Inklusion an beruflichen Schulen - Personal?

  • plattypus schreibt;

    Zitat

    Das größte Problem sehe ich bei der Diagnose "Emotionaler und sozialer Förderbedarf".


    Wenn nur der Förderbedarf ES zugeschrieben wurde, haben die SuS eigentlich alle Möglichkeiten (oder sollten die haben). Natürlich gibt es zwischen Sonderpädagogen, die im Förderschwerpunkt ES ausgebildet wurden (Vorsicht, es ist enorm wichtig, in welchen Förderschwerpunkt die Sonderpädagogen ausgebildet wurden!) und Regelschullehrer enorme mentalitätsmäßige Unterschiede (bei ES-Schulen dreht sich häufig wirklich fast ALLES um die SuS und ihre Bedürfnisse).


    Förderschulen mit FS 'Lernen' sind häufig mehr 'schulmäßig' organisiert (da ist es auch nicht alltäglich und wird tendentiell eher regelschulmäßig sanktioniert, wenn etwa ein SuS tätlich wird)


    Sonderpädagogen kann man nicht als Einheit betrachten - das vor allem viele ES-Schüler Probleme haben, wenn sie aus ihrem Schonraum rauskommen, ist klar.


    ES-Pädagogik und Regelschulwesen ist leider ab der Grundschule praktisch in vielen Fällen unvereinbar, m-E. liegt das primär in der fehlenden Flexibilität der Lehrkräfte der allgemeinbeildenden Schulen (die man aber auch voll nachvollziehen kann aus ihrer Perspektive)

    • Offizieller Beitrag

    ES-Pädagogik und Regelschulwesen ist leider ab der Grundschule praktisch in vielen Fällen unvereinbar,

    Nur haben (bzw. hatten, weil ja beim Übergang in die BS aufgehoben) in meiner Abteilung ungefähr etwa 15% der SuS einen Förderbedarf ESE, daher hätten wir eben gerne auch mal entsprechende Förderschullehrer bei uns. Genau das ist ja der Inhalt meiner derzeitigen Lobbyarbeit (meine Person ist im Umfang von 6 Stunden pro Woche die einzige Ressource für die Beruflichen Schulen in Frankfurt mit etwa 25.000 SuS, und das ist schon mehr als in vielen anderen Schulamtsbezirken).

  • bei ES-Schulen dreht sich häufig wirklich fast ALLES um die SuS und ihre Bedürfnisse

    Und genau da sehe ich das Problem. Die "normalen" Schüler haben auch ein Anrecht darauf, daß ich für sie da bin. Je mehr Zeit ich in die ES-Schüler stecke, dest oweniger bleibt für die anderen übrig, wo wir eh schon wegen Lehrermangel die Stundenpläne zusammengestrichen haben. Den Lehrermangel haben wir aber nicht, weil es nicht g enug Bewerber geben würde, sondern weil bei uns 19,5 Schüler auf jede Lehrerstelle kommen. Wenn man dann einige sehr kleine Klassen hat, weil man die Landesfachklassen (in ganz NRW gibt es nur eine Klasse) anbieten muß, sind die übrigen Klassen eben übervoll und mit bis aufs Grundgerüst ausgedünnten Stundenplänen.


    Oder anders: Gerade in der letzten Woche hatte ich es, daß ich mich während meiner Unterrichtszeit für 60 Minuten mit einem Schüler in einen Nebenraum zurückziehen mußte. Ich habe die ganze Klasse aber nur 90 Minuten alle 2 Wochen. Damit ist der Unterricht für die übrige Klasse praktisch ausgefallen, weil ein einzelner Schüler meine komplette Aufmerksamkeit einforderte. Meiner Meinung nach ist sowas dem Rest der Klasse gegenüber nicht vertretbar, zumal es bei ES-Schülern mit einer "Sonderveranstaltung" nicht getan ist.

  • Wir haben 5-6 Lehrkräfte mit Zweitfach "Förderpädagogik/Sonderpädagogik", wovon einer das jedoch nicht mehr unterrichtet (1.500 SuS, 86 LK). Dazu eine ganze Reihe, die sich irgendwie durchbeißen. Derzeit zwei Werkerausbildungen, einige spezielle BVJ-/BEK-Klassen und den üblichen Mix aus Ehemaligen der verschiedenen Förderschulen, die nun in der Berufsausbildung sind. Unterstützung gibt es von zwei Schulsozialarbeiterinnen, eine davon mit förderpädagogischer Zusatzqualifikation.

  • Das Problem ist dann auch die Form der sonderpädagogischen Qualifikation...(bei Berufschullehrern, die Zusatzqualifikationen oder sowas machen, wäre ich auf jeden Fall skeptisch - kann man natürlich nicht generalisieren)


    Man muss wirklich schonmal an einer ES-Schule unterrichtet oder längere Zeit hospitiert haben, um wirklich ein Verständnis dafür zu bekommen...(das gilt für reine ES-Schüler - ES-Schüler in Kombination mit Förderbedarf Lernen sind wieder eine andere Baustelle)


    Trantor: 15% (reine) ES-Schüler in einem Bildungsgang an einem Berufskolleg wäre in NRW undenkbar, dafür sind die Bedingungen für die Zuschreibung des Förderbedarfs zu restriktiv.


    Problem ist ja auch, dass die Regelschullehrer bei größeren Verhaltensschwierigkeiten die SuS zunehmend in die Sonderpädagogik abschieben wollen - jene im Bereich ES aber nur für eine recht eng definierte Gruppe zuständig ist (verkürzt gesagt: Selbst - oder Fremdgefährdung; Unaufmerksamkeitoder ständige Unterrichtsstörungen reichen da nicht aus)

    • Offizieller Beitrag

    Man muss wirklich schonmal an einer ES-Schule unterrichtet oder längere Zeit hospitiert haben, um wirklich ein Verständnis dafür zu bekommen...

    Bei uns hat jeder sowieso mit ES-Schülern zu tun, die landen ja nach der Förderschule oder Sek-I doch fast alle bei uns, nur machen wir das eben ohne Unterstützung und aus dem Bauch heraus.

  • Gibt es denn keine eigenen Maßnahmen für psychisch Kranke bei euch? Wer wirklich bis zum Schulabschluss in der FS Erziehungshile hängen geblieben ist, ist doch sowieso nicht ausbildungsreif, oder?

  • Gibt es denn keine eigenen Maßnahmen für psychisch Kranke bei euch? Wer wirklich bis zum Schulabschluss in der FS Erziehungshile hängen geblieben ist, ist doch sowieso nicht ausbildungsreif, oder?

    Wir haben zwei Sozialarbeiter, wo ich einzelne Personen hinschicken kann. Aber auch die sind schon am verzweifeln. Ansonsten gibt es nichts. Ob die Schüler ausbildungsreif sind oder nicht, interessiert nicht. In NRW gibt es Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr und Teilzeitschulpflicht bis zum 18. Jahr. Also landen die bei uns alle in der ausbildungsvorbereitung und sitzen da ihre Teilzeitschulpflicht ab. Sonderpädagogen? Fehlanzeige.


    Derweil wird der Unterricht in der Ausbildungsvorbereitung bei usn auf möglichst viele Kollegen verteilt, damit die sich nicht total aufreiben und dann mit Burn Out den Dienst quittieren.

    • Offizieller Beitrag

    Wer wirklich bis zum Schulabschluss in der FS Erziehungshile hängen geblieben ist, ist doch sowieso nicht ausbildungsreif, oder?

    Mit dem Übergang in die berufliche Schule entfällt OFFIZIELL der Förderbedarf, deswegen bekommen wir ja auch zur Zeit noch keine Ressourcen, obwohl wir wie gesagt Inklusion ja schon seit fast 100 Jahren machen. Wobei an meiner Schulform (Berufsfachschule) eigentlich nicht mehr von Inklusion gesprochen werden kann, da haben eigentlich 95% ihr Päckchen zu tragen, deswegen sind sie ja bei mir und nicht an einer allgemeinbildenden Schule. Wegen Interesse am Berufsfeld kommt schon ewig fast keiner mehr.

  • @Trantor:
    Also bie uns kommen die meisten Vollzeitschüler, weil sie die Fachhochschulreife haben wollen. Die mit dem richtig großen Paket sind nur die zweitgrößte Gruppe und die eigentlichen Azubis rangieren auf Platz drei, was die Anzahl der Schüler angeht.

    • Offizieller Beitrag

    Also bie uns kommen die meisten Vollzeitschüler, weil sie die Fachhochschulreife haben wollen.

    In der Berufsfachschule geht es ja noch nicht um die Fachhochschulreife, sondern um Haupt- und Realschulabschluss.

  • Nuja, in NRW gibt es durchaus SuS, die nach dem Abschluss an einer Förderschule ES dann in die Oberstufe (meist Gesamtschule) wechseln (der dafür erforderliche Abschluss kann an der Förderschule ES erworben werden), Ist nicht der Regelfall, aber kommt öfter vor (häufig dann mit 4 Jahren Oberstufe statt 3)


    Asperger-Autismus oder ähnliches steht ja prinzipiell dem Erwerb auch von hohen/höchsten Bildungsabschlüssen nicht im Wege...Natürlich ist bei etlichen auch Ausbildungsreife vorhanden (im Zeitverlauf passiert ja auch viel)


    Problem bei Sonderpädagogen ist ja, dass die keine Wunderdinge machen können (hab oft den Eindruck, dass das häufig so eine Art 'Abschieben' von unbequemen SuS ist) - vor allem, wenn die sonstigen Strukturen halt 'Gift' sind für die jeweiligen SuS (das gilt auch für eine implizite Ausgrenzung am Berufskolleg aufgrund ihrer letzten besuchten Schule - das merken die SuS nämlich und reagieren entsprechend)

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