Berufsschullehrer - Vorteile und Nachteile?

  • Hallo zusammen,


    ich stecke mitten im Lehramtsstudium GyGe, frage mich aber in letzter Zeit, wie eigentlich das Leben als Berufsschullehrer so wäre. Wie die meisten Abiturienten vom Gymnasium habe ich noch nie eine Berufsschule von innen gesehen und hatte den Job gar nicht auf dem Schirm. Wahrscheinlich rührt dort auch der große Mangel an Berufsschullehrern her. Wie ist so der Arbeitsaufwand, insbesondere mit zwei Korrekturfächern wie deutsch und englisch? Da man anders als Gymnasium nur die "Großen" hat, stelle ich mir den Aufwand deutlich höher vor.
    Kommt man mit den Schülern gut zurecht? Ich habe da ganz unterschiedliche Dinge gehört, von "ich hatte in 40 Jahren keinen einzigen Tag ein Disziplinproblem mit den Schülern, Berufsschüler sind eben reifer" bis zu "oh Gott, du willst dir doch als junge Frau nicht wirklich Berufsschüler antun."


    Was sind eure Erfahrungen?

  • Deutsch korrigieren ist immer die Hölle, egal wo.
    Dass allgemein der Korrekturaufwand an der BS höher sei, weil die Schüler "groß" sind, glaube ich nicht.


    Das Klientel der Berufsschüler unterscheidet sich u.a. auch durch die jeweilig vorhanden Berufe (Fachinformatiker, Gipser, Korbflechter, you name it).
    "Zurecht kommen" tut man mit diesen Schülern im allgemeinen genau so, wie in anderen Schulen auch.


    Als "Berufsschullehrer" unterrichtest Du wahrscheinlich an einer beruflichen Schule, die u.a. eine Berufsschule hat, aber auch andere Schularten (z.B. Berufsvorbereitungsklassen, Fachschulen für Meister und Techniker, Berufskollegs inkl. FH-Reife, zweiter Bildungsweg zum Abitur etc. - da gibt es eine große Bandbreite).

  • Ich kann nur Positives berichten. Trotz "weiblich, jung". Ich habe gerade in "schwierigen" Klassen die Erfahrung gemacht, dass es nur so aus dem Wald hinausschallt, wie man hinein ruft. Der Umgang ist einfach ein anderer, v.a. was erzieherische Maßnahmen betrifft. Du musst dir aber bewusst werden, dass da "die ganze Welt" sitzt. D.h. du unterrichtest nicht nur Berufsschüler, sondern auch Berufsgrundschuljahr/Ausbildungsvorbereitung (d.h. teilweise SuS, die seit der 6. Klasse keine Schule von innen gesehen haben) oder z.b. vollschulische Ausbildungsgänge wie z.b. Erzieherausbildung, die laut DQR (theoretisch)auf Bachelorniveau unterrichtet werden. Es ist nicht selten, dass in einer Klasse Studienabbrecher neben SuS ohne Hauptschulabschluss sitzen und die Lernenden schonmal doppelt so alt sind wie du. In IFÖ Klassen unterrichtest du jugendliche Flüchtlinge, die teilweise kein bis kaum deutsch sprechen. Die Heterogenität ist immens, aber diese Vielfalt macht auch den Reiz aus wie ich finde.


    Nachtrag : Gerade in den Sprachen ist das Niveau oft unter aller Kanone, je nach Schwerpunkt der Schule. Da kannst du dich drauf einstellen, dass du immer wieder bei "Adam und Eva " anfangen musst. Wenn du also gerne auf fachlich hohem Niveau unterrichtest, dann wärst du von einem Großteil der Bildungsgänge enttäuscht.

  • "Zurecht kommen" tut man mit diesen Schülern im allgemeinen genau so, wie in anderen Schulen auch.

    Oh, da täusch Dich nicht. Als Frau ist das tatsächlich was anderes, da musst Du bei Berufsschülern schon etwas robuster sein, vor allem bei typischen "Männerberufen". Ich hab ein Jahr lang Chemie- und Pharmatechnologen, 80 % junge Männer und überwiegend aus dem Haupt- und Realschulniveau, bespasst. War eine nette Zeit, ich hatte nie Probleme mit den Jungs. Vom fachlichen Niveau her hätte es mich auf Dauer einfach angeödet, ich bin lieber am Gymnasium.

  • Das stimmt, gerade an schulen mit technischem Schwerpunkt geht es etwas "derber" zu. Muss aber keinesfalls negativ sein, das ist eher eine Frage des eigenen Typs. Ich habe mich z.b. an einer berufsbildenden Schule im Bereich Wirtschaft nicht sonderlich wohlgefühlt, weil mir dort alles ein bisschen zu "fein" und "durchfrisiert" war. Dann ist mir "hart aber herzlich" lieber. Aber ist alles typsache. Jedenfalls sollte man kein "Mäuschen" sein an berufsbildenden Schulen und eine große Portion Gelassenheit mitbringen.

  • Fein und durchfrisiert? Und ich dachte wir sind weniger arrogant und eingebildet wie die Kollegen am Gymnasium. So gibt es halt immer Vorurteile :P


    An beruflichen Schulen gibt es je nach Klassenstufe regelmäßig Abschlussprüfungen. Ist halt etwas anderes im Vergleich zu. Gymnasium wo im Prinzip erst beim Abitur eine Überprüfung deiner Tätigkeit erfolgt.

  • Ich habe zwei Jahre lang Deutsch und Englisch an einer Berufsschule mit sozialem und pflegerischen Zweig unterrichtet. Die Korrekturen sind wirklich immens, das hätte ich mir so niemals gedacht. Ich bilde mir ein, schnell zu korrigieren. Doch da saß ich praktisch jeden Abend deswegen noch am Schreibtisch. Das passiert mir heute mit denselben Fächern am Gymnasium nicht mehr.
    Ansonsten stimme ich besonders Hannelotti zu und habe ähnliche Erfahrungen gemacht.

    • Offizieller Beitrag

    Berufsschullehrer

    Ganz wichtig, weil bis in Ministeriumsebene oft falsch gemacht: Es gibt keinen Berufsschullehrer, es sind Lehrer an beruflichen Schulen, bei denen die Berufsschule eine von vielen Schulformen ist, und zunehmend nicht mal mehr die größte.

    • Offizieller Beitrag

    Dass allgemein der Korrekturaufwand an der BS höher sei, weil die Schüler "groß" sind, glaube ich nicht.

    Eher im Gegenteil (außer im BG), da die Schüler einfach viel weniger aufs Papier bringen

  • Hängt halt viel von der Schule ab. Ich bin an einem BK mit beruflichem Gymnasium und unterrichte überwiegend Abiturklassen. Da ist der Aufwand sehr hoch. (In Englisch und Deutsch schreiben halt auch alle bis fast zu Ende.)

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • An meiner Berufsschule unterrichte ich nur in Berufsmaturitätsklassen (vergleichbar mit der deutschen Fachhochschulreife), je nach Modell ein oder zwei Jahre, dann ist ist die Klasse wieder weg. Eine langjährige Betreuung "seiner" Lernenden, wie das auf dem Gymnasium teilweise der Fall ist, hat man natürlich dabei nicht. Mir persönlich gefällt der schnelle Wechsel und das vergleichsweise hohe Unterrichtstempo, aber das muss man mögen. Dafür hat man es nur mit Erwachsenen zu tun, meine Lernenden sind typischerweise zwischen 18-25, aber im Prinzip nach oben keine Beschränkung – für mich persönlich ideal, denn Unter- und Mittelstufe sind gar nicht meines. Aber auch das muss man mögen.


    Nachtrag: ich wusste, was mich erwartet – ich habe selbst vor Urzeiten eine Berufslehre gemacht und weiss, wie es in einer Berufsschule so zugeht (das meine ich übrigens nicht negativ!) ;)

  • Ich habe auf Gym studiert, mein Ref am Gym gemacht, zwei Jahre am Gym unterrichtet und bin nun an einer BS. 3/4 des Schuljahres bereue ich diesen Schritt nicht, um die jetzige Zeit allerdings schon: denn alle Abschlüsse kommen zusammen und in nahezu allen Schulformen ist Deutsch Teil der Abschlussprüfung. Ich sitze ab März nahtlos an den schriftlichen Abiprüfungen, dann kommen die FOS und BFS hinzu und sind diese korrigiert, fallen die mündlichen Prüfungen an.
    In Kombination mit dem Fach Englisch wird die Situation in dieser Schuljahresphase nicht besser werden.
    In vielen Punkten schließe ich mich meinen Vorrednern an. Ergänzen möchte ich an der Stelle noch, dass man an einer BS in der Regel weniger mit den Eltern der Kids Kontakt hat. Das hat Vor- und Nachteile.

  • Huhu,


    also das ist natürlich auch immer Ansichtssache. Ich finde es zum Beispiel sehr vorteilhaft, dass ich es nur mit "älteren" Schülern (15 bis ca. 25+) zu tun habe. Andere finden genau das nachteilig.


    Die beiden größten Nachteile an beruflichen Schulen sind meines Erachtens die starke Belastung während den Prüfungsphasen und die wild verstreuten Unterrichtszeiten, was natürlich auch beides etwas von den Fächern abhängt. Ich habe zwei Hauptfächer und jedes Jahr mindestens eine bis maximal fünf Prüfungsklassen, wobei es eher die Ausnahme ist, wenn ich nur eine habe. Da hast du dann zwei Kurse in der 13, einmal BK2, einmal BFW2, einmal Abschlussklasse Berufsschule. Viel Spaß beim Korrigieren! :autsch: (Überall gibt es auch zumindest eine Zweitkorrektur; beim Abi auch eine Drittkorrektur.) Zudem sind da dann oft umfangreichere mündliche Prüfungen abzunehmen, bei denen die Aufgaben grundsätzlich selbst erstellt werden müssen... Im zweiten Halbjahr ist man zumindest sehr gut beschäftigt!


    Unterrichtszeiten sind bei uns Mo - Sa 7.45 - 16.55 Uhr sowie Mo - Fr 17.00 - 21.30 Uhr. Da dürfte man sonst auch anderes gewohnt sein... ;)



    Ein Vorteil ist meiner Meinung nach, dass die Schüler eben schon "älter" und reifer/vernünftiger sind. Zumindest sind sie theoretisch zu einer Einsicht fähig, d.h. man hat nicht mit vorpubertärem Gehabe ("Iiiiiihhhh, mit einem Mädchen geh ich nicht in die Gruppe!") zu kämpfen. Ein großes Plus finde ich auch, dass die Elternarbeit minimal ist. Weiterhin gefällt mir die Atmosphäre im Kollegium deutlich besser als am Allgemeinbildenden.

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