• Hallo, erst mal viele Grüße an alle, das ist nämlich mein erster Beitrag hier.


    Ich studiere zur Zeit Geschichte als Hauptfach auf Magister, und habe mich jetzt doch umentschieden, Lehrer zu werden. Meine Nebenfächer eignen sich leider nicht als Schulunterrichtsfächer und mein Studium abbrechen möchte ich auch nicht...
    Kurz und gut, ich möchte danach also ein Zweitstudium auf Lehramt beginnen, und zwar dann mit der Kombination Geschichte / Latein.


    Ich habe mir zwar schon angesehen, was es bei uns für Lehrveranstaltungen gibt und welche Scheine man braucht und so (ich würde dann wahrscheinlich weiter in Ba-Wü studieren), aber trotzdem kann ich mir das praktisch noch nicht so richtig vorstellen. Erzählt doch einfach mal, habt ihr das Graecum schon vorher gehabt? Habt ihr Latein in der Schule als LK gehabt? Macht ihr mehr Übersetzung/Grammatik oder eher mehr Interpretation? Worauf legen die Dozenten viel Wert, und was findet/fandet ihr besonders schwierig, was besonders interessant?
    Und dann natürlich...lernt man nur theoretische Sachen über Pädagogik oder auch, wie man konkret Latein gut vermitteln kann? Oder kommt das erst im Referendariat? Auch andere Erfahrungen, die nicht direkt zu meinen Fragen passen, fände ich sehr interessant!


    Könnt ihr mir helfen?
    LG, Ruby :)

  • Hallo,


    also erst einmal hoffe ich ja, dass das mit dem Lehramtstudium bei dir keine Verlegenheitslösung war und du dich nicht von der derzeitigen Arbeitsmatktsituation hast anlocken lassen ;); zu dem Beruf gehört nämlich wirklich Herzblut.


    Wenn du unbedingt Latein studieren willst, dann mach' es! Es lohnt sich! Was man unbedingt braucht: Disziplin, Sitzfähigkeit in Bibliotheken und am Schreibtisch, analytische Begabung, Interesse an der Antike, breites Interessenspektrum. Was die Eingangsvoraussetzungen angeht, so lass' dich nicht irritieren durch "Etiketten" wie LK, Latein als 1. FS etc. Ich habe in meinem Studium die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die Latein erst an der Uni gelernt haben (Latinum), leistungsmäßig die stärksten waren. Es kann allerdings sein, dass du für ein Studium in BaWü das große Latinum als Eingangsvoraussetzung brauchst. Solltest du es nicht haben, lässt es sich gut an der Uni nachholen (bei mir in Göttingen waren es damals Ovid-Texte).


    Das Graecum bringen i.d.R. die wenigsten Studenten am Anfang mit. Es lässt sich gut in 2 Semestern an der Uni oder in einem (allerdings nicht ganz billigen) Ferienkurs nachholen. Auch hier ist Leistungsbereitschaft angesagt.


    Was den Inhalt des Studiums angeht, so liegt der Hauptakzent auf der Literatur (den durchschnittlichen Lektürekanon bis zur Zwischenprüfung kannst du nachlesen bei Riemer/Weißenberger/Zimmermann: "Einführung in die Latinistik"). Der Arbeitsschwerpunkt liegt in der Übersetzung vom Lateinischen ins Deutsche - in den Seminaren wird dann über die Texte reflektiert -, für viele sind die Stilübungen vom Deutschen ins Lateinische "ein rotes Tuch". Da hilft nur: Cicero, Cicero und nochmals Cicero lesen (was sehr erquicklich ist). Wenn du deine Grammatikkenntnisse aufpolieren willst, so lohnt sich die Anschaffung der Grammatik von Rubenbauer/Hofmann, die nach meinem Kenntnisstand an allen Unis gängig ist.


    Außerdem ist der Besuch von altgeschichtlichen, antik-philosophischen und archäologischen Veranstalltungen vorgesehen. Hier lieber eine zuviel als zu wenig machen. Das lohnt sich immer. Auch über den latinistischen Tellerrand hinausgucken und manches Mal zu der "Konkurrenz" gehen, den Gräzisten.


    Fachdidaktikseminare hast du auch (ob in BaWü auch?, das war dort immer sehr sonderbar...), aber wie du Latein tatsächlich vermittelst, lernst du erst im Referendariat am Versuchsobjekt Schüler ;). Theoretische Kenntnisse sind das eine, die praktische Erprobung das andere.


    Also dann - toi, toi, toi.


    Ornella

  • Danke Ornella!


    Nein, eine Verlegenheitslösung ist das nicht... ich hätte wirklich Lust Lehrer zu werden. Nach dem Abi habe ich das schon mal überlegt, dann aber gedacht, ich hätte nicht die Geduld dazu und würde Kinder nicht genügend mögen...aber da war ich 18 und jetzt bin ich 22. Meine Meinung und mein Charakter haben sich doch noch weiterentwickelt. Ich wollte jetzt in den Ferien mal ein Praktikum an einer Schule machen.
    Was Du zu Latein schreibst, hört sich für mich ziemlich gut an. Und daß die meisten das Graecum nachholen müssen, beruhigt mich.


    Hat noch jemand Erfahrungen mit diesem Fach?

  • Hi ruby,
    ich hab ebenfalls Latein und Geschi gemacht. Eigentlich Latein nur als Beifach, es wurde dann zum Interessen- und Hauptfach für mich. Es ist anstrengender, aber auch knackiger und interessanter als Geschichte (auch weil einfach mehr gefordert wird). Ornella hat das meiste sehr treffend beschrieben. Nebenbei können die berüchtigten Stilübungen auch immer mehr Spaß machen, und wenn man es kann kommt keine andere mir bekannte Sprache dem Lateinischen gleich. Anzufügen ist noch, dass das Lateinstudium viel persönlicher läuft als Geschi, die Seminare sind kleiner, man kennt sich und die Profs, es ist nicht so anonym. Bei Studiengänge waren allerdings weit weit weg von der Schulrealität, auch bei der Fachdidaktik. Das lernst du frühstens im Ref und zum Teil erst später. Allerdings ist man mit einem Lateinstudium fachlich wirklich gut und vollständig Experte und seiner Sache sicher, in Geschi hingegen fehlt es an Überblickswissen; es ist auch während des Jobs noch viel Nacharbeit gefragt.
    Viel Spaß und toi toi toi
    JJ

  • Wow, ich habe eine Antwort von Justus Jonas bekommen. *schwärm* Davon habe ich seit meinem 10. Lebensjahr immer geträumt...
    Aber im Ernst, auch Dir danke!

  • Zitat

    Nebenbei können die berüchtigten Stilübungen auch immer mehr Spaß machen


    Man beachte, dass es sich hierbei um eine subjektive und nicht allgemein gültige Aussage handelt! :rolleyes::D

  • Zitat

    Man beachte, dass es sich hierbei um eine subjektive und nicht allgemein gültige Aussage handelt!


    Quot homines, tot sententiae!


    Mir fehlen die Stilübungen schon jetzt. Ich glaube, ich werde meine Schüler ein bisschen damit quälen oder für mich zu Hause ein bisschen übersetzen. ;) Ich empfinde das als einen höchst kreativen Vorgang... Bin ich nicht normal?!


    LG Ornella

  • Zitat

    Bin ich nicht normal?!


    Nein. :D


    P.S. Soo schlimm fand ichs auch nicht, aber fehlen tun sie mir nicht wirklich, die Stilis.

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