Schüler können Analoguhr nicht mehr ablesen

  • Zitat aus dem verlinkten Artikel:
    "... meldete sich der Mathelehrer und Vater Kester Brewin zu Wort: Schüler seien nicht etwa dümmer als früher, sie nutzten einfach nur andere Geräte und Programme. Viele von ihnen könnten kurze Filme mit Untertiteln und Abblenden zusammenschneiden - etwas, worüber ihre Eltern nur staunen könnten."


    http://www.spiegel.de/lebenund…oger-uhren-a-1206027.html



    Staunen? Für das stumpfe Zusammenklicken verschiedener Audio- und Videodateien habe ich nur ein müdes Lächeln übrig.

  • Staunen? Für das stumpfe Zusammenklicken verschiedener Audio- und Videodateien habe ich nur ein müdes Lächeln übrig.

    Das haben ältere Menschen für die Skills der jüngeren Generation schon immer gehabt, weil sie sie für brotlos hielten und sich beklagten, dass die Kinder gewisse veraltete Kulturtechniken nicht mehr beherrschen bzw. sich dafür nicht mehr begeistern.

  • Ist es vlt. so, dass die Themen "Uhrzeit" und "Zeitspannen" gar nicht in den britischen Lehrplänen stehen und die Schüler bei bildungsfernem Elternhaus sie deswegen nicht kennen? Zumindest in Hessen, aber wahrscheinlich auch in jedem anderen Bundesland, sind besagte Themen verpflichtende Inhalte des Mathematikunterrichts der Klassen 1 und 2, ebenso wie der kompetente Umgang mit diversen Messgeräten - und dazu gehört natürlich auch die Analoguhr.

  • ... sind besagte Themen verpflichtende Inhalte des Mathematikunterrichts der Klassen XYZ, ebenso wie der kompetente Umgang mit diversen Messgeräten - und dazu gehört natürlich auch die Analoguhr.

    Ist in NRW auch so. Dennoch können viele Schüler auch hier die Analoguhr nicht lesen.
    Das ist eine sterbene Kulturtechnik. Messgeräte und Uhren sind heute weitgehend digital.
    Daher lernen die SuS die Analoguhr zwar, aber sie hat für viele wenig Alltagsrelevanz und wird daher nur in der Schule geübt und dann nach und nach wieder vergessen.


    Es ist durchaus richtig das zur Kenntnis zu nehmen und ggf. zu reagieren.

  • Die Frage ist allerdings, ob dieses Wissen im Alltag der Schüler auch Verwendung findet. Ich hatte einen 5. Klässler in der Nachhilfe, der auch die analoge Uhr nicht lesen konnte (laut Fachanforderungen SH in Klasse 2 in HWS und in Mathe zu verorten), nicht etwa, weil er es nicht gemacht hat, sondern weil es für ihn niemals von Bedeutung war.


    Auf dem Handy, auf der Armbanduhr, auf Fahrplänen und bei Terminen werden immer nur digitale Uhrzeiten genutzt. Da bleibt das einfach nicht nachhaltig hängen.

  • Aber wie willst du darauf reagieren? In der Schule wird's bereits unterrichtet und wenn man die Uhrzeit im Laufe der Schulzeit häufiger wiederholt, hat man weniger Zeit für andere Themen. Im Grunde ist das auch wie Fahrradfahren: Einmal ordentlich gelernt, beherrscht man das Prinzip der Analoguhr - ich bin ja auch noch keine 50 Jahre aus der Schule draußen. Was ich jedoch nicht machen würde, wäre auf die Analoguhr in der Schule komplett zu verzichten, denn mit dem Wegfallenlassen unangenehmer Themen ist letztendlich keinem geholfen - auch wenn manche Lehrer dazu neigen.

  • Muss man die Analoguhr heutzutage noch ablesen können?
    Keine Ahnung.
    Ist die Kompetenz, eine Videoschnitt-App bedienen zu können, ein Ersatz dafür?
    Keine Ahnung.
    Hätte ich auch alternativ den heutigen Online-Artikel "Immer mehr fallen durch die Führerscheinprüfung" verlinken können?
    http://www.rp-online.de/nrw/pa…efter-durch-aid-1.7555113
    Eindeutig ja.
    Denn eigentlich geht es mir um die Frage, ob wir nicht alle so langsam verblöden und da nehme ich mich nicht aus.

  • Aber wie willst du darauf reagieren?

    Eine analoge Uhr im Klassenzimmer aufhängen oder die Eltern animieren, zuhause eine analoge Uhr aufzuhängen. Ganz ausgestorben sind die nicht, die gibt es sogar funktgesteuert.


    Muss man die Analoguhr heutzutage noch ablesen können?

    Viele Armbanduhren sind auch analog - nicht nur die eleganteren, auch die Kirchturmuhren und viele Uhren in/an öffentlichen Gebäuden sind analog. Deshalb ist es schon noch sinnvoll, sich mit analogen Zeitangaben zu beschäftigen.


    Bei mir konnten in den letzten Jahren vielleicht 1-2 Kinder nicht viel mit der analogen Uhr anfangen. Ein kleiner Teil war es nicht geübt mit diesen Uhrzeiten umzugehen.

  • Das Ablesen von analogen Uhren war auch schon vor 15 Jahren ein Problem in der 1. / 2. Klasse. Die behüteten Kinder konnten es gar nicht, die Kinder, die ihren Alltag tw. selbständig organisieren mussten, hatte es drauf. Also quasi 1:0 für die eher Benachteiligten. Wenn analoge Anzeigen im Alltag keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch im Mathebuch, kann man sich überlegen darauf zu verzichten. Sütterlin kann ja auch keiner mehr...

    Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

  • (Huh... Das hab ich doch eben erst bei imgur gesehen: dort wurde es als fake news entlarvt: https://imgur.com/gallery/nVmTCuK)


    Eben bei BBC nachgelesen, die die Quelle zu diesem "Mythos" haben. Da wurden Einzelaussagen bequemerweise aus dem Kontext gerissen und aufgeblasen: http://www.bbc.com/news/education-43882847


    "Young people find it a bit easier to use a digital clock - and if they're timing themselves for questions, it might make it less likely
    that they'll make mistakes," said Mr Trobe.
    He said, as an example, if students had to answer a question in 15 minutes, it could be easier for them looking at a clock with a digital format, if that was how they usually told the time.
    There were no official indications about taking down analogue clocks, he said, but such claims were being made by teachers on social media.
    One of the examples on Twitter being quoted is from a head of English, "Ms Keenan".
    But she told the BBC that the digital clocks that had been installed had broken down - and now had been replaced by a traditional analogue clock. She said it wasn't the case that a majority of students can't tell the time using such analogue clocks, but it could be a barrier for some."

  • Ist es vlt. so, dass die Themen "Uhrzeit" und "Zeitspannen" gar nicht in den britischen Lehrplänen stehen und die Schüler bei bildungsfernem Elternhaus sie deswegen nicht kennen? Zumindest in Hessen, aber wahrscheinlich auch in jedem anderen Bundesland, sind besagte Themen verpflichtende Inhalte des Mathematikunterrichts der Klassen 1 und 2, ebenso wie der kompetente Umgang mit diversen Messgeräten - und dazu gehört natürlich auch die Analoguhr.

    Doch, wird gelehrt. Hat mich ebenfalls interessiert und ich hab nachgeschaut im National Curriculum für die Grundschulen. Es ist aufeinander aufbauend in den Kompetenzen in den einzelnen Grundschuljahren. Dort steht unter Statuory Requirements. Pupils should be able to
    S.106: - tell the time to the hour and half past the hour and draw the hands on a clock face to show these times.
    S.110: - tell and write the time to five minutes, including quarter past/to the hour and draw the hands on a clock face to show these times"
    S.117:- tell and write the time from an analogue clock, including using Roman numerals from I to XII, and 12-hour and 24-hour clocks
    S.124: - read, write and convert time between analogue and digital 12-and 24-hour clocks


    Und auch non-statutory in Mathematik kann die Analog-Uhr als Grundlage dienen:
    "Pupils are introduced to the multiplication tables. They practise to become fluent in the, 5 and 10 multiplication tables and connect them to each other. They connect the 10 multiplication table to place value, and the 5 multiplication table to the divisions on the clock face."



    Hätte mich jetzt auch sehr gewundert, wenn ich in Deutschland im Englischunterricht die Analog-Uhrzeit unterrichte mit viertel, halb, viertel vor und das im Mutterland nicht ebenfalls Usus wäre.

  • Zumindest in Hessen, aber wahrscheinlich auch in jedem anderen Bundesland, sind besagte Themen verpflichtende Inhalte des Mathematikunterrichts der Klassen 1 und 2, ebenso wie der kompetente Umgang mit diversen Messgeräten - und dazu gehört natürlich auch die Analoguhr.


    Und selbst dann schaffen es SuS in Hessen die 5. Klasse zu erreichen und an Analoguhren scheitern.

  • Das Phänomen ist ja nun nicht neu. Daran bin ich vor 15 Jahren schon in einem Englisch UB gescheitert, indem ich Uhrzeiten und Dialoge über Uhrzeiten einführen wollte. Das - an sich gut durchdachte Konzept - ist daran gescheitert, dass die Schüler die analogen Uhren auf den Arbeitsblättern und an der Tafel einfach nicht lesen konnten.
    In den letzten Jahren ist davon die Welt nicht untergegangen. Wir haben mittlerweile an unserer Schule nur noch Analoguhren - keine Ahnung, ob das Zufall oder päd. Konzept ist. Jedenfalls lernen die Schüler das dann ganz schnell, wenn sie es brauchen.
    *schulterzuck*

  • Witzig, gerade heute habe ich meine digitale Uhr (FItness-Uhr) angeschaut und genau darüber nachgedacht. Ich habe gerade eine 1. Klasse und das Thema (erstmal nur volle Stunden) steht jetzt an. Und auch ich war im Zwiespalt.


    Einerseits: Analoguhren braucht eigentlich kein Mensch. Kirchturmuhren oder an anderen Gebäuden, gibt es hier kaum. In der Schule ja, auch im Bahnhof. Aber sonst? Sogar in meinem Dorf ist inzwischen eine digitale Uhr/Temperaturanzeige.


    Andererseits. Warum muss man immer alles einstampfen (Schreibschrift, Analoguhr...).


    In den letzten über 10 Jahren, die ich Mathe unterrichte, haben nur sehr wenige Schüler überhaupt noch Analoguhren zu Hause.



    Ich tendiere zu... irgendwann werden Analoguhren vollständig verschwinden. Bis dahin behandel ich das Thema jedes Jahr, immer mehr erweitert. Und ja ein Großteil vergisst das alles wieder. 20 Stunden Mathe in einem Schuljahr ersetzen eben keine digitale Umwelt.

  • Eine Analoguhr kann man auch als grafische Darstellung der Zeit verstehen. Dadurch ist es möglich, Begriffe wie "halbe/viertel Stunde" und "gegen/mit dem Uhrzeigersinn" auch bildlich nachzuvollziehen und nicht nur als irgendwelche Zahlen. Zudem muss man auf der Digitaluhr die Viertelstunde erst einmal ausrechnen. Andererseits spricht letzeres ja gerade für den Matheunterricht...


    À+

  • Das Thema beschäftigt mich auch immer wieder.
    In meiner aktuellen dritten Klasse können einige Kinder die ANaloguhr immer noch nicht, trotz Übungen etc.
    Es stimmt, die Digitalzeiten sind überall präsent, trotzdem sehe ich es ähnlich, dass nicht alles abgeschafft werden muss, auch keine Analoguhren...
    Ich weiß aber, dass meine Eltern mit mir als Kind das Lesen der Uhrzeiten geübt haben und die Kinder in meiner Klasse, die die Uhr können, hatten das auch zu Hause mit ihren Eltern (teilweise schon zuvor) geübt.
    Und da entscheidet dann doch wieder leider das Elternhaus....Das nervt mich, aber ich habe kein Patentrezept, damit auch die Kinder, die keine Unterstützung von zu Hause haben, die Analoguhr lesen lernen...
    Teilweise habe ich, wenn es die Zeit erlaubt, in Kleingruppen mit diesen Kindern gearbeitet, aber es ist schwierig.
    Für diese Kinder ist und bleibt die Analoguhr ein ewiges Rätsel.....

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Was ist denn an der Analoguhr so schwer? Ich finde Anjas Ansatz mit den vollen Stunden zuerst sinnvoll und dann kann man mit Viertel vor/Viertel nach/Halb weitermachen, ehe die speziellen Minutenangaben drankommen. 16:28 Uhr = kurzer Zeiger auf der 4 (weil 16-12=4) und langer Zeiger zwischen 5 und 6 (weil 5*5=25 und 5*6=30). Man muss also nur wissen, wann man welche Rechenoperation anwendet. Natürlich braucht man Routine im Umgang mit Uhrzeiten (wir Erwachsene rechnen ja nicht mehr, sondern sehen die Uhrzeit mit einem Blick), aber so ein Problem hatte meine Generation nie mit Analoguhren... Und wir sind noch einmal 20 Jahre jünger als viele User hier.

  • Naja die Kinder haben insgesamt immer mehr Schwierigkeiten sich Dinge zu merken.


    In der Grundschule arbeite ich mich von den vollen, über die halben Stunden zu viertel vor und viertel nach. Richtig intensiv behandel ich es dann in Klasse 3, wo dann auch die Minuten thematisiert werden und darüber dann auch die digitale Schreibweise in Verbindung gesetzt wird.


    Meine Kids können es dann alle. Da es aber ot nicht angewendet wird, haben sie es in Klasse 4 (da kommt dann noch eine Wiederholung) viel wieder vergessen. Ist wie beim Einmaleins.

  • Ich verstehe, dass es manchmal wie mit Kanonen auf Spatzen schießen ist, aber sowas wie das 1x1... Das muss auswendig beherrscht werden und darf nicht vergessen werden. Das brauchst du einfach immer und überall. Man kann es aber nicht immer und immer wiederholen, irgendwann muss es drin sein - Die Kollegen aus der Sek II kämen sich veräppelt vor, wenn sie vor der Analysis-Einführung noch einmal 1x1 üben müssten. Letztens musste ich ein paar Zahlen zusammenrechnen (dreistellig mit zwei Nachkommastellen, tat dies per schriftlicher Addition. Die 18-jährige Kollegin war überrascht, wie schnell ich das denn machen würde. In dem Moment war ich dann auch schockiert ob der Reaktion. Ich meine... schriftliche Addition macht man in der 3. Klasse - das ist jetzt keine höhere Mathematik.

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