Hallo zusammen,
es ist schon viel über das Referendariat geschrieben worden. Leider gehen
die Berichte (seien sie nun positiv oder negativ) nie wirklich in die Tiefe und
letztlich geht es nie über einen subjektiven Erlebnisbericht hinaus.
Ich möchte versuchen,an dieser Stelle eine erweiterte Analyse vorzunehmen.
Wer an einem herrschaftsfreien Diskurs Interesse hat und mit wirklichen
Sachargumenten Kritik an meiner Darstellung äußern möchte, kann dies gerne tun.
Zu allererst möchte ich von meinen Erfahrungen berichten. Ich habe vor ein paar
Jahren in einer deutschen Großstadt das Referendariat begonnen. Die Schule lag in
einem sog. Problembezirk. Der Migrantenanteil war sehr hoch. Das Unterrichten
gestaltete sich als äußerst schwierig (was jetzt für viele keine neue Erkenntnis sein wird).
Über die Zustände an solchen Schulen ist schon viel geschrieben worden und daher spare
ich mir Details. Auch in den Seminaren habe ich vieles von dem erlebt, was in diversen
Foren schon berichtet wurde (in negativer Hinsicht). Die verschiedenen negativen
Faktoren haben so viel Druck in mir erzeugt, dass ich nach einigen Monaten gekündigt
habe. Interessanterweise hat ein Kollege von mir aus einem Seminar parallel zu mir
gekündigt und ich habe Kontakt mit ihm aufgenommen. Wir haben viel über unsere
Erfahrungen gesprochen und diese gemeinsam reflektiert.
Meine Thesen zum Referendariat lauten wie folgt:
1. Die faschistoiden Tendenzen, die vielerorts vorhanden sind, sind kein
Zufall. Durch das ''Referendariat'' werden angehende Lehrer in eine
künstlich erzeugt Krise gestürzt. Im Grunde genommen wird versucht,
einem die Persönlichkeit zu brechen (was bei mir der Fall war). Hat man
den Anwärter dann von allen Seiten schön weichgeklopft, wird man zum
Schluss durchgewunken und darf dann das 2. SE in Empfang nehmen. Daher
ist es auch kein Zufall, dass in den Seminaren wenig Freigeister
vorhanden sind. Und wenn jemand kreativ und frei denkt, wird ihm das
schon ausgetrieben. Und wehe man versucht Kritik zu üben (so wie das
mein Kollege versucht hat). Dann wird man rausgemobbt auf die übelste
Weise.
Im Referendariat ist diese Tendenz m.E. strukturell verankert
und Teil des Herrschaftssystems Schule (das Schulsystem ist alles andere
als demokratisch organisiert).
Die SL sind natürlich ehemalige
''Opfer'', die jetzt das weiter geben, was ihnen auch angetan wurde. Das
Referendariat ist überspitzt formuliert eine Art Initiation in die
Lehrersekte (bitte nicht allzu wörtlich nehmen)
Natürlich werden
einige jetzt einwenden, dass ihre Erfahrungen doch ganz anders waren und
sie auch viel gelernt haben. Das mag sein. Sicher gibt es auch gute SL
und gute Ausbildungsschulen. Dennoch wage ich zu behaupten, dass die
oben beschriebenen Tendenzen weit verbreitet sind. Es sind also nicht
nur rein subjektive Erfahrungen von einigen Wenigen.
2. All
diejenigen, die solche Strukturen ertragen mussten und ihren Wunschberuf
aufgegeben haben, sei gesagt, dass das nichts mit euch zu tun hatte.
Die Kritik, die ihr erhalten habt, ist wertlos. Das sind keine
Pädagogen, sondern einfach nur stupide Unterrichtsbeamte, die von
Pädagogik sowieso nichts verstehen. Nehmt euch das bloß nicht zu Herzen,
was dort gesagt wurde. Auch mein SL hat mir vor der Kündigung zu denken
gegeben, ob ich denn für den Lehrerberuf geeignet wäre. Das ist alles
eine standardisierte Rhetorik von standardisierten Menschen ohne Esprit.
3.
Vielen Referendaren und anderen Lehrern ist wohl nicht klar, was in den
letzten Jahren durch die Einführung des ''Kompetenzmodells'' und der
''Bildungsstandards'' mit dem Bildungssystem in Deutschland passiert
ist. Diese sog. ''Output-Orientierung'' ist nichts weiter als eine
technokratische Umstrukturierung des Bildungssystems. Es geht nicht mehr
um Bildung, sondern um die Vermittlung von Kompetenzen. Der Mensch soll
für die Wirtschaft und Industrie verfügbar gemacht werden. Die Folgen
für das Referendariat sind wie folgt:
a. Das ohnehin bürokratische Wesen des Referendariats ist nun noch weiter ausgebaut
b. Unterrichtsentwürfe müssen nun ''kompetenzorientiert'' verfasst werden.
c. Das Referendariat ist dadurch eine Ausbildung zu einer reinen Technokratenpädagogik
Im Wesentlichen steckt hinter dieser Umstrukturierung die Zerstörung der
deutschen Bildungstradition in Humboldtscher Prägung. Die Pädagogik wird
um ihren geisteswissenschaftlichen Kern beraubt und wird immer mehr von
technokratischen Ideologen vereinnahmt. Viele wissen nicht, dass
Industrieverbände hinter der Einführung des Kompetenzmodells stehen.
Ich persönlich bedaure diese Entwicklung sehr. Ich habe meinen Wunschberuf
deswegen aufgeben. Ich werde das nicht mitmachen und ich akzeptieren die
Autorität und Beurteilung der SL nicht. Ich könnte zwar wieder
einsteigen ins Ref, aber ich habe keine Lust, dort entgegen einer
pädagogischen Überzeugung ein Schauspiel abzuliefern und mir sagen zu
lassen, dass ich ''kompetenzorientiert'' unterrichten soll. Einen
''kompetenzorientierten Unterrichtsentwurf'' werde ich nie wieder
schreiben.
Konsequenzen muss jeder für sich individuell
entscheiden. Ich kann aber nur empfehlen, gut über diese Punkte
nachzudenken. Da ich als Geisteswissenschaftlicher und Pädagoge der
Gesellschaft und unseren Kindern verpflichtet bin, kann ich aus
Gewissensgründen das Referendariat nicht als seriöse Ausbildung
betrachten.
Wer das Ref aber schon ''erfolgreich'' hinter sich
gebracht hat, sollte prüfen, ob er nicht einen seelischen Schaden
davongetragen hat. Wenn man dann schon Lehrer ist, muss man ja solche
Entwürfe nicht mehr schreiben. Das ist sicher ein Vorteil.
Es ist abscheulich, wie versucht wird, den schönen Beruf des Lehrers zu zerstören.
Warum kommt kein Widerstand? Das deutsche Volk hat schon einmal versagt und
es ist erschütterlich zu sehen, wie scheinbar über die Hintertür ein
neuer Totalitarismus in der Gesellschaft Fuß fassen kann. Aus der
Markwirtschaft soll eine Marktgesellschaft werden. Wem das zu abstrus
erscheint, der lese bei Jochen Krautz nach. Das sind nicht alles bloße
Hirngespinste von mir selbst.
Ich bin gespannt, ob jemand in diesem Forum den Mumm hat, sich zu äußern.
Vielleicht wird dieser Eintrag auch schnell ''zensiert''. Das wäre dann schon
ein absolutes Armutszeugnis.
Viele Grüße
blitz80