aber keinen Sinn machen. Ich hab damals auch eine Kollegin gefragt, ob sie die Kinder, die da so schlecht angeschnitten haben für LRS-Testung anmelden würde und sie meine auf keinen Fall und dass man das Mitte der ersten Klasse ja noch gar nicht sagen kann und dass die schon noch die Kurve kriegen. Also habe ich den Meldeschluss verstreichen lassen und jetzt denke ich mir, es wäre doch so gut gewesen, das zu machen...


    Ich versuche auch schon so gut ich kann zu Individualisieren. Ich habe Freiarbeitstheken für Deutsch und Mathe, wo jeder nach seinem Können lernen kann. Jedes Kind hat eine Ablage mit Arbeitsblättern, die ich speziell für jedes einzelne Kind kopiert habe je nachdem wo es steht und wenn bestimmte Themen dran sind habe ich noch eine extra Arbeitstheke speziell zu diesem The,a, in der auch drei unterschiedliche NNiveaus zur Verfügung stehen. Gerne würde ich noch mehr tun (vielleicht hat ja jemand noch Ideen), aber mir fällt langsam nichts mehr ein, was ich noch machen kann.


    Mein Einzugsgebiet ist auch gar nicht so schlecht eigentlich. Viele Kinder kommen aus Familien, wo die Eltern sich echt gut kümmern und auch üben und viele sind Akademiker. Die Flüchtlingsunterkunft ist halt auch dort, daher haben wir dazu so viele DAZ-Kinder


    Die DAZ Kinder haben drei Stunden pro Woche extra Förderung in der flexiblen Vorbereitungsklassen (also dort sind aus allen Klassenstufen die DAZ-Kinder in unterschiedlichen Konstellationen). Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Ihnen das viel bringt. Die Kollegin dort ist auch ziemlich überfordert mit der Aufgabe und hat auch keine Lehrersusbildung und noch dazu hat sie den Kindern jetzt die Namen der Bustaben (also „be“, „de“ usw.) beigebracht anstatt die Laite, was uns Erstklasslehrern das Leben natürlich schwer macht und beim Leseen und Schreibenlernen nicht wirklich hilft. Wir haben Sie auch darauf angesprochen. Aber da war es zum einen schon zu spät und sie meinte, die braucht die Namen der Buchstaben für eine kleine Aufführung, die sie machen willl......naja, jedenfalls sagen mir die Kinder nun immer die Namen der Buchstaben wenn ich sie frage und ich krieg das nicht mehr raus...
    DAZ-Hefte habe ich viele aber das Problem ist ja dass Sie die alle nicht machen können, weil man bei denen allen lesen können muss um die Aufgaben zu machen bzw. schon ein bisschen Deutsch verstehen muss.
    Ich habe auch Sachbücher mit Ting-Stiften gekauft damit sie durch das hören besser lernen, hab einen selbstbesprechbaren Lernstift plus Auufkleber gekauft, die komplette Anlauttabelle beklebt und besprochen, habe Silbenkarten gemacht und auch jeweils einen Sticker dazu besprochen und die komplette Fibel so dass Sie durch das hören besser lernen und sich die Laute einprägen. Bei dem einen hat das geklappt aber die anderen schauen mich immernoch an die die Autos selbst wenn sie schon extrem oft damit gearbeitet haben. Ich hab auch schon mal die anderen Kinder eine Stunde lang stille Freiarbeit machen lassen, hab mich mit den DAZ-Kindern hingesetzt und mit extrem einfachen Silben angefangen. Hatte kaum einen Effekt und ich seh es auch nicht ein, dass ich die anderen Kinder dafür vernachlässigen soll...das eine Mädchen dass am wenigsten kapiert hat sogar eine Lesepatin die eine Stunde pro Woche nur mit ihr arbeitet. Die hat auch schon gesagt, dass ich ihr echt Leid tue, weil das. Dächern ja kaum etwas kann in Deutsch und Sie da auch nur extrem langsam vorankommt. Komischerweise kann sie ganz gut Deutsch sprechen, aber Lesen kann sie nicht, vom schreiben ganz zu schweigen. Im Februar habe ich dann noch ein Kind in die Klasse bekommen, das kein einziges Wort Deutsch spricht. Sie spricht immerhin Snglisch, aber dieses Mädchen kommt natürlich bei nichts mit, auch wenn Sie echt intelligent ist. So jemand bräuchte eigentlich Einzelbetreuung, aber das gibt es halt nicht.

  • Die DAZ Kinder haben drei Stunden pro Woche extra Förderung in der flexiblen Vorbereitungsklassen (also dort sind aus allen Klassenstufen die DAZ-Kinder in unterschiedlichen Konstellationen). Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Ihnen das viel bringt. Die Kollegin dort ist auch ziemlich überfordert mit der Aufgabe und hat auch keine Lehrersusbildung und noch dazu hat sie den Kindern jetzt die Namen der Bustaben (also „be“, „de“ usw.) beigebracht anstatt die Laite, was uns Erstklasslehrern das Leben natürlich schwer macht und beim Leseen und Schreibenlernen nicht wirklich hilft.

    Das ist ja wohl nicht wahr! :autsch:
    Was soll man dazu noch sagen.

  • Das ist ja wohl nicht wahr! :autsch: Was soll man dazu noch sagen.

    Da fehlen mir auch die Worte. Mich wundert aber inzwischen nichts mehr...

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Wow, also wenn ich das lese kann ich aber schonmal mit Sicherheit sagen: du brauchst definitiv kein schlechtes Gewissen zu haben, weil du nicht genug machst!!! Du schöpfst offensichtlich schon alle Fördermöglichkeiten aus, du differenzierst, du kooperierst mit anderen Helfern, du diagnostizierst und tauschst dich dann mit anderen über die Ergebnisse aus.... mehr geht doch erstmal gar nicht!
    Bei der Reaktion auf die erste HSP gebe ich der Kollegin recht: das kann eine erster Hinweis sein und sollte dazu führen die entsprechenden Kinder gezielt zu fördern und gut zu beobachten, aber für ein LRS-Diagnose ist es in der Regel wirklich noch zu früh. Es passiert in den ersten Jahren noch sooo viel an Entwicklung, da braucht es manchmal auch einfach "Geduld und Zuversicht" (mich interessiert bei der HSP im ersten Schuljahr übrigends auch erstmal nur der Wert für die alphabetische Strategie).Man tut den Kindern auch keinen Gefallen, wenn man zu früh die Pferde scheu macht, Eltern sind dann auch schnell verunsichert.
    Dass es für die DAZ Kinder schwierig ist, ist normal und defintiv nicht deine Schuld. Davon musst du wirklich wegkommen (der Kollegin, die die Buchstabennamen beibringt, solltet ihr aber doch nochmal ganz deutlich sagen, dass das definitv nicht geht, das rechtfertigt auch kein Aufführung...) .
    Du hast die Kinder, die du hast und du tust was du kannst, aber du kannst nichts erzwingen. Von einer Kollegin habe ich mal den klugen Satz mitgenommen "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht". Hilft mir immer wieder mal, wenn ich selbst eine ähnlich Krise habe...(wässern und düngen kannst du natürlich trotzdem).


    Dein methodisches Repertoire wirst du mit Sicherheit noch erweitern, aber das braucht einfach Zeit. Ich rekapituliere mal, wie sich das bei mir entwickelt hat: gestartet bin ich auch nur mit LDS (was anderes wurde uns an der Uni leider nicht mitgegeben) und habe zunächst mit Tinto gearbeitet, habe aber schon im ersten Jahr gemerkt, dass das nicht reicht. Ich habe dann zunehmend gezielte Leseübungen dazugenommen, anfangs selbst geschrieben oder aus "normalen" Lesebüchern zusammengesucht. Für die schwachen Schüler war es defintiv wichtig Lesematerial zu haben, was sich entsprechend der Buchstabenfolge langsam aufbaute.
    Wichtig war auch, regelmäßig konkrete Lesehausaufgaben mitzugeben (die Eltern wissen sonst oft gar nicht womit sie Lesen üben sollen).
    Angesichts eines Schülers, der auch nach zwei Jahren nicht in der Lage war zwei Laute zu einer Silbe zu verschleifen, habe ich mich dann mit der Silbenmehtode (mildenberger) beschäftigt, was bei diesem Kind tatsächlich die entscheidende Wende gebracht hat. Von da an habe ich die Arbeit mit Silben von Durchgang zu Durchgang bewusster eingesetzt. Mittlerweile arbeite ich mit einem ganz klassichen Leselerngang (und bin froh drüber, dass es dazu viel Lesematerial gibt) und ergänze umgekehrt mit Anlauttabelle und freiem Scheiben (was ich einfacher finde), greife aber beim lautgetreuen Schreiben deutlich früher ein, als noch am Anfang. Als weiteren "Baustein" habe ich die Arbeit mit Lernwörtern und Rechtschreibstrateigen (FRESH) dazugenommen.


    Aus meinem letzten Durchgang nehme ich mit, dass ich noch stärker die basalen Fähigkeiten und insbesondere die feinmotorischen Fähigkeiten im Auge haben muss. Das war mir vorher noch nie so deutlich, weil meine vorherigen Schüler so vielfältige Defizite hatten, das man das oft gar nicht klar benennen konnte, was jetzt die Hauptursache für die Schwierigkeiten war.
    Diesmal hatte ich erstmals Kinder, die kognitv fitt waren, perfekt Deutsch sprachen und wirklich gute Unterstützung von zu Hause bekamen, die aber trotzdem kaum in der Lage waren einen Stift zu halten, eine Linie nachzuspuren, sich Bewegungsabläufe zu merken etc. Genau diese Kinder haben sich dann sehr schwer getan schreiben zu lernen und sind bis heute die mit dem schlechtesten Schriftbild und den größten Schwierigkeiten in Sachen Rechtschreibung. Wir haben von Anfang an gefördert, aber im Nachhinein denke ich, ich hätte bei den Eltern noch stärker darauf drängen sollen sich um eine Ergotherapie zu kümmern (empfohlen habe ich es allen, es haben aber nicht alle umgesetzt...), bzw. frühstmöglich Ursachenforschung zu betreiben (Hörverarbeitung / Sehfähigkeiten...).
    Mal sehen: nächstes Jahr starte ich wieder mit einer ersten...

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Du machst echt sehr viel! Die Kids und Eltern können sich freuen, eine so engagierte Lehrerin zu haben!


    Von mir noch ein paar ungeordnete Gedanken:


    - was machen die Kinder während der Arbeitsphase? Sind sie bei der Sache? Finden sie schnell eine Aufgabe? Verstehen sie diese? (Je nachdem helfen evtl ein anderer Arbeitsplatz, Kopfhörer, ein Pate,...)
    - können die Eltern helfen? Oma, Nachbarin,... geht auch. TÄGLICHES Lesen daheim ist sehr wichtig..
    - wurden körperliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen? (Brille, Hören, Verarbeitung,...)
    - ist es die passende Schulform (es gibt auch sprachunabhängige Intelligenztest)
    - hast du starke Schüler, so dass du Lesetandems bilden kannst?
    - oder können Viertklässler in der Vorviertelstunde helfen?

  • Ich glaube du siehst gerade vor lauter Differenzierung und jeden-im-Blick-haben den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.


    Frag wirklich die erfahrenen Kollegen. Du musst ja nicht weinen und sagen: "meine Schüler können nichts" was auch nicht stimmt! Sondern frage gelegentlich konkret nach- welche Übezeiten fürs Lesen nutzt ihr so? habt ihr noch einen Trick bei DaZ-Kind xy... guck dir an, wie bei den anderen Struktur in den Alltag kommt. Jeder gibt doch gern sein Wissen weiter und wenn es bei dir wirklich erst mal schlecht laufen sollte, bekommt man das eh mit. Dann lieber gleich gezeigt, wie reflektiert man ist...


    Ich hab schon ein paar sehr tolle freie Schulen gesehen, die sogar jahrgangsgemischt 1-4 arbeiten. Aber es ist für einen Berufsanfänger kaum zu schaffen. Das würde ich mir nicht alleine zutrauen, obwohl ich seit fast 10 Jahren an Förderschulen Klassen habe :aufgepasst:


    Überfordere die Kinder nicht mit der Auswahl an Material. Es ist eine Mär zu glauben, dass freier Unterricht gut sei, wenn nur ja jeder was anderes mache und möglichst viel verschiedenes. Kinder, eigentlich alle Lernenden, brauchen feste Strukturen, Zeiten, Wiederholungen. Sie "irgendwas" schreiben zu lassen aber gleichzeitig zu erwarten, dass sie es richtig tun ist kein freier Unterricht.
    Und noch mal: bis ABC-Schützen (ich mag das Wort :) ) ganze Geschichten schreiben dauert es seine Zeit. Für LRS-Debatten ist es definitiv zu früh.

  • Ich kann hier auch nur sagen, verliere nicht den Mut und ziehe Konsequenzen aus deinen Erfahrungen. Gerade eine erste Klasse ist heikel - wenn man keine idealen Bedingungen antrifft - und man macht da große Lernerfahrungen. So jedenfalls ist es mir passiert.
    Vor vielen Jahren war ich schwerpunktmäßig in Klasse 1/2 an einer Brennpunktschule. Die erste 1. Klasse, die ich hatte, ging so etwas von daneben. Gerade disziplinmäßig habe ich vieles - so sehe ich es im Nachhinein - aus Unerfahrenheit trotz des Studiums und spezieller Erstklassliteratur in dieser Altersstufe falsch gemacht. Ich war froh, dass dann die Kollegin in 3/4 einiges ausgebügelt hat. Die nächste Klasse lief viel besser; ich habe aus meinen Fehlern gelernt.
    Mit dem Lernerfolg war es nicht so schlimm, denn wir unterrichteten nach einer Fibel, Buchstabe für Buchstabe inklusive der Förderung von basalen Fähigkeiten, also keine LdS Methode. Da haben gemeinsame Vorbereitungen mit erfahrenen Kolleginnen und der sonstige Austausch sehr geholfen.
    Prinzipiell glaube ich, dass man immer wieder seine Methoden und seinen Umgang mit den Schülern reflektieren muss und entsprechende Konsequenzen daraus ziehen muss; in der 1. Klasse empfand ich diese Arbeit am intensivsten.

  • Ich habe die Diskussion als Unbeteiligter jetzt mit Interesse mitgelesen.


    Ich kann da echt nur den Kopf schütteln, wenn die Arbeit an der Grundschule als "anspruchslos" bezeichnet wird. In einer anderen Diskussion ging es um den Quereinstieg in die Grundschule. Dort habe ich geäußert, dass ich mich als Gymnasial Lehrer mich nicht annähernd dazu qualifiziert sehe. Die Beiträge hier unterstützen diese Einschätzung.


    Ich finde es unmöglich, dass jeder denkt "Ach Grundschule, das kann ich doch sicher auch".

  • Für Kinder, die nicht gut Deutsch können oder einen Dialekt sprechen ist diese Methode (Lesen duch Schreiben) völlig ungeeignet. Der Anspruch ist viel zu hoch. Stell dir vor, dir drückt jemand eine Tabelle mit dir völlig unbekannten Schriftzeichen in die Hand und du sollst Wörter in einer Sprache schreiben, die du nicht kennst und auch nicht aussprechen kannst. Da lässt man die Kinder ganz schön allein.


    Wie soll man den z.B. "Baum" lautieren und dann selbstständig anhand der Tabelle aufschreiben, wenn man das Wort nicht weiß. Es sei denn, die Kinder dürfen in ihrer Muttersprache schreiben, aber dann lernen sie nicht deutsch.


    Diese Methode enstammt einer Zeit, in der es noch kaum Kinder mit Migrationshintergrund gab.

Werbung