Fake News und andere alternative Fakten

  • liebe Mitforisten,


    mir fällt in letzter Zeit immer wieder auf, dass die Schüler den "normalen Medien" misstrauen und so manche alternative Fakten für richtig erachten. Die Situationen in denen mir das auffällt sind breit gestreut. Von klassischen Afd-Parolen (von lieben, netten Mädchen vorgetragen) über Chemtrails bis zu Impfkritik ist alles dabei. Ach und natürlich die Politik bei anderen Herkunftsländern... heute aktuell zur russischen Wahl, aber auch Erdogan und Co sind immer mal wieder ein Thema.


    Ganz aktuell kam die Frage von einer russischstämmigen Schülerin, warum die deutschen Medien so falsch über die russische Wahl berichten, dort wäre doch alles ganz sicher mit rechten Dingen zugegangenen, schließlich berichten das russische Fernsehen das doch so...


    Irgendwie möchte ich solche Aussagen nicht einfach so stehen lassen, aber natürlich bin ich auch nichtin jedem Thema top fit, so dass mir dann oft die Argumente fehlen.


    Zur russischen Wahl z.B. habe ich durchaus eine eigene Meinung, kann aber Behauptungen nicht ad hoc einfach wiederlegen.


    In solchen Situationen frage ich mich dann oft, wie ich wohl am Besten reagieren sollte. Mir fehlt da dann auch das Verständnis, dass z.B. unabhängigen Wahlbeobachtern nicht geglaubt wird, weil "Putin hat schließlich im Fernsehen gesagt, dass das nicht stimmt."


    "Außerdem ist Putin voll toll, der packt schließlich auch auf dem Bauernhof bei den kleinen Bürgern mit an, das kam auch neulich im TV". Gut, dazu ist mir dann doch die Gegenfrage eingefallen, wie lange er das wohl macht und wie er dafür Zeit haben kann, aber ich finde das einfach schwierig da zu reagieren.


    Also: was macht ihr so im Fall von akutem Aluhut-Alarm im Unterricht?


    Und gibt es irgendwelche sinnvollen Konzepte zur Medienbildung, die ihr empfehlen könnt?

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Ich würde mehrere Quellen und Perspektiven einbeziehen und zeigen, dass es zu einer Person und Situation immer mehrere Meinungen gibt, die man beachten sollte.
    Je nachdem wie die Schüler kognitiv drauf sind und wie hoch das Interesse ist, kann man zu Medien auch mal über die Funktion diskutieren. Was soll das Medium/ die Quelle den vermitteln, wer ist der Urheber und was ist das Interesse? In Sozi lege ich Wert auf eine kritische Quellendiskussion.
    Im Falle Russland ist eine sachliche Diskussion eh immer etwas schwierig, das hängt meiner Meinung nach auch mit dem Demokratieverständnis zusammen.

  • ...dass die Schüler den "normalen Medien" misstrauen...

    Nun, eine gesunde Skepsis ist doch nicht so schlecht. Auch die sogenannten "normalen Medien" sind nicht (immer) objektiv und unabhängig. Zudem wird doch m.M.n. recht oft Meinung und Nachricht nicht sauber getrennt, z.B..



    ...und so manche alternative Fakten für richtig erachten.

    Woher weist du, dass diese alternativen Fakten nicht die richtigen sind?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Gerade zum Thema Russland und Medien würde ich mir Gabriele Krone-Schmalz als Gegenstimme anhören.


    Wenn ich mir die Qualität der heutigen Nachrichten anschaue, ist eine gesunde Skepsis schon ganz richtig.


    Der Westen ist immer im Recht und will immer das Gute und die Russen und Chinesen lügen prinzipiell. Entschuldige: Es ist ein ziemlich naives und einseitiges Weltbild im Zeitalter der Überflutung und den Versuch der Einflussnahme durch Medien.


    Ich würde die SuS ermutigen, selbst nachzudenken: Der Wahrheit nähert man sich in der Politik nur dadurch, indem man versucht, die Sichtweise und Interessen zu analysieren.


    Beispiel: Wenn der Westen, Nato dies und das macht...welche Ängste schürt das in Russland. Wie hat man sich verhalten (Denk an Obama, die Russland als Regionalmacht bezeichnet hat...wie kommt so etwas dort an.)
    Wie kommt es bei Polen an, wenn die Russen sich in die Angelegenheiten der Ukraine einmischen. Welche Ängste tauchen dort auf. Etc. Etc.


    Oder: Wenn Amerikaner bombardieren, ist das o.k, Guantanamo ist o.k. da redet kein Mensch mehr von.
    Wenn Russen bombardieren, werden sofort zivile Opfer gezeigt und der Kalte Krieg erwacht erneut.


    Du siehst, es ist eben nicht einfach so einfach.

  • Ich weiß nicht, ob das noch etwas für deine Zielgruppe ist:


    "Fake News – ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!" von der Bundeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg



    (Download 1,7 MB)


    Ich habe es bisher zwar noch nicht eingesetzt, aber mir gefällt es gut.

    • Offizieller Beitrag

    Putin und Erdogan sind Identifikationsfiguren für unsere russischstämmigen und türkischstämmigen MitbürgerInnen, vor allem dann, wenn diese das Gefühl haben, nicht vollständig an unserer (Mehrheits-)Gesellschaft teilhaben zu können oder schlichtweg zwischen den Stühlen stehen. (Eventuelle ideologische Vorprägung durchs Elternhaus schließe ich nicht per se aus!)
    Entsprechend anfällig sind sie dann für "Fake News" ebenso wie für "Real News" je nachdem, von welchem Medium sie stammen und ob die News mit dem eigene Weltbild und der eigenen Wertehaltung übereinstimmen.


    Letztlich trifft das aber auf alle von uns zu. Man neigt dazu, das zu glauben, was einem in den Kram passt und entsprechend das, was das eigene Weltbild zu erschüttern droht, als Lüge oder Propaganda abzulehnen.
    Es erfordert ein ordentliches Maß an Bildung und Selbstreflexion und kognitiver Arbeit, um nicht auf Fake News hereinzufallen.
    Unsere westliche Überlegenheitsarroganz dürfte vielen Menschen, die nicht im Westen leben, ziemlich auf den Zeiger gehen. Fragen wir doch einmal die Menschen, die in Afrika, in Asien, insbesondere aber im muslimischen Kulturraum (also Naher und Mittlerer Osten) leben, ob die Weltgeschichte, wie wir sie in unseren Büchern lesen, denn mit ihrer übereinstimmt. Wer das versteht, wird den Terrorismus mit anderen Augen sehen, wenngleich selbstverständlich nicht exkulpieren.

  • Plausibilitätsüberprüfung von Informationen ist fester Anteil meines Geschichtsunterrichts und auch des Englischunterrichts in der Qualifikationsphase. Ich versuche meine Lerner so auszubilden, dass ein "Stimmt das auch wirklich?" prinzipiell ständig im Hinterkopf ist, egal, welcher Provenienz die Information ist. Ebenso unterrichte ich aber, dass es sehr wohl Informationsquellen unterschiedlicher Verlässlichkeitsgrade gibt und woran man sie erkennt - Fox News ist nicht die BBC und Russia Today bzw. die BILD ist nicht die FAZ.


    Als greifbare Metapher gebe ich meinen Lernen den "Dicker-Hund-Indikator" an die Hand. Immer wenn ich was höre und mir "boah, das ist ja ein dicker Hund!" sage, dann muss ich diese Information zwingend überprüfen. Und auch dazu gebe ich meinen Lernen Strategien, Wege und Informationsmöglichkeiten an die Hand.


    Man ist als Bürger im Netz der verschiedenen Informationsmedien nämlich ganz und gar nicht so hilflos, wie immer getan wird.

  • P.S. Sehr wichtig in diesen Zusammenhängen ist übrigens auch das Lernziel, dass die Schüler erkennen und erschließen können, dass die Wahrheit ganz und gar nicht "immer in der Mitte" liegt.

  • P.S. Sehr wichtig in diesen Zusammenhängen ist übrigens auch das Lernziel, dass die Schüler erkennen und erschließen können, dass die Wahrheit ganz und gar nicht "immer in der Mitte" liegt.

    ...und dass es DIE eine Wahrheit nicht gibt, Aber entwicklungspsychologisch gesehen ist diese Erkenntnis erst mit 14 oder 15 etwas besser entwickelt...und manche Menschen erreichen diese Entwicklungsstufe auch nie.

  • Im Ref hatte einer der Mitreferendare das Video “Death Games/Todesspiele” vorgestellt.
    Bevor das Video gezeigt wurde, hat er wohl mit den Schülern erst einmal alle Vorurteile/Stereotype gesammelt die es über “Russen” gibt. Danach kam glaube dann der Hinweis, dass sie sich jetzt eine Doku über einen Bereich des russischen Lebens anschauen.


    Habe ich danach dann auch mal im einer Klasse ausprobiert. Wenn man vor der Auflösung der eigentlichen Filmingention stoppt und erst nach einer Reflexion des bis dahin gesehenen den Film weiter spielt, kann das zu einem Aha-Effekt führen.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-

Werbung