Ist da was dran...


  • Hallo Morse,


    das sehe ich auch so.
    Natürlich ist das Abitur in Englisch nicht einfach gewesen, aber sicherlich auch nicht unlösbar.
    Gut finde ich, dass die Schülerschaft darauf hingewiesen hat, dass sie das Abitur allgemein als zu schwer empfunden haben.
    Das ist einerseits zwar etwas peinlich und zeigt, dass man eben auch im Abitur primär einfach eine gute Note möchte und sich gar nicht erst auf Herausforderungen sportlich einlassen kann; auf der anderen Seite kann man eben nicht einfach das Niveau von Jahr zu Jahr empfindlich ändern, ohne dies im Vorfeld entsprechend kenntlich zu machen. Da fehlte es in diesem Fall wohl an der nötigen Transparenz.


    Generell würde ich mir wünschen, dass das Abitur wieder vom Anspruch her steigt. Es kann ja nun schlecht sein, dass man in den Fremdsprachen banale "Sachtexte" bearbeitet und nur noch dröge Daten und Fakten herauspickt und zuordnet. Da geht das diesjährige Englisch-Abi schon in die richtige Richtung, nur eben etwas unvermittelt. Wahrscheinlich hatten hier einige Herrschaften Sorge um die Bedeutung ihres Faches und wollten damit ein Zeichen setzen. Im nächsten Jahr dürfen dann wieder IKEA-Bauanleitungen analysiert und "leseverstanden" werden - man hat ja schließlich was gut zu machen. ;)


    der Buntflieger

  • Das ist einerseits zwar etwas peinlich und zeigt, dass man eben auch im Abitur primär einfach eine gute Note möchte und sich gar nicht erst auf Herausforderungen sportlich einlassen kann

    Du meinst sicher peinlich für die Schüler, oder? Ich kann an dem Streben nach möglichst guten Noten zumindest so lange genau gar nichts "peinlich" finden, wie ebendiese Noten über Wohl und Wehe der persönlichen Zukunft entscheiden. Die Schüler können nichts für das System, in dem sie leben.


    Wenn Du das mal am eigenen Leib erleben willst, dann bewirb Dich doch mal auf eine Funktionsstelle. Da werden dann auch als erstes Deine Examensnoten von vor xzig Jahren rausgeholt.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Liegt diese Liberty-Beschreibung eigentlich wirklich so jenseits der durchschnittlichen Sprachkompetenz im Abi?
    Ich fand den jetzt nicht so erwähenswert, aber ich les auch seit 20 Jahren primär englische Literatur.


    Was sagen denn die Englischlehrer dazu?

  • Liegt diese Liberty-Beschreibung eigentlich wirklich so jenseits der durchschnittlichen Sprachkompetenz im Abi?
    Ich fand den jetzt nicht so erwähenswert, aber ich les auch seit 20 Jahren primär englische Literatur.


    Was sagen denn die Englischlehrer dazu?

    Das haben die EnglischlehrerInnen hier doch schon ein paar Mal dargelegt?! Für mich privat ist der Text überhaupt kein Problem, aber das tut hier wenig zur Sache.
    Für Schüler ist er auch nicht jenseits vom Machbaren, ABER 1. die Schüler in BW sind den Umgang/ Analyse mit solchen Texten nicht mehr gewohnt (wofür sie nichts können), und 2. haben sie für den Leseverstehenstest (dauert, weil es unglaublich exakt sein muss) plus 2 Aufsätze nur 180 min.
    Die kurze Zeit ist seit 2014 ein Problem. Meines Erachtens führt sie zur intellektuellen und sprachlichen Verflachung der Texte, denn es ist zu wenig Zeit zum Planen (wie sonst geübt und eingefordert), und zum Nachschlagen (wie sonst geübt und eingefordert). Man sieht dem zuletzt geschriebenen Text immer die Eile an. Dieses Mal war es wegen den oben erwähnten Punkten plus den fiesen Fragen mit 2 Belegen für einen Punkt noch viel enger.
    Ich bin sehr erleichtert, weil meine S relativ gut klarkamen, aber bei einigen merkt man die Nerven deutlich.

  • Du meinst sicher peinlich für die Schüler, oder? Ich kann an dem Streben nach möglichst guten Noten zumindest so lange genau gar nichts "peinlich" finden, wie ebendiese Noten über Wohl und Wehe der persönlichen Zukunft entscheiden. Die Schüler können nichts für das System, in dem sie leben.
    Wenn Du das mal am eigenen Leib erleben willst, dann bewirb Dich doch mal auf eine Funktionsstelle. Da werden dann auch als erstes Deine Examensnoten von vor xzig Jahren rausgeholt.


    Hallo fossi74,


    wir haben ja nicht qualitativ unterschieden, was das "Streben nach möglichst guten Noten" auszeichnet und was dann doch eher in Richtung "ich will möglichst wenig dafür tun und dabei den maximalen Ertrag erhaschen" geht.


    Das Beispiel mit dem Staatsexamen ist ganz nett, aber hier ist spätestens bei den mündlichen Prüfungen Schluss mit Transparenz und objektiver Notengestaltung. Hier entscheidet dann vor allem situatives Glück (faire Prüfer und passende Fragen etc.) und weniger die eigentliche Vorbereitung. Da hilft dann ggf. auch nur (wie bei mir in einem Fall): Die Sache bzw. Misere sportlich sehen und drüber stehen (lernen).


    Wegen der etwas erschwerten Englischprüfung werden die betroffenen Schüler nicht sofort im Abi-Schnitt eklatant abstürzen und genauso wenig hat mir der Axxx-Prüfer in EW eine mögliche spätere Karriere verhagelt. Das "System" besteht in erster Linie aus Menschen, die nicht immer objektiv vorgehen und die manchmal menschlich unter aller Kanone agieren, aber im Großen und Ganzen fällt das zum Glück - vorausgesetzt, man ist selbst zwischenmenschlich gut sortiert - kaum sonderlich ins Gewicht.


    Wir leben ja nicht in einem System, sondern wir bilden dieses (aus)! :aufgepasst:


    der Butflieger

  • Mir scheint die Crux nicht so sehr die Schwierigkeit des Texts zu sein, sondern die Überraschung der Schüler, die auf anderes vorbereitet waren und wurden.


    Meines Erachtens kann man auch prüfen ohne vorher genau zu sagen was dran kommt. Aber auch das kann man so mitteilen! Der Prüfling muss wissen, mit was er zu rechnen hat, und wenn er nur weiß, dass er mit einer Überraschung rechnen muss.

  • Ich habe den Text gelesen - für einen LK anspruchsvoll aber lösbar; für einen GK sehr anspruchsvoll aber lösbar. Ein guter Teil des Problems war wohl, dass man die Aufgabe nicht mit auswendig gelernten Kochrezepten lösen konnte. Die sind allerdings die Standardlernmethode in Bayern und B-W. Was kan ich sagen, Pech gehabt, halt.


    Naja. Aus hybrischer süddeutscher Sicht bin ich ja als NRW-Lehrer ohnehin so eine Art Affentrainer, also was weiß ich schon über die Anforderungen von Abituraufgaben...

  • Ich habe den Text gelesen - für einen LK anspruchsvoll aber lösbar; für einen GK sehr anspruchsvoll aber lösbar. Ein guter Teil des Problems war wohl, dass man die Aufgabe nicht mit auswendig gelernten Kochrezepten lösen konnte. Die sind allerdings die Standardlernmethode in Bayern und B-W. Was kan ich sagen, Pech gehabt, halt.


    Naja. Aus hybrischer süddeutscher Sicht bin ich ja als NRW-Lehrer ohnehin so eine Art Affentrainer, also was weiß ich schon über die Anforderungen von Abituraufgaben...

    Na, danke für das Kompliment. Scherz beiseite. Ich finde das unverschämt: Weder ich noch alle anderen KollegInnen, die ich hier kenne, drillen die Schüler auf Kochrezepte und Auswendiglernen, im Gegenteil. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich diesen Kommentar zum Kotzen, ganz ehrlich.
    Für die, den obigen Kommentar auch noch geliked haben, gilt das Gleiche.


    Noch nie habe ich mich z.B. herablassend über Standards anderer Bundesländer geäußert - weil ich es einfach nicht beurteilen kann. In diesem Thread wurden von den meisten SchreiberInnen die Äußerungen von uns aus BW zu den Zusammenhängen komplett ignoriert (überhaupt gelesen???) und dann noch das.

  • Noch nie habe ich mich z.B. herablassend über Standards anderer Bundesländer geäußert - weil ich es einfach nicht beurteilen kann. In diesem Thread wurden von den meisten SchreiberInnen die Äußerungen von uns aus BW zu den Zusammenhängen komplett ignoriert (überhaupt gelesen???) und dann noch das.


    Hallo blabla92,


    Anforderungen lassen sich ja schon halbwegs unkompliziert ungefähr vergleichen.
    Ich habe mir die Englischprüfung angeschaut und muss sagen, dass sie sich auf dem Abi-Niveau bewegt, das noch zu meiner Zeit Standard war. Problematisch ist halt in dem Fall nur, dass dieses Niveau inzwischen nicht mehr zu erwarten ist, daher wurden offenbar viele SuS davon überrascht, dass - oh Schreck! - plötzlich lyrische Ergüsse zu bearbeiten waren, wenn auch nur einige Zeilen lang.


    Zu meiner Zeit war das üblich und hätte niemanden überrascht. Hier fehlte es an Transparenz, das ist klar und das geht eigentlich so nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man dazulernen wird für die kommenden Prüfungen und darum war es auch wichtig, auf das Problem hinzuweisen. Nun ist es aber auch gut und man sollte sich wieder anderen Dingen zuwenden - die Kultusministerin hat sich der Diskussion gestellt und Argumente angehört. Mehr kann und braucht man nicht zu erwarten.


    Ich habe zu meiner Schulzeit die Lehrer verachtet, die im Nachhinein "weich" wurden und Noten verändert haben, die sich also bequatschen ließen. Es lag ja kein konkreter Fehler vor, sondern eine etwas unglücklich/unpassend gewählte Aufgabenstellung und das reicht halt nicht, um im offiziellen Ablauf rückwirkend etwas zu ändern. Damit wäre niemandem geholfen, das stünde in keinem Verhältnis.


    der Buntflieger


  • Noch nie habe ich mich z.B. herablassend über Standards anderer Bundesländer geäußert

    Schön für dich. Dann würdest du als wohltuende Ausnahme herausstechen und könntest für dich in Anspruch nehmen, zusammen mit wenigen anderen die Regel zu bestätigen. Hier im Forum und in der wirklichen Welt.

  • Ein guter Teil des Problems war wohl, dass man die Aufgabe nicht mit auswendig gelernten Kochrezepten lösen konnte. Die sind allerdings die Standardlernmethode in Bayern und B-W.

    Ich weiß ja nicht, wie häufig du schon Oberstufe in Bayern unterrichtet und dort das Abitur abgenommen und korrigiert hast.
    Ich habe, bevor ich nach Bayern gekommen bin, drei Jahre in NRW unterrichtet, u.a. auch Englisch GKs und LKs.
    Und, was soll ich sagen... die sehr konkreten Vorgaben aus den Abiurerlassen, die für jeden Jahrgang in NRW neu herauskommen bieten sich sehr viel mehr dazu an, Inhalte vorbereitend auswendig zu lernen.
    In Bayern gibt es den Lehrplan, der Themenbereiche vorgibt. Inhaltliche Konkretisierungen gibt es in dieser Form nicht, auch keine Pflichtlektüren. Ich muss hier also so unterrichten, dass SuS mit jedem Text zu jedem Thema, der ihnen im Abitur vorgelegt wird, umgehen können. Das führt häufig auch dazu, dass Schüler sich beklagen, "für Englisch nix lernen zu können" und dass Lehrer sich beklagen, dass unterrichtete Inhalte in den Abiturprüfungen zu kurz kommen.
    Ich will nicht behaupten, dass dies das bessere System ist. Das hat natürlich klare Nachteile. Auch die bayerische Selbsteinschätzung, das schwierigste Abitur zu haben und das letzte Bundesland mit gymnasialem Anspruch zu sein, teile ich in keinster Weise.


    Aber der Vorwurf, in Bayern würden nur auswendig gelernte Kochrezepte eine Rolle spielen, ist in höchstem Maße lächerlich und zeugt von ziemlicher Ignoranz und von eine Horizont, der durch den eigenen Tellerrand begrenzt ist. Sowas kann man am Stammtisch vielleicht noch verbreiten.

  • "ich will möglichst wenig dafür tun und dabei den maximalen Ertrag erhaschen"

    Auch daran kann ich nichts ehrenrühriges finden, sondern sehe das als Anpassung an die Gesellschaft. Überlebensnotwendig.

    Das Beispiel mit dem Staatsexamen ist ganz nett, aber hier ist spätestens bei den mündlichen Prüfungen Schluss mit Transparenz und objektiver Notengestaltung.

    Eben. Und doch kann so der weltfremde, komplett überflüssige Rotz von damals auch nach zwanzig Jahren im Beruf noch eine gewichtige Rolle spielen.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Auch daran kann ich nichts ehrenrühriges finden, sondern sehe das als Anpassung an die Gesellschaft. Überlebensnotwendig.


    Hallo fossi74,


    hier ist eine bestimmte Haltung von mir kritisch beschrieben worden; ich meine kein gewöhnliches ökonomisches Verhalten (im Sinne der Effizienz), sondern die Tendenz bzw. den Wunsch, selbst weniger einzubringen und im Gegenzug mehr zu erhalten, ohne dass das großartig auffallen würde.


    Das ist meiner Meinung nach nicht in erster Linie eine Anpassung an gesellschaftliche Vorgaben, sondern es ist ein Beispiel für diese selbst. Man kann natürlich darüber streiten, wer sich hier an wen anpasst (die Vorgaben an die Einzelnen oder die Einzelnen an die Vorgaben) und ob der Einzelne überhaupt die Möglichkeit hat, sich solchen Prozessen zu entziehen bzw. bewusst daran etwas zu ändern. Aber zumindest kann man sich darüber unterhalten und immerhin das tun wir ja gerade hier. ;)


    der Buntflieger


  • "Wie in den vier Vorjahren erreichten auch die Abiturienten des Jahrgangs 2018 im Schnitt 8,4 Notenpunkte,"


    https://www.stuttgarter-zeitun…cebook#Echobox=1529250281

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